Deutschland wird nachgesagt während Fußball-Länderspielen 82 Millionen Bundestrainer zu haben. Zu Aufstellung, Taktik, Fitness – so ziemlich jeder Fußballinteressierte hat im Land von Fritz Walter und Franz Beckenbauer seine eigene Meinung. Diese ist natürlich auch immer die einzig Richtige. Für einen selbst wohlgemerkt.
Abseits des Fußballplatzes hat sich neuerdings eine neue „Sportart“ entwickelt: Meinungsäußerungen zu Politik, Tweets und Verhalten des polarisierenden US-Präsidenten Donald Trump.
Der nötige Tiefgang wird dabei des Öfteren vermisst. Wenig verwunderlich, stellen sich politische und gesellschaftliche Themen oftmals komplizierter dar, als es zunächst den Anschein hat. Differenzierung ist das Zauberwort.
Kritik an Präsident Trump ist, wie an jedem Politiker, notwendig. Nicht zuletzt im Hinblick auf eine lebendige demokratische Gesellschaft. Geschieht jene Kritik jedoch in einer wenig nachhaltigen oder gar wenig informierten Form, ist dies kontraproduktiv zu den eigentlichen Anliegen der Kritiker.
Die evangelische Kirche in Hannover hat dies mit einer Äußerung des Landesbischofs nun vorgemacht:
Vorausgegangen war Trumps Aussage, dass er sich, falls nötig, im juristischen Sinne auch selbst begnadigen könnte. Die Ermittlungen rund um die russische Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 und mögliche Absprachen Moskaus mit der Trump-Kampagne hängen bekanntlich weiterhin wie ein Damoklesschwert über Trumps Präsidentschaft.
Gleichwohl ist es fraglich, weshalb sich die evangelische Kirche in Hannover in US-amerikanische Innenpolitik einmischt. Wird dies dennoch getan, sollte sich wenigstens mit der Thematik ausgekannt werden.
Im politischen System der USA hat der Präsident nämlich ein Begnadigungsrecht inne. Dies besagt, dass dieser jedem Straferlass zusprechen kann, der unter Verdacht steht oder von einem Gericht für schuldig befunden wurde, Bundesgesetze gebrochen zu haben. In wie weit dies für den Präsidenten selbst gilt, sind Juristen unterschiedlicher Auffassung.
Eine Klärung wird gegebenenfalls durch Experten oder gar durch den Supreme Court erfolgen müssen. Mit der „Gnade Gottes“, wie Landesbischof Meister meint, hat der Sachverhalt allerdings nichts zu tun. Im Gegensatz zur deutschen Sprache unterscheidet das Englische zudem explizit zwischen der juristischen Begnadigung (pardon) und der Gnade Gottes (grace bzw. mercy). Trump sprach explizit von ersterem.
Ende nächster Woche verwandelt sich Deutschland wieder in die Nation der Bundestrainer. Gott sei Dank.