Herschel Walker rennt wieder

Ausverkauftes Stadion. Totenstille. Die Fans des heimischen Teams warten den nächsten Spielzug ihres American Football Teams ab. Die Mannschaft benötigt Ruhe, um ihren Spielzug besprechen zu können. Die Spieler gehen in Position. Der Quarterback bekommt den Ball, gibt sofort an den Runningback ab. Dieser durchbricht gekonnt die Verteidigung und läuft in die Endzone. Touchdown! Das Stadion tobt.

Eine Szene, welche die NFL-Legende Herschel Walker noch gut in Erinnerung haben wird. Denn gleich 61 Touchdowns lieferte der einstige Runningback zwischen 1983 und 1997 für seine Teams der Dallas Cowboys, Minnesota Vikings, Philadelphia Eagles und der New York Giants ab. In den Jahren 1987 und 1988 wurde Walker sogar in den Pro Bowl, dem alljährlichen All-Star-Game, gewählt.

Der im Jahr 1962 in Wrightsville, Georgia, geborene Walker war ein Ausnahmesportler. Die 100 Meter absolvierte er in 10,22 Sekunden, schaffte sogar fast die Olympia-Teilnahme als Staffel-Läufer. Die Olympischen Spiele mussten dennoch nicht ohne Walker auskommen: 1992 nahm er an den Winterspielen in Albertville teil. Er wurde siebter im Zweierbob. Einen schwarzen Gürtel im Taekwondo trägt er zudem. Für die koreanische Kampfkunst ist Walker durch seine Schnelligkeit und Kraft wie geschaffen.

Diese Stärke wurde in der Vergangenheit jedoch schon des Öfteren zu seiner größten Schwäche. Walker wird nämlich mehrfache Gewaltanwendung vorgeworfen. Beispielsweise soll Walker seine Ex-Frau mit einer Pistole an ihrem Kopf bedroht und gesagt haben, dass er ihr „Gehirn herausblasen“ will. Bei Walker wurde eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert.

Dies bedeutet, dass verschiedene Persönlichkeitszustände die Kontrolle über seine Handlungen, Gedanken und Gefühlen übernehmen. Diese Erfahrungen verarbeitete Walker in seinem 2008 veröffentlichten Buch „Breaking Free: My Life with Dissociative Identity Disorder“. Heute kann Walker laut eigener Aussage mit der Krankheit gut leben.

Weniger gut leben kann der republikanische Minderheitsführer im U.S. Senat, Mitch McConnell, mit der Situation, dass Walker sich nun für die republikanischen Vorwahlen zur Senatswahl im Bundesstaat Georgia für das nächste Jahr registriert hat. Auf Grund seines Bekanntheitsgrades gilt Walker als Favorit auf die Kandidatur, so dass er im November 2022 den amtierenden demokratischen U.S. Senator Reverend Raphael Warnock herausfordern würde. McConnell versucht derweil die ehemaligen Senatoren Kelly Loeffler und David Perdue für eine Teilnahme an den Vorwahlen zu gewinnen. Doch ob diese sich gegen Walker durchsetzen könnten gilt als fraglich.

Hinzukommt, dass Walker mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump die wohl derzeit wichtigste Unterstützung innerhalb der Republikanischen Partei genießt. Walker und Trump kennen sich schon seit den 1980er Jahren. Bevor Walker seine NFL-Karriere startete, lief er für die New Jersey Generals auf, einem Team in der zeitweiligen United States Football League. Im zweiten Jahr für die Generals wurde die Franchise von Trump übernommen. 1984 stattete Trump Walker mit einem lukrativen Vertrag aus, da dieser unter anderem die meisten Yards der Liga erlief.

Wäre es nicht fantastisch, wenn der legendäre Herschel Walker für den United States Senat in Georgia kandidiert? Er wäre unstoppbar, genauso wie damals als er für die Georgia Bulldocks und als er in der NFL gespielt hat. Außerdem ist er eine großartige Persönlichkeit.
(Donald Trump über Herschel Walker)

Trumps Unterstützung für Walker ist indes keine Einbahnstraße. Walker bekannte sich frühzeitig zum 45. US-Präsidenten, unterstützte diesen auch bei dessen – unberechtigten – Manipulationsvorwürfen zur Präsidentschaftswahl 2020. Bei der republikanischen Basis kommt dies gut an. Doch ein Wahlkampf gegen den Demokraten Warnock verspricht auch höchste Polarisierung und somit Wählermobilisierung beider Seiten.

Negative Auswirkungen könnte für Walker zudem haben, dass er erst wieder in seinen Heimatbundesstaat zurückgekehrt ist, als er seine Senatskandidatur in Betracht zog. Zuvor lebte Walker Jahrzehnte in Texas, dem Staat, der ihn bei den Dallas Cowboys zu einer NFL-Größe heranwachsen ließ. Neben diesem Punkt, Walkers Krankheit und Trumps Unterstützung, welche positive wie negative Effekte hat, merkt McConnell Walkers politische Unerfahrenheit als negatives Argument für dessen Kandidatur an.

Weshalb der republikanische Minderheitsführer im U.S. Senat ein derart großes Interesse an dieser Wahl hat, ist offensichtlich: Republikaner müssen im nächsten Jahr nur einen Sitz hinzugewinnen, um die Mehrheit im U.S. Senat zu stellen. Der Fokus wird hierbei primär auf Georgia liegen, da Demokraten 2020 bei der Präsidentschaftswahl und bei den Senatswahlen nur hauchdünn gewannen. Es ist der Staat, den Experten wie Politiker als am stärksten umkämpft einschätzen.

Nach seiner atemberaubenden Sportkarriere liegt auf Herschel Walker nun extremer politischer Druck. Kann er mit diesem, auch im Hinblick auf seine Gesundheit, umgehen? Im Englischen spricht man bei einer Kandidatur für ein bestimmtes Amt von „running for“, eins zu eins übersetzt also „rennen für“. Vor diesem Hintergrund ist Walkers Wahlkampfmotto „Laufe. Kämpfe. Gewinne.“ doppeldeutig zu verstehen. Ob er diesmal auch die Defensive des Gegners, ergo der Demokratischen Partei, durchbrechen kann wie einst als Runningback?

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); eigene Fotos; canva.com; eigene Grafiken

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