Wie Biden, so auch Clinton?

Im Mittelalter fanden dreimal im Jahr Ratsversammlungen statt, bei denen Angeklagte zu ihrer Verteidigung erscheinen konnten. War der Angeklagte auch nicht bei der dritten Versammlung anwesend, wurde dieser verurteilt. Auf altgermanisch entstand daraus die Redewendung „Aller guten Thinge sind drei“. Unter „Thing“ wurde eine Gerichtsverhandlung verstanden.

Biden benötigte drei Anläufe auf das Weiße Haus

Später wurde daraus „Aller guten Dinge sind drei“. Ein Motto, welches sich auch Joe Biden auf die Fahnen in Bezug auf seine Ambitionen auf die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika schrieb. Erstmals nahm der damalige U.S. Senator im Jahr 1988 an einer demokratischen Präsidentschaftsvorwahl teil. Doch Bidens Kandidatur scheitert noch vor der ersten Vorwahl, da er seine Teilnahme an den demokratischen Vorwahlen auf Grund von Plagiatsvorwürfen zurückziehen musste.

Ein zweiter Anlauf auf das Weiße Haus im Jahr 2008 war ebenso wenig erfolgreich. Nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der ersten Vorwahl in Iowa zog Biden seine Kandidatur zurück. 32 Jahre nach seiner ersten Präsidentschaftskandidatur nahm Biden zum dritten Mal an den demokratischen Vorwahlen teil – und gewann zunächst die Nominierung und später die Präsidentschaftswahl. „Aller guten Dinge sind drei“.

Auch Hillary Clinton scheiterte zweimal

Durch das Tal der Tränen zweifacher gescheiterter Präsidentschaftskandidaturen musste nicht nur Biden gehen. Auch die ehemalige First Lady, U.S. Senatorin und Außenministerin Hillary Rodham Clinton hat zwei unvollendete Präsidentschaftswahlkämpfe auf ihrem Lebenslauf stehen. Im Jahr 2008 unterlag Clinton bei den demokratischen Vorwahlen in einem spannendem Duell Barack Obama.

Acht Jahre später wurde Clinton zwar zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin gekürt. Doch der politische Außenseiter Donald Trump triumphierte in der Hauptwahl, insbesondere dank einer smarten Strategie in den eigentlich traditionell demokratisch wählenden Rust Belt Staaten, über Clinton. Die Demokratin war so schockiert, dass sie sich zunächst aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Clintons schrittweises Comeback

Vier Jahre später machten Gerüchte die Runde, dass Clinton erneut, ein drittes Mal, nach der Präsidentschaft streben könnte. Doch Clinton hielt sich mit einem dritten Versuch zurück, so dass Biden seine ersten beiden fehlgeschlagenen Kandidaturen vergessen machen konnte.

Nahezu klammheimlich arbeitete Clinton dennoch an ihrem Comeback. Ihr großes Netzwerk zu nationaler wie internationaler Politik, Wirtschaft und Medien baute sie weiter aus, bestehende Beziehungen wurden nochmals vertieft. Hilfreich dabei war und ist auch die Clinton Foundation, die Hillary gemeinsam mit ihrem Ehemann Bill im Jahr 2001 ins Leben rief.

Auf der internationalen Bühne hatte Hillary Clinton Ende vergangenen Jahres die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite, als die nach ihr benannte Auszeichnung des Georgetown Institute for Women, Peace and Security an Olena Zelenska vergeben wurde. Die First Lady der Ukraine wurde damit für ihren Einsatz für ihr Land im In- und Ausland zu Zeiten des russischen Angriffskrieges gewürdigt.

Clinton überreichte im März 2023 Zelenska im Rahmen des Forbes 30/50 Summit in Abu Dhabi öffentlichkeitswirksam die Auszeichnung. Gemeinsame Interviews, unter anderem auf MSNBC, folgten. Clinton war zurück im Rampenlicht – zudem mit einer durchweg positiven Berichterstattung um ihre Person.

Biden als Vorbild für Clinton

Präsident Biden wollte eigentlich im Februar 2023 seine erneute Präsidentschaftskandidatur bekanntgeben. Doch bis heute kam es nicht dazu. Am 01. April 2023 nutzte Clinton diese Gunst der Stunde und verkündete ihre dritte Teilnahme an den demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen. „Aller guten Dinge sind schließlich drei.“ Clinton weist viel politische Erfahrung auf, hat eines der besten Netzwerke in der US-amerikanischen Politik, ein klares Profil und ist zudem fünf Jahre jünger als Präsident Biden.

Es ist Zeit für eine Verjüngung und für die erste Frau im Weißen Haus.

Hillary Clinton bei ihrem Wahlkampfauftakt 2024.

In repräsentativen Umfragen zur demokratischen Vorwahl konnte sich Clinton zuletzt, trotz längerer Zeit ohne politisches Amt, nach Präsident Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris unter den drei beliebtesten Kandidaten behaupten. Nachdem Präsident Biden durch seine zögerliche Haltung ein Machtvakuum hat entstehen lassen, dürfte Clinton die Favoritin auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur und sogar auf die Präsidentschaft 2024 sein. „Aller guten Dinge sind drei.“ Wäre da nur nicht der Beginn des neuen Monats: April, April.

Viel Wahrheit und doch ein Aprilscherz. Hillary Clinton hat freilich ihre Kandidatur für 2024 nicht angekündigt. Zumindest noch nicht… Allen einen guten Start in den April!

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

#uswahl2024: Zwischenstand zum Kandidatenfeld 03/2023

In weniger als 590 Tagen sind US-Amerikaner dazu aufgerufen einen neuen oder alten Präsidenten zu wählen. In den USA beginnen Präsidentschaftswahlkämpfe frühzeitig, so dass die ersten Politiker ihre Ambitionen auf das Weiße Haus schon verkündet haben. Andere Personen wiederum loten noch intensiv eine Teilnahme an den Vorwahlen aus. Der nachfolgende Beitrag informiert vor diesen Hintergründen über den Zwischenstand zum Teilnehmerfeld zu den republikanischen und demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen 2024.

Republikanische Vorwahlen

Bislang haben vier Personen ihre Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen offiziell verkündet. Donald Trump ist als ehemaliger US-Präsident der prominenteste Teilnehmer, gefolgt von der einstigen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Wenig bekannt und lediglich mit Außenseiterchancen ausgestattet sind der Unternehmer Vivek Ramaswamy und Bürgermeister a.D. Steve Laffey. Das Kandidatenfeld ist seit mehr als einem Monat unverändert, mit weiteren Kandidaturen wird jedoch in den nächsten Monaten gerechnet.

Trump nimmt Konkurrenten medialen Sauerstoff

Als Reality-TV-Star nahm Trump im Jahr 2016 allen seinen 16 innerparteilichen Konkurrenten jeglichen medialen Sauerstoff. Das Wahljahr 2024 beginnt unter ähnlichen, wenngleich nochmals radikaleren, Voraussetzungen. Das Damoklesschwert von möglichen Anklagen gegenüber Trump bestimmt nämlich weitestgehend die landesweite Berichterstattung über die bisherigen republikanischen Vor-Vorwahlen.

In Washington D.C. untersucht ein Sonderermittler, ob der 45. US-Präsident am 06. Januar 2021, Stichwort Erstürmung des U.S. Kapitols, einen Umsturz anzettelte. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, ob Trump nach dessen Amtszeit klassifizierte Dokumente aus dem Weißen Haus wissentlich mitgenommen und unterschlagen hat. In Georgia wiederum droht Trump ein Prozess wegen des (möglichen) Versuchs der Beeinflussung regionaler Politiker, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 umzudrehen.

Die größte Berichterstattung nehmen gegenwärtig die Ermittlungen in New York City zu Trumps Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ein. Gleichwohl solche Zahlungen in New York nicht strafbar sind, könnten diese dennoch nicht gesetzeskonform von statten gegangen sein. Explizit wird hierbei der Frage nachgegangen, ob Daniels‘ Schweigen Trump im Wahlkampf 2016 half. Dies wiederum würde eine unerlaubte Wahlkampfspende darstellen.

Trump muss sich folglich mit mehreren juristischen Angelegenheiten gleichzeitig auseinandersetzen. Sollte es bei einem der oben angeführten Fälle zu einer Anklage kommen, würde dies jedoch keine direkten Auswirkungen auf seine Präsidentschaftskandidatur haben. Lediglich bei einer Verurteilung würde Trump (zunächst nur) der Entzug des aktiven Wahlrechts in seinem Wahlheimatbundesstaat Florida drohen.

DeSantis bereitet Kandidatur vor

Nach seinem Erdrutschsieg bei der Gouverneurswahl in Florida im November vergangenen Jahres hat sich Ron DeSantis zum gegenwärtig größten Konkurrenten für Trump um die republikanische Präsidentschaftskandidatur herauskristallisiert. DeSantis spricht ein ähnliches Wählerklientel wie Trump an, allerdings auf eine leisere, niveauvollere Art. In den vergangenen Wochen versuchte DeSantis seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, indem er sein im März erschienenes Buch „The Courage to Be Free“ („Der Mut frei zu sein“) im ganzen Land, insbesondere in den frühen Vorwahlstaaten, bewarb.

Gleichwohl vieles auf eine Teilnahme an den republikanischen Vorwahlen hindeutet, dürfte DeSantis seine Kandidatur wohl nicht vor Ende der Sitzungswochen des Parlaments seines Bundesstaates Florida am 05. Mai 2023 offiziell machen. Zuletzt konnte DeSantis mit Jeff Roe den Kopf hinter dem Wahlsieg von Glenn Youngkin zum Gouverneur von Virginia im Jahr 2021 für seinen Super PACNever Back Down“ als Berater gewinnen. Eine Personalie, die wiederum gegen eine Kandidatur des bislang als Geheimtipp gehandelten Gouverneurs von Virginia spricht.

Politisch hat DeSantis zuletzt den Kulturkampf zwischen konservativem und liberalem Amerika weiter angeheizt. Als Gouverneur von Florida ordnete DeSantis beispielsweise an, dass das Unterrichtsverbot für Themen der sexuellen Orientierung und Gender auf alle Altersklassen ausgeweitet wird. Bei der republikanischen Basis dürfte dies gut ankommen.

Pence versucht sich als klassische republikanische Alternative zu etablieren

Der ehemalige Vizepräsident Mike Pence steht laut eigener Aussage kurz vor einer Entscheidung bezüglich einer eigenen möglichen Präsidentschaftskandidatur. Bei der TV-Show von Sean Hannity auf Fox News erklärte der strenggläubige Christ, dass er und seine Frau Karen für eine Antwort diesbezüglich beten würden. Wie DeSantis hat auch Pence ein Buch („So Help Me God„) geschrieben und dies zuletzt primär in den frühen Vorwahlstaaten vorgestellt.

Zuletzt distanzierte sich Pence deutlich von seinem früheren Chef Trump sowie von DeSantis. Pence sprach beispielsweise Trump von einer Verantwortung für die Erstürmung des Kapitols nicht frei. Des Weiteren befürwortet Pence, im Gegensatz zu Trump und DeSantis, eine Ausweitung der US-Hilfen für die Ukraine. Ebenso schlug Pence eine Reform des Sozialversicherungssystems sowie von Medicare, die öffentliche Krankenversicherung für über 65-Jährige, aus, um die zukünftige Finanzierung sicherstellen zu können. Trump lehnt diese Vorhaben ab.

Hogan und Kemp kandidieren nicht

Der moderate Republikaner Larry Hogan verzichtet auf eine Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Im Gespräch mit Bob Costa von CBS ließ der ehemalige Gouverneur von Maryland verlautbaren, dass zu viele gemäßigte Kandidaten bei den Vorwahlen nur Trump stärken würden. Schon 2016 nahmen sich moderate Republikaner gegenseitig die Stimmen weg, so dass sich der damalige Immobilienmogul durchsetzen konnte.

Ebenso eine Kandidatur ausgeschlossen hat der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp. Kemps Amtskollege aus North Dakota, Doug Burgum, lotet hingegen eine Teilnahme an den republikanischen Vorwahlen aus.

Christie und Scott vor Entscheidung

Der lautstarke, politisch jedoch gemäßigte Chris Christie, einst Gouverneur von New Jersey, wird sich innerhalb der nächsten 60 Tage über seine nach 2016 mögliche zweite Präsidentschaftskandidatur entscheiden.

Als bislang einziger U.S. Senator lotet gegenwärtig Tim Scott eine Kandidatur aus. Der Afroamerikaner aus dem Bundesstaat South Carolina würde insbesondere auf evangelikale Wählergruppen abzielen sowie eigenen Aussagen zufolge optimistische Botschaften verbreiten wollen.

Haley und Pompeo üben Kritik an eigener Partei

Kritik gegenüber der Schuldenpolitik der eigenen Republikanischen Partei äußerten zuletzt Haley und Mike Pompeo. Beim Club for Growth sprach Haley davon, dass „es viele republikanische Politiker fast so gerne mögen wie Demokraten, das Geld der Steuerzahler auszugeben und zu verschwenden.“

Der ehemalige Außenminister Pompeo kritisierte gar explizit die Schuldenpolitik der Trump-Administration, in der er als Außenminister diente. Haley hat schon ihre Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen verkündet, Pompeo dürfte ihr in den nächsten Monaten folgen.

Demokratische Vorwahlen

Zu den demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen gibt es mit Marianne Williamson bislang nur eine offizielle Bewerberin. Wie schon im Jahr 2020 werden der Autorin jedoch keine Chancen eingeräumt. Zumal mit einer erneuten Kandidatur von Präsident Joe Biden gerechnet wird.

Gegenwärtig klärt der Mitarbeiterstab von Präsident Biden, ob dessen Wahlkampfhauptquartier in seiner Heimatstadt Wilmington, Delaware, oder im medial günstiger gelegenen Philadelphia, Pennsylvania, aufgeschlagen werden soll. Der Amtsinhaber muss ebenso eine Entscheidung treffen, in welcher Stadt der Demokratische Nominierungsparteitag 2024 abgehalten werden soll. Chicago, Illinois, gilt als Favorit.

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Das Stimmungsbarometer 03/2023: US-Amerikaner befürworten mehrheitlich TikTok-Verbot

„1600 Pennsylvania“ informiert über die aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute.

Repräsentative Umfragen aus D.C.

 

Weitere repräsentative Umfragen

Repräsentative Umfragen rund um die #uswahl2024

Nicht-repräsentative Umfrage auf Twitter

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Richard Nixons Blick in die Glaskugel

Richard Nixon war zweifelsfrei eine polarisierende Persönlichkeit. Infolgedessen ist es wenig verwunderlich, dass die Präsidentschaft des Republikaners negative wie positive Erinnerungen hervorruft. Einerseits trat Nixon im Rahmen der Watergate-Affäre als bisher einziger Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von seinem Amt zurück. Andererseits stand der 37. US-Präsident für eine nahezu revolutionäre Außen- und Sicherheitspolitik.

Nixon war nämlich auch der erste US-Präsident, der zu Staatsbesuchen in die Sowjetunion und in die Volksrepublik China reiste. Im Jahr 1972 brachte er die Ping-Pong-Diplomatie zu einem Höhepunkt, als er sich zu Gesprächen mit Mao Zedong traf und die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China vereinbarte. Mit dem sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew unterzeichnete Nixon das Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT I.

Mit seiner Entspannungs- und Abrüstungspolitik erwarb sich Nixon einen exzellenten außen- und sicherheitspolitischen Ruf. Eine Begebenheit, die ihm noch bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1994 zu einem gefragten Fachmann machte. In einem Fernsehinterview äußerte sich der damals 81-Jährige über das neue Russland, welches nach dem Zerfall der Sowjetunion erstmals ein demokratisches System mit expliziten Freiheitsrechten genoss.

Vor diesem Hintergrund sah Nixon Russland auf einem Scheideweg: „die Ideen der Freiheit (…) [würden nun] auf die Probe gestellt“. Könnten sich die Werte der Freiheit in Russland nicht durchsetzen, würde es laut Nixon zwar „keine Umkehr zum Kommunismus, der versagt hat,“ geben. Aber, so Nixon weiter, wäre es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem neuen Despotismus kommt, „der eine tödliche Gefahr für den Rest der Welt darstellen würde“.

Nixon beschrieb diese Herausforderung explizit mit den Worten

eines Virus des russischen Imperialismus, der die Charakteristik russischer Außenpolitik seit Jahrhunderten darstellt.

Aus diesen Gründen hätte der Westen, so Nixon, großes Interesse am Erfolg von Demokratie und Freiheit in Russland. Ansonsten bestünde eine reelle Gefahr für den Weltfrieden. Weitere (ehemalige) kommunistische Staaten wie China könnten sich bei einem Scheitern des russischen Freiheitsprojekts zudem ermutigt fühlen Vertretern eines harten politischen Kurses wieder das Kommando zu geben.

Knapp 30 Jahre nach Nixons Analyse ist festzustellen, dass sich in Russland die Werte der Freiheit nicht durchsetzten, es entstand ein erneutes autoritäres System. Der Kreml bedient sodann den in der Bevölkerung historisch bedingten tief verwurzelten russischen Imperialismus unter anderem mit einem Angriffskrieg auf die Ukraine. Im kommunistischen China wiederum erklärte sich Xi Jinping quasi zum Staatspräsidenten auf Lebenszeit und damit zum mächtigsten Mann seit Mao Zedong.

Gleichwohl es im Rückblick so anmuten mag, war es doch kein zufälliger Blick in die Glaskugel, den Richard Nixon im Jahr 1994 von sich gab. Aus Nixon sprach vielmehr dessen großer außen- und sicherheitspolitischer Erfahrungsschatz, gepaart mit einem breit angelegten Wissen über die Geschichte und Kultur anderer Länder. Qualifikationen, die insbesondere einem Großteil der deutschsprachigen Politik und Öffentlichkeit in Bezug auf Russland und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine abgingen und abgehen. Die heutigen Geschehnisse in Russland und China kommen mitnichten überraschend.

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Die Buchbesprechung: „Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ (Leonid Wolkow)

Im Vorfeld des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ignorierte der Westen, vornehmlich die Bundesrepublik Deutschland, eine Vielzahl an Warnungen (ein Beitrag auf „1600 Pennsylvania“ hat sich ausführlich mit der Thematik beschäftigt, Klick hier). Doch auch US-Präsident Joe Biden beging in seinem ersten Amtsjahr folgenreiche Fehler. Beispielsweise hob er einerseits den Widerstand gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland direkt nach Deutschland auf.

Andererseits wertete Präsident Biden, ähnlich seinem Vorgänger, seinen russischen Amtskollegen Vladimir Putin unnötig auf wie auch Leonid Wolkow in seinem Buch „Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ treffend feststellt:

Nach dem Giftgasanschlag auf Nawalny war Putin politisch in Isolation geraten, seinem nächsten Umkreis waren empfindliche Sanktionen auferlegt worden, ihm selbst drohten weitgehende Ermittlungen durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen. Was tat Putin daraufhin? Er verlegte ein paar Truppeneinheiten an die ukrainische Grenze, inszenierte eindrucksvoll Vorbereitungen zum Krieg, und schon wendete sich das Blatt um 180 Grad, schon rief US-Präsident Biden bei ihm an und lud ihn zum Gipfeltreffen nach Genf ein (…)“

Leonid Wolkow: Putinland, S. 134f.

In seinem 233 Seiten starken und in der deutschsprachigen Ausgabe im Droemer Verlag erschienen Werk verbindet Wolkow solche Analysen über die westliche Russland-Politik mit den Erfahrungen während seiner Tätigkeiten in der russischen Opposition. Herausgekommen ist ein Werk, welches einen guten Einblick in die Sichtweise eines ehemaligen in Russland ansässigen politischen Aktivisten gibt.

Ehemalig, da für Wolkow als einstigen Leiter der Kampagne von Alexei Nawalny zur Bürgermeisterwahl in Moskau 2013 und als politischer Direktor der Antikorruptionsstiftung FBK kein Platz mehr im autoritären Russland war. Seit 2019 lebt Wolkow nun schon im litauischen Exil. Die verständliche Verbitterung gegenüber diesen Zustand und den mangelnden positiven Veränderungen in Russland kann Wolkow in seinem Buch nicht verbergen. Vor diesem Hintergrund bezeichnet er Putin unter anderem als:

(…) blassen politischen Emporkömmling (…)

Wolkow: Putinland, S. 14

oder beschreibt den Kreml-Herrscher mit den Worten:

(…) was für ein armseliger und lächerlicher Mensch Russlands Präsident ist.

Wolkow: Putinland, S. 10

Ich halte Präsident Putin nicht für besonders klug oder gebildet (…)

Wolkow: Putinland, S. 34

Um eine Person oder ein System politisch zu bekämpfen, sollte diese/s jedoch nicht unterschätzt werden. Immerhin ist Putin seit dem Jahr 2000 der mit Abstand mächtigste Mann Russlands. Seine Macht konnte der ehemalige KGB-Agent stetig ausbauen, auch weil Putin und dessen Entourage oftmals mehrere Schritte im Voraus dachten. In Bezug auf die Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik sei an dieser Stelle auch auf die Einflussnahme auf den Energiesektor Deutschlands durch die Nord Stream Pipelines erinnert.

Catherine Belton analysiert in ihrem sehr lesenwerten Werk „Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“ detailliert den Aufstieg Putins, zu dem eine jahrelange Vorbereitung dazugehörte. Die britische Investigativjournalistin widerspricht damit den Thesen Wolkows. Dem Geschichtsbild Wolkows würde Belton wohl ebenso widersprechen, blendet dieses doch Russlands imperialistische Vergangenheit im Zarenreich sowie unter der Sowjet-Diktatur aus.

Nawalny und seine Mitstreiter, zu denen auch Wolkow gehört, werden in Deutschland oftmals als die Hoffnung auf ein demokratisches, liberales Russland dargestellt. Berechtigte Bedenken über diese hehren Ziele begegnet Wolkow mit dem Totschlagargument der „reinen Russophobie“ (Wolkow: Putinland, S. 15).

Vielmehr lässt das Werk „Putinland“ durchblicken, dass auch bei den prominentesten Akteuren, die sich gegen Putins Herrschaft einsetzen, ein imperialistisches Gedankengut mitschwingt. Ähnlich früheren und aktueller russischer Führer bedient sich Wolkow zudem auch bei Nawalny dem Narrativ der grenzenlosen Erhöhung. Als Exemplifizierung dient Wolkows Beschreibung von Nawalnys Rückkehr in die Russische Föderation nachdem dieser einen Giftanschlag überlebte:

Nawalnys Rückkehr nach Russland hatte geradezu biblische Dimensionen. Wie der mythische Phönix aus der Asche war er wiederauferstanden, er war unversehrt und stärker als je zuvor.

Wolkow: Putinland, S. 126

Kurz darauf wurde Nawalny inhaftiert. Doch ebenso wie diese Rückkehr wartet auch Wolkow mit Naivität auf:

Aber Nawalny hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Sein Team hatte (…) an einem Dokumentarfilm über Putins gigantischen Palast am Schwarzen Meer gearbeitet (…)

Wolkow: Putinland, S. 126

An den Machtstrukturen hat dies freilich nichts geändert. Erwähnt sei außerdem, dass Nawalny die völkerrechtswidrige Annexion der Krim im Jahr 2014 nicht verurteilte und diese, sofern er Präsident wäre, auch nicht zwingend zurückgeben würde. Ein weiteres Referendum solle laut Nawalny über den Status der Krim entscheiden, welches freilich auf Grund der von Moskau forcierten veränderten Bevölkerungsstruktur eine weitere Farce wäre. 2008 forderte Nawalny gar die russische Besetzung des gesamten georgischen Territoriums.

Russlands imperialer Wahn geht also nicht nur auf „Putinland“ zurück, wie Nawalnys Mitstreiter Wolkow in seinem Buch behauptet. Unterstrichen wird dies zudem, dass auch nach dem ersten Kriegsjahr drei Viertel der russischen Bevölkerung die Invasion der Ukraine unterstützen (Hintergründe Klick hier).

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass „Putinland“ von Leonid Wolkow auf Grund dessen Befangenheit, Naivität und Sozialisation deutliche Schwächen im Hinblick auf Analysen der Ära Putin aufweist. Die Stärken, welche der Autor in Bezug auf die Beschreibung seiner persönlichen Erfahrungen während seiner Zeit als Aktivist in Russland sowie hinsichtlich der Beurteilung westlicher Russland-Politik aufweist, werden so konterkariert.

Vielen Dank an den Droemer Verlag für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.
Weiterführende Informationen des Verlags (Klick hier).

Die offizielle Buchbeschreibung

Unter Putin hat sich Russland zu einer imperialistischen Diktatur verwandelt, die die Werte und das Lebensmodell des Westens bedroht. Wie das passiert ist und warum Europa es bis zuletzt ignoriert hat – das analysiert Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter des inhaftierten Dissidenten Alexei Nawalny. Anhand persönlicher Erfahrungen im Kampf gegen Korruption und Willkürherrschaft legt er die brutale imperialistische Dynamik in Putins Reich offen und zeigt, was man in Deutschland und Europa nicht wahrhaben wollte. Wer Russland, Putin und den Angriffskrieg gegen die Ukraine verstehen will, kommt an seiner brisanten Analyse nicht vorbei.

„Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ (Leonid Wolkow)

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.