Wie die Ukraine befindet sich auch Israel in einem Überlebenskampf. Als wichtigster Unterstützer agiert bei beiden Ländern die USA. Gleichwohl irritierte die Administration von Präsident Joe Biden in den vergangenen Monaten beide Verbündete mehrmals. Nachdem im ersten Teil von „Gute Freunde kann niemand trennen?“ das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Ukraine ausgearbeitet wurde (Klick hier), befasst sich der zweite Teil mit den bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Israel.
Israels Überlebenskampf
Die Ausgangslage
Seit ihrer Staatsgründung am 14.05.1948 ist sich Israel einer kontinuierlichen Bedrohung durch un- wie mittelbare muslimische Nachbarstaaten und Terrororganisationen ausgesetzt. Am 07.10.2023 führte sodann die islamistische Hamas aus dem Gazastreifen heraus das größte Massaker an der jüdischen Bevölkerung seit dem Holocaust aus. Mehr als 1.300 Menschen wurden teils auf bestialische Weise ermordet, Frauen vergewaltigt, Kinder gefoltert. 239 Personen wurden von der Hamas in den Gazastreifen entführt, viele von ihnen werden auch noch im April 2024 gefangen gehalten.
Die im Gazastreifen lebenden Palästinenser befürworteten laut mehreren, in Kriegszeiten freilich unter erschwerten Voraussetzungen durchgeführten, Erhebungen die Tat der Hamas. Die Terrororganisation, welche auch eine politische Partei darstellt, bekam ohnehin im Jahr 2006 ein Mandat von der palästinensischen Bevölkerung, den Gazastreifen zu regieren. Finanziert wird die Hamas primär von der Islamischen Republik Iran.
Das Ziel der Hamas und der Islamischen Republik Iran
Das Ziel der islamistischen Hamas wie des Mullah-Regimes im Iran ist die Vernichtung Israels. Palästinenser teilen diese antizionistische und antisemitische Einstellung mehrheitlich. Anlehnend an dieses Ziel wurde der Schlachtruf „From The River To The Sea, Palestine Will Be Free“ („Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein“) kreiert. Geteilt wird dieser Vernichtungsaufruf von vielen im westlichen Ausland lebenden Muslimen und Linken. Die aufgeklärte, urbane iranische Bevölkerung setzt sich hingegen unter schwierigen Bedingungen für den Sturz des islamistischen Regimes in Teheran ein.
Die Reaktion Israels
Seit dem Angriff der Hamas vom Oktober 2023 macht Israel von seinem Selbstverteidigungsrecht Gebrauch: Die Hamas, so das Ziel Jerusalems, soll zerschlagen werden, damit zukünftig keine Gefahr mehr für Israel aus dem Gazastreifen besteht. Die geschätzten 30.000 Kämpfer der Hamas im bevölkerungsreichen, aber territorial kleinen Gazastreifen zur Rechenschaft zu ziehen, stellt für die israelische Armee ein heikles Unterfangen dar.
Die Zivilbevölkerung wird zwar durch Flugblätter, Social Media Aufrufen und teils sogar mit Anrufen in arabischer Sprache vor bevorstehenden Einsätzen der Armee gewarnt. Doch die Hamas versteckt sich nicht nur in ihrem kilometerlangem Tunnelsystem, sondern auch in Krankenhäusern sowie Wohngebäuden und nimmt somit die Zivilbevölkerung in – passive – Geiselhaft. Zivile Opfer sind somit kaum vermeidbar und können lediglich minimiert werden.
Die Reaktion der USA
Präsident Biden ließ im Oktober seine uneingeschränkte Solidarität mit Israel verlautbaren. Nur elf Tage nach dem Terrorangriff reiste der 46. US-Präsident nach Tel Aviv, um sich aus erster Hand über die israelischen Ziele im Kampf gegen die Hamas zu informieren. In einer wirkmächtigen Rede versicherte Präsident Biden die US-amerikanische Unterstützung für die Sicherheit des Staates Israel.
Die Kontroverse
Mit andauerndem Kampfeinsatz im Gazastreifen verlor Israel den Medienkrieg. Bilder von hungernden palästinensischen Kindern gingen und gehen um die Welt, ohne freilich vom jeweiligen veröffentlichten Medium differenziert eingeordnet zu werden. Humanitäre Hilfslieferungen werden nämlich oftmals von der Hamas für ihre terroristischen Zwecke missbraucht, über die Vorgehensweise der israelischen Armee (siehe oben) kaum berichtet.
Infolgedessen stieg der innenpolitische Druck auf Präsident Biden und dessen pro-israelischer Rhetorik und Politik an. Denn insbesondere bei jungen, liberalen und muslimischen US-Amerikanern kam Präsident Bidens Haltung nicht gut an. Kohorten, die mehrheitlich kritisch gegenüber Israel und positiv gegenüber den Anliegen der Palästinenser eingestellt sind. Gruppen, die ihre extremen Einstellungen offensiv vertreten und auch vor Gewalt gegenüber Studenten jüdischen Glaubens, wie an der Columbia University geschehen, nicht Halt machen.
Das Weiße Haus reagierte auf diese im Wahljahr für die Wiederwahlchancen von Präsident Biden bedrohliche Entwicklung, sind doch insbesondere in den Swing States des Rust Belts muslimische Wähler mitentscheidend über Sieg oder Niederlage. Die Biden-Administration betont seitdem verstärkt die humanitären Aspekte im Gazastreifen. Die US-Regierung übt zudem kontinuierlichen, auch öffentlich geäußerten, Druck auf die israelische Regierung bezüglich einer aus sicherheitspolitischen Aspekten fragwürdigen temporären Feuerpause aus. Eine israelische Offensive gegen die Stadt Rafah, die letzte Hochburg der Hamas, lehnen die USA ab.
Als am 13.04.2024 der Iran erstmals direkt Israel angriff, übten sich die USA erneut in Solidarität mit Jerusalem. Wenig später wurde, wie schon nach dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023, eben jene Solidarität relativiert. Die Biden-Administration forderte Israel nämlich dazu auf die weitestgehende Abwehr des iranischen Angriffs als Erfolg zu verbuchen, es solle keine israelische Reaktion hierauf erfolgen.
Zu diesem Zeitpunkt ließ sich Israel freilich kaum noch in ihrer Militärstrategie von den USA beeinflussen, zu unglaubwürdig und zu innenpolitisch fokussiert agierte Präsident Biden für die Verantwortlichen in Jerusalem. Dass sich US-Außenminister Anthony Blinken dafür einsetzte, die Sanktionen gegen den Iran nicht stärker auszuweiten, dürfte das Mullah-Regime zudem als Bestätigung ihrer antizionistischen Politik verbucht haben.
Fazit
Präsident Biden setzt sich schon seit Beginn seiner langen politischen Karriere für das Existenzrecht Israels ein. Als Hausherr von 1600 Pennsylvania Avenue versucht er jedoch mit der Besänftigung von antizionistischen Wählergruppen bei gleichzeitiger Solidarität mit Israel die sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Einige Äußerungen aus dem Weißen Haus – sowie aus dem politischen Berlin – sind in Israel mit Ärgernis aufgenommen worden, hatte es doch oftmals den Anschein, als würde es mehr Sympathien für die Angreifer als für die Opfer geben.
Fazit für Präsident Bidens Ukraine- und Israelpolitik
Präsident Biden ist ein Meister der historisch schon unzähligen Male gescheiterten Appeasment-Politik. Dass hierbei befreundete, angegriffene Staaten auch öffentlich kritisiert werden, nimmt der 46. US-Präsident in Kauf. Umso mehr ist dies der Fall, wenn es den eigenen Wiederwahlinteressen nützt. Befreundete Staaten, wie beispielsweise Deutschland, werden hiermit aus der Verantwortung genommen, die im Krieg befindlichen befreundeten Staaten stärker zu unterstützen.
Dieser scheinbare Wohlfühlkokon, den schon Barack Obama kreierte, zum Beispiel mit den später wenig überraschend gescheitertem Neustart der Beziehungen zu Russland (siehe untenstehendes Video) und dem zu kurz gedachten Atomabkommen mit dem Iran, kommt letztendlich primär den Autokratien dieser Welt zugute. Gute Freunde werden diese für den freien, demokratischen, liberalen Westen sicherlich nicht.
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