Vorsicht vor Vorwahlumfragen

Die Anklage im Fall „Stormy Daniels“ wirkte sich für Donald Trump politisch bislang positiv aus. Einerseits konnte Trumps Wahlkampagne eine Steigerung an Spendeneinnahmen verbuchen. Nach einem schwachen Start verbuchte Trump Spenden in Höhe von $18,8 Millionen im ersten Quartal des Jahres, die insbesondere nach der Anklageverlesung generiert wurden.

Andererseits baute der ehemalige Präsident seinen Umfragevorsprung bei den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen aus. Laut dem Stimmungsbarometer 04/2023 würden gegenwärtig 52,3% aller republikanischen Wähler ihre Stimme Trump geben. Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, erreicht nur noch 23,6%. Es folgen Mike Pence, ehemaliger Vizepräsident, und Liz Cheney, einstige Abgeordnete des U.S. Repräsentantenhauses, mit 4,6% respektive 4,0%.

Neun Monate vor Beginn der Vorwahlen scheint die republikanische Präsidentschaftskandidatur nur über Trump zu gehen. Doch bei der Beurteilung von repräsentativen Umfragen zu diesem frühen Zeitpunkt, bei dem noch nicht einmal alle Politiker mit Ambitionen auf das Weiße Haus ihre Kandidaturen erklärten, ist Vorsicht geboten. Zu oft endeten frühe Höhenflüge für Präsidentschaftskandidaten mit einem Absturz.

Bei Familie Bush sind aller guten Dinge nicht drei

Im Jahr 2016 ging Jeb Bush als Mitfavorit in die republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Als erfolgreicher Gouverneur brachte Bush politische Erfahrung mit. Als Bruder von Präsident George W. Bush und Sohn von Präsident George H.W. Bush konnte Jeb zudem auf ein starkes Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bauen.

Infolgedessen führte Bush im Mai 2015 die Vorwahlumfragen, gleichwohl knapp, an: 15,5% der Republikaner unterstützten laut der auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute seine Kandidatur. Eine Teilnahme von Trump an den republikanischen Vorwahlen wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernst genommen und folglich auch nicht nach dessen Beliebtheit gefragt.

Doch nur einen Monat nach Trumps Einstieg in den Wahlkampf, welcher am 16.06.2015 erfolgte, übernahm der Immobilienmogul die Führung in den Umfragen: 16,8% der republikanischen Wähler sprachen sich zu diesem Zeitpunkt für Trump aus, 14,8% für Bush. Im November wurde Trump von der Spitze kurzzeitig durch Dr. Ben Carson abgelöst. Bush war schon zu diesem Zeitpunkt entzaubert. Bei den ersten vier Vorwahlen kam Bush jeweils nicht über Platz 4 hinaus, so dass er seine Kandidatur bereits am 20.02.2016 beendete.

2012 zerstörte eine Gedächtnislücke eine politische Karriere

2012 duellierten sich mit Rick Perry aus Texas und Mitt Romney aus Massachusetts zunächst zwei erfolgreiche Gouverneure um die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Romney führte zu Beginn die Umfragen an, Perry löste ihn im September 2019 ab: 31,8% der Republikaner favorisierten Perry, 19,8% Romney.

Doch Perry unterlief ein fataler Fehler bei der Fernsehdebatte im November 2011. An drei Fingern wollte der texanische Gouverneur aufzählen, welche Bundesministerien er als Präsident abschaffen würde. Doch Perry fielen nur zwei Ministerien ein:

Handel, Bildung, und… ähm… ähm… Oops.

Das Publikum lachte. Seine innerparteilichen Konkurrenten, insbesondere Ron Paul, verhöhnten Perry daraufhin. Perry reagierte auf seinen Aussetzer zudem wenig souverän. Seine guten Umfragewerte gehörten von diesem Tag an der Geschichte an. Romney sollte sich bei den republikanischen Vorwahlen durchsetzen.

Der Beginn des Absturzes von Amerikas Bürgermeister

Im Jahr 2007 stellten sich Republikaner die Frage, wer die Partei nach der Ära von George W. Bush in die Zukunft führen sollte. Früh kristallisierte sich Rudy Giuliani als Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur heraus. Nur sechs Jahre nach den islamistischen Terroranschlägen des 11. September 2001 war den US-Amerikanern das beeindruckende Krisenmanagement des New Yorker Bürgermeisters noch in guter Erinnerung.

Folglich führte Giuliani die Umfragen zu den republikanischen Vorwahlen bis zum Wahljahr deutlich an. Im März 2007 standen 38% der Republikaner hinter Giuliani, auf Rang Zwei folgte John McCain mit 21%. Doch Giulianis Wahlkampfteam entschied sich für eine fatale Wahlkampfstrategie, indem sich auf die delegiertenreichen Bundesstaaten am Super Tuesday und nicht auf die frühen Vorwahlstaaten konzentriert wurde.

Die Folge: Giulianis Absturz bei den ersten Vorwahlen und McCains kometenhafter Aufstieg. Am 30.01.2008 zog Giuliani seine Kandidatur zurück und sprach sich für die Wahl von McCain, der letztendlich auch nominiert werden sollte, aus. Giuliani sollte sich von dieser Niederlage nicht mehr erholen. Nach der Präsidentschaftswahl 2020 verteidigte er Trumps krude Wahlverschwörungstheorien so stark (und so lächerlich) wie kaum ein anderer Republikaner. Offenbar, um wieder im Rampenlicht stehen zu können.

Ein Wandel, an den Hillary Clinton nicht glauben konnte

Auch bei den demokratischen Vorwahlen gab es im Jahr 2008 einen denkwürdigen Favoritensturz. Die Zeit war reif für die erste Präsidentschaftskandidatin bei einer der beiden großen US-Parteien. So dachten zumindest zahlreiche Experten – und natürlich Hillary Rodham Clinton selbst. Ihr Qualifikationsprofil war schon zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich.

Als einstige First Lady nahm Clinton eine aktive Rolle bei politischen Entscheidungen während der Präsidentschaft ihres Mannes Bill ein. Des Weiteren vertrat Clinton schon seit 2001 ihren Bundesstaat New York im U.S. Senat. Clinton kristallisierte sich vor diesen Hintergründen von Beginn an als Favoritin auf die demokratische Nominierung heraus.

Dementsprechend führte Clinton im gesamten Jahr 2007 die innerparteilichen Umfragen deutlich an. 13 Monate vor der Hauptwahl präferierten 48,2% der Demokraten Clinton als ihre Präsidentschaftskandidatin. 22,6% der demokratischen Wähler sprachen sich für Barack Obama aus.

Doch ein erfrischender Wahlkampf des jungen U.S. Senators Obama machte dessen Kampagne überraschend konkurrenzfähig. Im Februar 2008 holte Obama Clinton in den Umfragen ein. Nach einer spannenden Vorwahl setzte sich Obama letztendlich durch. Die Zeit war reif für den ersten afroamerikanischen US-Präsidenten.

Fazit: Vorsicht vor Vorwahlumfragen

Gleichwohl repräsentative Umfragen zu den innerparteilichen Vorwahlen knapp ein Jahr vor Beginn der ersten Abstimmungen einen guten Stimmungsindikator darstellen, sind diese dennoch mit Vorsicht zu genießen. Zu viele Variablen können sich bis zu den Vorwahlen noch ändern wie oben genannte Beispiele aufzeigten.

Ausschlaggebend für die Popularität von Kandidaten ist in der gegenwärtigen Phase der Präsidentschaftswahl primär die landesweite Bekanntheit. Trump genießt dabei als ehemaliger Präsident und Reality-TV-Star einen enormen Vorteil, insbesondere gegenüber den oftmals nur in ihren eigenen Bundesstaaten bekannten Gouverneuren oder Abgeordneten.

Trump ist der Favorit auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024. Doch seine innerparteilichen Konkurrenten sollten sich von Umfragen nicht einschüchtern lassen. Politische Umstände, Wahlkampfstrategie, Skandale und Aussetzer: Bei den langwierigen und intensiven Wahlkämpfen ist in den USA vieles möglich. Bush, Clinton, Giuliani oder Perry können dies sicherlich bestätigen.

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Präsident Joe Biden spielt auf Zeit

Mit 10.285 Zuschauern war die Wunderino Arena zu Kiel restlos ausverkauft. Die Stimmung war ohrenbetäubend, ging es doch in der Handball-Bundesliga zwischen dem THW Kiel und den Füchsen Berlin um eine mögliche Vorentscheidung um die Deutsche Meisterschaft. Die Heimmannschaft lag in Führung, war in Ballbesitz, doch gab es bei beschriebenem Angriff keinen erkennbaren Versuch ein weiteres Tor erzielen zu wollen. Die Berliner Gästefans skandierten daraufhin lautstark „Zeitspiel, Zeitspiel“. Die Schiedsrichter hoben den Arm, um passives Spiel anzuzeigen…

Biden lässt sich traditionell Zeit mit seinen Entscheidungen

Ein passives Spiel ist Teil eines jeden Handballspiels. Doch auch in der Politik ist „Zeitspiel“ kein Fremdwort. Der amtierende US-Präsident gilt in Bezug auf seine Wahlambitionen als Musterbeispiel. Zur US-Präsidentschaftswahl 2016 wurde Joe Biden lange Zeit als Mitfavorit auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur gehandelt. Doch der damalige Vizepräsident zögerte aus privaten Gründen lange mit einer Kandidatur. Zu lange. Hillary Clinton nutzte das Vakuum und gewann die Vorwahlen.

In den Monaten nach der denkwürdigen Präsidentschaftswahl 2016 hatte Biden den Schicksalsschlag des Todes seines Sohnes Beau so gut es überhaupt geht verarbeitet. Die Spekulationen über eine nach 1988 und 2008 dritte Präsidentschaftskandidatur kochten infolgedessen während der gesamten Ära von Donald Trump hoch, die Biden auch selbst nährte. Und dennoch ließ sich Biden bis zum 25.04.2019 mit einer offiziellen Ankündigung per Videobotschaft in Bezug auf seine Ambitionen auf das Weiße Haus Zeit. Zu diesem Zeitpunkt hatten schon 21 (!) Demokraten ihre Teilnahme an den demokratischen Vorwahlen verkündet.

Wann kündigt Biden seine Wiederwahlkandidatur an?

Als amtierender US-Präsident ist Biden für das Wahljahr 2024 in einer weitaus komfortableren Position als bei der letzten Präsidentschaftswahl. Solange Präsident Biden mit einer Entscheidung über seine politische Zukunft warten lässt, ist das demokratische Kandidatenfeld quasi eingefroren. Mögliche ernstzunehmende Kandidaten werden nämlich freilich nicht an den innerparteilichen Vorwahlen teilnehmen, sollte sich ihr Parteikollege und 46. US-Präsident für eine Wiederwahlkampagne entscheiden.

Doch bei den Demokraten steigt so langsam die Nervosität. Mit seinen 80 Jahren ist Biden bereits der älteste amtierende Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Am Ende einer zweiten Amtsperiode wäre er 86 Jahre alt. Die altersbedingte Skepsis wird durch die Entscheidungsunfreudigkeit des Präsidenten nochmals verstärkt. Gleichwohl Biden immer wieder betonte, zuletzt beim alljährlichen White House Easter Egg Roll (siehe untenstehendes Video), eine Wiederwahlkampagne zu planen, lässt deren offizielle Bekanntmachung nämlich weiter auf sich warten.

Zunächst sollte der Startschuss für Bidens 2024er Kampagne auf die Tage rund um den Dr. Martin Luther King Junior Day, der jedes Jahr zwischen dem 15. und 21.01. begangen wird, fallen. Offiziell wurde dieses Vorhaben nicht eingehalten, da Präsident Biden zu stark mit sicherheitspolitischen Herausforderungen rund um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und um die imperialistischen Bestrebungen Chinas beschäftigt gewesen sein soll.

Daraufhin verkündete das Team von Präsident Biden, dass kurz nach der Rede zur Lage der Nation am 01.03.2022 die Wiederwahlkampagne offiziell gemacht werden soll. Doch auch dieser Termin verstrich ebenso ereignislos wie die von Mitarbeitern des Weißen Hauses durchgestossene Information, dass die Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2024 Anfang April beginnen würde. Die Begründung: Die mediale Aufmerksamkeit um die Anklage gegen Trump sowie dessen offen ausgetragene Rivalität mit Floridas Gouverneur Ron DeSantis solle nicht genommen werden.

Bidens Vorgänger kündigten früher ihre Wiederwahlambitionen an

Laut CBS, der Fernsehsender beruft sich auf Gespräche mit Biden-Beratern, plant der US-Präsident nun seine Wiederwahlkampagne im Frühsommer diesen Jahres offiziell zu machen. Doch ob dies Mitte Mai, Juni oder gar erst im Juli sein wird, steht offen. Präsident Biden hat sich bislang diesbezüglich ebenso wenig festgelegt wie über den Standort eines (möglichen) Wahlkampfhauptquartiers (Philadelphia, Pennsylvania, und Wilmington, Delaware, stehen zur Auswahl), einen Wahlkampfmanager, Finanzchef oder einen neuen Super PAC.

In dieser Hinsicht entscheidungsfreudiger war Bidens Vorgänger Trump. Der ehemalige Immobilienmogul reichte schon am ersten Tag als US-Präsident seine Unterlagen für eine Wiederwahlkampagne bei den zuständigen Behörden ein. Barack Obama wiederum machte am 03.04.2011 seine Wiederwahlambitionen offiziell, George W. Bush am 16.05.2003.

Gerüchteküche brodelt

Zögert Präsident Biden die Entscheidung über seine politische Zukunft wirklich wegen oben genannten Gründen hinaus? Falls ja, stellt sich die Frage, weshalb bezüglich einer Wahlkampagne noch keine grundlegenden Entscheidungen getroffen wurden. Oder stecken hinter Bidens Zögern doch altersbedingte und gesundheitliche Abwägungen?

Oder soll gar Vizepräsidentin Kamala Harris ein Startvorteil bei offenen demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen verschafft werden? In Amerikas Hauptstadt brodelt jedenfalls die Gerüchteküche ob des passiven Spiels von Präsident Biden. Das Zeitspiel des THW Kiel war indes erfolgreich: Die Zebras schlugen die Füchse mit 36 zu 29.

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Wie Biden, so auch Clinton?

Im Mittelalter fanden dreimal im Jahr Ratsversammlungen statt, bei denen Angeklagte zu ihrer Verteidigung erscheinen konnten. War der Angeklagte auch nicht bei der dritten Versammlung anwesend, wurde dieser verurteilt. Auf altgermanisch entstand daraus die Redewendung „Aller guten Thinge sind drei“. Unter „Thing“ wurde eine Gerichtsverhandlung verstanden.

Biden benötigte drei Anläufe auf das Weiße Haus

Später wurde daraus „Aller guten Dinge sind drei“. Ein Motto, welches sich auch Joe Biden auf die Fahnen in Bezug auf seine Ambitionen auf die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika schrieb. Erstmals nahm der damalige U.S. Senator im Jahr 1988 an einer demokratischen Präsidentschaftsvorwahl teil. Doch Bidens Kandidatur scheitert noch vor der ersten Vorwahl, da er seine Teilnahme an den demokratischen Vorwahlen auf Grund von Plagiatsvorwürfen zurückziehen musste.

Ein zweiter Anlauf auf das Weiße Haus im Jahr 2008 war ebenso wenig erfolgreich. Nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der ersten Vorwahl in Iowa zog Biden seine Kandidatur zurück. 32 Jahre nach seiner ersten Präsidentschaftskandidatur nahm Biden zum dritten Mal an den demokratischen Vorwahlen teil – und gewann zunächst die Nominierung und später die Präsidentschaftswahl. „Aller guten Dinge sind drei“.

Auch Hillary Clinton scheiterte zweimal

Durch das Tal der Tränen zweifacher gescheiterter Präsidentschaftskandidaturen musste nicht nur Biden gehen. Auch die ehemalige First Lady, U.S. Senatorin und Außenministerin Hillary Rodham Clinton hat zwei unvollendete Präsidentschaftswahlkämpfe auf ihrem Lebenslauf stehen. Im Jahr 2008 unterlag Clinton bei den demokratischen Vorwahlen in einem spannendem Duell Barack Obama.

Acht Jahre später wurde Clinton zwar zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin gekürt. Doch der politische Außenseiter Donald Trump triumphierte in der Hauptwahl, insbesondere dank einer smarten Strategie in den eigentlich traditionell demokratisch wählenden Rust Belt Staaten, über Clinton. Die Demokratin war so schockiert, dass sie sich zunächst aus der Öffentlichkeit zurückzog.

Clintons schrittweises Comeback

Vier Jahre später machten Gerüchte die Runde, dass Clinton erneut, ein drittes Mal, nach der Präsidentschaft streben könnte. Doch Clinton hielt sich mit einem dritten Versuch zurück, so dass Biden seine ersten beiden fehlgeschlagenen Kandidaturen vergessen machen konnte.

Nahezu klammheimlich arbeitete Clinton dennoch an ihrem Comeback. Ihr großes Netzwerk zu nationaler wie internationaler Politik, Wirtschaft und Medien baute sie weiter aus, bestehende Beziehungen wurden nochmals vertieft. Hilfreich dabei war und ist auch die Clinton Foundation, die Hillary gemeinsam mit ihrem Ehemann Bill im Jahr 2001 ins Leben rief.

Auf der internationalen Bühne hatte Hillary Clinton Ende vergangenen Jahres die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite, als die nach ihr benannte Auszeichnung des Georgetown Institute for Women, Peace and Security an Olena Zelenska vergeben wurde. Die First Lady der Ukraine wurde damit für ihren Einsatz für ihr Land im In- und Ausland zu Zeiten des russischen Angriffskrieges gewürdigt.

Clinton überreichte im März 2023 Zelenska im Rahmen des Forbes 30/50 Summit in Abu Dhabi öffentlichkeitswirksam die Auszeichnung. Gemeinsame Interviews, unter anderem auf MSNBC, folgten. Clinton war zurück im Rampenlicht – zudem mit einer durchweg positiven Berichterstattung um ihre Person.

Biden als Vorbild für Clinton

Präsident Biden wollte eigentlich im Februar 2023 seine erneute Präsidentschaftskandidatur bekanntgeben. Doch bis heute kam es nicht dazu. Am 01. April 2023 nutzte Clinton diese Gunst der Stunde und verkündete ihre dritte Teilnahme an den demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen. „Aller guten Dinge sind schließlich drei.“ Clinton weist viel politische Erfahrung auf, hat eines der besten Netzwerke in der US-amerikanischen Politik, ein klares Profil und ist zudem fünf Jahre jünger als Präsident Biden.

Es ist Zeit für eine Verjüngung und für die erste Frau im Weißen Haus.

Hillary Clinton bei ihrem Wahlkampfauftakt 2024.

In repräsentativen Umfragen zur demokratischen Vorwahl konnte sich Clinton zuletzt, trotz längerer Zeit ohne politisches Amt, nach Präsident Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris unter den drei beliebtesten Kandidaten behaupten. Nachdem Präsident Biden durch seine zögerliche Haltung ein Machtvakuum hat entstehen lassen, dürfte Clinton die Favoritin auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur und sogar auf die Präsidentschaft 2024 sein. „Aller guten Dinge sind drei.“ Wäre da nur nicht der Beginn des neuen Monats: April, April.

Viel Wahrheit und doch ein Aprilscherz. Hillary Clinton hat freilich ihre Kandidatur für 2024 nicht angekündigt. Zumindest noch nicht… Allen einen guten Start in den April!

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Die Buchbesprechung: „Ein falsches Wort. Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht“ (René Pfister)

Lionel Messi, Joe Biden, Jennifer Lawrence. Im Gegensatz zu Profisportlern, Politikern oder Schauspielern sind Biologen der Allgemeinheit eher kein Begriff. Ausnahmen bestätigen die Regel, die Doktorandin der Biologie Marie-Luise Vollbrecht gehört dazu. Deutschlandweit bekannt wurde sie durch einen geplanten Vortrag zum Thema Geschlecht und Gender, welcher von der Humboldt Universität zu Berlin abgesagt wurde. Vorausgegangenen waren Protestankündigungen gegenüber Vollbrechts Auftritt im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften. 

Vollbrechts „Vergehen“ war schon im Titel ihres Vortrages angelegt: „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt.“ Die Tatsachenbeschreibung, dass zwei biologische Geschlechter existieren, sollte zu einem lautstarken – und erfolgreichen – Aufschrei von progressiven Aktivisten führen. Vollbrecht teilt sich damit ein ähnliches Schicksal wie einst Christine Lagarde (damals IWF-Chefin), Robert Zoellick (Weltbank) oder Condelezza Rice (ehemalige US-Außenministerin) an Universitäten in den USA. 

Es sind Beispiele für eine neue linke Identitätspolitik, die in den Vereinigten Staaten von Amerika ihren Anfang nahm und zunehmend auch in Mitteleuropa an Einfluss gewinnt. Mit diesem brisanten und hochaktuellen Thema hat sich René Pfister in seinem Buch „Ein falsches Wort. Wie eine neue Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht“ auseinandergesetzt. Als Büroleiter des Hauptstadtbüros USA des im linken politischen Spektrum zu verortenden SPIEGEL ist Pfister für solch ein sensibles Thema „unverdächtig“. 

Pfister verweist sodann in seinem 256 Seiten starken und in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen Werk auch darauf, dass zwar die liberale Demokratie zweifelsohne von Rechts, wie beispielsweise bei der Stürmung des U.S. Kapitols am 06. Januar 2021, bedroht werde. Doch westliche Freiheitswerte werden, so Pfister, eben auch von Links herausgefordert. Mit dieser Thematik setzt sich der Journalist schlussendlich in seinem Buch explizit auseinander. 

Es geht um „den Kern der liberalen Demokratie (…). Sie wird nicht nur angegriffen von einer populistischen Rechten. Sondern auch von einer doktrinären Linken, die im Namen von Antirassismus, Gleichberechtigung und des Schutzes von Minderheiten versucht, Prinzipien zu untergraben, die essenziell sind: die Rede- und Meinungsfreiheit; die Idee, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist; den Grundsatz, dass niemand wegen seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts benachteiligt werden sollte.“ (René Pfister: Ein falsches Wort, S. 16f.)

In 13 Kapiteln beschreibt Pfister anschaulich anhand diverser Beispiele diese neue Ideologie, die laut des Autors einen Absolutheitsanspruch besitzt. Pfister stellt vor diesem Hintergrund einen Chefredakteur vor, der seinen Arbeitsplatz verliert, weil ein von ihm genehmigter Meinungsbeitrag einen Shitstorm in den Sozialen Medien auslöste. Der Autor macht auf Professoren und Referenten aufmerksam, die suspendiert beziehungsweise ausgeladen wurden, da diese Meinungen vertraten, „die als unsensibel, rückständig oder verletzend gegenüber Minderheiten gelten (S. 38).“

Unter diese Kategorie fallen so ziemlich alle Äußerungen und Taten, sofern diese von einer Person mit dem aus Sicht der Aktivisten falschen Geschlecht, Ethnie oder Minderheit ausgesprochen werden. Öffentliche Buße wird erwartet, eine Absolution wird dennoch nicht erteilt. Pfister sieht hierbei parallelen zum US-amerikanischen Protestantismus:

Zur protestantischen Tradition gehöre es, die eigenen Verfehlungen öffentlich zu bereuen und die Reinheit des Glaubens zu beteuern.“ (S. 33)

Mit der Critical Race Theory, welche Politik wie Unternehmen in den USA und mittlerweile auch in Deutschland durchdringt, setzt sich Pfister infolgedessen ebenso kritisch wie differenziert auseinander. Eine Theorie, welche „eine neue Parteilichkeit, um die alten Sünden zu heilen“ fordert (S. 50). Eine Ideologie, die laut Pfister Zugehörigkeiten zu einer Minderheit vor Eignung, Leistung und Befähigung setzt.

„Als an seiner [Dorian Abbot, Professor für Geophysik; Anm. d. Verf.] Fakultät eine Stelle frei geworden sei, habe es in der Ausschreibung geheißen, Kriterien wie Hautfarbe oder Geschlecht spielten keine Rolle. >>Dann sagte uns der Dekan: >Sucht jemanden aus! Jeder kann sich bewerben. Aber wenn ihr mir einen Bewerber präsentiert, werde ich nur Frauen akzeptieren oder Minderheiten.< <<“ (S.70)

Laut des mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichneten Journalisten unterstütze ein Großteil des Universitätspersonals und der Medien linke Identitätspolitik, da insbesondere erstgenannter Berufszweig Personen mit einer linken Einstellung anziehe. Für Pfister ist auch die
[D]emokratische Partei in den vergangenen Jahren zweifellos nach links gerückt“ (S.138).

Die Arbeiterschaft, traditionell eigentlich Stammwähler der Demokraten, habe die Partei so vergessen, ja im Wahlkampf 2016 gar als „Korb der Bedauernswerten“ (Hillary Clinton) bezeichnet. An deren Stelle trat linke Identitätspolitik und die Belange elitärer Bürger in den liberalen Großstädten an den Küsten. Bekanntlich erkannte Donald Trump diese Schwäche der Demokraten im Jahr 2016, der Wahlausgang ist bekannt.

Zur Verteidigung der liberalen Demokratie hat sich René Pfister in seinem Werk „Ein falsches Wort“ mit einem bedeutenden und polarisierenden Thema der Gegenwart beschäftigt und damit Mut bewiesen. Ein Buch, welches mit einer Vielzahl an lesenswerten, interessanten Hintergründen ebenso aufwartet wie mit smarten Schlussfolgerungen:

Meine Theorie ist: Linke Identitätspolitik schadet vor allem der politischen Mitte und dem aufgeklärten Lager. (S. 216)

Die Antwort auf alte Diskriminierung kann nicht neue sein. (S. 229f.)

Es wäre nicht verwunderlich, wenn demnächst auch die Lesung eines SPIEGEL-Journalisten abgesagt werden würde. Seine Bekanntheit würde René Pfister damit wohl nochmals vergrößern.

Vielen Dank an die Deutsche Verlags-Anstalt für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.  Weiterführende Informationen des Verlags (Klick hier).

Die offizielle Buchbeschreibung
Eine linke Revolution hat Amerika erfasst: Im Namen von Gerechtigkeit und Antirassismus greift dort eine Ideologie um sich, die neue Intoleranz erzeugt – in liberalen Medien kann ein falsches Wort Karrieren beenden, an den Universitäten herrscht ein Klima der Angst, Unternehmen feuern Mitarbeiter, die sich dem neuen Zeitgeist widersetzen. In vielen Porträts und Geschichten beschreibt René Pfister, Büroleiter des SPIEGEL in Washington, diese neue politische Religion – und zeigt auf, warum die amerikanische Demokratie nicht nur von rechts unter Druck kommt. Er erklärt, wie Dogmatismus, Freund-Feind-Denken und Mob-Mentalität in Internet die Meinungsfreiheit in den USA schon gefährlich eingeschränkt haben. Eindrücklich warnt er vor diesem Fundamentalismus, dem wir uns widersetzen müssen, um auch in Deutschland die offene Gesellschaft zu verteidigen.

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Auch Biden wagt das Durchbrechen des Teufelskreislaufs nicht

Das ist ein großer und skandalöser Justizirrtum. Das Volk der Vereinigten Staaten wurde betrogen und unser Land blamiert.

Das eine Ding, welches die Welt destabilisiert hat, ist das skandalöse Verhalten des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten.

Es ist meiner Ansicht nach die Verwirklichung einer extremen Ideologie und ein tragischer Fehler des Obersten Gerichtshofs. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen Angriff zu bekämpfen.

Dass Politiker ihr Bedauern über aus ihrer Sicht unerfreuliche Gerichtsurteile ausdrücken, ist verständlich und menschlich. Dass, wie in obigen Fällen, die Exekutive so offensiv die Judikative, welche in einer gesunden Demokratie eine unabhängige Gewalt darstellt, angreift, stellt jedoch einen ungeheuerlichen Vorgang dar. 

Die erste Stellungnahme stammt vom 45. US-Präsidenten Donald Trump. Auf Twitter kritisierte er einst den Supreme Court, da dieser eine Klage des Bundesstaates Texas gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 abwies. Zweites und drittes Statement wurde vom amtierenden Präsidenten Joe Biden bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des NATO-Gipfels in Madrid beziehungsweise aus Washington D.C. geäußert. Bidens Aussagen bezogen sich auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Abtreibungsrecht in den USA, welcher den Bundesstaaten das Recht zur Verabschiedung eigener Gesetze zusprach.

Biden positioniert sich überraschend deutlich

Eigentlich wollte Biden das Land nach der turbulenten Ära Trump „heilen“. Doch von dieser Aufgabe hat sich der 46. US-Präsident offenbar endgültig verabschiedet, hat sich Biden doch an die Spitze der Bewegung für die Wahlfreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus gestellt. Das vom Supreme Court kassierte Urteil Roe vs. Wade will Präsident Biden gesetzlich verankern. Da dieses Vorhaben wahrscheinlich am Filibuster scheitern würde, ermunterte Biden den U.S. Senat sogar zur Änderung der Abstimmungsregeln.

Das Grundsatzurteil Roe vs. Wade des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973 legalisierte landesweit Schwangerschaftsabbrüche bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus. Dies bedeutete explizit, dass Abtreibungen bis zur 23./24. Schwangerschaftswoche, sprich bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat, in jedem der 50 Bundesstaaten legal waren. 

Doch gegenwärtig gibt es für diesen umstrittenen Vorschlag keine Mehrheit im U.S. Senat, wie auch Präsident Biden anerkennen musste. Demokraten stellen derzeit nur 50 U.S. Senatoren. Zudem lehnen die moderaten demokratischen U.S. Senatoren Krysten Sinema und Joe Manchin eine Regeländerung weiterhin ab.

Unter einem Filibuster versteht man eine Dauerrede (oder gegebenenfalls dessen Androhung) im U.S. Senat zur Verhinderung/Verzögerung von Abstimmungen. Zur Beendung des Filibusters werden die Stimmen von 60 U.S. Senatoren benötigt.

Mit der Abschaffung des Filibusters sehen beide Demokraten die reale Gefahr, dass jeglicher Weg für eine überparteiliche Zusammenarbeit verbaut wäre. Zuletzt gab es beispielsweise einen Kompromiss bei der Verschärfung des Waffenrechts. Senator Manchin sieht im Filibuster gar eine Art der Demokratieverteidigung. Präsident Biden wischte derweil diese Bedenken beiseite und hat als Ziel ausgegeben zwei Senatssitze bei den Wahlen im November hinzugewinnen zu wollen, um die Regeländerung durchbringen zu können. 

Abtreibungsthema als Wählermobilisierung?

Präsident Biden hat sich folglich bei einem ethisch sensiblen Thema wie dem Abtreibungsrecht eindeutig auf eine Seite gestellt. Zwei Gründe waren hierfür sicherlich ausschlaggebend: Einerseits wird Präsident Biden von der eigenen Partei bei dieser Thematik vor sich hergetrieben. Zuletzt wurde von Parteikollegen gar der Druck auf Präsident Biden erhöht, sich auf Grund seines Alters und seines bisherigen unpopulären Auftretens nicht zur Wiederwahl zu stellen. Eine weitere offene Flanke kann sich Präsident Biden innerparteilich schlichtweg nicht erlauben.

Andererseits wird im November ein neuer U.S. Kongress gewählt und bisherige Umfragen sehen wenig vielversprechend für die Demokratische Partei aus. Demokraten erhoffen sich durch das Abtreibungsthema eine Mobilisierung ihrer Kernwählerschaft. Für den Großteil der US-Amerikaner dürften jedoch Themen wie Inflationsbekämpfung und Wirtschaftspolitik von größerer Bedeutung sein. Zumal die Bevölkerung in Bezug auf die Abtreibungsthematik seit Jahrzehnten konstant gespalten ist. 

45 Prozent der US-Amerikaner befürworten das Urteil des Supreme Court zu Abtreibungen, 55 Prozent lehnen die Entscheidung ab. (Harvard CAPS-Harris)

Laut der jährlich durchgeführten repräsentativen Umfrage von Gallup identifizieren sich 49 Prozent der US-Amerikaner als „Pro-Choice“ (Abtreibungsbefürworter) und 47 Prozent der Bevölkerung als „Pro-Life“ (Lebensschützer). Dabei gilt es zu beachten, dass sich die Mehrheit der US-Amerikaner nicht zu Maximalforderungen wie vollkommene Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder eines generellen Abtreibungsverbots hingezogen fühlt.

Biden wäre prädestiniert für Mittelweg gewesen

Präsident Biden hätte den Teufelskreis der Polarisierung bei dieser Thematik durchbrechen und sich für einen Mittelweg, den die Mehrheit der US-Amerikaner vorgibt, entscheiden können. Mit seinem bisherigen Werdegang wäre der Katholik Biden, dem auf Grund seiner heutigen Abtreibungsposition sogar schon die Kommunion verweigert wurde, prädestiniert gewesen. Im Verlauf seiner politischen Karriere mutierte Biden nämlich vom Lebensschützer zum (auf Grund des Drucks seiner immer progressiver werdenden Partei?) Abtreibungsbefürworter.

Als neugewählter U.S. Senator vertrat Biden 1973 noch die Auffassung, dass der Supreme Court mit seinem Urteil im Fall Roe vs. Wade zu weit ging. 1982 stimmte der damalige U.S. Senator für einen Verfassungszusatz, welcher das Grundsatzurteil umgehen und den Bundesstaaten das Recht zur Beschränkung der Abtreibungsbestimmungen gegeben hätte. Vor vierzig Jahren scheiterte dieses Vorhaben, das diesjährige Urteil des Obersten Gerichtshofs setzt dies aber nun de facto so um. Heute beschreibt Biden eben dies, und damit sein jüngeres Ich, als die „Verwirklichung einer extremen Ideologie“.

Man braucht jedoch gar nicht so weit zurückzugehen, um Bidens einstigen Einsatz für den Lebensschutz zu unterstreichen. Noch im März 2006 vertrat Biden, auch damals noch als U.S. Senator, seine Pro-Life-Einstellung im Interview mit „Texas Monthly“:

Ich sehe Abtreibung nicht als eine Möglichkeit oder als ein Recht. Ich denke, dass es immer eine Tragödie ist. (…) Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie wir die Anzahl an Abtreibungen vermindern. 

Der Wandel des Joe Biden

Ein Jahr später relativierte Biden erstmals seine jahrzehntelange Position zum Abtreibungsrecht. Im Angesicht seines zweiten Anlaufes auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur sah sich Biden offenbar auf Grund des progressiven Kandidaten Barack Obama und der Feministin Hillary Clinton gezwungen, Roe vs. Wade als den „wohl bestmöglichen Kompromiss zwischen Glaube und Freiheit bei einer schwierigen moralischen Frage“ anzusehen. Eine staatliche Finanzierung von Abtreibungen lehnte Biden jedoch weiterhin ab. Bidens Kandidatur scheiterte, zum Vizepräsidentschaftskandidaten wurde er jedoch vom späteren Präsidenten Obama auserkoren.

Als Präsident mimt Biden auf einmal den Vorkämpfer der Abtreibungsbefürworter. Neben der gesetzlichen Verankerung von Roe vs. Wade will Präsident Biden sicherstellen, dass Frauen Zugang zu chemischen Abtreibungspräparaten, zum Beispiel durch Versand, haben. Des Weiteren setzt sich der Präsident für Reisen von Frauen in andere Staaten, in denen Abtreibungen weiterhin liberal(er) gehandhabt werden, ein. Bidens grundlegender Wandel wird derweil von der Republikanischen Partei erfreut für Werbezwecke ausgenutzt (siehe untenstehendes Video).

Die Prophezeiung von Obama, dass Biden der „progressivste Präsident aller Zeiten“ werden würde, bewahrheitet sich infolgedessen schrittweise. Insbesondere bei solch einem ethisch sensiblen Thema wie der Abtreibungsgesetzgebung hätte Präsident Biden die USA jedoch in der politischen und gesellschaftlichen Mitte zusammenführen können. Eine allgemeine Liberalisierung des Abtreibungsrechts bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat ist ebenso wenig fortschrittlich wie ein generelles Abtreibungsverbot. Doch auch im fortgeschrittenen Alter scheinen Biden Partei und Wahlsiege bedeutender zu sein als die Heilung eines gespaltenen Landes.

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