Das politische Jahr 2023 war in den Vereinigten Staaten von Amerika von der Sicherheitspolitik sowie vom beginnenden Präsidentschaftswahlkampf 2024 geprägt. Die seit Jahrzehnten kontinuierlich steigende Polarisierung machte sich am Capitol Hill zudem so stark bemerkbar wie selten zuvor. Im folgenden Beitrag blickt „1600 Pennsylvania“ auf die wichtigsten politischen Ereignisse des Jahres zurück.
Innenpolitik
Drama um das Amt des Sprechers des U.S. Repräsentantenhauses
Erst benötigte der Republikaner Kevin McCarthy im Januar 15 Wahlgänge, um zum Sprecher des U.S. Repräsentantenhauses gewählt zu werden. Mehr Abstimmungsrunden bei einer Wahl des Speaker gab es zuletzt im Jahr 1860. Dem rechten Flügel seiner Fraktion machte McCarthy dabei enorme Zugeständnisse – nur um am 03.10.2023 wieder abgewählt zu werden. Es folgte ein weiteres denkwürdiges Drama um den Sprecherposten, der schlussendlich seit dem 25.10.2023 vom vergleichsweise politisch unerfahrenen Mike Johnson begleitet wird. McCarthy hat derweil sogar sein Mandat als Abgeordneter abgegeben.
Damoklesschwert Stillstand der Regierungsgeschäfte
Der U.S. Kongress war laut dem Pew Research Center im Jahr 2023 so unproduktiv wie selten zuvor. Selbst einen Haushalt für das Fiskaljahr 2024, welches in den USA schon im Oktober 2023 begann, konnte der U.S. Kongress nicht bis Ende des Kalenderjahres verabschieden. Damit gehen die Vereinigten Staaten mit dem Damoklesschwert eines government shutdown in das neue Jahr. Sollte es im U.S. Kongress keine Einigung geben, droht den USA am 19.01.2024 ein Stillstand der Regierungsgeschäfte. Dies hätte zur Folge, dass Bedienstete des Bundes vorerst kein Gehalt mehr bekommen, Subventionen nicht ausbezahlt und Nationalparks geschlossen würden.
Außenpolitik
Ukraine als Leidtragende der US-Innenpolitik
Leidtragende der US-Innenpolitik ist auch die Ukraine. Die bislang von den USA bewilligten Hilfen für das von Russland angegriffene Land werden nämlich Ende des Jahres 2023 aufgebraucht sein, weitere Unterstützungsmaßnahmen wurden jedoch noch nicht vom U.S. Kongress verabschiedet. Das Weiße Haus schnürte nämlich ein $106 Milliarden schweres Paket, welches Leistungen für die Ukraine, Israel, Taiwan sowie zur Grenzsicherung beinhaltet. Wie die darin vorgesehenen monetären Mittel für die Migrationspolitik explizit verwendet werden sollen, sind sich Demokraten und Republikaner jedoch uneins, so dass das gesamte Paket bislang nicht zur Abstimmung gestellt werden konnte.
Im Dezember rückte zudem Präsident Joe Biden leicht von der Ukraine ab. Bei einer Pressekonferenz mit seinem ukrainischen Amtskollegen Volodymir Zelensky sprach Präsident Biden einerseits nur noch davon, die Ukraine so lange unterstützen zu wollen, „wie wir es können“. Zuvor sprach Präsident Biden immer davon, die Ukraine so lange unterstützen zu wollen, wie es nötig sei. Andererseits bedeute für Präsident Biden ein ukrainischer Sieg, dass das Land als souveräner Staat weiterbestehen könne. Heißt: Gebietsabtritte wären für den US-Präsidenten in Ordnung.
Krieg im Nahen Osten
Am 07.10.2023 verübte die islamistische Hamas das größte Massaker an der jüdischen Bevölkerung seit dem Holocaust. Mehr als 1.400 Personen wurden regelrecht abgeschlachtet sowie 240 Personen entführt. Präsident Biden solidarisierte sich zunächst deutlich mit dem angegriffenen Land. Innerhalb der Demokratischen Partei gab es hierfür jedoch Kritik am Präsidenten, welches auch den grassierenden Antisemitismus im linken Flügel der Partei (Klick hier) offenlegte. Deswegen und auf Grund sinkender Umfragewerte betont das Weiße Haus verstärkt humanitäre Aspekte im Gazastreifen.
Präsidentschaftswahl
Enttäuschte Hoffnungen
Das Jahr 2023 begann für einige US-amerikanische Politiker mit großen Hoffnungen. Hoffnungen, auf erfolgreiche Teilnahmen an den im Januar 2024 beginnenden innerparteilichen Präsidentschaftsvorwahlen. Doch für einige Politiker war 2023 auch das Jahr, in dem eben jene Träume von der Realität eingeholt wurden.
Für Mike Pence, den ehemaligen Vizepräsidenten, zum Beispiel. In seinem Vorwahlkampf versuchte sich Pence einerseits als konservative Alternative mit einer klassisch republikanischen außenpolitischen Einstellung zu positionieren. Anderseits warb Pence mit den Errungenschaften der Administration von Donald Trump, gleichzeitig grenzte er sich jedoch von seinem ehemaligen Vorgesetzten, Stichwort Sturm auf das Kapitol, ab. Die republikanische Basis goutierte die Verfassungstreue von Pence in den Umfragen zu den Vorwahlen nicht, so dass der einstige Vizepräsident seine Teilnahme frühzeitig zurückzog.
Ebenso jegliche Hoffnung auf einen Einzug in das Weiße Haus mussten U.S. Senator Tim Scott und Gouverneur Doug Burgum begraben. Keine Zukunft mehr in der Demokratischen Partei sah hingegen Robert F. Kennedy Jr. für sich. Der Neffe von Präsident John F. Kennedy tritt nun als unabhängiger Kandidat bei der Präsidentschaftswahl 2024 an. In repräsentativen Umfragen schneidet Kennedy gegenwärtig so gut ab wie kein Drittkandidat seit den 1990er Jahren.
Erhaltene und erarbeitete Hoffnungen
Während Präsident Biden sich (bislang) nicht mit ernstzunehmenden innerparteilichen Konkurrenten auseinanderzusetzen hat, gestalten sich die republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen etwas interessanter. Im Jahr 2023 konnte sich nämlich Nikki Haley steigende Umfragewerte und verstärkte Unterstützung durch einflussreiche Großspender erarbeiten. Nichts desto trotz führte das gesamte Jahr über Trump repräsentative Umfragen zu den Vorwahlen deutlich an. Der Ex-Präsident geht somit als Favorit in die innerparteilichen Vorwahlen.
Verstorben
Rosalynn Carter
77 Jahre (!) waren Jimmy und Rosalynn Carter miteinander verheiratet. Am 19.11.2023 hat der Tod sie geschieden. Im Alter von 96 Jahren verstarb die ehemalige First Lady Rosalynn in in ihrer Heimat Plains, GA. In ihrer Zeit im Weißen Haus und darüber hinaus engagierte sich Rosalynn stark für soziale Belange.
Henry Kissinger
Aufgewachsen im fränkischen Fürth verließ Henry Kissinger mit seiner Familie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland. In den USA folgte eine Karriere, welche Hollywood nicht besser hätte schreiben können: Militärdienst bei der U.S. Army während des Weltkriegs, Mithilfe bei der Entnazifizierung der Deutschen nach dem Krieg, akademische Ehren, Nationaler Sicherheitsberater und US-Außenminister. Bis zuletzt riefen US-Präsidenten Kissinger um Rat. Am 29.11.2023 verstarb die Fürther Legende im Alter von 100 Jahren.
John Kornblum
Zwischen 1997 und 2001 amtierte John Kornblum als US-Botschafter in Deutschland. Doch schon seit den 1960er Jahren sammelte der in Detroit, MI, geborene Politikwissenschaftler zahlreiche Erfahrungen in (West-) Deutschland. Mit seiner rauchigen Stimme und seinem analytischen Denkvermögen wurde Kornblum zum Inbegriff eines US-Botschafters in Deutschland. Am 21.12.2023 starb er im Alter von 80 Jahren in Nashville, TE.
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