Nikki Haley: Ein Underdog mit Absätzen

Am Ende der regulären Saison des Jahres 2017 standen für die Philadelphia Eagles 13 Siege nur drei Niederlagen gegenüber. Eine solch starke Bilanz hatte die American Football Franchise in ihrer bis zu diesem Zeitpunkt 85-jährigen Geschichte erst einmal zuvor, nämlich im Jahr 2004, vorweisen können. Doch kurz vor den Playoffs verletzte sich der stark aufspielende Quarterback Carson Wentz schwer. Für ihn rückte mit Nick Foles ein langjähriger Bankdrücker nach, seine ersten Spiele waren von vielen Fehlern geprägt.

Es folgten zahlreiche Expertenaussagen, dass die Eagles auf Grund dieser Situation keine einzige Playoff-Runde überstehen würden. Auch die Buchmacher sahen in der besten Mannschaft der NFC einen Außenseiter – eine Begebenheit, die es in dieser Konstellation nie zuvor gab. Trainer Doug Pederson ließ daraufhin ein Video mit einer Auswahl der pessimistischen Expertenmeinungen zusammenschneiden, um seine Mannschaft zu motivieren.

Die Strategie wirkte. Die Eagles fühlten sich auf einmal in der Rolle des Underdogs, des Außenseiters, wohl. Die Spieler identifizierten sich so stark mit ihrer Underdog-Rolle, dass sie sich sogar Hundemasken aus Latex bestellten, um diese als wirkmächtiges Symbol vor und nach den Spielen aufzusetzen.

Außenseiterin Nikki Haley

Mit dem Außenseitertum kennt sich auch die republikanische Politikerin Nikki Haley aus. Im Jahr 1972 erblickte sie als Nimrata Nikki Randhawa in Bamberg, South Carolina, das Licht der Welt. Ihre Eltern Raj Kaur Randhawa und Ajit Singh Randhawa wanderten zuvor aus Punjab, Indien, in die USA ein. Vater und Mutter arbeiteten als Lehrer und eröffneten zudem den Geschenk- und Bekleidungsladen Exotica International. Haley, den Nachnamen trägt sie seit ihrer Hochzeit 1996 mit dem U.S. Army Major Michael, erledigte für das Unternehmen ihrer Eltern schon mit dem 13. Lebensjahr die Buchführung.

Ich war die stolze Tochter von indischen Einwanderern – nicht schwarz, nicht weiß. Ich war anders.

Nikki Haley über ihre Kindheit in South Carolina

Ihr ethnischer Hintergrund stellte sie in South Carolina, ein Südstaat mit einer starken rassistischen Historie, ebenso wie ihre Religion, bevor Haley zum Christentum konvertierte wuchs sie als Sikh auf, vor Herausforderungen. Trotz aller Unannehmlichkeiten wurde Haley fortwährend von ihren Eltern daran erinnert, dass sie „gesegnet seien, in den USA leben“ zu können. Eine positive Einstellung gegenüber den USA, welche Haley prägen sollte. Die Familie integrierte sich ohne ihre Wurzeln zu verleugnen. Haleys Mutter trat im traditionellen Sari und ihr Vater mit Turban in der Öffentlichkeit auf.

Haley positionierte sich gegen „Woke Culture“

Beim republikanischen Parteitag 2020 gab Haley medienwirksam zu verstehen, dass trotz aller Probleme „Amerika kein rassistisches Land“ sei. Die Ermordung von George Floyd durch Polizisten lag bei dieser Aussage nur wenige Monate zurück. Haley verteidigt auch bis heute vehement den Gründungsmythos der Vereinigten Staaten gegenüber progressiven Aktivisten:

Manche sagen, dass unsere Ideen nicht nur falsch sind, sondern rassistisch und böse. Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein.

In den USA ist ein regelrechter Kulturkampf um die Geschichte der USA entbrannt. Die extreme Linke und Rechte können sich nicht einmal mehr auf das Gründungsdatum der Vereinigten Staaten einigen. Schulbücher werden umgeschrieben, Bücher aus Bibliotheken verbannt. Je nach politischer Ausrichtung eines Bundesstaates weist das Pendel in die eine oder andere extreme Richtung.

Als Frau mit Migrationshintergrund ist Haley für ihre konservative Position eher unverdächtig, im Kulturkampf dem extremistischen Flügel anzugehören. Gleichwohl ihr progressive Politiker schon vorwarfen, ihren Namen für politische Zwecke „weißgewaschen“ zu haben. Dabei verwendet Haley ihren Mittelnamen Nikki schon seit ihrer Kindheit als Rufnamen.

Steckbrief Nikki Haley
Geburtsdatum20.01.1972
GeburtsortBamberg, SC
AusbildungClemson University (Buchhaltung)
Politischer WerdegangUS-Botschafterin bei den UN (2017 – 2018),
Gouverneurin South Carolina (2011 – 2017),
Abgeordnete Staatsparlament SC (2005 – 2011)
Deutliche Worte auch gegen „Rechts“

Im Gegensatz zu einigen prominenten Parteikollegen erhob sich Haley auch schon gegen rechten Extremismus. Nach einem rassistischen Amoklauf in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston, South Carolina, im Jahr 2015, bei dem neun Afroamerikaner getötet wurden, arbeitete Haley als Gouverneurin des Bundesstaates an der Beseitigung der Konföderierten Flagge vor dem Landesparlament federführend mit. Eine Flagge, die für die Unterdrückung der farbigen Bevölkerung steht. Zwischen 2011 und 2017 war Haley die erste Frau und erste indisch-amerikanische Person im Amt der Gouverneurin des Palmetto State.

Als Donald Trump weiße Rassisten bei den Ausschreitungen in Charlottesville im Jahr 2017 nicht verurteilte, fand Haley hierfür ebenso kritische Worte wie für die Rolle des 45. US-Präsidenten bei der Erstürmung des U.S. Kapitols im Januar 2021. Haleys Beziehung zu Trump kann ohnehin als ambivalent bezeichnet werden. Als einige der wenigen Republikanerinnen konnte sie nämlich eine gewisse Distanz zu Trump einnehmen, ohne den 45. US-Präsidenten nachhaltig zu verärgern.

Dabei unterstützte sie im republikanischen Vorwahlkampf zuerst noch den U.S. Senator Marco Rubio, nach dessen Ausscheiden U.S. Senator Ted Cruz. Dabei fand Haley deutliche Worte:

Trump vereinbart alle Eigenschaften, die ein Gouverneur nicht bei einem Präsidenten sehen will.

Haley als Teil der Trump-Administration

Dennoch gewann Trump bekanntlich die Präsidentschaftswahl 2016. Zur Verwunderung vieler politischer Beobachter schloss sich die damals noch als Gouverneurin amtierende Haley der Trump-Administration sogar an. Zwischen 2017 und 2018 amtierte Haley als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen und konnte dabei wertvolle außenpolitische Erfahrungen sammeln. In dieser Position unterstützte und bewarb sie unter anderem den Ausstieg der USA aus dem UN-Menschenrechtsrat und aus dem Atomabkommen mit dem Iran.

Die Sanktionen gegen Russland werden so lange aufrechterhalten, bis sich Moskau von der Krim zurückzieht und die Ukraine über dieses Gebiet wieder die volle Kontrolle hat.

Nikki Haley am 02.02.2017 als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen

Im Jahr 2018 zog sich Haley aus der Regierungsverantwortung zurück ohne für einen Skandal gesorgt zu haben oder beim damaligen Präsidenten Trump in Ungnade gefallen zu sein. Eine absolute Ausnahme für einstige Angehörige der Regierung Trump. Die außen- und innenpolitische Bilanz der Trump-Administration verteidigt Haley bis heute.

Haley verkörpert Generationenwechsel mit Erfahrung

Nach ihrem temporären Ausscheiden aus der Politik konnte Haley als Aufsichtsrat des in South Carolina ansässigen Flugzeugbauers Boeing sowie als Autorin und Rednerin, pro Veranstaltung soll sie bis zu $200.000 verdient haben, auch Erfahrungen in der freien Wirtschaft sammeln. Gepaart mit ihrer Vergangenheit als Teil der Exekutive auf Bundes- und Landesebene und in der Legislative, zwischen 2005 und 2011 war Haley Abgeordnete im Landesparlament von South Carolina, weist sie einen großen politischen Erfahrungsschatz auf.

Damit unterscheidet sich Haley fundamental zum Profil Trumps bei dessen erfolgreicher Kandidatur im Jahr 2016. Mit ihren heute 51 Jahren wäre sie zudem die erste Repräsentantin der Generation X im Weißen Haus. Ein deutlicher Kontrast zu den über 80-Jährigen amtierenden Präsidenten Joe Biden und dem fast 80-Jährigen Trump. Infolgedessen wirbt Haley in ihrem Vorstellungsvideo zu ihrer Präsidentschaftskandidatur auch für einen Generationenwechsel in Washington D.C.

Haley mit Außenseiterchancen

Des Weiteren könnte Haley als Frau mit Migrationshintergrund der Republikanischen Partei leichter neue Wählergruppen erschließen. Dennoch gehört Haley nur zum erweiterten Favoritenkreis auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024. Der republikanische Stratege Terry Sullivan fasst dies wie folgt zusammen:

Sie [Haley; Anm. d. Verf.] sagt über sich selbst, dass sie seit jeher ein Underdog ist. Sie wird es auch diesmal sein.

Doch US-Amerikaner mögen Underdogs wie nicht zuletzt die erfolgreichen Kinofilme um Rocky Balboa, dem Boxhelden aus Philadelphia, zeigten. A propos Philadelphia: Nick Foles schrieb mit seinen Eagles entgegen allen Expertenmeinungen seine eigene Erfolgsgeschichte. In der eingehend erwähnten Saison führte Foles seine Eagles sensationell zum bislang einzigen Super Bowl Triumph. Was den Eagles die Hundemasken, könnten Haleys Schuhabsätze für ihr in die quere kommenden Konkurrenten sein:

Ich toleriere keine Tyrannen. Und wenn du zurücktrittst, schmerzt es ihnen umso mehr, wenn du Absätze trägst.

In außenpolitischer Hinsicht bezieht sich Haley mit dieser Aussage primär auf China und Russland. Bei den innerparteilichen Vorwahlen wird es jedoch ebenso unbequeme Mitbewerber, Stichwort Trump, geben. Übrigens weist Nikki Haley, ähnlich den Eagles in der Saison 2017/2018, eine starke Bilanz auf: Bislang hat sie noch keine einzige Wahl verloren. Ob diese Wahlbilanz auch noch nach den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen 2024 Bestand haben wird?

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