Geschehnisse im heute als Bundesland Thüringen bekannten Gebiet beeinflussten einst die internationale Politik maßgeblich mit. Im 16. Jahrhundert nahm beispielsweise der Reformator Martin Luther auf der Eisenacher Wartburg unfreiwillig Zuflucht und übersetzte das Neue Testament in die deutsche Sprache. Erstmals konnten so normale Bürger, die des Lesens mächtig waren, die Heilige Schrift selbst lesen. Eine Sensation, eine Revolution.
300 Jahre später sorgte das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha mit einer smarten Heiratspolitik für Furore. Prinz Albert als berühmtester Sohn des Herzogtums fand sich auf einmal auf der Seite der britischen Königin Victoria wieder. Das Wort eines Deutschen hatte somit großes Gewicht in der politischen Entscheidungsfindung der damaligen Supermacht des Vereinigten Königreichs.
Mit dem Ableben von Queen Elizabeth II. nahm auch die Regierungszeit des Adelsgeschlechts von Sachsen-Coburg und Gotha in Großbritannien sein Ende. Der Familienname wurde ohnehin schon während des Ersten Weltkriegs von König George V. in Windsor geändert, um die offensichtliche Nähe zum damaligen Deutschen Kaiserreich nicht noch stärker sichtbar zu machen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Aufteilung Deutschlands in zwei Staaten wurde auch das einstige Herzogtum geteilt, Coburg lag in der Bundesrepublik, Sachsen und Gotha in der DDR. Das Gebiet des heutigen Thüringens wurde im Süden und Westen von Stacheldraht und Selbstschussanlagen von der freien Welt abgekanzelt.
Antidemokraten gewinnen in Thüringen
Die innerdeutsche Grenze gibt es seit 34 Jahren nicht mehr. Doch die Grenzen im Kopf wurden nie so richtig abgelegt, in West wie Ost. Zu stark beeinflusst(e) die von Moskau gesteuerte (kommunistische) Indoktrination zu viele Bürger in den Neuen Bundesländern, zumal in Thüringen. Ein guter Nährboden für Extremisten jeglicher Couleur wie das Ergebnis der Landtagswahl 2024 zeigt.
Während Die Linke, Nachfolgepartei der SED, massiv an Stimmen verlor, gewann die von Sahra Wagenknecht neu gegründete und die ihren Namen tragende Partei BSW eben jene Wähler hinzu. Zusammen mit der in Thüringen als rechtsextrem eingestuften Alternative für Deutschland (AfD) kommen Die Linke und das BSW auf knapp 60 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Die CDU ist eine transatlantische Vasallenpartei.
Björn Höcke, Spitzenkandidat der AfD in Thüringen.
Europa darf kein Vasall der USA sein.
Europawahlprogramm des BSW.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nahezu zwei Drittel der Wähler in Thüringen für Parteien votierten, welche die bestehende liberale Demokratie teils offensiv, teils indirekt in Frage stellen. Damit einher geht eine außen- und sicherheitspolitische Einstellung genannter Parteien, welche die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland ebenso ablehnen wie die transatlantischen Beziehungen. Dr. Jana Puglierin bringt es in ihrer Kolumne im Handelsblatt auf den Punkt, wenn sie davon schreibt, dass
AfD und BSW die Landtagswahlen im Osten zur Abstimmung über die Unterstützung der Ukraine, das zukünftige Verhältnis zu Russland, die Aufrüstung der Bundeswehr und die Stationierung von weitreichenden amerikanischen Waffensystemen in Deutschland [gemacht haben und machen].
Freilich haben Landtagswahlen keinen direkten Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands, obliegt diese doch dem Aufgabengebiet des Bundes. Doch wer eben jene grundlegenden Werte so stark in Frage stellt wie die AfD und das BSW, will über die Landespolitik erste, langsame Änderungen in diesem Politikbereich herbeiführen.
Mit der zunehmenden Stärke der politischen Ränder steigt auch deren Einfluss auf die deutsche Außenpolitik. Wer nicht möchte, dass Deutschland sich auf einen antiwestlichen, antieuropäischen und antiliberalen außenpolitischen Kurs begibt, sollte sich genau überlegen, wo er zukünftig sein Kreuz macht.
Dr. Puglierin im Handelsblatt.
AfD und BSW stellen Westbindung in Frage
Die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung erhöht sich für die AfD und das BSW, je mehr Einfluss diese Parteien bekommen. Teil einer Landesregierung zu sein oder solch eine zu unterstützen wäre vor diesem Hintergrund ein Anfang. Gleichwohl jegliche Kooperation mit der AfD (richtigerweise) von allen demokratischen Parteien ausgeschlossen wird, gilt dies für eine Kooperation mit dem BSW bislang nicht. Vielmehr wird in Medien, und teils in der Politik, über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit von Demokraten, im Thüringer Fall ist damit explizit die CDU gemeint, mit dem BSW nachgedacht. Im besten Sinne zeugt dies von fehlendem Geschichtsverständnis.
Washington brachte Wohlstand und Freiheit, Moskau Armut und Terror
Erinnert sei an die Jahr 1948 und 1949, als die Sowjetunion versuchte die 2,2 Millionen in West-Berlin lebenden Menschen auszuhungern, um ihre eigenen imperialistischen Bestrebungen durchzusetzen. Doch die West-Alliierten hielten dem Druck stand. Unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika richteten die West-Alliierten eine Luftbrücke zur Versorgung der Stadt ein. Ein unvorstellbarer logistischer Kraftakt. Zwischen Juni 1948 und September 1949 wurden insgesamt 2,1 Millionen Tonnen Fracht nach West-Berlin geflogen, darunter 485.000 Tonnen Lebensmittel. Die Freiheit siegte über den russischen Totalitarismus.
Erinnert sei auch an den Wiederaufbau und den ökonomische Aufschwung Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Möglich gemacht wurde das Wirtschaftswunder maßgeblich durch den von den USA initiierten Marshallplan, welcher der Bundesrepublik großzügig Kredite ausstellte. Moskau hingegen ließ brauchbares Material aus der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR in die Sowjetunion abtransportieren. Es folgten Enteignungen und das Aufoktroyieren einer Planwirtschaft, die zu einer Mangelwirtschaft führte.
Erinnert sei ebenso an den Kalten Krieg, der nicht zu einer heißen Auseinandersetzung ausartete, weil die USA (größtenteils) eine Sicherheitspolitik der Stärke zeigten. Als die Sowjetunion neuartige SS-20-Raketen installierten und damit ein Ungleichgewicht in Europa herbeiführten, waren es die Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Dr. Helmut Kohl (CDU), die gemeinsam mit US-Präsident Ronald Reagan den NATO-Doppelbeschluss gegen die Proteste von Hunderttausenden durchsetzten. Durch die Stationierung von Pershing-II-Raketen war das Gleichgewicht der Kräfte wieder hergestellt, der Frieden in Europa gesichert und die Sowjetunion implodierte ob des Wettrüstens von innen heraus.
AfD und BSW stellen die fünfte Kolonne Moskaus dar
Für Wagenknecht, die 1989 aus Überzeugung in die SED eintrat, wiederum stellt der Zusammenbruch der Unrechtsregime der DDR und der Sowjetunion, ähnlich dem russischen Diktator Vladimir Putin, eine Tragödie dar (siehe untenstehendes Video aus dem Jahr 1994; die Aussagen wiederholt Wagenknecht bis heute). Wagenknecht, einst Mitglied der Kommunistischen Plattform innerhalb der Partei Die Linke, will laut eigener Aussage „nur mit Parteien in eine Koalition gehen, mit denen wir uns auf einen gemeinsamen Vertrag einigen können, der auch unsere politischen Schwerpunkte enthält.“ Explizit bedeutet dies einen Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine, Beendigung der Sanktionen gegenüber Russland und Ablehnung der Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Forderungen, welche so nur von der AfD (und in Teilen von Die Linke) geteilt werden.
Konklusion
Die Westbindung war schon im Kalten Krieg ein Garant für ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland. In Zeiten des Wiederauflebens der Rivalitäten zwischen Demokratien und Autokratien ist es wichtiger denn je, sich auf diese grundlegenden Werte zu besinnen und die hierfür nachhaltigen Partnerschaften zu pflegen.
Entscheidet sich der Souverän für ein dysfunktionales Parlament, wie in Thüringen erneut geschehen, ist es nicht die Aufgabe von demokratischen Parteien den Autokraten, der fünften Kolonne Moskaus, an die Macht zu verhelfen. Eine Zusammenarbeit jeglicher Art ist für Demokraten mit der AfD und dem BSW auszuschließen. Wehret den Anfängen. Ansonsten könnte der bislang oftmals positive Einfluss Thüringens auf die internationale Politik zukünftig eine negative Wendung nehmen.

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