Die transatlantischen Beziehungen nach der Bundestagswahl

Die Bundesrepublik Deutschland nimmt auf Grund ihrer ökonomischen Stärke eine führende Position innerhalb der Europäischen Union ein. Das europäische Ausland blickte somit ebenso wie die Volksrepublik China, die Russische Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika gespannt auf den Ausgang der Bundestagswahl 2021. Nach 16 Jahren Kanzlerschaft von
Dr. Angela Merkel wurde ja bekanntlich zudem der Abspann einer Ära eingeläutet.

CDU und CSU, auf deren Parteien die gemeinsame Bundestagsfraktion der noch amtierenden Bundeskanzlerin fusst, verloren 8,8 Prozentpunkte und kamen auf nur noch 24,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Es ist das historisch schlechteste Ergebnis der Union. Auf Rang eins lief die Sozialdemokratische Partei mit ihrem Spitzenkandidaten und gegenwärtigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz ein (25,7 Prozent; +5,2 Prozentpunkte).

Als Königsmacher für eine zukünftige Koalition gelten Bündnis 90/ Die Grünen, welche mit 14,8 Prozent das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte erreichen konnten, und die Freien Demokraten (11,5 Prozent; +0,8 Prozentpunkte). Ob diese beiden Parteien eine Koalition mit den Wahlgewinnern der SPD oder doch der Union eingehen werden, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Selbst eine erneute Große Koalition, unter anderen Vorzeichen, ist möglich, wenngleich zum jetzigen Zeitpunkt wenig wahrscheinlich.

Wie wird sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse zur Wahl zum 20. Deutschen Bundestag die Bildung einer neuer Bundesregierung auf die transatlantischen Beziehungen ausüben? Ein erster Blick auf die Programmatik möglicher Regierungsparteien.

Ausgangslage: USA froh über Neuanfang

Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat sich in ihren vier Amtszeiten viel außenpolitischen Kredit erworben. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierungen Merkel, entgegen der Grundeinstellung ihrer Partei, die transatlantischen Beziehungen oftmals vor Herausforderungen (u.a. Einsatz für Nord Stream 2, freundliche Politik gegenüber China) stellten. Alleine in diesem Jahr brüskierte die Bundeskanzlerin gleich zweimal den neuen US-Präsidenten Joe Biden.

Zum einen verkündete die EU kurz vor Amtsantritt des neugewählten Präsidenten ein Investitionsabkommen mit China, welches ein zentrales außenpolitisches Projekt von Dr. Merkel darstellte. Biden wurde hiermit vor den Kopf gestoßen, wurde seine schon im Wahlkampf vorgestellte Allianz der Demokratien gegenüber autoritären Staaten, insbesondere China, doch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt konterkariert.

Zum anderen wollte Präsident Biden mit seinem ersten Telefongespräch mit einem ausländischen Regierungschef ein Statement setzen und dieses mit der Bundeskanzlerin führen. Dr. Merkel lehnte jedoch laut The Wall Street Journal mit der Begründung ab, dass sie für das an einem Freitag angesetzte Gespräch nicht erreichbar sei, da sie das Wochenende in ihrer Datsche in der Uckermarck verbringe. Nichts weniger als ein Affront gegenüber dem wichtigsten Verbündeten Deutschlands. 

Bündnis 90/ Die Grünen – Bidens Wunschpartner

Sofern es keine Neuauflage einer Großen Koalition gibt, dürfen sich Bündnis 90/ Die Grünen einer Regierungsbeteiligung gewiss sein. Außenpolitisch stehen die Grünen primär für die Durchsetzung von Menschenrechten sowie für einen stärkeren multilateralen Einsatz gegen den Klimawandel. Themen, die d’accord mit der Agenda von Präsident Biden gehen.

Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein zentraler Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik, jedoch muss sie erneuert, europäisch gefasst, multilateral und an klaren gemeinsamen Werten und demokratischen Zielen ausgerichtet werden.
(Bundestagswahlprogramm Bündnis 90/ Die Grünen, S. 227)

Die Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland wird von der Ökopartei so kritisch gesehen wie von keiner anderen Partei im Deutschen Bundestag. Eine außenpolitische Ansicht, die auch vom US-amerikanischen Establishment vertreten wird. Den USA wird im Wahlprogramm der Grünen ein eigenes Kapitel gewidmet. Das Wort „transatlantisch“ taucht neunmal im Programm auf. 

Wir werden an einer engen europäischen und transatlantischen Koordinierung gegenüber China arbeiten. (Bundestagswahlprogramm Bündnis 90/ Die Grünen, S. 229)

Differenzen zur US-amerikanischen Sichtweise gibt es bei der Stationierung von Nuklearwaffen in Deutschland. Die Grünen plädieren für einen Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffensperrvertrag und somit langfristig für ein atomwaffenfreies Land. 

FDP – Transatlantisch erprobt

Eine Regierungsbeteiligung für die Freien Demokraten gilt genauso wahrscheinlich wie für Bündnis 90/ Die Grünen. Der Einsatz für die transatlantischen Beziehungen ist historischer Teil der Partei des einstigen Außenministers Hans-Dietrich Genscher. Sich offensiv weltweit für Menschenrechte einzusetzen deckt sich mit den Zielen der Biden-Administration. Die FDP könnte zudem dafür werben, dass sich Deutschland und die EU erneut für ein transatlantisches Freihandelsabkommen einsetzen.

Wir Freie Demokraten sind überzeugte Transatlantiker und sehen uns der deutsch-amerikanischen Freundschaft verpflichtet (FDP-Wahlprogramm, S. 54).

Die FDP fordert des Weiteren die Entwicklung eigener europäischer militärischer Fähigkeiten, um den USA zukünftig in Partnerschaft vermehrt auf Augenhöhe begegnen zu können. Das Wort „transatlantisch“ findet zehnmal Erwähnung im Wahlprogramm der Freien Demokraten.

SPD – Verlässlichkeit mit Fragezeichen

Die SPD könnte eine Koalition mit den Grünen und der FDP oder auch mit der Union anführen. In ihrem Zukunftsprogramm spricht sich die Partei für die NATO aus und bekräftigt, dass die EU zukünftig „sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden“ muss. Eine Forderung, die schon die vergangenen US-Präsidenten, teils offensiv, stellten sowie von allen möglichen Regierungsparteien so geteilt wird.

Wir brauchen nicht weniger als einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen.
(
SPD Zukunftsprogramm, S. 59)

In Bezug auf die transatlantischen Beziehungen will sich die SPD für eine verstärkte „Zusammenarbeit bei Themen wie Klimaschutz, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Abrüstung und Sicherheitsfragen“ einsetzen. Olaf Scholz wäre als Bundeskanzler der Garant für stabile Beziehungen zu den USA, wie er auch schon während des Wahlkampfs unterstrich.

Dass ein SPD-geführtes Kanzleramt mit einer demokratischen US-Administration in mindestens den ersten drei Jahren zu tun bekommen würde, kommt guten Beziehungen zwischen Deutschland und den USA entgegen. Die Parteilinke, die durch den Einzug von 49 Jungsozialisten in den Deutschen Bundestag gestärkt wurde, könnte jedoch auch beim Themengebiet der transatlantischen Beziehungen für Spannungen mit dem Bundeskanzleramt, wie schon einst unter Bundeskanzler Helmut Schmidt, sorgen.

Das Wort „transatlantisch“ kommt nur zweimal im SPD-Zukunftsprogramm vor.

CDU – Transatlantische Prägung, Fragezeichen bei Führung

Im Vergleich mit den Sozialdemokraten gelten bei den Christdemokraten umgekehrte Vorzeichen. Die CDU/CSU setzt sich seit Adenauer für eine enge Bindung zu den USA ein. Mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Atlantik-Brücke, Friedrich Merz, ist zudem wieder eine führende transatlantische Persönlichkeit in den Bundestag eingezogen.

Die USA sind unser wichtigster weltpolitischer Partner. (…) Nur in enger Abstimmung werden wir gestaltende Impulse in der Klima-, Handels-, Wissenschafts- und Technologiepolitik setzen können. Unser Ziel muss sein, gemeinsam den Gegnern der Freiheit zu trotzen, globale Standards zu setzen und unseren technologischen Vorsprung zu wahren und auszubauen.
(CDU/CSU Regierungsprogramm, S.8)

Der überzeugte Europäer und Kanzlerkandidat Armin Laschet fiel in der Vergangenheit dagegen eher mit einem russlandfreundlichen Kurs als mit transatlantischer Leidenschaft auf. Im syrischen Bürgerkrieg wartete Laschet mit einem für seine Partei Alleinstellungsmerkmal auf, indem er für eine Konfliktlösung unter Einbeziehung Russlands plädierte. Der renommierte Politikwissenschaftler Professor Dr. Johannes Varwick nennt Laschets Einstellung einen „etwas kompromissbereiteren Ansatz“.  

Im Gegensatz zu Bündnis 90/ Die Grünen bekennen sich CDU/CSU weiterhin zum nuklearen Schutzschirm der USA und den dazugehörigen Verpflichtungen Deutschlands. Die Union setzt sich zudem, im Gegensatz zu SPD und Grünen, zur Einhaltung des 2-Prozent-Ziels der NATO ein. Der transatlantischen Partnerschaft wurde im Regierungsprogramm von CDU/CSU ein eigenes Kapitel gewidmet. Das Wort „transatlantisch“ findet neunmal Erwähnung. 

Fazit

Die Administration von Präsident Biden ist nicht wenig erfreut darüber, dass die Ära Merkel in Deutschland in wenigen Monaten beendet sein wird. Präsident Biden dürfte ein deutsches Regierungsbündnis aus drei Parteien, insbesondere auf Grund des außenpolitischen Profils von Bündnis 90/ Die Grünen und der FDP, präferieren. Die deutsche China- und Russlandpolitik könnte sich in diesem Fall den USA wieder annähern. Der für die transatlantischen Beziehungen schlechteste eintretende Fall, eine Regierungsbeteiligung der Partei Die Linke, konnte durch deren miserablem Abschneiden bei der Bundestagswahl (4,9 Prozent; -4,3 Prozentpunkte) abgewendet werden.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); eigene Fotos; canva.com; eigene Grafiken

Die deutsche Linke beruft sich auf Präsident Joe Biden

„Ami go home!“ „Amerikaner, geh nach Hause!“ Ein Slogan, mit dem einst die politische Linke, auch durch Unterstützung der DDR, in Deutschland und Europa gegen die in der westlichen Hemisphäre stationierten US-Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg mobil machte. Während des Vietnamkriegs erlebte der Satz dank der außerparlamentarischen Opposition und der Friedensbewegung seine Hochzeit. Aus der Mottenkiste der Geschichte wurde der Slogan während des Irakkrieges 2003 erneut hervorgeholt.

Als die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump eine Truppenreduzierung planten, wurde dies auch von politischen Akteuren des gemäßigten linken Spektrums, nunmehr teils in politischer Verantwortung, freilich ebenso kritisiert. Die Beziehung zwischen den deutschen Linken und den USA ist von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet.

Die radikale Linke wiederum will sich von den USA abwenden und die NATO auflösen. Für die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eigentlich zu vernachlässigende Forderungen, war diese Einstellung zunächst nur außerhalb des Parlaments und seit der Wiedervereinigung in einer Kleinpartei ohne Chancen auf Regierungsbeteiligung vertreten. Doch 31 Jahre nach dem Untergang der DDR hat die Partei Die Linke, juristische Fortsetzungspartei der SED, erstmals realistische Aussichten Teil einer Bundesregierung zu werden.

SPD und Bündnis 90/ Die Grünen verweisen zwar aus wahlkampftaktischen Gründen darauf, dass mit einer Partei, die nicht für eine außenpolitische Stabilität, Kontinuität und für die Westbindung Deutschlands steht, eine Koalitionsbildung unrealistisch sei. Doch wie viel ist diese Aussage nach den Dammbrüchen auf Landesebene und auf Grund der Gemeinsamkeiten in der Sozial- und Gesellschaftspolitik wert?

Katja Kipping, ehemalige Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, verringert jedenfalls schon vor der Wahl die außenpolitischen Hürden für ein mögliches Rot-Rot-Grünes-Bündnis.  Bei der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ berief sie sich auf Joe Biden, eben jenen Präsidenten der für diese Partei eigentlich so verachteten Supermacht. Präsident Biden erklärte nämlich in seiner Rede zum Abzug aus Afghanistan den US-amerikanischen Interventionismus der vergangenen Jahrzehnte für beendet:

Bei dieser Entscheidung über Afghanistan geht es nicht nur um Afghanistan. Es geht darum, eine Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder zu beenden.

Präsident Biden hat damit, nahezu unbemerkt von der hiesigen Öffentlichkeit, die US-Sicherheitspolitik der vergangenen Jahrzehnte ad acta gelegt. Es ist eine Rückkehr zu einer stärker isolationistisch orientierten Sicherheitspolitik, wie sie schon vor dem Zweiten Weltkrieg von den USA praktiziert wurde. Nach dem für den Westen erfolgreichen Kalten Krieg und der bis dato nicht beendeten Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus haben die USA den Willen zur Gestaltung der Welt mit militärischen Mitteln verloren.

Was die Präsidenten Barack Obama und Trump begannen, vollendet nun Biden. Die Konzentration der USA liegt im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts primär auf der Stärkung des eigenen Landes: Infrastruktur, Migration, Wirtschaft, Klimaneutralität. Das eigene Land soll umgestaltet, besser gemacht werden, nicht ferne Nationen auf weit entfernten Kontinenten.

Eine Begebenheit, an die Kipping bei „Markus Lanz“ anknüpfte. Der NATO-Austritt Deutschlands sei keine Bedingung für den Eintritt in eine Koalition mehr. Vielmehr forderte Kipping nun eine Garantie, dass sich das nordatlantische Verteidigungsbündnis nicht mehr interventionistisch betätigen solle. Paradoxerweise eine Wortwahl ganz im Sinne des US-Präsidenten.

Lobende Worte für die neue sicherheitspolitische Ausrichtung der USA unter Präsident Biden fand auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei der ProSieben-Bundestagswahl-Show. Spielt die Linke-Basis und deren neues, extremeres Führungsduo mit, wäre die Außen- und Sicherheitspolitik auch dank Präsident Biden wohl kein unüberwindbares Hindernis für eine Rot-Rot-Grüne-Koalition auf Bundesebene mehr.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); eigene Fotos; canva.com; eigene Grafiken

Herschel Walker rennt wieder

Ausverkauftes Stadion. Totenstille. Die Fans des heimischen Teams warten den nächsten Spielzug ihres American Football Teams ab. Die Mannschaft benötigt Ruhe, um ihren Spielzug besprechen zu können. Die Spieler gehen in Position. Der Quarterback bekommt den Ball, gibt sofort an den Runningback ab. Dieser durchbricht gekonnt die Verteidigung und läuft in die Endzone. Touchdown! Das Stadion tobt.

Eine Szene, welche die NFL-Legende Herschel Walker noch gut in Erinnerung haben wird. Denn gleich 61 Touchdowns lieferte der einstige Runningback zwischen 1983 und 1997 für seine Teams der Dallas Cowboys, Minnesota Vikings, Philadelphia Eagles und der New York Giants ab. In den Jahren 1987 und 1988 wurde Walker sogar in den Pro Bowl, dem alljährlichen All-Star-Game, gewählt.

Der im Jahr 1962 in Wrightsville, Georgia, geborene Walker war ein Ausnahmesportler. Die 100 Meter absolvierte er in 10,22 Sekunden, schaffte sogar fast die Olympia-Teilnahme als Staffel-Läufer. Die Olympischen Spiele mussten dennoch nicht ohne Walker auskommen: 1992 nahm er an den Winterspielen in Albertville teil. Er wurde siebter im Zweierbob. Einen schwarzen Gürtel im Taekwondo trägt er zudem. Für die koreanische Kampfkunst ist Walker durch seine Schnelligkeit und Kraft wie geschaffen.

Diese Stärke wurde in der Vergangenheit jedoch schon des Öfteren zu seiner größten Schwäche. Walker wird nämlich mehrfache Gewaltanwendung vorgeworfen. Beispielsweise soll Walker seine Ex-Frau mit einer Pistole an ihrem Kopf bedroht und gesagt haben, dass er ihr „Gehirn herausblasen“ will. Bei Walker wurde eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert.

Dies bedeutet, dass verschiedene Persönlichkeitszustände die Kontrolle über seine Handlungen, Gedanken und Gefühlen übernehmen. Diese Erfahrungen verarbeitete Walker in seinem 2008 veröffentlichten Buch „Breaking Free: My Life with Dissociative Identity Disorder“. Heute kann Walker laut eigener Aussage mit der Krankheit gut leben.

Weniger gut leben kann der republikanische Minderheitsführer im U.S. Senat, Mitch McConnell, mit der Situation, dass Walker sich nun für die republikanischen Vorwahlen zur Senatswahl im Bundesstaat Georgia für das nächste Jahr registriert hat. Auf Grund seines Bekanntheitsgrades gilt Walker als Favorit auf die Kandidatur, so dass er im November 2022 den amtierenden demokratischen U.S. Senator Reverend Raphael Warnock herausfordern würde. McConnell versucht derweil die ehemaligen Senatoren Kelly Loeffler und David Perdue für eine Teilnahme an den Vorwahlen zu gewinnen. Doch ob diese sich gegen Walker durchsetzen könnten gilt als fraglich.

Hinzukommt, dass Walker mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump die wohl derzeit wichtigste Unterstützung innerhalb der Republikanischen Partei genießt. Walker und Trump kennen sich schon seit den 1980er Jahren. Bevor Walker seine NFL-Karriere startete, lief er für die New Jersey Generals auf, einem Team in der zeitweiligen United States Football League. Im zweiten Jahr für die Generals wurde die Franchise von Trump übernommen. 1984 stattete Trump Walker mit einem lukrativen Vertrag aus, da dieser unter anderem die meisten Yards der Liga erlief.

Wäre es nicht fantastisch, wenn der legendäre Herschel Walker für den United States Senat in Georgia kandidiert? Er wäre unstoppbar, genauso wie damals als er für die Georgia Bulldocks und als er in der NFL gespielt hat. Außerdem ist er eine großartige Persönlichkeit.
(Donald Trump über Herschel Walker)

Trumps Unterstützung für Walker ist indes keine Einbahnstraße. Walker bekannte sich frühzeitig zum 45. US-Präsidenten, unterstützte diesen auch bei dessen – unberechtigten – Manipulationsvorwürfen zur Präsidentschaftswahl 2020. Bei der republikanischen Basis kommt dies gut an. Doch ein Wahlkampf gegen den Demokraten Warnock verspricht auch höchste Polarisierung und somit Wählermobilisierung beider Seiten.

Negative Auswirkungen könnte für Walker zudem haben, dass er erst wieder in seinen Heimatbundesstaat zurückgekehrt ist, als er seine Senatskandidatur in Betracht zog. Zuvor lebte Walker Jahrzehnte in Texas, dem Staat, der ihn bei den Dallas Cowboys zu einer NFL-Größe heranwachsen ließ. Neben diesem Punkt, Walkers Krankheit und Trumps Unterstützung, welche positive wie negative Effekte hat, merkt McConnell Walkers politische Unerfahrenheit als negatives Argument für dessen Kandidatur an.

Weshalb der republikanische Minderheitsführer im U.S. Senat ein derart großes Interesse an dieser Wahl hat, ist offensichtlich: Republikaner müssen im nächsten Jahr nur einen Sitz hinzugewinnen, um die Mehrheit im U.S. Senat zu stellen. Der Fokus wird hierbei primär auf Georgia liegen, da Demokraten 2020 bei der Präsidentschaftswahl und bei den Senatswahlen nur hauchdünn gewannen. Es ist der Staat, den Experten wie Politiker als am stärksten umkämpft einschätzen.

Nach seiner atemberaubenden Sportkarriere liegt auf Herschel Walker nun extremer politischer Druck. Kann er mit diesem, auch im Hinblick auf seine Gesundheit, umgehen? Im Englischen spricht man bei einer Kandidatur für ein bestimmtes Amt von „running for“, eins zu eins übersetzt also „rennen für“. Vor diesem Hintergrund ist Walkers Wahlkampfmotto „Laufe. Kämpfe. Gewinne.“ doppeldeutig zu verstehen. Ob er diesmal auch die Defensive des Gegners, ergo der Demokratischen Partei, durchbrechen kann wie einst als Runningback?

https://twitter.com/HerschelWalker/status/1430567635054387201

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); eigene Fotos; canva.com; eigene Grafiken

Überraschung im goldenen Staat der Demokraten?

Der Weg nach Westen versprach Reichtum und Ruhm. Der kalifornische Goldrausch in der Mitte des 19. Jahrhunderts zog zahlreiche Menschen an und verlieh dem heute einwohnerstärksten US-Bundesstaat seinen Beinamen „Golden State“. Im politischen Sinne wurde Kalifornien in den vergangenen Jahrzehnten für die Demokratische Partei zum goldenen Staat.

Zuletzt konnte nämlich im Jahr 1988 mit George H.W. Bush ein Republikaner bei einer Präsidentschaftswahl den Staat für sich entscheiden. Zudem stellen Demokraten seit 1992 beide U.S. Senatoren. Auf bundesstaatlicher Ebene regieren seit zehn Jahren am Stück demokratische Gouverneure, beide Parlamentskammern werden von Demokraten mit einer Zweidrittelmehrheit beherrscht.

Doch die demokratische Idylle in Kalifornien wird von einem unerwarteten Ereignis gestört: Mitte September werden Kalifornier an die Wahlurnen gebeten, um bei einer Abberufungswahl über die Zukunft ihres Gouverneurs Gavin Newsom zu entscheiden. Was die Hintergründe dieser Wahl sind und wie diese funktioniert, wird nachfolgend beantwortet.

Was wird unter einer Abberufungswahl verstanden?

Unter einer Abberufungswahl, im Englischen als „recall“ bekannt, wird, wie der Name schon sagt, darüber entschieden, ob ein Politiker weiterhin im Amt bleiben darf. Solch eine Wahl kann für jeden gewählten Offiziellen abgehalten werden. Allerdings kennen nur 19 der 50 Bundesstaaten einen solchen „recall“.

Zur Abhaltung dieser außerordentlichen Wahl muss eine bestimmte Anzahl an Unterschriften von registrierten Wählern innerhalb eines bestimmten Zeitraums gesammelt werden. Nach kalifornischem Recht bedeutet dies, dass die Anzahl der Unterstützer mindestens zwölf Prozent der vergangenen Wahlbeteiligung betragen muss. Für die explizite Abberufungswahl des Gouverneurs mussten folglich mindestens 1.495.709 Wähler dieses Anliegen unterstützen.

Warum gibt es einen Recall?

Nach 2003 kommt es in diesem Jahr erst zum zweiten Mal in der Geschichte Kaliforniens zu einer Abberufungswahl gegen einen Gouverneur. Wie ist es dazu gekommen? Insgesamt wurden sieben Petitionen für eine Abberufungswahl gestartet. Angenommen wurde die Kampagne mit der Begründung, dass Kalifornier „unter den höchsten Steuern im Land, der höchsten Obdachlosenrate und unter der niedrigsten Lebensqualität“ leiden müssten.

Die Petition, der zunächst geringe Chancen eingeräumt wurden, nahm jedoch auf Grund der Coronavirus-Pandemie an Fahrt auf. Die Doppelmoral des Gouverneurs, in dem er seine Bevölkerung anwies, Treffen zu meiden, selbst jedoch an einer Geburtstagsfeier eines befreundeten Lobbyisten in einem drei Sterne Restaurant teilnahm, führte letztendlich zum Erfolg der Kampagne. Newsom verteidigte sich zwar, dass die Veranstaltung draußen abgehalten worden sei. Fotos sollten jedoch beweisen, dass dies nicht der Fall war. Der Eindruck eines elitären Millionärs wurde Newsom zum Verhängnis.

Wie läuft die Abberufungswahl ab?

Auf dem Stimmzettel müssen zwei Fragen beantwortet werden: Zunächst entscheidet das Wahlvolk darüber, ob der amtierende Gouverneur Gavin Newsom abberufen werden soll. Beim bisher einzigen „recall“ eines kalifornischen Gouverneurs wurde der Demokrat Gray Davis abberufen, der Republikaner Arnold Schwarzenegger wurde als dessen Nachfolger gewählt.

Daraufhin wird von der Wählerschaft ein Kreuz verlangt, welcher Politiker bei einer erfolgreichen Abberufung als neuer Gouverneur fungieren soll. Der Kandidat, der eine relative Mehrheit der Stimmen erreicht, ist gewählter neuer Gouverneur. Der amtierende Gouverneur darf nicht auf dieser Kandidatenliste erscheinen.

Seit dem 16. August 2021 kann schon per Brief abgestimmt werden. Eine vorzeitige Stimmabgabe in einigen Wahllokalen ist ab dem 04. September 2021 möglich. Der eigentlich Wahltag ist Dienstag, 14. September 2021.

Wer ist Gouverneur Gavin Newsom?

Der 53-jährige Newsom ist seit Januar 2019 Gouverneur von Kalifornien. Die Wahl gewann der ehemalige Vizegouverneur mit 23,8 Prozentpunkten Vorsprung vor seinem republikanischen Konkurrenten. Zwischen 2004 und 2011 amtierte Newsom als Bürgermeister von San Francisco. In dieser Funktion erlaubte er gleichgeschlechtliche Eheschließungen, welche jedoch später von der Judikative für ungültig erklärt wurden. 2007 begab sich Newsom auf Grund einer Alkoholkrankheit in Behandlung. Des Weiteren überlebte er im politischen Sinne einen Sex-Skandal.

The sun is rising in the west, and the arc of history is bending in our direction.
(Newsom am Wahlabend 2018)

Newsom, der in einem privilegierten Elternhaus aufwuchs und selbst Multimillionär ist, gehört der progressiven Faktion innerhalb der Demokratischen Partei an und führte den Widerstand gegen Donald Trump mit an. Als Gouverneur erließ er beispielsweise ein Moratorium für Todesstrafen und zog die California National Guard von der Grenze zu Mexiko ab. Newsom ist in zweite Ehe verheiratet und hat vier Kinder. Newsoms erste Ehefrau, die Fernsehmoderatorin  Kimberly Guilfoyle, ist derzeit mit Trumps Sohn Donald Junior liiert.

Wer sind die Kandidaten?

Kalifornier haben die Wahl zwischen 46 Kandidaten. Darunter finden sich keine prominenten Demokraten, da Gouverneur Newsom seine Parteikollegen dazu aufrief, der Abberufungswahl keinen weiteren Aufwind zu verleihen. Die Strategie der Demokraten ist somit „alles oder nichts“.

Der konservative Republikaner und Talk-Show-Moderator Larry Elder führt repräsentative Umfragen deutlich an und wäre der erste afroamerikanische Gouverneur Kaliforniens. Die bekannteste Kandidatin ist Reality-TV-Star Caitlyn Jenner, die im Jahr 1976 noch als Mann eine Olympische Goldmedaille im Zehnkampf gewann. In Umfragen liegt sie im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Wie sehen die Prognosen aus?

Kalifornien ist ein tiefblauer Staat. Umso fataler für Gouverneur Newsom, dass repräsentative Umfragen einen für kalifornische Verhältnisse engen Ausgang der Abstimmung erwarten. Laut einer Befragung der UC Berkeley befürworten 47 Prozent der Wahlberechtigten eine Abberufung, 50 Prozent der Kalifornier unterstützen den Gouverneur. Nach dem republikanischen Gouverneur Scott Walker (Wisconsin) wäre Newsom erst der zweite Gouverneur in der US-amerikanischen Geschichte, der eine Abberufungswahl erfolgreich übersteht.

Da es sich um eine außerordentliche Wahl handelt und es am Wahltag zu keinen anderen größeren Wahlen kommt, hängt der Ausgang von der Wahlbeteiligung ab. Die republikanische Minderheit im Bundesstaat dürfte hoch motiviert sein, einen für sie unbeliebten Gouverneur abzulösen.

Sorgen bereitet Demokraten zudem, dass Newsom während der Coronavirus-Pandemie, die Fallzahlen steigen auf Grund der Delta-Variante wieder, mehrmals in der Kritik stand. Waldbrände, Dürren sowie mögliche größere Stromausfälle werden zudem als Probleme für die Demokraten genannt.

Unterstützung aus Washington D.C. kam bis dato noch nicht. Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris planen jedoch Wahlkampfveranstaltungen für Gouverneur Newsom im September. Die Vizepräsidentin genießt allerdings in ihrem Heimatbundesstaat keine guten Umfragewerte, so dass ihre Hilfe im Team von Newsom skeptisch gesehen wird.

Aus einer sicher geglaubten Wahl wurde in den vergangenen Wochen eine richtige Herausforderung für die Demokratische Partei um Gouverneur Newsom. Um den goldenen Staat im politischen Sinne für Demokraten zu bewahren, geht es insbesondere um die Mobilisierung der eigenen Kernwählerschaft. Da auf zwei Demokraten nur ein Republikaner in Kalifornien kommt, hat Newsom trotz aller Probleme einen bedeutenden Vorteil auf seiner Seite.