#uswahl2024: Zwischenstand zum Kandidatenfeld 03/2023

In weniger als 590 Tagen sind US-Amerikaner dazu aufgerufen einen neuen oder alten Präsidenten zu wählen. In den USA beginnen Präsidentschaftswahlkämpfe frühzeitig, so dass die ersten Politiker ihre Ambitionen auf das Weiße Haus schon verkündet haben. Andere Personen wiederum loten noch intensiv eine Teilnahme an den Vorwahlen aus. Der nachfolgende Beitrag informiert vor diesen Hintergründen über den Zwischenstand zum Teilnehmerfeld zu den republikanischen und demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen 2024.

Republikanische Vorwahlen

Bislang haben vier Personen ihre Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen offiziell verkündet. Donald Trump ist als ehemaliger US-Präsident der prominenteste Teilnehmer, gefolgt von der einstigen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Wenig bekannt und lediglich mit Außenseiterchancen ausgestattet sind der Unternehmer Vivek Ramaswamy und Bürgermeister a.D. Steve Laffey. Das Kandidatenfeld ist seit mehr als einem Monat unverändert, mit weiteren Kandidaturen wird jedoch in den nächsten Monaten gerechnet.

Trump nimmt Konkurrenten medialen Sauerstoff

Als Reality-TV-Star nahm Trump im Jahr 2016 allen seinen 16 innerparteilichen Konkurrenten jeglichen medialen Sauerstoff. Das Wahljahr 2024 beginnt unter ähnlichen, wenngleich nochmals radikaleren, Voraussetzungen. Das Damoklesschwert von möglichen Anklagen gegenüber Trump bestimmt nämlich weitestgehend die landesweite Berichterstattung über die bisherigen republikanischen Vor-Vorwahlen.

In Washington D.C. untersucht ein Sonderermittler, ob der 45. US-Präsident am 06. Januar 2021, Stichwort Erstürmung des U.S. Kapitols, einen Umsturz anzettelte. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, ob Trump nach dessen Amtszeit klassifizierte Dokumente aus dem Weißen Haus wissentlich mitgenommen und unterschlagen hat. In Georgia wiederum droht Trump ein Prozess wegen des (möglichen) Versuchs der Beeinflussung regionaler Politiker, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 umzudrehen.

Die größte Berichterstattung nehmen gegenwärtig die Ermittlungen in New York City zu Trumps Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ein. Gleichwohl solche Zahlungen in New York nicht strafbar sind, könnten diese dennoch nicht gesetzeskonform von statten gegangen sein. Explizit wird hierbei der Frage nachgegangen, ob Daniels‘ Schweigen Trump im Wahlkampf 2016 half. Dies wiederum würde eine unerlaubte Wahlkampfspende darstellen.

Trump muss sich folglich mit mehreren juristischen Angelegenheiten gleichzeitig auseinandersetzen. Sollte es bei einem der oben angeführten Fälle zu einer Anklage kommen, würde dies jedoch keine direkten Auswirkungen auf seine Präsidentschaftskandidatur haben. Lediglich bei einer Verurteilung würde Trump (zunächst nur) der Entzug des aktiven Wahlrechts in seinem Wahlheimatbundesstaat Florida drohen.

DeSantis bereitet Kandidatur vor

Nach seinem Erdrutschsieg bei der Gouverneurswahl in Florida im November vergangenen Jahres hat sich Ron DeSantis zum gegenwärtig größten Konkurrenten für Trump um die republikanische Präsidentschaftskandidatur herauskristallisiert. DeSantis spricht ein ähnliches Wählerklientel wie Trump an, allerdings auf eine leisere, niveauvollere Art. In den vergangenen Wochen versuchte DeSantis seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, indem er sein im März erschienenes Buch „The Courage to Be Free“ („Der Mut frei zu sein“) im ganzen Land, insbesondere in den frühen Vorwahlstaaten, bewarb.

Gleichwohl vieles auf eine Teilnahme an den republikanischen Vorwahlen hindeutet, dürfte DeSantis seine Kandidatur wohl nicht vor Ende der Sitzungswochen des Parlaments seines Bundesstaates Florida am 05. Mai 2023 offiziell machen. Zuletzt konnte DeSantis mit Jeff Roe den Kopf hinter dem Wahlsieg von Glenn Youngkin zum Gouverneur von Virginia im Jahr 2021 für seinen Super PACNever Back Down“ als Berater gewinnen. Eine Personalie, die wiederum gegen eine Kandidatur des bislang als Geheimtipp gehandelten Gouverneurs von Virginia spricht.

Politisch hat DeSantis zuletzt den Kulturkampf zwischen konservativem und liberalem Amerika weiter angeheizt. Als Gouverneur von Florida ordnete DeSantis beispielsweise an, dass das Unterrichtsverbot für Themen der sexuellen Orientierung und Gender auf alle Altersklassen ausgeweitet wird. Bei der republikanischen Basis dürfte dies gut ankommen.

Pence versucht sich als klassische republikanische Alternative zu etablieren

Der ehemalige Vizepräsident Mike Pence steht laut eigener Aussage kurz vor einer Entscheidung bezüglich einer eigenen möglichen Präsidentschaftskandidatur. Bei der TV-Show von Sean Hannity auf Fox News erklärte der strenggläubige Christ, dass er und seine Frau Karen für eine Antwort diesbezüglich beten würden. Wie DeSantis hat auch Pence ein Buch („So Help Me God„) geschrieben und dies zuletzt primär in den frühen Vorwahlstaaten vorgestellt.

Zuletzt distanzierte sich Pence deutlich von seinem früheren Chef Trump sowie von DeSantis. Pence sprach beispielsweise Trump von einer Verantwortung für die Erstürmung des Kapitols nicht frei. Des Weiteren befürwortet Pence, im Gegensatz zu Trump und DeSantis, eine Ausweitung der US-Hilfen für die Ukraine. Ebenso schlug Pence eine Reform des Sozialversicherungssystems sowie von Medicare, die öffentliche Krankenversicherung für über 65-Jährige, aus, um die zukünftige Finanzierung sicherstellen zu können. Trump lehnt diese Vorhaben ab.

Hogan und Kemp kandidieren nicht

Der moderate Republikaner Larry Hogan verzichtet auf eine Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Im Gespräch mit Bob Costa von CBS ließ der ehemalige Gouverneur von Maryland verlautbaren, dass zu viele gemäßigte Kandidaten bei den Vorwahlen nur Trump stärken würden. Schon 2016 nahmen sich moderate Republikaner gegenseitig die Stimmen weg, so dass sich der damalige Immobilienmogul durchsetzen konnte.

Ebenso eine Kandidatur ausgeschlossen hat der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp. Kemps Amtskollege aus North Dakota, Doug Burgum, lotet hingegen eine Teilnahme an den republikanischen Vorwahlen aus.

Christie und Scott vor Entscheidung

Der lautstarke, politisch jedoch gemäßigte Chris Christie, einst Gouverneur von New Jersey, wird sich innerhalb der nächsten 60 Tage über seine nach 2016 mögliche zweite Präsidentschaftskandidatur entscheiden.

Als bislang einziger U.S. Senator lotet gegenwärtig Tim Scott eine Kandidatur aus. Der Afroamerikaner aus dem Bundesstaat South Carolina würde insbesondere auf evangelikale Wählergruppen abzielen sowie eigenen Aussagen zufolge optimistische Botschaften verbreiten wollen.

Haley und Pompeo üben Kritik an eigener Partei

Kritik gegenüber der Schuldenpolitik der eigenen Republikanischen Partei äußerten zuletzt Haley und Mike Pompeo. Beim Club for Growth sprach Haley davon, dass „es viele republikanische Politiker fast so gerne mögen wie Demokraten, das Geld der Steuerzahler auszugeben und zu verschwenden.“

Der ehemalige Außenminister Pompeo kritisierte gar explizit die Schuldenpolitik der Trump-Administration, in der er als Außenminister diente. Haley hat schon ihre Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen verkündet, Pompeo dürfte ihr in den nächsten Monaten folgen.

Demokratische Vorwahlen

Zu den demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen gibt es mit Marianne Williamson bislang nur eine offizielle Bewerberin. Wie schon im Jahr 2020 werden der Autorin jedoch keine Chancen eingeräumt. Zumal mit einer erneuten Kandidatur von Präsident Joe Biden gerechnet wird.

Gegenwärtig klärt der Mitarbeiterstab von Präsident Biden, ob dessen Wahlkampfhauptquartier in seiner Heimatstadt Wilmington, Delaware, oder im medial günstiger gelegenen Philadelphia, Pennsylvania, aufgeschlagen werden soll. Der Amtsinhaber muss ebenso eine Entscheidung treffen, in welcher Stadt der Demokratische Nominierungsparteitag 2024 abgehalten werden soll. Chicago, Illinois, gilt als Favorit.

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Das Stimmungsbarometer 03/2023: US-Amerikaner befürworten mehrheitlich TikTok-Verbot

„1600 Pennsylvania“ informiert über die aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute.

Repräsentative Umfragen aus D.C.

 

Weitere repräsentative Umfragen

Repräsentative Umfragen rund um die #uswahl2024

Nicht-repräsentative Umfrage auf Twitter

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Richard Nixons Blick in die Glaskugel

Richard Nixon war zweifelsfrei eine polarisierende Persönlichkeit. Infolgedessen ist es wenig verwunderlich, dass die Präsidentschaft des Republikaners negative wie positive Erinnerungen hervorruft. Einerseits trat Nixon im Rahmen der Watergate-Affäre als bisher einziger Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von seinem Amt zurück. Andererseits stand der 37. US-Präsident für eine nahezu revolutionäre Außen- und Sicherheitspolitik.

Nixon war nämlich auch der erste US-Präsident, der zu Staatsbesuchen in die Sowjetunion und in die Volksrepublik China reiste. Im Jahr 1972 brachte er die Ping-Pong-Diplomatie zu einem Höhepunkt, als er sich zu Gesprächen mit Mao Zedong traf und die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China vereinbarte. Mit dem sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew unterzeichnete Nixon das Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT I.

Mit seiner Entspannungs- und Abrüstungspolitik erwarb sich Nixon einen exzellenten außen- und sicherheitspolitischen Ruf. Eine Begebenheit, die ihm noch bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1994 zu einem gefragten Fachmann machte. In einem Fernsehinterview äußerte sich der damals 81-Jährige über das neue Russland, welches nach dem Zerfall der Sowjetunion erstmals ein demokratisches System mit expliziten Freiheitsrechten genoss.

Vor diesem Hintergrund sah Nixon Russland auf einem Scheideweg: „die Ideen der Freiheit (…) [würden nun] auf die Probe gestellt“. Könnten sich die Werte der Freiheit in Russland nicht durchsetzen, würde es laut Nixon zwar „keine Umkehr zum Kommunismus, der versagt hat,“ geben. Aber, so Nixon weiter, wäre es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem neuen Despotismus kommt, „der eine tödliche Gefahr für den Rest der Welt darstellen würde“.

Nixon beschrieb diese Herausforderung explizit mit den Worten

eines Virus des russischen Imperialismus, der die Charakteristik russischer Außenpolitik seit Jahrhunderten darstellt.

Aus diesen Gründen hätte der Westen, so Nixon, großes Interesse am Erfolg von Demokratie und Freiheit in Russland. Ansonsten bestünde eine reelle Gefahr für den Weltfrieden. Weitere (ehemalige) kommunistische Staaten wie China könnten sich bei einem Scheitern des russischen Freiheitsprojekts zudem ermutigt fühlen Vertretern eines harten politischen Kurses wieder das Kommando zu geben.

Knapp 30 Jahre nach Nixons Analyse ist festzustellen, dass sich in Russland die Werte der Freiheit nicht durchsetzten, es entstand ein erneutes autoritäres System. Der Kreml bedient sodann den in der Bevölkerung historisch bedingten tief verwurzelten russischen Imperialismus unter anderem mit einem Angriffskrieg auf die Ukraine. Im kommunistischen China wiederum erklärte sich Xi Jinping quasi zum Staatspräsidenten auf Lebenszeit und damit zum mächtigsten Mann seit Mao Zedong.

Gleichwohl es im Rückblick so anmuten mag, war es doch kein zufälliger Blick in die Glaskugel, den Richard Nixon im Jahr 1994 von sich gab. Aus Nixon sprach vielmehr dessen großer außen- und sicherheitspolitischer Erfahrungsschatz, gepaart mit einem breit angelegten Wissen über die Geschichte und Kultur anderer Länder. Qualifikationen, die insbesondere einem Großteil der deutschsprachigen Politik und Öffentlichkeit in Bezug auf Russland und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine abgingen und abgehen. Die heutigen Geschehnisse in Russland und China kommen mitnichten überraschend.

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Die Buchbesprechung: „Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ (Leonid Wolkow)

Im Vorfeld des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ignorierte der Westen, vornehmlich die Bundesrepublik Deutschland, eine Vielzahl an Warnungen (ein Beitrag auf „1600 Pennsylvania“ hat sich ausführlich mit der Thematik beschäftigt, Klick hier). Doch auch US-Präsident Joe Biden beging in seinem ersten Amtsjahr folgenreiche Fehler. Beispielsweise hob er einerseits den Widerstand gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland direkt nach Deutschland auf.

Andererseits wertete Präsident Biden, ähnlich seinem Vorgänger, seinen russischen Amtskollegen Vladimir Putin unnötig auf wie auch Leonid Wolkow in seinem Buch „Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ treffend feststellt:

Nach dem Giftgasanschlag auf Nawalny war Putin politisch in Isolation geraten, seinem nächsten Umkreis waren empfindliche Sanktionen auferlegt worden, ihm selbst drohten weitgehende Ermittlungen durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen. Was tat Putin daraufhin? Er verlegte ein paar Truppeneinheiten an die ukrainische Grenze, inszenierte eindrucksvoll Vorbereitungen zum Krieg, und schon wendete sich das Blatt um 180 Grad, schon rief US-Präsident Biden bei ihm an und lud ihn zum Gipfeltreffen nach Genf ein (…)“

Leonid Wolkow: Putinland, S. 134f.

In seinem 233 Seiten starken und in der deutschsprachigen Ausgabe im Droemer Verlag erschienen Werk verbindet Wolkow solche Analysen über die westliche Russland-Politik mit den Erfahrungen während seiner Tätigkeiten in der russischen Opposition. Herausgekommen ist ein Werk, welches einen guten Einblick in die Sichtweise eines ehemaligen in Russland ansässigen politischen Aktivisten gibt.

Ehemalig, da für Wolkow als einstigen Leiter der Kampagne von Alexei Nawalny zur Bürgermeisterwahl in Moskau 2013 und als politischer Direktor der Antikorruptionsstiftung FBK kein Platz mehr im autoritären Russland war. Seit 2019 lebt Wolkow nun schon im litauischen Exil. Die verständliche Verbitterung gegenüber diesen Zustand und den mangelnden positiven Veränderungen in Russland kann Wolkow in seinem Buch nicht verbergen. Vor diesem Hintergrund bezeichnet er Putin unter anderem als:

(…) blassen politischen Emporkömmling (…)

Wolkow: Putinland, S. 14

oder beschreibt den Kreml-Herrscher mit den Worten:

(…) was für ein armseliger und lächerlicher Mensch Russlands Präsident ist.

Wolkow: Putinland, S. 10

Ich halte Präsident Putin nicht für besonders klug oder gebildet (…)

Wolkow: Putinland, S. 34

Um eine Person oder ein System politisch zu bekämpfen, sollte diese/s jedoch nicht unterschätzt werden. Immerhin ist Putin seit dem Jahr 2000 der mit Abstand mächtigste Mann Russlands. Seine Macht konnte der ehemalige KGB-Agent stetig ausbauen, auch weil Putin und dessen Entourage oftmals mehrere Schritte im Voraus dachten. In Bezug auf die Außen-, Sicherheits- und Energiepolitik sei an dieser Stelle auch auf die Einflussnahme auf den Energiesektor Deutschlands durch die Nord Stream Pipelines erinnert.

Catherine Belton analysiert in ihrem sehr lesenwerten Werk „Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste“ detailliert den Aufstieg Putins, zu dem eine jahrelange Vorbereitung dazugehörte. Die britische Investigativjournalistin widerspricht damit den Thesen Wolkows. Dem Geschichtsbild Wolkows würde Belton wohl ebenso widersprechen, blendet dieses doch Russlands imperialistische Vergangenheit im Zarenreich sowie unter der Sowjet-Diktatur aus.

Nawalny und seine Mitstreiter, zu denen auch Wolkow gehört, werden in Deutschland oftmals als die Hoffnung auf ein demokratisches, liberales Russland dargestellt. Berechtigte Bedenken über diese hehren Ziele begegnet Wolkow mit dem Totschlagargument der „reinen Russophobie“ (Wolkow: Putinland, S. 15).

Vielmehr lässt das Werk „Putinland“ durchblicken, dass auch bei den prominentesten Akteuren, die sich gegen Putins Herrschaft einsetzen, ein imperialistisches Gedankengut mitschwingt. Ähnlich früheren und aktueller russischer Führer bedient sich Wolkow zudem auch bei Nawalny dem Narrativ der grenzenlosen Erhöhung. Als Exemplifizierung dient Wolkows Beschreibung von Nawalnys Rückkehr in die Russische Föderation nachdem dieser einen Giftanschlag überlebte:

Nawalnys Rückkehr nach Russland hatte geradezu biblische Dimensionen. Wie der mythische Phönix aus der Asche war er wiederauferstanden, er war unversehrt und stärker als je zuvor.

Wolkow: Putinland, S. 126

Kurz darauf wurde Nawalny inhaftiert. Doch ebenso wie diese Rückkehr wartet auch Wolkow mit Naivität auf:

Aber Nawalny hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Sein Team hatte (…) an einem Dokumentarfilm über Putins gigantischen Palast am Schwarzen Meer gearbeitet (…)

Wolkow: Putinland, S. 126

An den Machtstrukturen hat dies freilich nichts geändert. Erwähnt sei außerdem, dass Nawalny die völkerrechtswidrige Annexion der Krim im Jahr 2014 nicht verurteilte und diese, sofern er Präsident wäre, auch nicht zwingend zurückgeben würde. Ein weiteres Referendum solle laut Nawalny über den Status der Krim entscheiden, welches freilich auf Grund der von Moskau forcierten veränderten Bevölkerungsstruktur eine weitere Farce wäre. 2008 forderte Nawalny gar die russische Besetzung des gesamten georgischen Territoriums.

Russlands imperialer Wahn geht also nicht nur auf „Putinland“ zurück, wie Nawalnys Mitstreiter Wolkow in seinem Buch behauptet. Unterstrichen wird dies zudem, dass auch nach dem ersten Kriegsjahr drei Viertel der russischen Bevölkerung die Invasion der Ukraine unterstützen (Hintergründe Klick hier).

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass „Putinland“ von Leonid Wolkow auf Grund dessen Befangenheit, Naivität und Sozialisation deutliche Schwächen im Hinblick auf Analysen der Ära Putin aufweist. Die Stärken, welche der Autor in Bezug auf die Beschreibung seiner persönlichen Erfahrungen während seiner Zeit als Aktivist in Russland sowie hinsichtlich der Beurteilung westlicher Russland-Politik aufweist, werden so konterkariert.

Vielen Dank an den Droemer Verlag für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.
Weiterführende Informationen des Verlags (Klick hier).

Die offizielle Buchbeschreibung

Unter Putin hat sich Russland zu einer imperialistischen Diktatur verwandelt, die die Werte und das Lebensmodell des Westens bedroht. Wie das passiert ist und warum Europa es bis zuletzt ignoriert hat – das analysiert Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter des inhaftierten Dissidenten Alexei Nawalny. Anhand persönlicher Erfahrungen im Kampf gegen Korruption und Willkürherrschaft legt er die brutale imperialistische Dynamik in Putins Reich offen und zeigt, was man in Deutschland und Europa nicht wahrhaben wollte. Wer Russland, Putin und den Angriffskrieg gegen die Ukraine verstehen will, kommt an seiner brisanten Analyse nicht vorbei.

„Putinland. Der imperiale Wahn, die russische Opposition und die Verblendung des Westens.“ (Leonid Wolkow)

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Personalwechsel in der Biden-Administration

Nach der Hälfte der Amtszeit eines Präsidenten ist es in den USA üblich, dass es zu diversen Personalveränderungen in der Regierungsmannschaft kommt. Gleichwohl Präsident Joe Biden Finanzministerin Janet Yellen und den Klimabeauftragten John F. Kerry davon überzeugen konnte, vorerst in ihren Ämtern zu verbleiben, bildet doch auch die Administration des 46. US-Präsidenten keine Ausnahme ob zahlreicher Personalwechsel. Der nachfolgende Beitrag informiert vor diesem Hintergrund über die wichtigsten Veränderungen in der Biden-Administration.

Stabschef des Weißen Hauses: Ron Klain → Jeff Zients

Seit dem Jahr 1969 beträgt die durchschnittliche Amtszeit eines Stabschefs des Weißen Hauses gerade einmal 15 Monate. Ron Klain, der erste Stabschef von Präsident Biden, hielt immerhin etwas mehr als zwei Jahre auf dieser anspruchsvollen Position durch. Nach der Rede zur Lage der Nation übergab der progressiv eingestellte Klain den Staffelstab an den Analytiker Jeff Zients weiter. Zients amtierte zuvor schon als COVID-19-Koordinator im Weißen Haus von Joe Biden.

Ein eigener Beitrag stellt den neuen Stabschef im Weißen Haus vor (Klick hier).

Steckbrief Jeff Zients
Geburtsdatum12.11.1966
GeburtsortWashington, D.C.
AusbildungDuke University (B.A. in Politikwissenschaft)
Vorherige AnstellungCOVID-19-Koordinator

Kommunikationsdirektorin: Kate Bedingfield → Ben LaBolt

Ursprünglich wollte Kate Bedingfield, langjährige Beraterin von Joe Biden und seit dessen Präsidentschaft Kommunikationsdirektorin, schon im Sommer vergangenen Jahres „1600 Pennsylvania Avenue“ verlassen. Ende Februar 2023 vollzog Bedingfield, die sich auch einst Hoffnungen auf den Posten der Pressesprecherin des Weißen Hauses machte, diesen Schritt. Auf Bedingfield folgt Ben LaBolt, der zuvor unter anderem als Berater in der Administration von Barack Obama sowie im Weißen Haus für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Nominierung von Ketanji Brown Jackson als Richterin am Supreme Court zuständig war. LaBolt ist der erste offen homosexuelle Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses.

Steckbrief Ben LaBolt
Geburtsdatum20.08.1981
GeburtsortLa Grange, IL
AusbildungMiddlebury College (B.A. in Politikwissenschaft)
Vorherige AnstellungLeiter Kommunikation für die Nominierung von Richterin Ketanji Brown Jackson

Direktor Nationaler Wirtschaftsrat: Brian Deese → Lael Brainard

Als Tochter des US-amerikanischen Diplomaten Alfred Brainard wurde Lael Brainard in Hamburg geboren und wuchs in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Polen auf. An der Harvard University erwarb Lael Brainard ihren Doktortitel in Wirtschaftswissenschaft. Seit dem Jahr 2014 amtierte sie als Mitglied des Board of Governors des Federal Reserve Systems. Nach dem Ausscheiden von Brian Deese als Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats hat Brainard nun diesen Posten übernommen. Sie ist damit die wichtigste Wirtschaftsberaterin von Präsident Biden.

Steckbrief Lael Brainard
Geburtsdatum01.01.1962
GeburtsortHamburg, Deutschland
AusbildungHarvard University (PhD in Wirtschaftswissenschaften)
Vorherige AnstellungVorstand der US-Notenbank

Beraterin: Keisha Lance Bottoms → Steven Benjamin

Keisha Lance Bottoms stand in der Vorauswahl möglicher Vizepräsidentschaftskandidatinnen von Joe Biden. Nachdem sich Biden für Kamala Harris entschied, trat die ehemalige Bürgermeisterin von Atlanta der Regierung im Juni 2022 doch noch bei. Im April verlässt Bottoms als Beraterin für die Beziehungen zu Offiziellen von Bundesstaaten und der lokalen Politik jedoch schon wieder das Weiße Haus. Ihr wird Steven Benjamin, einstiger Bürgermeister von Columbia, South Carolina, nachfolgen.

Steckbrief Steven Benjamin
Geburtsdatum01.12.1969
GeburtsortNew York City, NY
AusbildungUniversity of South Carolina (Juris Doctor)
Vorherige AnstellungVorsitzender First Responder Network Authority

Arbeitsminister: Marty Walsh → Julie Su

Der bisherige Arbeitsminister Marty Walsh erfüllt sich einen Traum und wird sich der besten Eishockey-Liga der Welt, der NHL, anschließen. Freilich nicht als Spieler, sondern als Präsident der Spielergewerkschaft. Für die Nachfolge bewarben sich der ehemalige New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio und der New Yorker Abgeordnete Sean Patrick Maloney. Präsident Biden hat sich letztendlich jedoch dafür entschieden die bisherige stellvertretende Arbeitsministerin Julie Su für dieses Amt zu nominieren. Die Lobbyarbeit verschiedener asiatisch-amerikanischer Gruppen war damit erfolgreich. Die Personalie benötigt noch die Zustimmung des U.S. Senats.

Steckbrief Julie Su
Geburtsdatum19.02.1969
GeburtsortWI
AusbildungHarvard Law School (Juris Doctor)
Vorherige AnstellungStellvertretende Arbeitsministerin

Über die wichtigsten Personalien der Biden-Administration informiert eine Sonderseite (Klick hier).

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