Stimmungsbarometer 9/15: Politische Außenseiter dominieren das GOP-Rennen

Nachdem der Vorwahlkampf mit dem Besuch von Papst Franziskus im US-Kongress für einen Moment inne gehalten hat, wird nun der heiße Herbst eingeläutet. Im Oktober findet nicht nur die dritte republikanische TV-Debatte statt, sondern auch Hillary Clinton, Bernie Sanders & Co. müssen sich erstmals miteinander messen. Ob Vizepräsident Joe Biden an der ersten demokratischen Debatte teilnehmen wird, ist weiterhin fraglich.

Die Grundlage für das Stimmungsbarometer 9/15 sind die durchschnittlichen Umfragewerte von Real Clear Politics für den Zeitraum zwischen dem 26.08. und 22.09.2015. Alle Angaben in Prozent und ohne Gewähr. (Grün/ Rot = Zum vorherigen Stimmungsbarometer an Prozentpunkten gewonnen/ verloren)


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Hillary Clintons Vorsprung auf Bernie Sanders und Joe Biden ist auch in diesem Monat weiter geschmolzen. Im wichtigen Vorwahlstaat New Hampshire liegt Sanders mittlerweile sogar in Führung. Ob Hillary mit ihrer neuen Strategie, mehr TV-Auftritte und mehr Menschlichkeit zu zeigen, eine Trendwende einleiten kann?

NATIONAL

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VORWAHL IOWA – TOP 3

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VORWAHL NEW HAMPSHIRE – TOP 3

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REPUBLIKANER

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Das republikanische Bewerberfeld wird derzeit von politischen Außenseitern bestimmt. Mit dem Immobilienmogul Donald Trump, dem Neurochirurg Dr.
Ben Carson
und der ehemaligen CEO von HP, Carly Fiorina, haben sich gleich drei politische Neulinge an die Spitze der Republikaner gesetzt.

NATIONAL

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Rick Perry und Scott Walker haben ihre Kandidaturen zurückgezogen.

VORWAHL IOWA – TOP 3

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VORWAHL NEW HAMPSHIRE – TOP 3

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GENERAL ELECTION – HILLARY CLINTON VS. TOP 3 DER GOP

Auch bei möglichen Duellen in der general election zwischen Hillary Clinton und den derzeit in nationalen Umfragen führenden Republikanern muss die Demokratin an Prozentpunkten einbüßen. Zwar liegt sie gegenüber Trump und Fiorina weiterhin in Front. Den Vergleich mit Dr. Carson würde Hillary aktuell jedoch knapp verlieren.

Nachfolgend der Vergleich zwischen Hillary und den derzeit führenden Republikanern:

CLINTON VS. TRUMP

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CLINTON VS. Dr. Carson

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CLINTON VS. Fiorina

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Walker gibt auf – um Trump zu verhindern

Als Scott Walker im Juli seine Bewerbung um die republikanische Präsidentschaftskandidatur offiziell einreichte galt er noch als Mitfavorit. Drei Gouverneurswahlsiege in nur vier Jahren katapultierten Walker schlagartig zum Liebling des konservativen Parteiflügels. Als junger, dynamischer und erfolgreicher Gouverneur galt er – neben Senator Marco Rubio – als der größte Herausforderer des – scheinbar – alles überstrahlenden Jeb Bush.

Und Walker hatte auch sein Momentum – allerdings zu früh. Im Verlauf des Jahres 2015 stiegen seine Umfragewerte stetig, die wichtige Vorwahl in Iowa führte er sogar lange Zeit unangefochten an. Ob der frühzeitig starken Beliebtheitswerte baute Walker seine Kampagne weiter aus – und überhob sich.

Walker wurde außerhalb Wisconsin bekannter, seine Popularitätswerte fielen jedoch. Dies hatte neben ausbaufähigen Wahlkampfauftritten vor Ort und inkonsistenten politischen Meinungen insbesondere damit zu tun, dass im Sommer die Stunde der politischen Außenseiter geschlagen hatte.

Mit Donald Trumps Kandidatur änderte sich nahezu alles. Walker war nicht mehr der Außenseiter, der in nahezu heldenhafter Manier gegen Gewerkschaften in Wisconsin gekämpft und gewonnen hatte. Scott Walker mutierte vielmehr zu der ungeliebten Spezies der Berufspolitiker – als Gouverneur gehört er trotz seines politischen Lebenslaufs eben dieser politischen Kaste an.

Die Folge war, dass die Spendenakquise in qualitativer Hinsicht ausblieb. Da nützte auch die Unterstützung der einflussreichen Koch-Brüder wenig. Walkers enttäuschende Auftritte bei den bisherigen beiden TV Debatten (#Blog1600Penn berichtete) gaben ihm letztendlich den K.O. Bei der letzten CNN Umfrage kam Walker auf nur noch 0,5%.

Am Montag Abend hat Walker nun die Reißleine gezogen und sich aus dem Rennen um die GOP-Kandidatur verabschiedet. Mit einer kurzen, dafür umso bemerkenswerteren Rede. Walker blickte auf den Abend der letzten TV-Debatte in der Ronald Reagan Library zurück und erinnerte sich an die positive Grundstimmung, die einst Reagan verbreitete.

Einen Optimismus, den Walker derzeit in der republikanischen Partei vermisst. Der Gouverneur von Wisconsin kritisierte die persönlichen Angriffe, die den bisherigen Vorwahlkampf seit Eintritt Trumps prägen. Walker spielt damit auf die Missachtung des Elften Gebots nach Reagan an.

In seiner Rede ermutigte Walker andere – wenig aussichtsreiche – Kandidaten, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen und sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Die Kräfte sollen zwischen den Kandidaten, die positive Botschaften verbreiten und ein ernsthaftes Agenda-Setting betreiben, gebündelt werden – mit dem Ziel Donald Trump als republikanischen Kandidaten zu verhindern.

Am Ende seiner Wahlkampagne hatte Scott Walker doch noch einen starken Vorwahlkampfauftritt. Für ihn kam es zu spät – doch für die republikanische Partei möglicherweise zum richtigen Zeitpunkt.


Auszug aus Scott Walkers Rede:

Today, I believe that I am being called to lead by helping to clear the race so that a positive conservative message can rise to the top of the field. With that in mind, I will suspend my campaign immediately (…)
I encourage other Republican presidential candidates to consider doing the same so the voters can focus on a limited number of candidates who can offer a positive conservative alternative to the current frontrunner. This is fundamentally important to the future of the party and – ultimately – to the future of our country. (Scott Walker)


 

#GOPDebate: Fiorina zählt Trump an

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In Kooperation mit Bildmaterial von CNN International

Rund um die zweite Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber schwebte der Geist von Ronald Reagan, dem Säulenheiligen aller US-Konservativen. Wie könnte es auch anders sein, fand das Aufeinandertreffen doch  in der Ronald Reagan Presidential Library in Simi Valley, Kalifornien, statt.

Doch beim Wettstreit um die Nachfolge des 40. Präsidenten wurde Reagans geistlicher Nachlass schon im Vorfeld von dessen Nachfahren wenig Beachtung geschenkt. Als elftes Gebot ging Reagans „Du sollst nicht schlecht über deine republikanischen Parteifreunde reden“ in die Geschichte ein.

Doch spätestens seit dem Einstieg von Donald Trump ist von diesem Rat in der republikanischen Partei wenig zu spüren. Zumal sich dieser Eindruck verstärkt, nachdem Jeb Bush, Bobby Jindal und Co. in den vergangenen Wochen zum Gegenangriff übergegangen sind.

Und wie könnte es anders sein sahen 22,9 Millionen Amerikaner, eine Rekordeinschaltquote für CNN, zum Auftakt eine Attacke von Trump auf Paul. Der Multi-Milliardär stellte in herablassender Art die Anwesenheit von Paul bei der Hauptdebatte auf Grund derzeitiger schlechter Umfragewerte in Frage. Doch überraschenderweise sollte dies eine der wenigen Offensivaktionen von Trump werden.

SIMI VALLEY, CA - SEPT 15: The CNN Republican Candidate Debate at the Reagan Presidential Library on September 16, 2015. Jake Tapper will be the moderator for the CNN Republican Presidential Candidate Debate from the Library on the 17th.

Carly Fiorina überzeugte mit smarten Angriffen auf Donald Trump

Zum ersten Mal im noch frühen Vorwahlkampf geriet Donald in die Defensive. Insbesondere Jeb Bush und Carly Fiorina setzten Attacken auf den derzeit in nationalen Umfragen führenden Republikaner. Fiorina, die nach ihrem starken Auftritt bei der ersten Debatte erstmals bei der Hauptdebatte teilnehmen durfte, genoss den größten Applaus des Publikums.

Mit smart gestalteten Angriffen auf Trump und detaillierten Antworten konnte sich die ehemalige CEO von Hewlett-Packard von den restlichen Kandidaten absetzen. Spannend wird zu sehen sein, ob sich ihr positiver Auftritt auch in den Umfragen widerspiegeln wird.

Einen Aufschwung erhofft sich auch Lindsey Graham, der die kleine Debatte der in nationalen Umfragen zwölf bis 15 platzierten Republikaner dominierte. Im Gegensatz zu seinem blutleeren Auftritt bei der ersten TV-Debatte überzeugte Graham diesmal durch seinen ausgewiesenen Humor und Argumenten, die außenpolitische Falken wie auch das Establishment ansprechen dürften.

SIMI VALLEY, CA - SEPT 15: The CNN Republican Candidate Debate at the Reagan Presidential Library on September 16, 2015. Jake Tapper will be the moderator for the CNN Republican Presidential Candidate Debate from the Library on the 17th.

Marco Rubio (dritter von links) mit einem souveränen Auftritt

Weniger humorvolle Zeiten sieht sich der Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, gegenüber. Einst galt er als großer Mitfavorit auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur, sind in den letzten Wochen seine Umfragewerte stark gesunken. Ein enttäuschender Auftritt bei der Hauptdebatte, garniert mit der kürzesten Redezeit, werden seine Kampagne vor weiteren, vielleicht sogar unüberwindbaren, Herausforderungen stellen.

Anders stellte sich ein weiterer Hoffnungsträger dar: Marco Rubio. Überzeugte der junge Senator aus Florida schon in der ersten Debatte, konnte er nun auch in Kalifornien an seine souveräne Leistung anknüpfen. Schlussendlich werden von der zweiten GOP-Debatte neben einer lebendigen Diskussion die vielseitigen Angriffe auf Donald Trump in Erinnerung bleiben.

Dementsprechend wurde einerseits Trumps wenig tiefgründiger politischer Sachverstand mehrmals auf die Probe gestellt. Andererseits wurde der Immobilien-Mogul mit seinen eigenen Waffen geschlagen, indem Trumps Kritik an Kandidaten im Vorfeld der Debatte nun – vorwiegend von Bush und Fiorina – perfekt gekontert wurde.

SIMI VALLEY, CA - SEPT 15: The CNN Republican Candidate Debate at the Reagan Presidential Library on September 16, 2015. Jake Tapper will be the moderator for the CNN Republican Presidential Candidate Debate from the Library on the 17th.

Spannendes Duell: Donald Trump gegen Jeb Bush

So auch am Ende der Debatte, als sich die Kandidaten einen möglichen Codenamen beim Secret Service geben sollten. Bush nutzte diese Chance geschickt und ritt eine letzte Attacke auf Trump: „Mein Codename wäre Ever-ready [Immer-bereit], das ist sehr viel Energie, Donald“. Eine Anspielung auf Trumps Aussage, dass Bush energielos sei.

Trump reagierte souverän, lächelte und bot Bush einen Handschlag an. Jeb nahm dieses Angebot an und schlug – kräftig – ein. Der Geist von Ronald Reagan schien doch noch in die Präsidentenbibliothek eingekehrt zu sein. Oder war es von Seiten Bushs doch nur der Gedanke, dass die Entzauberung des Donald Trump an diesem Abend begonnen hatte?



Die besten Zitate des Debattenabends

Forty years ago I smoked marijuana, and I admit it. (Jeb Bush)

The marijuana that kids are smoking today is not the same as the marijuana that Jeb Bush smoked 40 years ago. (Carly Fiorina)

Your brother gave us Barack Obama. (Donald Trump zu Jeb Bush)

There will always be a Bush or Clinton for you if you want to go back to war in Iraq. (Rand Paul)

I think women all over this country heard very clearly what Mr. Trump said. (Carly Fiorina als Antwort auf Trumps sexistischen Kommentar über ihr Aussehen vor der Debatte)

One, thanks, CNN, for having people at this debate (Lindsey Graham; bei FOX News mussten die schlechterplatzierten Kandidaten ohne Publikum diskutieren)

I wasn’t the best law student. By the end of this debate it’d be the most time I’d spent in any library. (Lindsey Graham; die Debatte fand in Ronald Reagans Präsidentenbibliothek statt)

In my world, Hispanics are Americans. (Lindsey Graham)

That’s the first thing I’m going to do as president: We’re gonna drink more. (Lindsey Graham)


REDEZEITEN DER KANDIDATEN IN DER HAUPTDEBATTE (IN MIN.)

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alle Angaben ohne Gewähr


KANDIDATENBEURTEILUNG

Jeb Bush: Hatte zweifelsohne starke Momente, jedoch auch eine länger Schwächephase in der Mitte der Debatte

Dr. Ben Carson
: Gewohnt ruhiger, souveräner Auftritt

Chris Christie: Leidenschaftlich

Ted Cruz
: Eher unauffällig

Carly Fiorina: Souverän, mit smarten Angriffen auf Donald Trump

Mike Huckabee
: Wenig Redezeit, eher unauffällig

John Kasich
: Wenig Redezeit, eher unauffällig

Rand Paul
: Wenig Redezeit, hatte es schwer sich in die Debatten mit einzubringen

Marco Rubio
: Staatsmännisch, rhetorisch überzeugend, hielt sich aus persönlichen Angriffen gegenüber seinen Mitbewerbern heraus

Donald Trump
: Befand sich überwiegend in der Defensive, wenig inhaltliche Tiefe, schwieg zwischenzeitlich für 37 (!) Minuten

Scott Walker
: Enttäuschender, unauffälliger Auftritt


SIMI VALLEY, CA - SEPT 15: The CNN Republican Candidate Debate at the Reagan Presidential Library on September 16, 2015. Jake Tapper will be the moderator for the CNN Republican Presidential Candidate Debate from the Library on the 17th.

Arnold Schwarzenegger, ehemaliger Gouverneur von Kalifornien, gehörte zu den Gästen


Bild-Credit: © 2015 CABLE NEWS NETWORK. A TIME WARNER COMPANY. ALL RIGHTS RESERVED.

Ein zauberhaftes Interview mit den Amerikaexperten Dr. Endler und PD Dr. Thunert

Der Vorwahlkampf zur US-Präsidentschaftswahl 2016 nimmt langsam an Fahrt auf. Der erste Urnengang im wichtigen Bundesstaat Iowa findet zwar erst im Februar statt, die innerparteilichen TV-Debatten sind jedoch schon in vollem Gange. CNN bittet die republikanischen Bewerber am 16. September schon zum zweiten Aufeinandertreffen.

Mit der zunehmenden Konzentration auf den US-Wahlkampf rückt auch das Ende der Ära Obama in den Fokus. Wo stehen die Vereinigten Staaten nach sieben Jahren Barack Obama? Die Heidelberger Wissenschaftler Tobias Endler und Martin Thunert sind dieser Frage in ihrem neuesten Buch (ab dem 07.10.2015 im Buchhandel) nachgegangen.

Im HIGH-FIVE-Interview geben die beiden Autoren einen ersten Einblick in ihr Werk und beurteilen aktuelle Entwicklungen im Präsidentschaftswahlkampf. In Anlehnung des Buchtitels „Entzauberung. Skizzen und Ansichten zu den USA in der Ära Obama“ ein wahrhaft zauberhaftes Interview:

In Ihrem neuesten Werk haben Sie in Experteninterviews einen Streifzug durch die USA der Gegenwart durchgeführt. Wie sehen Amerikas Vorzeigedenker die Vereinigten Staaten unter Präsident Obama?

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Dr. Tobias Endler

Endler: Es gibt bei vielen Fragen naturgemäß keinen Konsens, das Feld der Experten ist nicht weniger polarisiert als die Durchschnittsbevölkerung. Bei der größten aller Fragen allerdings herrscht Übereinstimmung, und das sollte uns Europäern schon zu denken geben: Praktisch niemand sieht die Bedeutung der USA in den nächsten 15 Jahren signifikant zurückgehen, ganz gleich auf welchem Gebiet.

Von Niedergang kann also keine Rede sein. Es geht stattdessen um eine neue Flexibilität, eine Gewichtsverlagerung: Amerika stellt sich ein neues globales Portfolio zusammen, und noch ist längst nicht ausgemacht, wie viele „deutsche Aktien“ die Amerikaner halten wollen.

Thunert: Gleichzeitig ist klar, dass der Supermachtstatus der USA heute nicht mehr der ist, der er zum Ende des 20. Jahrhunderts – also vor anderthalb Jahrzehnten – war. Es erwartet auch niemand ernsthaft, dass wir eine solche Renaissance in den nächsten fünfzehn Jahren erleben.

Was wird – Stand 2015 – die größte Herausforderung für Obamas Nachfolger/-in sein?

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PD Dr. Martin Thunert

Thunert: Zunächst, und das gilt unabhängig davon, wer ins Weiße Haus einzieht: „Washington“, also das Regierungssystem auf Bundesebene, muss wieder funktionstüchtig gemacht werden. Dann steht auch die Frage an, wie gewährleistet werden kann, dass nicht nur die obersten Gesellschaftsschichten von Globalisierung und Digitalisierung profitieren.

Was das Internationale betrifft, geht es primär um geopolitische Verschiebungen insbesondere im asiatischen Raum. China ist trotz seiner derzeit wachsenden Schwierigkeiten immer noch Amerikas Banker.

Zwar ist es noch sehr früh im Vorwahlkampf, nichts desto trotz fühlt sich die republikanische Partei durch den derzeit in nationalen Umfragen führenden Multi-Milliardär Donald Trump verunsichert. Welchen Zauber hat Trump inne?

Endler: Trump profitiert derzeit von einer populistischen Grundstimmung bei Teilen der US-Gesellschaft. Er ist die eine Seite der Medaille, der selbsterklärte Sozialist Bernie Sanders die andere. Trump, und schon hier beginnt die Ironie, wendet sich gegen die Eliten in Politik und Medien, er versteht angeblich die Ängste des kleinen Mannes am besten, dabei hat sein Leben mit der Realität eines kleinen Angestellten in Arizona so viel zu tun wie das Leben von Paris Hilton mit dem eines Liftboys in einem der Hotels, die ihr Vater gebaut hat.

„The Donald“ – der Mann ist mittlerweile zu seiner eigenen Marke geworden – könnte als Politclown durchgehen, wenn er nicht so gefährlich wäre. In gewisser Weise erinnert er an Pennywise aus Stephen Kings Es: Trump lebt von den Ängsten der Menschen, die er permanent schürt.

Thunert: Für Sanders sind die ökonomischen Eliten der Finanzwelt die Bösewichte. Auch er erweckt den Eindruck der Unabhängigkeit und Authentizität, weil er bisher ohne Großspender auskommt und niemals zum Parteiestablishment gehört hat.

Ohne Sanders – oder Trump – unterschätzen zu wollen, dürfte sich die Debatte ab Anfang 2016, dem eigentlichen Beginn der Vorwahlen, stärker auf konkrete politische Sachfragen konzentrieren. Gerade Trump sollte es dann schwer haben, seine Führung zu behaupten. Er wird sich selbst entzaubern.

Die Familien Clinton und Bush haben abermals große Chancen in das Weiße Haus einzuziehen. Lebt die US-amerikanische Demokratie von Familiendynastien oder ist die Demokratie durch wenige einflussreiche Personen entzaubert?

Endler: Politische Familiendynastien haben in der US-Geschichte immer wieder eine größere Rolle gespielt, von der Familie Adams während der Gründungszeit über die Roosevelts zu den Kennedys im 20. Jahrhundert und heute eben Bush und Clinton.

Die Demokratie in den USA ist heute allerdings nicht durch diese Dynastien gefährdet, sondern vielmehr durch starke ideologische Polarisierung – ein Grund, warum in Washington, wie eben erwähnt, so viel Sand im Getriebe ist.

Ein anderes Problem ist der Einfluss des großen Geldes auf die Politik: Sehr wenige, extrem einflussreiche Personen ziehen im Hintergrund die Fäden – insofern ist der Zauber schon lange verloren gegangen. Ohne großzügige Spenden privater Gönner ist kaum noch das Amt des Sheriffs zu gewinnen.

Trump bezieht aus seinem Reichtum seine Glaubwürdigkeit, er kann überall verkünden, ausschließlich mit seinen eigenen Dollars zu hantieren. Dieser Faktor ist wichtiger als je zuvor, seit 2010 die Super-PAC Regelung eingeführt wurde. Lobbygruppen dürfen nun unbegrenzt Gelder annehmen, solange sie diese nicht direkt an Kandidaten weiterleiten – in der Praxis ist das nicht zu kontrollieren.

Ihr Tipp: Welches Duell werden wir bei der Präsidentschaftswahl 2016 erleben?

Thunert: Wenn man wetten müsste: Hillary Clinton vs. Marco Rubio. Wichtiger ist aber Folgendes: Auf den ersten Blick sieht es 2016 für die mutmaßliche Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, leichter aus als für jeden möglichen Republikaner, denn sie muss nur die Obama-Koalition zusammenhalten, um zu gewinnen. Doch nicht alle Teile der Regenbogen-Koalition, welche Obama 2008 und 2012 mobilisieren konnte, sind von Clinton – oder Biden, falls er kandidieren sollte – begeistert.

Interessant ist auch, wen sowohl Clinton als auch Biden als Vizepräsidentschaftskandidaten präsentieren, um die junge und ethnisch vielfältige Basis bei der Stange zu halten. Grundsätzlich gelingt es einer Partei nicht oft, das Weiße Haus drei Mal hintereinander zu erobern. Darin liegt die vielleicht größte Chance der Republikaner. Ansonsten spricht viel gegen deren Erfolg 2016.

Endler: Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Grand Old Party drei, vier wichtige Bundesstaaten von Obama zurückgewinnen muss, um eine Chance zu haben. Auf jeden Fall Florida und Virginia, höchstwahrscheinlich Ohio, dazu am besten auch zwei Staaten im Mittleren Westen wie Iowa und Wisconsin, oder auch Nevada und Colorado im Westen.

Marco Rubio könnte zum stärksten Kandidaten werden, aber auch die Gouverneure Walker und Kasich sind nicht zu unterschätzen. Wir glauben, dass die Parteibasis ein frisches Gesicht bevorzugt, deshalb hat Jeb Bush nur Chancen, wenn die eben Genannten schwere Fehler in den Debatten und im Wahlkampf machen.

Carly Fiorina macht bisher eine gute Figur; sie könnte sich als geschickte Wahl für die Vizepräsidentschaft herausstellen. Hillary muss eigentlich nur aufpassen, nicht als zu selbstverständlich zu gelten. Wähler wollen wählen, sie wollen keine Krönung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Kai-Uwe Hülss. 


51XcIjgqyLLTobias Endler / Martin Thunert: Entzauberung. Skizzen und Ansichten zu den USA in der Ära Obama

Im Handel ab dem 07.10.2015

Broschiert: 210 Seiten
Verlag: Budrich, Barbara
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3847406736
ISBN-13: 978-3847406730

Erhältlich im Buchhandel und bei amazon!


Das Gespräch erschien auch auf:

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Bildquellen: Universität Heidelberg; Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com

Neuerungen auf #Blog1600Penn

In dieser Woche möchten wir auf einige Neuerungen auf #Blog1600Penn hinweisen. In den vergangenen Wochen wurde die Seite um einige Themenfelder erweitert, um noch mehr Informationen rund um die US-Präsidentschaftswahl 2016 bereitstellen zu können.

Einerseits wurde der Blog um die Rubrik „Vorwahlen“ ergänzt. Hier finden sich ab sofort alle Informationen zum Vorwahlkampf, wie „Wahltermine“, der Zeitplan zu den innerparteilichen TV-Debatten und die aktuellen Zwischenstände zu den Vorwahlen der Demokraten beziehungsweise der Republikaner. In der Rubrik „Vorwahlen“ werden ebenso alle Vorwahlergebnisse einsehbar sein.

Andererseits gibt es nun auch die Rubrik „Sonstiges“. Unter diesem Reiter wird der „Weg in das Weiße Haus“ dargestellt, Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Präsidentschaftswahl gegeben und ein Kontaktformular ist ebenso online.

pf_14400945241Eine weitere Neuerung wird die Interviewreihe „HIGH-FIVE“ sein, in der sich zukünftig Experten aus Politik, Wissenschaft und Medien zu den US-Präsidentschaftswahlen äußern werden.

In diesem Sinne viel Spaß weiterhin mit #Blog1600Penn!


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