Eigener Aussage zufolge könnte er sich sehr wohl um politische Korrektheit bemühen. Nur hat er dafür keine Zeit, wie Donald J. Trump in einem Interview mit dem TIME Magazine, von dem er erst mit dem dritten Rang bei der Wahl zur Person des Jahres ausgezeichnet wurde, tönte.
Trumps Geschichte ist ein Leben auf der Überholspur. Immobilien-Mogul. Reality-TV-Star. Bestsellerautor. Multi-Milliardär. Eigentlich hat Trump mehr erreicht, als sich jeder Erdenbewohner träumen lassen könnte. Doch mit seinen 69 Jahren hat ihn noch einmal das Jagdfieber gepackt. Es ist die Gier nach Aufmerksamkeit. Nach Macht. Trump will Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden.
Von der Witzfigur zum Schrecken des Establishments
Zunächst belächelt, diktiert Trump seit Monaten den Vorwahlkampf. Er beleidigt Mexikaner („Sie sind Vergewaltiger!“), beleidigt Frauen (Trump über die Moderatorin Megyn Kelly: „Da tropfte Blut aus ihren Augen, Blut aus ihrer Wo-auch-immer.“) und äfft behinderte Journalisten nach. Im Kampf um Aufmerksamkeit kennt Trump weder Freund noch Feind.
Wären diese Ausfälle nicht schon genug, setzt Trump mit seinen politischen Ideen noch einen oben drauf. Das anfängliche Fordern eines Mauerbaus an der 3.133 km langen Grenze zu Mexiko war ja noch einigermaßen amüsant. Was auch daran lag, dass Trumps Kandidatur wie erwähnt im Sommer 2015 noch wenig ernst genommen wurde.
Doch dies hat sich geändert, führt der Immobilien-Mogul doch schon seit vier Monaten die Umfragen zur republikanischen Vorwahl an. Trumps Aussagen haben an Beachtung gewonnen.
Republikaner in Trumps Zangengriff
Das republikanische Establishment zeigt sich sichtlich nervös. Das an Quantität und Qualität eigentlich hochwertige Bewerberfeld der Republikaner steht im Schatten Trumps. Keine guten Vorzeichen für die general election gegen die demokratische Mitbewerberin, die aller Voraussicht nach Hillary Clinton heißen wird.
Mit der Forderung, allen Muslimen ein Einreiseverbot zu erteilen, hat Trump auch seine letzten Freunde in der Grand Old Party verloren. Kritik von seinen Mitbewerbern und der Parteiführung kam prompt und unmissverständlich. Vom weltweiten medialen Sturm der Entrüstung ganz zu schweigen.
Parteibasis steht hinter Trump
Doch wer denkt, dass es Trump nun, endlich, wirklich zu weit getrieben hat, fühlt sich nach der neuesten repräsentativen Umfrage von Bloomberg Politics/Purple Strategies PulsePoll eines besseren belehrt.
Denn 65 Prozent aller republikanischen Anhänger unterstützen Trumps Idee des Einreiseverbots für Muslime! Auf die Gesamtbevölkerung betrachtet sympathisieren immerhin noch 37 Prozent mit dem Vorschlag, 50 Prozent lehnen ihn ab. Selbst die 18 Prozent der demokratischen Anhänger erscheinen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Spaltung in ein blaues (Demokraten) und rotes (Republikaner) Amerikaner als hoch.
Doch warum stimmen vergleichsweise so dermaßen viele Amerikaner den fundamentalen Aussagen Trumps zu? Die Antwort liegt tiefgründiger, als die berechtigte, aber doch zumeist oberflächliche Kritik an Trump vermuten lassen würde.
Die Ängste der Bevölkerung sind Trumps Stärke
Seit Jahrzehnten entfernen sich die beiden großen Lager, liberal versus konservativ, voneinander. Gesellschaft und Politik unterscheiden sich hiervon wenig, wenngleich die Polarisierung in Washington D.C. noch ausgeprägter ist.
Eine Entwicklung, die zu steigender Radikalisierung, links wie rechts, beiträgt. Aktuell kanalisiert Trump den Unmut von rechts. Eine Begebenheit, die schon seit acht Jahren an Intensivität zugenommen hat.
Denn einst führte die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zur (Wieder-) Belebung der extremen Rechten. Hieraus erfolgte durch die Wahl von Anhängern der Tea-Party in den Jahren 2010 und 2012 ein weiterer Polarisierungsschub im US-Kongress. Die Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz, Marco Rubio und Rand Paul schwammen beispielsweise auf dieser Erfolgswelle gen Senat.
Gesellschaftlicher Wandel lässt Teil der Bevölkerung zurück
In der Ära Obama schritt zudem der gesellschaftliche Wandel rasant voran. Zum ersten Mal hat es ein Afro-Amerikaner in das Weiße Haus geschafft. Leider für einige Amerikaner immer noch ein Unding. Schon 2008 kanalisierte Trump diesen Unmut, indem er Obamas US-amerikanische Staatsbürgerschaft und damit rechtmäßige Präsidentschaft anzweifelte.
Das Urteil des Supreme Courts, die Eheschließung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in allen 50 Bundesstaaten zu erlauben, erfuhr keine Legitimation durch den Souverän. 40 Prozent der Amerikaner lehnen weiterhin die Gleichstellung zwischen hetero- und homosexuellen Ehen ab. Ein Großteil der Bevölkerung im US-Kernland wurde somit übergangen. Insbesondere weiße, religiöse Personen fühlten und fühlen sich von diesem „progressivem Fortschritt“ überfahren.
Dass Obama das Weiße Haus am Tag der Gerichtsentscheidung in Regenbogenfarben der LGBT-Bewegung beleuchten ließ, legte zudem mangelndes Taktgefühl an den Tag. Der US-Präsident sollte das Land einen, nicht noch mehr teilen. Obama ging in den vergangenen Jahren überwiegend auf Minderheiten ein, den restlichen, konservativeren Teil der Bevölkerung hat er bei seinem Modernisierungskurs jedoch vergessen.
Demographie, Islam und fehlendes Politikervertrauen
Zudem haben bestehende Ängste in der US-amerikanischen Bevölkerung nach den Anschlägen von Paris und San Bernardino weitere Nahrung bekommen. Trump hat zwar keine Lösungen für die Bewältigung der Herausforderungen, spricht aber deutlich die Gefühlslage einiger Menschen an.
Es sind Veränderungen, die Ängste auslösen. Zumal die jetzige weiße Mehrheit bald zur demographischen Minderheit mutieren wird. Wäre dies alles nicht schon genug, entfremden sich die Volksvertreter zunehmend von der Bevölkerung. Lediglich 11 Prozent der Amerikaner sind mit der Arbeit ihrer Parlamentarier zufrieden.
Trump stoppen heißt das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen
Ein Wert, der politischen Neulingen wie Trump in die Karten spielt. Er agiert ohne Rücksicht auf politische Korrektheiten – und wird dafür von seinen Anhängern gefeiert. Die aus Politik, Medien und Prominenz geäußerte Kritik an Trump bewirkten bisher das Gegenteil, stärkten den New Yorker sogar noch. Alleine den Immobilien-Mogul zu verteufeln greift zu kurz.
Es ist das Gebot der Stunde tiefgehende, intelligente Kritik an Trump zu äußern. Viele Akteure hoffen Trump zum politischen Schweigen zu bringen. Doch die Ängste einiger Menschen werden bestehen bleiben.
Ein Demagoge kann nur smart gestoppt werden, indem diesem die Wurzeln des Erfolgs gekappt werden: die Bevölkerungszustimmung. Hierzu müssen die Sorgen der Menschen erkannt werden, Amerikaner bei politischen Entscheidungen mitgenommen werden.
Es werden insbesondere die Herausforderungen des nächsten Amtsinhabers in 1600 Pennsylvania Avenue sein. Ansonsten droht der Graben in den Polarisierenden Staaten von Amerika noch tiefer zu werden. Nicht auszudenken, wer dann in Trumps Fußstapfen treten könnte.
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