HIGH-FIVE mit David McAllister MdEP: „Schutz und militärische Kooperation mit den USA sind unverzichtbar!“

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten war für die transatlantischen Beziehungen gleichbedeutend mit einer Zeitenwende. Gehört die Freundschaft zwischen den USA und Europa der Vergangenheit an? Sollten die Europäer mehr Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen wie es der amtierende US-Präsident verlangt und wie würden sich die Beziehungen unter einem Präsidenten Joe Biden gestalten?  Über diese Themen sprach „1600 Pennsylvania“ mit dem CDU-Politiker David McAllister, Mitglied des Europäischen Parlaments und ehemaliger niedersächsischer Ministerpräsident.

Die transatlantische Partnerschaft wurde durch die Präsidentschaft von Donald Trump in den vergangenen knapp vier Jahren einer Belastungsprobe ausgesetzt. Doch schon unter den Präsidenten Barack Obama und George W. Bush wurden die Beziehungen durch die NSA-Affäre und durch den Irak-Krieg belastet. Sind die transatlantischen Beziehungen ein Relikt aus alten Tagen?

Nein. Die transatlantischen Beziehungen zwischen der USA und der Europäischen Union unterliegen zweifelsohne einem Stresstest – und das nicht erst seit Donald Trump Präsident wurde. Seit einigen Jahren zieht sich die USA aus ihrer Rolle als Verteidiger und Wahrer der internationalen Weltordnung zurück. Angesichts des rapiden Aufstiegs Chinas verlagert sie ihr Engagement weg aus Europa in den indopazifischen Raum.

Dies bedeutet nicht, dass die transatlantische Partnerschaft in Vergessenheit gerät. Europa hat den USA sehr viel zu verdanken – Frieden, Freiheit und Wohlstand. Seit über 70 Jahren sind die beiden Teile unserer Welt wirtschaftlich, politisch und militärisch eng verbunden. Wir brauchen einander. Es gilt, sich auch weiterhin klar zu dieser Partnerschaft zu bekennen und den transatlantischen Austausch weiterhin beidseitig zu fördern.

Im Jahr 2014 wurde beim NATO-Gipfel in Wales festgeschrieben, dass sich die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsländer innerhalb von zehn Jahren in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bewegen sollen. Präsident Trump kritisierte mehrmals insbesondere Deutschland, sich nicht an diese Abmachung zu halten. Sollten Deutschland und die EU (nicht alle Länder der EU sind auch Mitglied der NATO) einen höheren Beitrag im Rahmen der NATO erbringen?

Die NATO ist die tragende Säule der transatlantischen Partnerschaft. Angesichts neuer militärischer, technologischer und politischer Herausforderungen muss die Brücke über den Atlantik gestärkt werden. Die Europäische Union ist ein globales Schwergewicht, wenn es um Handel und internationale Entwicklungszusammenarbeit geht. Doch außen- und sicherheitspolitisch müssen wir in Europa mehr Verantwortung übernehmen. Die EU muss weltpolitikfähig werden.

Dazu wollen wir die gemeinsamen militärischen Fähigkeiten in Europa besser und effizienter machen, indem wir bestehende und neue strategisch relevante PESCO-Projekte engagiert vorantreiben. Gleichzeitig bleibt die militärische Kooperation mit den USA unverzichtbar. Es geht vielmehr darum, den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO zu stärken. Wir müssen transatlantisch bleiben und dafür europäischer werden.

Wir wollen die Streitkräfte in Europa besser und effizienter machen, aber der Schutz und die militärische Kooperation mit den USA sind unverzichtbar. Die EU soll nie gegen die NATO arbeiten, sondern Europa innerhalb der NATO stärken.

Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden hat gute Chancen auf den Wahlsieg am
03. November. Erhoffen Sie sich durch dessen – mögliche – Wahl eine Verbesserung der transatlantischen Beziehungen?

Ein Wechsel im Weißen Haus könnte den transatlantischen Beziehungen einen neuen Impuls geben. Unter einem Präsident Biden dürfte sich die multilaterale Zusammenarbeit verbessern. Wir würden einen Partner für eine stärkere regelbasierte globale Ordnung zurückgewinnen. In einigen Fragen wird es allerdings weiterhin Konfliktpotenzial geben. Das betrifft zum Beispiel den Umgang mit China oder die protektionistischen Tendenzen in der Handelspolitik.

Vielen Dank für das Interview. 

Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.


David McAllister (CDU) gehört seit 2014 der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament an. Er leitet den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Zwischen 2010 und 2013 amtierte McAllister als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. McAllister besitzt die deutsche und die britische Staatsbürgerschaft. Offizielle Website (Klick hier).

Bildquellen: Europäisches Parlament (David McAllister); Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com

Die Kongresswahlen 2020

Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Welt fiebern der US-Präsidentschaftswahl am
03. November 2020 entgegen. Doch an diesem Tag geht es um viel mehr als um das Weiße Haus. Denn neben regionalen Wahlen findet ebenso die Wahl zum U.S. Kongress statt. Ohne eine Mehrheit in beiden Kammern wird es für jeden Präsidenten herausfordernd erfolgreich und nachhaltig zu regieren. „1600 Pennsylvania“ informiert euch über die Ausgangslage.

Die Wahl zum U.S. Repräsentantenhaus

Die 435 Abgeordneten des U.S. Repräsentantenhauses werden alle zwei Jahre neu gewählt. Gegenwärtig hält die Demokratische Partei eine Mehrheit von 34 Stimmen. An den generellen Mehrheitsverhältnissen wird sich bei dieser Wahl kaum etwas ändern.

Nancy Pelosi , derzeitige Sprecherin des U.S. Repräsentantenhauses, hat schon angekündigt sich einer Wiederwahl für diese herausragende Position zu stellen. Die 80-jährige Kalifornierin würde bei einer Wahl von Joe Biden zum Präsidenten zu eine der mächtigsten Speaker in den vergangenen Jahrzehnten aufsteigen. Das U.S. Repräsentantenhaus vorgestellt (Klick hier).

Die Wahl zum U.S. Senat

Die Wahl zum U.S. Senat gestaltet sich weitaus interessanter. Gegenwärtig halten Republikaner eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen (45 Demokraten und 2 Unabhängige). Im Jahr 2020 stehen 35 der 100 Senatssitze zur Wahl: Neben den 33 regulären Wahlen finden in Georgia und Arizona Nachwahlen statt. Die Republikanische Partei muss 23 Sitze verteidigen, die Demokratische Partei benötigt hiervon somit je nach Ausgang der Präsidentschaftswahl drei oder vier Sitze, um die Mehrheit zu erlangen.

Repräsentative Umfragen versprechen einen engen Wahlausgang. Mit Martha McSally (Arizona), Corry Gardner (Colorado), Kelly Loeffler (Georgia), David Perdue (Georgia), Joni Ernst (Iowa), Susan Collins (Maine), Steve Daines (Montana), Thom Tillis (North Carolina) und Lindsey Graham (South Carolina) stehen gleich neun republikanische U.S. Senatoren unter besonders hohem Druck. Auf demokratischer Seite müssen lediglich Doug Jones (Alabama) und Gary Peters (Michigan) um ihre Wiederwahl bangen. Folglich ist ein Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im U.S. Senat im Bereich des Möglichen. Der U.S. Senat vorgestellt (Klick hier).

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); U.S. Congress; eigene Grafiken

Die Buchbesprechung: „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“ (Brinkbäumer, Lamby)

Eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl 2020 läuft auf der ARD die Dokumentation „Im Wahn – Trump und die amerikanische Katastrophe“ (Mo., 26.10.2020, 22.50 Uhr sowie in der Mediathek). Passend zum Dokumentarfilm haben die Verantwortlichen Klaus Brinkbäumer, ehemaliger Chefredakteur des Magazins „Der Spiegel“, und Stephan Lamby, vielfach ausgezeichneter Dokumentarfilmer, das Buch „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“ veröffentlicht. 

Das Ergebnis ist eine 391 Seiten umfassende Reportage, welche die gegenwärtigen Herausforderungen der Vereinigten Staaten von Amerika thematisiert. Es ist ein Streifzug durch die seit Jahrzehnten sich immer stärker intensivierende Polarisierung in den USA: Parteien, Medien, Aktivisten sowie die gegenwärtige Administration werden ebenso betrachtet wie die Bewältigung der aktuellen Coronavirus-Pandemie.

Brinkbäumer/Lamby konterkarieren ihr eigentlich lesenswertes Werk allerdings immer dann, wenn sich die Autoren an einer eigenen Analyse der jeweiligen Thematik versuchen. Gleichwohl eine Reportage, ist die eigene Meinung der Autoren zu oft parteiisch, Kritik an bestehenden Problemen oftmals zu einseitig. Des Weiteren offenbaren die Autoren ein mangelndes Verständnis US-amerikanischer Kultur, welche im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern individuelle Freiheit einem starken Staat bevorzugt. 

Dieses Verständnis sowie eine nötige Differenzierung ist für eine tiefgehende Betrachtung eines jeden Landes, insbesondere in Zeiten starker Polarisierung, unabdingbar. Der eigene Blickwinkel der Autoren geht über den liberalen Küstenmetropolen nicht hinaus. Doch die Vereinigten Staaten sind mehr als das. Die Autoren versuchen dieses Manko mit Eindrücken von Gesprächspartnern aus allen politischen Lagern wettzumachen. 

Wenn die Autoren US-Amerikaner zu Wort kommen lassen, wird das im Verlag C.H. Beck erschienene Werk packend, nahezu spannend. Als Exempel sollen an dieser Stelle die Eindrücke von Anthony Scaramucci, kurzzeitiger Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses unter Präsident Donald Trump und mittlerweile Kritiker des Amtsinhabers, dienen. Alleine die Erfahrungsberichte und Meinungen dieser ausgewählten US-amerikanischer Persönlichkeiten macht das Werk „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“ empfehlenswert. Eine Einordnung der Thematik hätte das Autorenduo jedoch besser den Lesenden überlassen sollen. 

Vielen Dank an den Verlag C.H. Beck für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.  Weiterführende Informationen des Verlags (Klick hier).

Die offizielle Buchbeschreibung

Nach vier Jahren einer fatalen Präsidentschaft sind die USA eine wütende, nur noch im Hass vereinte Nation – und erleben in der gegenwärtigen Weltkrise eine multiple Katastrophe. Der ehemalige Chefredakteur des SPIEGEL Klaus Brinkbäumer und der preisgekrönte Dokumentarfilmer Stephan Lamby berichten von den zahlreichen Fronten. Ihr Buch ist eine investigative Reportage über ein zerfallendes Land, das seinen Kompass und seine Wahrheiten verloren hat.

Die amerikanische Demokratie galt einstmals als unzerstörbar. Sie hat die Sklaverei und den Bürgerkrieg überlebt, den Vietnamkrieg, die Kuba-Krise und Watergate. Heute befinden sich die Vereinigten Staaten mitten in einem neuen Bürgerkrieg, der mit den Waffen der Mediengesellschaft ausgetragen wird. Auf Jahre hinweg scheint die Lage ausweglos, weil die unterschiedlichen politischen Lager ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben.

Die Kombattanten sind das Weiße Haus, Fox News, rechte Trolle und ultrakonservative Radiomoderatoren auf der einen, CNN, New York Times, Washington Post und progressive Blogger auf der anderen Seite. Apokalyptische Szenarien, wahnhafte Verdrehungen und permanente Attacken gegen den Feind bestimmen den politischen Alltag.

Die beiden Spitzenjournalisten Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby begannen im Juni 2019 mit ihren Recherchen, als Donald Trump seine Kampagne für die Wiederwahl eröffnete. Sie waren beim Vorwahlkampf der Demokraten dabei und beim Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump.

Immer wieder recherchierten Brinkbäumer und Lamby im Weißen Haus und trafen die Stars der amerikanischen Medienwelt von heute. Sie spürten zudem auf, wie sich die USA seit Jahrzehnten von ihren eigenen Idealen entfernten, und warum aus der ehemals so angesehenen Nation ein Land wurde, das so viele Feinde hat.

Von Januar 2020 an verfolgten sie die Ausbreitung des Corona-Virus in den USA und wurden schließlich Zeugen, wie der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz eine landesweite Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt auslöste. Ihr Buch ist das Zeugnis einer gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophe, einer Glaubwürdigkeitskrise von Medien und Politik – und das alles unter einem Präsidenten, der ums politische Überleben kämpft und zu allem bereit ist.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com; eigene Grafiken; Verlag C.H. Beck

Wahlen sollten ein Fest der Demokratie sein

Wahlen allein machen noch keine Demokratie.
(Barack Obama)

Die Abhaltung von Wahlen muss nicht zwangsläufig auf ein politisches System der Volksherrschaft hindeuten. Deutsche aus den Neuen Bundesländern wissen dies nur zu gut. Die Deutsche Demokratische Republik war nämlich nur dem Namen nach demokratisch.

Wahlen wurden pro Forma zur – scheinbaren – Legitimierung der SED-Diktatur abgehalten. Im Wahllokal wurden Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten gereicht – diese wurden sodann ohne Markierung gefaltet und wieder abgegeben. Wahlen stellten in der DDR ein Oxymoron dar, waren diese doch weder geheim noch demokratisch.

Als die Opposition im Jahr 1989 massive Wahlfälschungen erstmals beweisen konnte, die Reformbemühungen von Michail Gorbatschow in Moskau gaben dieser Aufwind, begannen Massendemonstrationen im ganzen Land. Der Anfang vom Ende der sozialistischen Diktatur wurde eingeleitet.

31 Jahre später weht der Wind des Wandels erneut durch ein europäisches Land. Seit 26 Jahren ist Alexander Lukashenko Präsident der Republik Belarus. In dieser Zeit baute der Diktator ein brutales sowjet-nostalgisches System auf. Wie in der DDR werden Wahlen zum Schein abgehalten. Wie in der DDR werden diese massiv gefälscht.

Bei der diesjährigen „Präsidentschaftswahl“ erklärte sich Lukashenko erneut mit 80% der abgegebenen Stimmen zum Sieger. Auf Grund des offensichtlichen Ansehensverlustes in der Bevölkerung ein fataler Fehler. Das sprichwörtliche Fass wurde zum Überlaufen gebracht. Die als geduldig bekannten Belarusen gehen seit jenem 9. August kontinuierlich auf die Straße, um für die Absetzung des Präsidenten und für Neuwahlen zu demonstrieren.

Demokratie: die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.
(Abraham Lincoln)

Der 16. US-Präsident Abraham Lincoln beschrieb des politische System der Demokratie treffend.  Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht davon, dass „[a]lle Staatsgewalt vom Volke aus[geht]“. Freie, geheime und gleiche Wahlen sind eines der größten Errungenschaften in der politischen Menschheitsgeschichte. Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten vor diesem Hintergrund für viele Staaten der Welt als Vorbild.

Doch die Musterdemokratie bekommt Risse – nicht erst seit der Ära Trump. Die Präsidenschaftswahl 2000 zwischen George W. Bush und Vizepräsident Al Gore musste der Oberste Gerichtshof entscheiden. Gerichtlich angeordnete Nachzählungen im entscheidenden Bundesstaat Florida hielten das Land in Atem. Der Wahlsieger stand erst einen Monat nach dem Wahltag fest. Der Ausgang der ersten Wahl im neuen Jahrtausend gilt bis heute als umstritten.

Zwanzig Jahre später weist eine weitere Präsidentschaftswahl ebenso wenig Vorbildcharakter auf. Negativbeispiele gibt es zur Genüge. Im weiteren Verlauf seien einige Wenige genannt.

So rief Präsident Donald Trump seine Anhänger zur Wahlbeobachtung auf: „Beobachtet all das Stehlen und Betrügen.“ Ein ungeheuerlicher Vorgang, da unbegründet. Zwar kommt es immer wieder zu Problemen mit Wahlmaschinen oder in diesem Jahr mit dem neuen Wählen via Touchscreen im Bundesstaat Georgia. Doch massive Wahlfälschungen sind den USA so unbekannt wie demokratische Wahlen in der DDR oder in Belarus unter Lukashenko.

Die Folge von Trumps Aufruf: Wähler könnten eingeschüchtert sein, nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. In Fairfax, Virginia, formten beispielsweise schon Anhänger des US-Präsidenten vor dem Wahllokal eine Menschenkette, um die frühzeitige Stimmabgabe zu erschweren. Hupende Autokonvois schüchterten zudem schon Wähler ein. Fatale Bilder, welche die mächtigste Demokratie der Welt insbesondere an die nach Freiheit strebenden Völker aussendet.

Doch damit nicht genug: Laut Präsident Trump führe die Ausweitung des Einsatzes der Briefwahl zu Wahlfälschungen. Freilich eine unbewiesene Anschuldigung. Dies heißt jedoch nicht, dass keine Probleme mit der Briefwahl in den USA einhergehen würden. Alleine bei den Vorwahlen in Kalifornien im März diesen Jahres wurden 100.000 Briefwahlstimmen als ungültig erklärt. Primäre Gründe: Unerfahrenheit der US-Bürger bei der Anwendung des Briefwahlsystems.

Eine Unerfahrenheit, die auch auf die meisten Behörden zutrifft. Lediglich die Bundesstaaten Washington und Oregon haben schon vor Jahren auf Briefwahl umgestellt. In anderen Staaten benötigt es für die Briefwahl einen triftigen Grund. In den meisten Staaten wird es dennoch vermehrt möglich sein per Brief zu wählen. Auf Grund der Coronavirus-Pandemie werden so viele US-Amerikaner wie nie zuvor diese Möglichkeit nutzen.

Doch ist die US-amerikanische Post überhaupt in der Lage die Briefwahlunterlagen fristgerecht zuzustellen? Die US-Post sieht sich gegenwärtig einem tiefgreifenden Reformprozess gegenüber, für die neuen Herausforderungen werden zusätzliche monetäre Mittel benötigt. Doch die Republikanische Partei stellt sich quer. Wohlwissend, dass Briefwähler überproportional für die Kandidaten der Demokraten stimmen werden. Viele Anhänger der Demokraten wollen sich nämlich nicht der Gefahr aussetzen, bei Besuch des Wahllokals mit dem Coronavirus infiziert zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es schon zu ersten juristischen Auseinandersetzungen kam. Die Republikanische Partei des Bundesstaates Pennsylvania forderte beispielsweise, dass Briefwahlstimmen nur innerhalb eines stark beschränkten Zeitraums gezählt werden dürften. Der Supreme Court entschied dagegen, die Auszählung darf sich nun auch bis zu drei Tage erstrecken.

Doch auch die Kampagne von Joe Biden hat schon eine „Armee von Anwälten“, wie es The Guardian bezeichnete, für die Tage nach der US-Präsidentschaftswahl zusammengestellt. Eine erneute juristische Auseinandersetzung um das Wahlergebnis, wie es die USA im Jahr 2000 schon erlebt haben, ist im Bereich des Möglichen. Das Land der Freiheit gibt ein klägliches Bild bei der Abhaltung ihrer Präsidentschaftswahl ab. Dabei sollten Wahlen doch ein Fest der Demokratie sein.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); The White House; eigene Grafiken

Swing States: Wo die Wahl entschieden wird

In den letzten Tagen vor der Präsidentschaftswahl reisen die Bewerber um das Weiße Haus vermehrt durch die USA. Die eigene Anhängerschaft soll zum Wählen motiviert, die wenigen unentschlossenen Wähler sollen von den eigenen Anliegen überzeugt werden.

Die meisten US-Amerikaner werden allerdings nicht die Möglichkeit haben, sich live ein Bild von den Kandidaten zu machen. Dies hat weniger mit der Coronavirus-Pandemie zu tun als mit der Tatsache, dass ein Präsidentschaftswahlkampf traditionell in nur wenigen Bundesstaaten geführt und entschieden wird.

Nach New York City oder Los Angeles reisen Präsidentschaftskandidaten beispielsweise nur, um Spenden bei der High Society einzusammeln. Die Staaten New York und Kalifornien wählen seit Jahrzehnten demokratisch, Wahlkampfveranstaltungen wären verschwendete Energie. Das ländlich geprägte Montana, zwischen den Rocky Mountains und den Great Plains gelegen, wird beispielsweise ebenso in Wahlkämpfen außen vor gelassen. Der dünn besiedelte Staat wählt republikanisch.

Dass in Staaten, die traditionell eine Partei bevorzugen, kaum Wahlkampf geführt wird, hat auch damit zu tun, dass die Höhe eines Wahlsieges in einem Bundesstaat nicht von Relevanz ist. Es gilt in der Regel das winner-takes-it-all Prinzip. Heißt: Entscheidet ein Kandidat einen Staat für sich, egal ob mit relativer oder absoluter Mehrheit, bekommt dieser alle diesem Staat zustehende Wahlmännerstimmen. Der Supreme Court hat dieses System erst in diesem Jahr bestätigt.

Je nach Einwohnerzahl sendet ein Bundesstaat mehr oder weniger Wahlmänner, die letztendlich den Präsidenten wählen. 270 Wahlmänner von insgesamt 538 werden für eine siegreiche Wahl benötigt. Der Präsident wird somit indirekt vom US-amerikanischen Volk gewählt. Hintergrund und Sinn des Wahlmännergremiums sei an anderer Stelle zu thematisieren.

Infolgedessen sind nationale Umfragen lediglich ein Stimmungsindikator. Entscheidend für den Wahlausgang ist das landesweite Ergebnis nicht direkt. 2016 profitierte Donald Trump von diesem System, als er 2.865.075 weniger Stimmen als Hillary Clinton erhielt. Clinton zog dennoch nicht in das Weiße Haus ein, da auf ihre Bewerbung in den entscheidenden umkämpften Staaten zu wenige Stimmen entfielen, so dass sie weniger Wahlmänner auf sich vereinen konnte als Trump.

Ein Kandidat könnte in einem Bundesstaat 100% der Stimmen erhalten.
Mehr Wahlmänner, die bei einer Präsidentschaftswahl entscheidend sind,
bekommt der Kandidat für solch einen Erdrutschsieg dennoch nicht.

Diese Staaten werden im Amerikanischen als Swing States bezeichnet. In der Regel handelt es sich hierbei um nur wenige Staaten. In der Ära Trump hat sich die Anzahl der umkämpften Staaten etwas vergrößert. 2016 im positiven Sinne Trumps, vier Jahre später könnte sich dieses Blatt gegen den Präsidenten wenden.

Wer die USA die nächsten vier Jahre regieren wird, hängt in diesem Jahr von 12 Bundesstaaten ab: Arizona, Florida, Georgia, Iowa, Michigan, Minnesota, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, und Wisconsin. In diesen Staaten werden Präsident Donald Trump und Joe Biden ihr Hauptaugenmerk in den letzten Tagen des Wahlkampfs werfen. Sie werden persönliche Veranstaltungen abhalten sowie on- und offline Werbung schalten. Für die restlichen 38 Staaten wird es eine Wahl nahezu ohne Wahlkampf vor Ort sein.