Trumps Gedankenspiel einer Wahlverschiebung

Vor etwas mehr als fünf Jahren wandelte sich Donald Trump vom Reality-TV-Show-Star, Immobilienmogul und milliardenschwerem Lebemann zu einer speziellen Art eines Homo Politicus. Seit 2015 prägt Trump die Berichterstattung wie kaum ein Politiker vor ihm. In den Redaktionsstuben wird mit Argusaussagen der Twitter-Feed des New Yorkers betrachtet, um ja keinen Tweet Trumps zu verpassen – und diesen für eine möglichst hohe Anzahl an Klicks aufzubereiten.

Medien in der Welt des Online-Journalismus sind zu einer Empörungsindustrie – nötige tiefgehende Kritik wird hierdurch oftmals konterkariert – geworden, in der Trump die bestmöglichen Schlagzeilen, nein, Skandale liefert. Die Beziehung zwischen Medien und Trump ist eine Hassliebe: In gegenseitiger Abneigung verbunden können beide Parteien doch auch nicht ohne einander. Doch zumindest was die US-amerikanischen Medienunternehmen angeht, hat sich zuletzt Ernüchterung ob des speziellen Verhältnisses breitgemacht.

Ablenkung ist Trumps Spezialität

Das jüngste Beispiel: Am 30. Juli 2020 wurde zunächst bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt der USA sich in der Zeit von April bis Juni um knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorquartal verminderte. Auf das Jahr hochgerechnet wäre dies ein Rückgang von 32,9 Prozent. Ein Negativwert, den es seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahr 1947 nicht gab.

Präsident Trump wurde einmal mehr daran erinnert, dass sein für die breite Bevölkerung stärkstes Wiederwahlargument, nämlich für einen ökonomischen Aufschwung verantwortlich zu sein, beraubt ist. Die weltweite Coronavirus-Pandemie führt bekanntlich weltweit zu Rezessionen, wenn nicht sogar zu Depressionen. Die jüngsten ökonomischen Daten aus den USA wären ein Horrorszenario für jeden Amtsinhaber drei Monate vor der anstehenden Wahl.

Kurz nach dieser Meldung reagierte Präsident Trump, nahm sein iPhone und schrieb folgende Zeilen:

Mit einer allgemeinen Briefwahl (nicht Wahl in Abwesenheit, was gut ist) wird 2020 die UNGENAUESTE & BETRÜGERISCHSTE Wahl in der Geschichte. Es wird eine große Peinlichkeit für die USA sein. Wahlverschiebung bis Leute ordentlich, sicher und gefahrlos wählen können???

Mit einem Tweet erreichte Präsident Trump wie so oft eine Kehrtwende in der Berichterstattung. Der mediale Fokus richtete sich kaum noch auf die schlechten ökonomischen Daten, die von Präsident Trump ins Spiel gebrachte Wahlverschiebung bestimmte fortan die Schlagzeilen.

Im Gegensatz zu den meisten deutschsprachigen Journalisten durchschauten deren US-amerikanische Kollegen diese Strategie schnell. The Washington Post schrieb in einem Meinungsbeitrag treffenderweise davon, dass der Präsident lediglich ablenken wolle. Die Online-Titelgeschichte befasste sich ebenso wie bei The New York Times mit den neuesten Wirtschaftsdaten. Bei USA Today und selbst auf Fox News bekam Trumps Tweet nur eine Randnotiz.

Hürden für Wahlverschiebung sehr hoch

In den USA war und ist es offenbar bekannt, dass ein US-Präsident eine Wahl nämlich gar nicht verschieben kann und jegliche Aufregung darüber in die Karten des autoritär agierenden Amtsinhabers spielen würde. In den deutschsprachigen Medien war hingegen beispielsweise der New Yorker ZDF-Korrespondent Johannes Hano bis zuletzt darüber der Meinung, dass ein Präsident eine Wahlverschiebung veranlassen könnte. Dies ist nachweislich falsch.

ZDF-Korrespondent Hano und dessen angebliche Quellen warteten mit Unwissenheit auf. Auf Nachfrage von „1600 Pennsylvania“ bestätigte Hano seine Meinung, dass ein Präsident die Wahl verschieben könnte. Dies ist nachweislich falsch.

Theoretisch kann zwar eine Präsidentschaftswahl verschoben werden. Die Hürden hierfür sind jedoch sehr hoch. Der Präsident selbst kann eine Präsidentschaftswahl allerdings weder verschieben noch absagen. Vielmehr ist eine Änderung im Bundesrecht nötig. Heißt: Das U.S. Repräsentantenhaus, derzeit mit demokratischer Mehrheit, sowie der U.S. Senat, gegenwärtig mit republikanischer Mehrheit, müssten solch einen Änderungsantrag initiieren und zustimmen.

Da der Wahltermin schon seit dem Jahr 1845 auf den ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November festgelegt ist, wird die Legislative diese Tradition kaum opfern. Vom Eigeninteresse der Parteien ganz abgesehen. Selbst republikanische U.S. Senatoren lehnten umgehend nach Absetzung von Trumps Tweet eine Wahlverschiebung ab.

Würde die Legislative, rein theoretisch, dennoch für eine Wahlverschiebung votieren, dann würde die neue Terminierung mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten in Kraft treten. Allerdings müsste diese wiederum wohl einige juristische Anfechtungen stand halten.

Zudem gesellen sich praktische Herausforderungen für eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl. Laut Verfassung muss der neu gewählte U.S. Kongress am 03. Januar eingeschworen sein. Die Amtszeit des neuen respektive alten Präsidenten beginnt am
20. Januar. Begebenheiten, die nicht veränderbar sind. Der Zeitraum zwischen altem und neuem Wahltermin wäre somit von vornherein gering.

We cannot have free government without elections; and if the rebellion could force us to forego or postpone a national election it might fairly claim to have already conquered and ruined us.
(Präsident Abraham Lincoln nach der Präsidentschaftswahl 1864, die während des Bürgerkrieges abgehalten wurde)

Summa summarum sind die legislativen und praktischen Hürden für eine Wahlverschiebung schlicht zu hoch. Im gegenwärtigen Kontext gibt es zudem keinerlei Unterstützung innerhalb demokratischer und republikanischer Abgeordneter. Eine Begebenheit, über die US-amerikanische Medien treffend ihre Konsumenten informierte.

Nach einer Welle von Eilmeldungen hielt durch Mithilfe US-amerikanischer Kollegen auch hierzulande die Empörungsindustrie für einen kurzen Zeitraum inne. Ebenso relativierte Präsident Trump seine Frage nach einem späteren Wahltermin bei einer Pressekonferenz. Doch der nächste polarisierende und umstrittenen Tweet und die Reaktion hierauf folgen bestimmt.

 

Wenn zwei sich streiten, freut sich (nicht) der Dritte

Seine Kritiker sahen in ihm eine aufbrausende, autoritäre Persönlichkeit. Dem Erfolg der Präsidentschaftswahlkampagne des Unternehmers und politischen Außenseiters trug dies jedoch keinen Abbruch. Mit seiner größtenteils selbst finanzierten Kampagne und den primären Wahlkampfthemen für eine starke US-amerikanische Wirtschaft zu sorgen sowie den Drogenhandel zu unterbinden wurde er von seinen zahlreichen Unterstützern als „Held des Volkes“ gefeiert.

Der texanische Unternehmer Ross Perot spielte im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1992 scheinbar nach seinen eigenen Regeln. In jedem Bundesstaat stand Perot auf den Stimmzetteln – ein außergewöhnliches Unterfangen für einen Präsidentschaftskandidaten ohne Parteibuch.

Das Duell um das Weiße Haus, bei dem sich traditionell die Kandidaten der Demokratischen und Republikanischen Partei gegenüberstehen, wurde auf einmal zu einem Dreikampf. Perot mischte den Wahlkampf auf. Sogar für die TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten qualifizierte sich Perot. Auf einmal mussten sich Präsident George H.W. Bush und der Demokrat Bill Clinton ernsthaft mit einem Drittkandidaten messen.

Letztendlich erhielt Perot 18,97 Prozent aller abgegebenen Stimmen. So viel wie kein anderer unabhängiger Kandidat seit Theodore Roosevelt im Jahr 1912. Insgesamt bedeutete dies den dritten Rang bei der Präsidentschaftswahl, aus der Clinton als Sieger hervorging. In zwei Bundesstaaten kam Perot sogar als Zweiter ins Ziel: In Maine erreichte er 30 Prozent, in Utah 27 Prozent der Stimmen. Trotz diesen starken Abschneidens waren Perot jedoch keine Wahlmänner vergönnt.

Bis heute hat Ross Perot den darauffolgenden Präsidentschaftswahlkampagnen von Unabhängigen und Kandidaten kleinerer Parteien eine – zumindest auf dem ersten Blick – erhöhte Aufmerksamkeit gegeben. Es gibt eine Erwartungshaltung bei politischen Beobachtern und Medien, dass ein Drittkandidat der nächste Ross Perot werden könnte.

Im Jahr 2016 war die Ausgangslage für einen erfolgreichen Drittkandidaten optimal. Erstmals seit Beginn der Umfrageaufzeichnungen standen sich mit Hillary Clinton und Donald Trump zwei Präsidentschaftskandidaten gegenüber, die von der Bevölkerung mehrheitlich negativ gesehen wurden. In repräsentativen Umfragen profitierte von dieser Begebenheit monatelang der Kandidat der Libertarian Party, Gary Johnson. Landesweit erreichte Johnson eine Zustimmung von zehn Prozent – der Perot-Moment war zum Greifen nahe.

Zu den TV-Debatten wurde Johnson jedoch nicht eingeladen. Das Momentum konnte sich für den libertären Kandidaten somit nicht weiter entwickeln. Johnsons Kampagne wurde zudem zwischen dem stark polarisierenden Wahlkampf von Clinton und Trump zerrieben. Am Ende standen zwar für die Libertarian Party gute 3,28 Prozent zu Buche. An Perot sollte Johnsons Kandidatur jedoch bei weitem nicht heranreichen.

Im gegenwärtigen Präsidentschaftswahlkampf herrschte bislang weitestgehende Stille um Drittkandidaten. Howie Hawkins von den Grünen und Jo Jorgensen von der Libertarian Party laufen unter ferner liefen. Am 04. Juli 2020 bestimmte dann auf einmal doch noch ein Drittkandidat die Schlagzeilen – sogar weit über die USA hinaus: Kanye West ließ über Twitter verlautbaren, dass er Präsident der Vereinigten Staaten werden will.

Die Aufmerksamkeit war dem ursprünglich als Unterstützer von Präsident Trump bekannten Hip Hop Star gewiss. Diese steht jedoch dem tatsächlichen Einfluss von Wests Kandidatur auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl konträr gegenüber. Einerseits weist West im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Kandidaturen politischer Außenseiter und Drittkandidaten kein Programm, keine tiefergehenden Ziele auf. Eine relevante politische Anhängerschaft kann er sich so nicht aufbauen.

Andererseits erklärte West seine Kandidatur zu einem sehr späten Zeitpunkt. In zahlreichen Bundesstaaten kann West nicht mehr auf den Stimmzetteln stehen, da für eine Wahlteilnahme die Registrierungsfrist schon abgelaufen ist. Explizit handelt es sich um 17 Bundesstaaten, bei denen sich ein Kandidat bis spätestens 30. Juli 2020 hätte registrieren müssen. Darunter sind unter anderem die wichtigen Swing States Florida und Michigan sowie der mit vielen Wahlmännern ausgestattete Staat New York.

Bislang steht Kanye West lediglich in Oklahoma auf dem Wahlzettel. Ein Staat, in dem die Republikanische Partei deutlich dominiert. Vor vier Jahren erhielt Trump in Oklahoma zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen. Die Kandidatur von West wird auf das Resultat im November keinen Einfluss haben. Ob West noch in weiteren Staaten antreten kann, ist fraglich.

Denn die Hürden für eine Registrierung sind in der Regel hoch. Neben einem hohen finanziellen Beitrag müssen zahlreiche Unterschriften gesammelt werden. In Florida ist beispielsweise die Vorlage von 132.781 gültigen Unterschriften zur Wahlteilnahme notwendig.

Ein erfolgreiches Abschneiden benötigt zudem günstige politische Voraussetzungen, eine starke Persönlichkeit, finanzielle Ressourcen und eine Thematik, die bei der Wählerschaft verfängt. Auch im Jahr 2020 wird kein Drittkandidat an die einst vergleichsweise erfolgreiche Kampagne von Ross Perot anknüpfen können. Wenn sich Präsident Donald Trump und Joe Biden um das Weiße Haus streiten, freut sich kein Dritter.

 

Das Stimmungsbarometer 07/2020: Republikaner fürchten um Senatsmehrheit

#Blog1600Penn versorgt euch mit den aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die RCP-Durchschnittswerte.

 

Wahlmänner-Prognose

Zum Präsidenten gewählt ist, wer mindestens 270 Wahlmännerstimmen auf sich vereinen kann.

Wahlmännerkarte „Cook Political Report“

Umfrage U.S. Senat

Der U.S. Senat besteht gegenwärtig aus 53 Republikanern und 47 Demokraten (inklusive zweier Unabhängiger). In diesem Jahr stehen 35 Senatssitze zur Wahl. Die Republikanische Partei muss 23 Sitze verteidigen, die Demokratische Partei benötigt drei oder vier Sitze (je nach Ausgang der Präsidentschaftswahl), um die Mehrheit zu erlangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); The White House; U.S. Congress; 270.com; eigene Grafiken

Fahrplan zur US-Präsidentschaftswahl 2020

Auf Grund der Coronavirus-Pandemie hat der US-Präsidentschaftswahlkampf verhalten begonnen. Die Wahlkampagnen werden bis zum Wahltag im November dazu gezwungen sein ihre Strategien neu zu entwerfen. Sicher ist bislang nur eines: Ab dem 26. Juli 2020 beginnt der 100 Tage Countdown zur Wahl des Jahres. „1600 Pennsylvania“ informiert euch vor diesem Hintergrund über die wichtigsten Termine auf dem Weg zur Wahl am 03. November 2020.

Anfang August: Biden entscheidet über seine running mate

Präsident Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence bewerben sich um eine weitere Amtszeit. Die Demokratische Partei wird Joe Biden in den Wahlkampf schicken. Doch wer wird als Vizepräsidentschaftskandidatin gemeinsam mit Biden in den Wahlkampf ziehen? Bidens Kampagne hat mehr als ein Dutzend Kandidatinnen durchleuchtet, die Entscheidung soll Anfang August fallen. Die offizielle Verkündung wird zwischen Anfang August und dem Nominierungsparteitag der Demokraten von statten gehen.

„1600 Pennsylvania“ hat die Stärken und Schwächen möglicher Kandidatinnen analysiert
(Klick hier).
Wie „The Atlantic“ treffend feststellt, könnte bei einem Wahlsieg von Joe Biden die Vizepräsidentin so mächtig sein wie noch nie (Klick hier).

Mitte August: Nominierungsparteitag Demokraten

Zwischen dem 17. und 20. August 2020 findet im Wisconsin Center zu Milwaukee, Wisconsin, der Nominierungsparteitag der Demokraten statt. Joe Biden wird von seinen Parteikollegen offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert werden. Ebenso wird Biden seine Vision der USA vorstellen. Der Parteitag wird auf Grund der Coronavirus-Pandemie signifikant anders ausgetragen werden als üblich: Delegierten wird von einem persönlichen Erscheinen abgeraten, zudem soll es viele virtuelle Veranstaltungen sowie Events im ganzen Land geben.

Ende August: Nominierungsparteitag Republikaner

Nur wenige Tage nach dem demokratischen Parteitag werden Republikaner Präsident Trump für eine weitere Amtszeit nominieren. Der Nominierungsparteitag sollte ursprünglich in Charlotte, North Carolina, stattfinden. Wegen der Covid19-Pandemie finden dort lediglich kleinere Veranstaltungen statt. Der neue primäre Austragsungsort ist nun die VyStar Veterans Memorial Arena zu Jacksonville, Florida. Präsident Trump wird dort auch seine Wiederwahlargumente an den Tag legen.

Update 24.07.2020: Präsident Trump hat auf Grund steigender Coronavirus-Fallzahlen die Veranstaltungen in Jacksonville absagen lassen: „Es ist nicht die richtige Zeit für einen großen, überfüllten Parteitag.“

Anfang September: Heiße Wahlkampfphase

Mit dem Labor Day, der traditionell am ersten Montag im September begangen wird, beginnt die heiße Wahlkampfphase. Wahlkampfkundgebungen, wenngleich vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie fraglich in welcher Form, werden ebenso intensiviert wie die Ausstrahlung von Werbespots. Die Republikanische Partei hat schon jetzt für den Zeitraum zwischen dem 07. September 2020 und dem 03. November 2020 Fernsehwerbespots im Wert von $145 Millionen in elf Bundesstaaten reservieren lassen.

Ende September: Erste Fernsehdebatte

TV-Debatten zur Präsidentschaftswahl können eine Wahl entscheidend beeinflussen. Am 29. September 2020 kommt es zum ersten von insgesamt drei Duellen zwischen Präsident Trump und seinem Herausforderer Biden. Alle Termine findet ihr auf dieser Seite (Klick hier).

Oktober: Drei weitere Fernsehdebatten

Gleich drei Fernsehdebatten werden im Oktober abgehalten werden. Während sich Präsident Trump und Biden zu zwei Duellen treffen, wird es zudem eine Debatte zwischen Vizepräsident Pence und seiner Herausforderin geben.

Anfang November: Wahltag

Am 03. November 2020 wird in den Vereinigten Staaten von Amerika der Präsident, eine neue Zusammensetzung des U.S. Repräsentantenhauses und ein Drittel des U.S. Senats gewählt. Zahlreiche Wahlen auf unteren Ebenen finden ebenso statt.

In diesem Bereich läuft die Trump-Administration wie ein Uhrwerk

Den Abend des 8. November 2016 plante Donald Trump nach internen Aussagen in einem seiner Golfressorts zu verbringen. Sich die Blöße einer Wahlniederlage, einer jubelnden Hillary Clinton, wollte er sich nicht geben. Doch es kam anders. Trump blieb widerwillig in New York City, seiner Heimatstadt und Hauptquartier seiner Wahlkampagne.

Es folgte ein historischer Abend. Der Immobilienmogul gewann die Präsidentschaftswahl 2016 und schockte das politische Establishment innerhalb und außerhalb der USA. Ein Schock positiver Art dürfte sich auch in der Gefühlswelt des Donald Trump ausgebreitet haben, wenngleich er dies sicherlich niemals zugeben würde. Offiziell war er sich ja immer siegessicher.

Wie unvorbereitet der Wahlsieg kam, zeigten die Tage danach. Das vom gewählten Präsidenten aufgestellte Team zur Übernahme der Amtsgeschäfte, der Übergangszeitraum dauert in den USA traditionell vom Wahltag im November bis zum 20. Januar an, erschien nicht bei der amtierenden Administration. Es gab schlichtweg kein Übergangsteam.

Dieses wurde zwar später eiligst zusammengestellt. Doch die verpasste Übergangsphase konnte die Mannschaft um Donald Trump nie wieder wettmachen. Bis heute sind zahlreiche Regierungsposten unbesetzt. Um den Staat zu verschlanken ist dies teilweise so gewollt. Viele Stellen wurden jedoch nicht neu besetzt, da Trumps Team hierauf nicht vorbereitet war.

Ein fehlender langfristig aufgebauter politischer Apparat, der Loyalität zu Trump aufweist, führt zudem bis heute zu einem enorm hohen Personalverschleiß. Politisches Außenseitertum bringt, einmal in Regierungsverantwortung, auch seine Nachteile mit sich. Die Administration mutet folgerichtig oftmals chaotisch an. Es gibt jedoch einen Bereich, bei dem die Regierung von Präsident Trump wie ein Uhrwerk läuft.

Die Rede ist von der Installierung neuer Richter – vom Obersten Gerichtshof abwärts. Mittlerweile hat der U.S. Senat 200 von Präsident Trump nominierte Richter in ihren neuen Ämtern bestätigt. Eine Anzahl, die kein anderer Präsident zu diesem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft in vier Jahrzehnten, sprich seit Jimmy Carter, erreicht hat. Durchschnittlich hat der U.S. Senat jeden achten Tag einen von Präsident Trump vorgeschlagenen Richter bestätigt.

Mittlerweile wurde schon mehr als ein Fünftel der aktiven Richterschaft von Präsident Trump nominiert. Ende des Jahres wird es voraussichtlich ein Viertel sein. Den größten Einfluss konnte die Ära Trump auf die „Federal circuit courts“ nehmen. Organisatorisch befinden sich diese Gerichte zwischen den erstinstanzlichen Bundesgerichten und dem Obersten Gerichtshof. „Federal circuit courts“ haben oftmals das letzte Wort bei Bundesangelegenheiten. Präsident Trump nominierte für diese Gerichte bislang erfolgreich 53 Richter – Präsident Obama in acht Jahren 55 Richter!

Diese für die Trump-Administration ungewöhnliche Disziplin ist damit zu erklären, dass die Besetzung von Richterposten vom Weißen Haus an Mitch McConnell, Mehrheitsführer im U.S. Senat, ausgegliedert wurde. Dieser verfolgt einen von der Republikanischen Partei seit langem ausgearbeiteten Plan die Judikative nach ihren Vorstellungen, sprich nach konservativer Spielart, umzubauen. Rechtsprechungen insbesondere in kulturellen Fragen – exemplarisch hierfür stehen die Themen Abtreibung, Waffen und Religion – sollen damit nachhaltig beeinflusst werden.

Die offiziell von Präsident Trump, aber praktisch von McConnell, vorgeschlagenen Richter kommen vor diesem Hintergrund in der Regel von der „Federalist Society“, eine Organisation von Konservativen und Libertären, die sich für eine textualistische und originalistische Auslegung der Verfassung einsetzt. Die Nominierten sind überproportional konservativ, jung, weiß und männlich und weisen oftmals einen aktivistischen Hintergrund auf. Die konservative Ideologie der Kandidaten muss somit zuerst einen Praxistest bestanden haben.

Der Erfolg der Trump-Administration in Bezug auf die Umgestaltung der Judikative ist auch mit einer Regeländerung, die 2013 von der Demokratischen Partei initiiert wurde, zu begründen. Um Kandidaten von Präsident Obama erfolgreich durch den Nominierungsprozess im U.S. Senat zu bringen, schafften Demokraten die ursprünglich vorgesehene 60-Stimmen-Grenze ab. Seitdem reicht eine einfache Mehrheit aus.

Einst warnte McConnell die Demokratische Partei erfolglos vor diesem Zug. Sieben Jahre später müssen Demokraten konstatieren, dass die Warnung des mächtigsten Republikaners im U.S. Senat seine Begründung hatte. Für einen kurzfristigen Erfolg bezahlen Demokraten heute schwer. Die Nominierungspolitik von Präsident Trump wird Auswirkungen auf die kommenden Generationen haben, da Richter in der Regel auf Lebenszeit ernannt werden und diese, wie oben beschrieben, in der Regel jüngeren Jahrgangs sind.

Dies ist auch der Grund, weshalb die Ära Trump bei den meisten Republikanern im U.S. Kongress bislang weitestgehend kritiklos vorübergeht. Ebenso goutiert dies die republikanische Basis, progressive Entscheidungen der Judikative in den letzten Jahren sind dieser Gruppe noch in schlechter Erinnerung, mit Rekordumfragewerten für Präsident Trump.

In Bezug auf die Neugestaltung der Judikative ist aus konservativem Blickwinkel Trumps Präsidentschaft ein Erfolg. Allerdings noch nicht zu vollster Zufriedenheit, wie jüngste Entscheidungen des Supreme Court zeigten. Obwohl dieser, auch dank zweier von Präsident Trump nominierter Richter, eine konservative Mehrheit aufweist, votierte der Oberste Gerichtshof zugunsten der Rechte der LGBTQ-Bewegung und von illegalen Einwanderern.

Der Supreme Court hat mit diesen Entscheidungen Präsident Trump auch die bedeutendsten Wiederwahlargumente an die Hand gegeben: Die Fortsetzung des Umbaus der Judikative nach konservativen Vorstellungen. Nun müsste sich der Präsident und dessen Wiederwahlkampagne nur noch auf dieses Thema fokussieren. Ob Mitch McConnell der Kampagne zu mehr Disziplin verhelfen könnte?

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); U.S. Congress; eigene Grafiken