Goodbye 2022

2022 war ein weiteres Krisenjahr. Die Coronavirus-Pandemie stellte das Gesundheitssystem der USA sowie die Ökonomie zwar nicht mehr vor so große Herausforderungen wie noch in den vorangegangenen beiden Jahren. Doch mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich eine neue Problematik auf die Tagesordnung des Weißen Hauses gesetzt.

Gingen die Zwanziger Jahre im 20. Jahrhundert noch als die „Goldenen“ in die Geschichte ein, ist das gegenwärtige Jahrzehnt auf dem Weg sich als Dekade weltweiter Krisen zu verewigen. „1600 Pennsylvania“ blickt auf die wichtigsten Meldungen des Jahres aus Sicht der US-Politik zurück.

Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine

Im Jahr 2014 annektierte die Russische Föderation die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig. Im gleichen Jahr begannen von Russland unterstützte Separatisten die Region Donbas von der Ukraine gewaltsam abzuspalten. Am 24. Februar 2022 ließ das historisch tief verwurzelte imperialistische Russland mit seinem Einmarsch in die Ukraine den Konflikt endgültig zu einem heißen Krieg eskalieren.

Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.

Volodymir Zelensky, Präsident der Ukraine

In den ersten zehn Kriegsmonaten verteidigten die Ukrainer tapfer ihr Land. Dank einer starken Führungsfigur im Präsidentenpalast, das Auftreten Zelenskys erinnert an den legendären britischen Premierminister Winston Churchill, und fortlaufender militärischer, humanitärer und finanzieller Hilfen von Seiten des Westens konnte sich der Kreml die Ukraine nicht in einer schnellen „militärischen Spezialoperation“ einverleiben.

Kurz vor Weihnachten war Zelensky zu Gast in Washington D.C., um sich bei den USA für die Unterstützung persönlich zu bedanken (Hintergründe klick hier). Der Ukraine-Krieg wurde im Jahr 2022 mit zahlreichen Informationen und Analysen auf „1600 Pennsylvania“ begleitet. Die Beiträge, unter anderem wie Mitt Romney schon 2012 vor Russland warnte, sind auf dieser Seite zu finden (Klick hier).

Supreme Court setzt Roe vs Wade außer Kraft

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika sorgte für die größte innenpolitische Schlagzeile des Jahres. Am 24. Juni 2022 entschied der Supreme Court im Fall Dobbs vs. Jackson Women’s Health Organization mit 5 zu 4 Stimmen, dass die Bundesstaaten zukünftig selbst über ihre jeweiligen Abtreibungsgesetze entscheiden können. Entgegen einigen Medienmeldungen und Verlautbarungen von Politikern wurde das Recht auf Abtreibung durch dieses Urteil jedoch nicht gekippt. Grundlegende Informationen zu den Abtreibungsregelungen in den USA gibt es in folgendem Beitrag: Klick hier.

Am 30. Juni 2022 trat zudem Ketanji Brown Jackson ihr Amt als Oberste Richterin an. Sie folgte auf Stephen Breyer, der in den Ruhestand eintrat. Brown Jackson ist die erste afroamerikanische Verfassungsrichterin.

Biden-Administration mit zahlreichen legislativen Erfolgen

Die Administration von Präsident Joe Biden und die Demokratische Partei konnten im Jahr 2022 mit zahlreichen legislativen Erfolgen aufwarten. Neben dem Inflation Reduction Act, dem CHIPS and Science Act, einer strikteren Waffengesetzgebung und zusätzlichen Unterstützungsleistungen für Kriegsveteranen gesellten sich zudem sinkende Benzinpreise sowie die niedrigste Arbeitslosenquote in fünf Jahrzehnten. Diese innenpolitischen Erfolge wurden allerdings von einer hohen Inflationsrate teils unterminiert. Der Beitrag „Biden auf Roosevelts Spuren?“ wartet mit weiteren Hintergründen auf (Klick hier).

Zwischenwahlen: Republikaner holen Mehrheit im U.S. Repräsentantenhaus und enttäuschen dennoch

Am 08. November 2022 waren US-Amerikaner bei den Zwischenwahlen dazu aufgerufen ihre Stimmen abzugeben. Während die Demokratische Partei ihre Mehrheit im U.S. Senat um einen Sitz ausbauen konnte, kontrollieren Republikaner fortan das U.S. Repräsentantenhaus.

Insbesondere die von Donald Trump unterstützten republikanischen Kandidaten schnitten unterdurchschnittlich ab. Das bemerkenswerteste Wahlergebnis auf Bundesstaatsebene legte der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis hin, der mit einem Erdrutschsieg wiedergewählt wurde. Die Ergebnisse der Midterms sind auf einer Sonderseite einsehbar (Klick hier).

Pelosi tritt ab

Nancy Pelosi war die erste Frau, welche dem U.S. Repräsentantenhaus vorstand. Nachdem ihre Demokratische Partei in der neuen Legislaturperiode nicht mehr die Mehrheit stellen und somit den Posten des Sprechers verlieren wird, zog sich Pelosi aus der Führungsspitze der Demokratischen Fraktion zurück.

U.S. Senatorin Sinema verlässt Demokratische Partei

Kurz nach den Zwischenwahlen verließ Kyrsten Sinema, U.S. Senatorin für Arizona, die Demokratische Partei. Sinema hat sich fortan als „unabhängig“ registrieren lassen. Sinemas Entscheidung hat auf die Mehrheitsverhältnisse im U.S. Senat jedoch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen. Hintergründe zum Thema gibt es im Beitrag „Sinema erhebt sich gegen das ‚kaputte Parteiensystem'“(Klick hier).

Trump will wieder Präsident werden

Trotz einer durchwachsenen Zwischenwahl für die von Trump unterstützten Kandidaten erklärte der 45. US-Präsident nur wenige Tage danach, am 15. November 2022, seine erneute Teilnahme an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Trump ist bislang der erste und einzige Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2024 beider großer Parteien. Erste Informationen zur US-Präsidentschaftswahl 2024 gibt es auf einer Sonderseite (Klick hier) sowie eine Analyse zu Trumps Kandidatur in einem eigenen Beitrag (Klick hier).

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Das Stimmungsbarometer 12/2022: Trump verliert an Rückhalt in der Republikanischen Partei

„1600 Pennsylvania“ informiert über die aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute.

Repräsentative Umfragen aus D.C.

 

Weitere repräsentative Umfragen

Repräsentative Umfragen rund um die #uswahl2024


Nicht-repräsentative Umfrage auf Twitter

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Zelensky dankt den USA

Erstmals seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24.02.2022 hat Volodymir Zelensky sein Land für eine kurze Auslandsreise verlassen. In Washington D.C. dankte der ukrainische Präsident „dem US-amerikanischen Volk, dem Präsidenten und dem Kongress für die nötigen Hilfen“ im Kampf gegen die russischen Aggressoren.

Im Weißen Haus empfing US-Präsident Joe Biden Zelensky zu bilateralen Gesprächen. Die USA verkündeten vor diesem Hintergrund zusätzliche Hilfen für die Ukraine in Höhe von $1,85 Milliarden. Die Vereinigten Staaten werden fortan die Ukraine auch mit dem schon seit längerer Zeit von Kyiv gewünschten Flugabwehrraketensystem Patriot ausstatten. Die nötige Schulung für das ukrainische Militär wird jedoch mehrere Monate benötigen, so ein Offizieller des US-Verteidigungsministeriums.

Wir werden weiterhin die Fähigkeit der Ukraine stärken, sich selbst zu verteidigen, insbesondere die Luftverteidigung, und deshalb werden wir der Ukraine Patriot-Raketenbatterien bereitstellen (…) Wir werden euch unterstützen. Wir werden euch unterstützen so lange es nötig ist (…) Russland versucht den Winter als eine Waffe zu benutzen.

Präsident Joe Biden

Am Tag vor seiner Reise in die USA besuchte Zelensky die Frontstadt Bachmut und zeichnete ukrainische Soldaten aus. Ein ukrainischer Kämpfer bat Zelensky darum, dessen Heldenauszeichnung an Präsident Biden weiterzugeben: „Er ist sehr mutig und er sagte, ich solle es an einen sehr mutigen Präsidenten weitergeben.“

Nach seinem Treffen mit Präsident Biden hielt Zelensky eine emotionale und historische Ansprache vor dem U.S. Kongress. In seiner 22 Minuten andauernden Rede dankte der ukrainische Präsident den USA erneut für die andauernde Unterstützung. Des Weiteren beschrieb Zelensky das Durchhaltevermögen seiner Landsleute, die Ukraine sei stark, auch dank westlicher Hilfen.

Es ist eine große Ehre für mich, im U.S. Kongress zu sein und zu Ihnen und allen Amerikanern zu sprechen. Entgegen allen Untergangsszenarien ist die Ukraine nicht gefallen. (…) Wir kämpfen und wir werden gewinnen, weil wir vereint sind (…) Die Ukraine hat die amerikanischen Soldaten nie gebeten, an unserer Stelle auf unserem Land zu kämpfen. Ich versichere Ihnen, dass ukrainische Soldaten amerikanische Panzer und Flugzeuge perfekt selbst bedienen können (…) Ihr Geld ist keine Wohltätigkeit, es ist eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie, mit der wir auf höchst verantwortungsvolle Weise umgehen.

Volodymir Zelensky, Präsident der Ukraine

Zelensky wurde nicht müde zu betonen, dass es sich beim Ukraine-Krieg auch um einen Kampf zwischen allen freien Gesellschaften und dem Totalitarismus handelt. Die iranische Unterstützung für den russischen Vernichtungskrieg nannte Zelensky explizit. Eine Begebenheit, die insbesondere bei republikanischen Abgeordneten gut angekommen sein dürfte. Zelenskys Rede wurde durch zahlreiche stehende Ovationen unterbrochen.

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Sinema erhebt sich gegen das „kaputte Parteiensystem“

Personen, die an einem Glioblastom leiden, haben eine durchschnittliche restliche Lebenszeit von 15 Monaten. Mit Behandlung wohlgemerkt. Beau Biden, Sohn von Präsident Joe Biden, starb auf Grund eines solchen bei ihm diagnostizierten bösartigen Gehirntumors im Alter von 46 Jahren. Auch der einstige langjährige U.S. Senator John McCain erkrankte und starb daran.

Doch der Vietnamveteran blieb ein Kämpfer bis zu seiner letzten Stunde. Nur eine Woche nach einer Gehirnoperation betrat McCain wieder den Sitzungssaal des U.S. Senats, um an einer Abstimmung zur Abschaffung des Affordable Care Acts teilzunehmen. McCain hatte die entscheidende Stimme inne. Er senkte öffentlichkeitswirksam den Daumen.

Erst der Staat, dann die Partei

McCain stimmte gegen den Gesetzesvorschlag seiner eigenen Republikanischen Partei. Die Gesundheitsreform des ehemaligen Präsidenten Barack Obama war gerettet. The Maverick, der Einzelkämpfer, machte seinem Spitznamen wieder einmal alle Ehre. Generell scheint es im Bundesstaat Arizona an Freigeistern, an selbst und kritisch denkenden Personen, nicht zu mangeln.

In den USA gibt es keine Parteimitgliedschaft oder Parteiorganisation wie dies in Deutschland der Fall ist. Vielmehr kann man seine Parteipräferenz registrieren lassen.

Der ehemalige republikanische U.S. Senator Jeff Flake galt als größter innerparteilicher Widersacher des damaligen Präsidenten Donald Trump. Kyrsten Sinema wiederum, die auf Flake folgte, ist eine der letzten moderaten Stimmen am Capitol Hill. Am 09. Dezember 2022 löste U.S. Senatorin Sinema zudem ein politisches Erdbeben in Washington D.C. aus, als sie bekanntgab die Demokratische Partei verlassen und sich als Unabhängige registriert zu haben.

Kaum Konsequenzen für faktische Mehrheitsverhältnisse

In der am 03. Januar 2023 beginnenden neuen Legislaturperiode werden Republikaner somit 49 und Demokraten 48 Abgeordnete in den U.S. Senat entsenden. Mit Agnus King, Bernie Sanders und Sinema werden fortan drei U.S. Senatoren keiner Partei angehören, jedoch mehrheitlich mit der Demokratischen Senatsfraktion abstimmen. Sinema dürfte auch ihre Positionen in den Ausschüssen, wie auch King und Sanders, behalten. An den faktischen Mehrheitsverhältnissen dürfte sich durch Sinemas wechselnde Parteipräferenz somit wenig verändern.

In der vergangenen Legislaturperiode stimmte Sinema laut einer Erhebung von FiveThirtyEight 93 Prozent aller von Präsident Biden beziehungsweise der Demokratischen Fraktion im U.S. Senat vorgeschlagenen Gesetzen zu. Dies ist innerhalb der Demokratischen Fraktion ein vergleichsweise geringer Wert, für Sinemas zukünftige Rolle als Unabhängige jedoch für Präsident Biden nicht beunruhigend. Insbesondere bei zustimmungspflichtigen Personalentscheidungen hat das Weiße Haus keine neue, zusätzliche Herausforderung durch Sinemas Entscheidung zu fürchten.

Sinema entschied schon in den letzten Jahren unabhängig

Schließlich bewies Sinema schon als registrierte Demokratin ihre Unabhängigkeit. Die Einführung eines von progressiven Demokraten geforderten Mindestlohns in Höhe von $15/Stunde verhinderte Sinema, von ihrer Ablehnung gegenüber der Abschaffung des Filibusters rückte sie trotz Kritik von linken Demokraten nie ab und gegen die aus ihrer Sicht zu teuren Investitionsprogramme stellte sie sich quer.

Die Bevölkerung von Arizona hat mich als unabhängige Stimme nach D.C. geschickt.

U.S. Senatorin Kyrsten Sinema (I)

Dass Sinema in solchen bedeutenden Fragen eine andere Meinung als ihre ehemaligen Parteikollegen einnahm, überrascht nicht. Da sie einen bis vor kurzem republikanisch wählenden Bundesstaat vertritt, der mittlerweile zu einem Swing State mutiert ist, muss Sinema auch die Sorgen der konservativen Wählerschaft adressieren.

Sinemas Schritt ist konsequent

In den vergangenen Jahrzehnten nahm die politische Polarisierung in den USA bekanntlich kontinuierlich zu. Laut dem Pew Research Center entfernen sich beide Parteien seit Jahrzehnten von der Mitte. Demokraten sind mehr nach links, Republikaner viel mehr nach rechts gerückt. Folglich gibt es nur noch rund zwei Dutzend moderate Republikaner und Demokraten im U.S. Kongress. Sinema ist eine davon.

Sinema wird infolgedessen nicht müde zu betonen, dass es Politiker benötigt, die überparteilich zusammenarbeiten, um Lösungen zur Verbesserung der Lebensstandards von US-Amerikanern zu finden. Schon im Jahr 2009 verfasste sie mit „Unite and Conquer: How to Build Coalitions That Win and Last“ ein Buch, welches sich mit diesem Thema befasste. The Arizona Republic sprach sich zudem 2018 für Sinemas Senatskandidatur wegen ihres überparteilichen Ansatzes aus.

Wenn Politiker mehr darauf konzentriert sind der oppositionellen Partei einen Sieg zu verwehren anstatt das Leben der Amerikaner zu verbessern, dann verlieren alle Amerikaner.

U.S. Senatorin Kyrsten Sinema (I)

Der ebenso zentristisch agierende demokratische U.S. Senator Joe Manchin gilt Sinema als Vorbild. Gemeinsam haben sie in den vergangenen Jahren den legislativen Prozess, siehe Beispiele oben im Text, entscheidend geprägt. Als Demokratin gehörte sie noch der Blue Dog Coalition, einem Bündnis von finanzpolitisch konservativ eingestellten Parteikollegen, an. Eine lose Organisation, die von Links immer weiter unter Bedrängnis gerät.

Sinema tritt als klassische U.S. Senatorin auf

Es fällt zunehmend schwer, so Sinema, die eigene Meinung und die spezifischen Werte des eigenen Bundesstaates zu vertreten. „In beiden Parteien“, betont Sinema in ihrem Interview mit CNN. Das Abstimmungsverhalten ihrer Kollegen unterstreicht ihre These.

Laut FiveThirtyEight haben in den vergangenen zwei Jahren acht Demokraten mit allen Gesetzentwürfen der Parteiführung übereingestimmt. Weitere zwanzig Demokraten stimmten 98 Prozent aller von der eigenen Partei eingebrachten Gesetze zu. Das sind mehr als die Hälfte aller demokratischer Senatoren.

Ein gewichtiger Bezugspunkt für das Abstimmungsverhalten eines amerikanischen Abgeordneten bildet auch heute noch – trotz der wachsenden Bedeutung der Fraktionssolidarität – die von ihm perzipierte Meinung der ihm und seiner Partei nahestehenden Wählerschaft in seinem eigenen Wahlkreis.

Emil Hübner: Das politische System der USA, S. 122

Sinema will aber nicht „blind einer Partei folgen, ohne nachzudenken“. Die Wählerschaft dürfte ihr Recht geben, sind doch nur 24,8 Prozent aller US-Amerikaner laut den auf Real Clear Politics publizierten durchschnittlichen repräsentativen Umfragewerten der wichtigsten Institute mit der Arbeit des U.S. Kongresses zufrieden.

Ein Grund hierfür ist die steigende Homogenität der jeweiligen Fraktionen. Konservative Demokraten und liberale Republikaner gelten mittlerweile als nahezu ausgestorbene Spezies. Vor diesen Hintergründen ist Sinemas Entscheidung, sich als unabhängig zu registrieren, nicht nur ein belebendes Element für die US-Demokratie, sondern dürfte auch ihren eigenen Wiederwahlinteressen geschuldet sein.

Eine neue Partei bietet sich als Plattform für Unabhängige an

Für einen unabhängigen Kopf wie Sinema gibt es übrigens seit diesem Jahr mit der Forward Party auch eine neue moderate Partei, die von ehemaligen Demokraten, Republikanern und Unabhängigen ins Leben gerufen wurde. Sinema und die Forward Party teilen die Ansicht, dass die USA unter einem „kaputten Parteiensystem“ leiden. Sich dieser neuen politischen Kraft anzuschließen würde jedoch einen noch größeren Mut von Sinema erfordern als dies ohnehin schon mit ihrer Registrierung als unabhängige Politikerin der Fall war.

Solch ein Schritt würde nämlich einer wahren Revolution im Zwei-Parteien-System der USA gleichen. Zuzutrauen wäre es der Politikerin aus dem Staat der Freigeister zwar allemal. Andere moderate Senatoren beider Parteien könnten sodann Sinemas Beispiel leichter folgen. Die immer extremer werdenden Parteien der Demokraten und insbesondere der Republikaner könnten hierdurch im legislativen Prozess besser im Zaum gehalten werden. Doch die Wahrscheinlichkeit für solch ein Szenario dürfte ähnlich niedrig liegen wie die Überlebenschancen bei der Diagnose Glioblastom.

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Eine vollkommen unamerikanische Sportart

US-Amerikaner lieben es ein „Ei“ in die Endzone zu transportieren, Pucks ins Tor zu schießen sowie große, harte Bälle in einen Korb zu werfen oder kleine, harte Bälle in das Feld zu schlagen. Einen Ball in ein eckiges Tor zu befördern gehört nicht zu den Nationalsportarten der Vereinigten Staaten von Amerika. Und dennoch erfreut sich die Weltsportart Nummer Eins, der Fußball, auch in den USA einer immer größeren Beliebtheit wie auch die Statements von Präsident Joe Biden rund um die Weltmeisterschaft 2022 in Katar gezeigt haben.

Im Gegensatz zu westeuropäischen Ländern, insbesondere Deutschland, kommt in den USA wenig Kritik in Bezug auf das Gastgeberland auf. Dies hat nicht nur mit dem geringeren Stellenwert des Fußballs in den Vereinigten Staaten zu tun. Ausschlaggebend sind vielmehr strategische Gründe. Seit den 1970er Jahren pflegen beide Länder nämlich enge ökonomische und sicherheitspolitische Beziehungen zueinander. Katar gilt als einer der wichtigsten US-Verbündeten in Arabien. Westlich von Doha unterhalten die USA sogar mit der The Al Udeid Air Base eine Militärbasis.

US-Außenminister Antony Blinken wohnte auch aus diesen Gründen dem Eröffnungsspiel der Vereinigten Staaten gegen Wales (1:1) bei. Die Teilnahme am „Strategischen Dialog zwischen den USA und Katar“ schloss sich an. Dabei gäbe es genügend objektive Kritikpunkte an der umstrittensten und wohl politischsten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten. 15.021 Gastarbeiter starben laut Amnesty International während der Baumaßnahmen rund um die Errichtung der benötigten Infrastruktur. Die Menschenrechtsprobleme in Katar: Zahlreich.

In ein Land, in dem es an Frauenrechten, Religionsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit mangelt sowie Homosexualität unter Strafe steht und unfaire Gerichtsverfahren vorherrschen, hätte keine WM vergeben werden dürfen. Kritik am Fußball-Weltverband sowie am Austragungsort sind somit folgerichtig, die auch während der Vorrunde nicht nachließ. Dass die Deutsche Fußballnationalmannschaft mit ihren Statements Naivität walten ließ, Doppelmoral an den Tag legte und über die Stränge schlug, ist wiederum ein anderes Thema.

Ein politisches Statement, welches sich weder mit Katar noch mit der FIFA befasste, sendete derweil der Fußballverband der Vereinigten Staaten aus. Mit dem Achtelfinaleinzug erspielten sich die Männer von Trainer Gregg Berhalter, als Spieler einst unter anderem beim TSV 1860 München aktiv, eine Prämie in Höhe von $13 Millionen. Davon geht allerdings nur die Hälfte des Betrags an das Männerteam. Die restlichen $6,5 Millionen erhält die Frauen-Nationalmannschaft.

Im Mai diesen Jahres wurde nämlich ein Tarifvertrag unterzeichnet, welcher vorsieht, dass die bei Weltmeisterschaften erspielten Preisgelder der Männer- und Frauenmannschaften zusammengelegt und gleichmäßig aufgeteilt werden. Dieses außer Kraft setzen der Prinzipien der Marktwirtschaft und des Leistungsprinzips wird unter dem Schlagwort „Equal Pay“ zusammengefasst.

Mit anderen Worten ausgedrückt: Eine Mannschaft, die gar nicht an einem Turnier teilnimmt, bekommt dennoch unter gegebenen Umständen eine Leistungsprämie. Umgekehrt ist dies freilich ebenso der Fall: Auch die von den Frauen eingespielten Prämien bei der Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland müssen mit den Männern geteilt werden. Diese werden jedoch unabhängig vom Erfolg auf Grund des weltweit geringeren Interesses weitaus weniger hoch ausfallen.

Die WM der Männer im Jahr 2018 verfolgten beispielsweise 3,5 Milliarden Menschen. Die Frauen-WM ein Jahr darauf schauten lediglich 764 Millionen Zuschauer im TV. Daraus ergeben sich weniger Einnahmen aus Werbe- und Merchandising. Folgerichtig wurden bei den Männern Preisgelder in Höhe von $400 Millionen und bei den Frauen $30 Millionen ausgeschüttet.

Noch im Jahr 2020 wies das Bezirksgericht für Zentralkalifornien den Vorwurf der Lohndiskriminierung im US-Fußball zurück.

Gleichwohl Frauenfußball in den USA ähnlich populär wie Männerfußball ist, sieht dies weltweit gesehen gänzlich anders aus. Die Argumentation „Gleiches Spiel. Gleicher Lohn.“ wird damit für die internationale Bühne widerlegt. Diesen marktwirtschaftlich begründeten Unterschied will der US-Verband mit seiner Regelung nun marginalisieren. Der Wettbewerbsgedanke, eigentlich eine Ur-amerikanische Eigenschaft, wird dabei ausgeschaltet. Doch wenn die männlichen Fußballer die Frauen subventionieren sollen, warum dann nicht auch andere Sportarten wie Handball, Radsport oder Leichtathletik?

Ganz davon abgesehen erscheint das Frauen-Team der USA nunmehr als ein Anhängsel der Männer. Dabei sind die US-Frauen mit ihren bisherigen vier WM-Titeln und vier Goldmedaillen bei Olympischen Spielen deutlich erfolgreicher als das eher durchschnittliche Männer-Team. Der gut begründete Unterschied in der Prämienausschüttung kann durch Werbeverträge im Inland deutlich wettgemacht werden. Abby Wambach, Alex Morgan oder Megan Rapinoe sind nicht nur Ikonen des US-Frauenfußballs, sondern auch beliebte Werbeträgerinnen. Mit den weniger gefragten männlichen Kollegen werden diese Einnahmen freilich nicht geteilt.

Noch in den 1990er Jahren waren Fußballerinnen in den USA generell beliebter und finanziell erfolgreicher als deren männliche Kollegen. Der Pelé des Frauenfußballs trat infolgedessen auch in dieser Zeit in Erscheinung: Mia Hamm. Heute wird ihr Vermögen auf $40 Millionen geschätzt. Hamm hat es in den 1990er Jahren durch eigene Leistung, ohne Quoten oder Equal Pay zu weltweiter Bekanntheit und finanziellem Reichtum geschafft. Einer der besten männlichen Spieler der USA aus dieser Zeit, Tom Dooley, in Deutschland gut bekannt, hat lediglich geschätzte $1 bis $5 Millionen auf seinem Konto.

Der Frauenfußball verdient, wie auch andere Randsportarten, eine bessere Förderung. Diese sollte jedoch nicht auf Kosten marktwirtschaftlicher Prinzipien gehen. Mit der gegenwärtigen Regelung des US-Verbandes geht es linken Aktivistinnen wie Kapitänin Rapinoe offensichtlich nur um den eigenen, kurzfristig gedachten, Profit. Der Fußball wird mit solchen Regelungen unnötig politisiert und rückt damit einmal mehr zu einer vollkommen unamerikanischen Sportart.

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