Wie Biden die Judikative prägt

Ein wesentliches Merkmal eines jeden Rechtsstaates ist die explizite Teilung der Gewalten. Dementsprechend darf eine Institution weder unterschiedliche Gewaltenfunktionen ausüben, noch darf eine Person mehreren Gewalten gleichzeitig angehören. Während die gesetzgebende Gewalt (Legislative; Parlament) und die ausführende Gewalt (Exekutive; Regierung und Verwaltung) im Fokus der Öffentlichkeit stehen, genießt die rechtsprechende Gewalt (Judikative) oftmals ein Schattendasein.

Lediglich bei Grundsatzentscheidungen auf höchster Ebene, zum Beispiel durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland oder des Supreme Court in den USA, gehören die Schlagzeilen der Judikative, die durch unabhängige Richter ausgeübt wird. Die Bedeutung der richterlichen Gewalt im Staat, deren Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist, rückt dabei oftmals in den Hintergrund.

Die Judikative in den USA

Das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten ist der Supreme Court mit Sitz in Washington D.C. Dieser ist sogleich auch der einzige Gerichtshof, der in der US-Verfassung explizit Erwähnung findet. Dem Obersten Gerichtshof gehören (gegenwärtig) neun Richter an, die zuvor vom Präsidenten nominiert wurden und nach einer Befragung im Justizausschuss des U.S. Senats die Zustimmung dieser Parlamentskammer erhielten. Verfassungsrichter genießen de facto eine unbegrenzte Amtszeit. In der Regel verhandelt der Supreme Court Berufungsfälle unterer Gerichte, zumeist Streitigkeiten über die Auslegung und Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen auf Bundes- oder Staatsebene. 

Eine Ebene unter dem Obersten Gerichtshof befinden sich 13 Appellationsgerichte auf Bundesebene (Federal Courts of Appeals) sowie eine weitere Stufe darunter 95 Distriktgerichte auf Bundesebene (Federal District Courts). Laut der Website der US-Botschaft in Deutschland befassen sich diese Bundesgerichte „mit Fällen, die die Verfassung, das Bundesrecht oder Bundesverträge betreffen. Außerdem sind sie für das Seerecht zuständig sowie für solche Fälle, bei denen ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind.“

Präsidenten prägen Judikative

Da US-Präsidenten die Richter auf Bundesebene nominieren, eine Zustimmung des U.S. Senats ist für eine erfolgreiche Bestätigung notwendig, können diese die Ausrichtung der Judikative, Stichwort wortwörtliche versus moderne Auslegung der Verfassung, beeinflussen. Die Präsidentschaft von Donald Trump gilt in diesem Bereich als für die Republikanische Partei als sehr erfolgreich, nominierte dieser doch drei Verfassungsrichter, 54 Appellationsrichter und 174 Distriktrichter erfolgreich. Mitch McConnell, Fraktionsführer der Republikaner im U.S. Senat, bereitete diese legitime „heimliche Revolution“, wie es ZEIT Online schon im Jahr 2017 nannte, jahrelang vor. 

Doch auch der demokratische Präsident Joe Biden ist auf einem guten Weg, die Judikative für die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, zu prägen. Bis zur parlamentarischen Sommerpause im August diesen Jahres nominierte Präsident Biden gar so viele Richter wie kein anderer Amtsinhaber des Weißen Hauses seit Präsident John F. Kennedy. Laut den Daten des Pew Research Center schlug Präsident Biden insgesamt 75 Bundesrichter erfolgreich vor. Zum gleichen Zeitpunkt ihrer jeweiligen Präsidentschaft kamen Trump auf 51, Barack Obama auf 42, George W. Bush auf 72 und Bill Clinton auf 74 Richter.

Biden diversifiziert die Judikative

Explizit hat Präsident Biden bislang eine Verfassungsrichterin, 18 Appellationsrichter und 57 Distriktrichter durch den U.S. Senat, in dessen Kammer die Demokratische Partei eine hauchdünne Mehrheit besitzt, bringen können. Präsident Biden legt bei den Nominierten großen Wert auf die Stärkung von Gruppen, die bislang in der Judikative unterrepräsentiert sind. Vor diesem Hintergrund sind 76 Prozent aller bisher von Präsident Biden vorgeschlagenen Richter weiblich. Bei Obama lag diese Quote noch bei 50 Prozent, bei Clinton bei 36 Prozent sowie bei den republikanischen Präsidenten Trump bei 29 Prozent und bei Bush bei 22 Prozent. 

Knapp zwei Drittel der von Biden nominierten Richter entstammen einer ethnischen Minderheit – weitaus mehr als bei jedem anderen bisherigen Präsidenten. Von den 75 erfolgreich nominierten Richtern gehören 18 der afroamerikanischen, 13 der hispanischen, zehn der asiatischen und acht sonstigen Minderheiten an. Präsident Biden hält somit sein Wahlversprechen, die Vielfältigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika auch in der Exekutive sowie in wichtigen Positionen der Judikative abzubilden. Die heutige Generation der weißen US-Amerikaner, immerhin gehören dieser Gruppe laut dem Zensus aus dem Jahr 2020 weiterhin mehr als 60 Prozent der Bevölkerung an, gilt derweil in der Ära Biden als Opfer vergangener Missstände.

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Biden auf Roosevelts Spuren?

Den Sommerurlaub 2015 verbrachte Joe Biden mit seiner Familie auf Kiawah Island in South Carolina. Nach der Beerdigung von Sohn Beau, der kurz zuvor an einem Gehirntumor verstarb, diente das Urlaubsparadies südwestlich von Charleston als Rückzugsort für den Biden-Clan. Am 16 kilometerlangen Sandstrand versuchte der damals noch als Vizepräsident amtierende Biden Kraft zu tanken, sich von diesem Schicksalsschlag einigermaßen zu erholen. 

Sieben Jahre später suchte Familie Biden erneut den Palmenstaat auf, um sich eine Auszeit vom regen Washingtoner Politikbetrieb zu gönnen. Präsident Biden kam der Zeitpunkt seines schon länger geplanten Urlaubs gelegen, musste er sich doch noch von einer Coronavirus-Erkrankung erholen. Als Risikopatient wurde ihm das Medikament Paxlovid an fünf Tagen verabreicht. Nach einem sich daran anschließenden negativen Testergebnis wurde Präsident Biden jedoch nur kurze Zeit später erneut positiv getestet. Für insgesamt 16 Tage musste sich Präsident Biden von der Außenwelt isolieren.

Überraschender innenpolitischer erfolg

Nach überstandener Krankheit zeigte sich Präsident Biden im Urlaub während eines Radausflugs am Strand von Kiawah Island sichtlich erholt und entspannt. Letzteres sicherlich auf Grund der Tatsache, dass Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act kurz vor der parlamentarischen Sommerpause ein regelrechter Coup gelang. Mehr als ein Jahr lang wurde an der Gesetzesinitiative gearbeitet. Die moderaten demokratischen Senatoren Kyrsten Sinema und Joe Manchin blockierten bekanntlich bis zum Sommer diesen Jahres die Verabschiedung.

Doch dann die Wende mit einem modifizierten und weniger teuren Vorschlag. Anhand der Parteilinien verabschiedete der U.S. Senat das Gesetz mit 51 zu 50 Stimmen, Vizepräsidentin Kamala Harris löste die Pattsituation zugunsten der Demokraten auf. Im U.S. Repräsentantenhaus votierten 220 Abgeordnete für, 207 Parlamentarier gegen das von Präsident Biden als „eines der wichtigsten Gesetze in unserer Geschichte“ bezeichnete Programm. 

Das Hauptaugenmerk liegt bei dem Inflation Reduction Act, wie es schon der Name sagt, auf der Inflationsbekämpfung. Explizit soll hierbei das Haushaltsdefizit verringert, die Preise verschreibungspflichtiger Medikamente gesenkt, der Affordable Care Act für drei Jahre subventioniert und eine „gerechte Steuerreform“ durchgeführt werden. Von der Gesamtsumme in Höhe von $737 Milliarden sind $369 Milliarden für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz vorgesehen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.

Erfolgreiche innenpolitische Agenda

Der Inflation Reduction Act ist nicht der erste legislative Erfolg von Präsident Biden. Vor diesem Hintergrund unterzeichnete der 46. US-Präsident ebenso im August den CHIPS and Science Act. Das Gesetz fördert die Halbleiterforschung und -herstellung in den USA mit $280 Milliarden. Die Vereinigten Staaten wollen nach den negativen Erfahrungen der Lieferkettenunterbrechung, ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie, unabhängiger von Lieferanten, insbesondere aus Asien, werden. Das Gesetz wurde mit Stimmen aus beiden Parteien verabschiedet. 

Im November vergangenen Jahres gelang Präsident Biden zudem ein überparteiliches Infrastrukturpaket, an dem zuvor noch seine Vorgänger Donald Trump und Barack Obama scheiterten. Mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act werden zusätzliche $550 Milliarden in die Erneuerung von Straßen, Brücken und Schulen sowie für den Ausbau von Breitband, E-Ladestationen und die Sicherstellung von sauberem Wasser bereitgestellt. 

The president has delivered the largest economy recovery plan since Roosevelt, the largest infrastructure plan since Eisenhower, the most judges confirmed since Kennedy, the second largest health care bill since Johnson, and the largest climate change bill in history.
(Ron Klain, Stabschef des Weißen Hauses)

Zur Abmilderung der ökonomischen Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie setzte Präsident Biden zu Beginn seiner Amtszeit zudem den American Rescue Plan Act mit knappen Mehrheiten im U.S. Kongress durch. Die Staatshilfen sahen die Rekordsumme von $1,9 Billionen vor.

Demokraten distanzieren sich von Biden

Präsident Biden konnte somit bislang eine innenpolitische Agenda in der Höhe von $3,5 Billionen (!) erfolgreich durch den U.S. Kongress bringen. Hinzu gesellt sich eine striktere Waffengesetzgebung, zusätzliche Unterstützungsleistungen für Kriegsveteranen, sinkende Benzinpreise sowie die niedrigste Arbeitslosenquote in fünf Jahrzehnten. Lediglich die weiterhin hohe Inflationsrate in Höhe von 8,5 Prozent im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat wirft einen Schatten auf die bisherigen legislativen Erfolge.

Paradoxerweise sind viele demokratische Amtsträger und Wähler dennoch der Meinung, bislang nicht viel erreicht zu haben. Infolgedessen sehen insbesondere junge und progressive Demokraten den Präsidenten weiterhin kritisch. Laut einer repräsentativen Umfrage von NBC News/ Generation Lab sprechen sich 73 Prozent der College-Demokraten gegen eine zweite Amtszeit von Präsident Biden aus.

Demokratische Politiker distanzieren sich des Weiteren vermehrt vom Präsidenten. In Ohio wirbt beispielsweise Abgeordnete Marcy Kaptur in ihrem Wiederwahlkampf mit den Worten, dass sie nicht für Joe Biden, sondern für ihre Wähler arbeite. Forderungen aus den eigenen Reihen, dass sich Präsident Biden nicht zur Wiederwahl stellen solle, runden die innerparteiliche Kritik ab. 61 Prozent der kalifornischen Wähler, einer der liberalsten Staaten der USA, befürworten diesen Appell laut dem Berkeley Institute of Governmental Studies

Biden-Administration geht in die Kommunikationsoffensive

Die Biden-Administration versucht dem Einstellungsproblem vieler Demokraten und den herausfordernden Umfragen vor den Zwischenwahlen im November nun mit einer Kommunikationsoffensive entgegenzuwirken. In den nächsten Wochen sollen Regierungsmitglieder vermehrt durch die USA reisen und in Medien auftreten, um die bisherigen innenpolitischen Errungenschaften bekannt(er) zu machen. 

Die Leitlinien sind hierbei, dass die Regierung ihre Wahlversprechen hielt und ihren Fokus niemals verlor. Ebenso soll damit geworben werden, dass sich das Weiße Haus und Kongress-Demokraten gegen Lobbyisten zum Wohle des US-amerikanischen Volkes durchsetzen konnten. Der Reise- und Medienblitz ist vor dem Hintergrund der Midterms auch nötig. Mit Ausnahme von George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verlor in der Moderne nämlich die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen immer an Zustimmung. 

It is common sense to take a method and try it. If it fails, admit it frankly and try another. But above all, try something. (Präsident Franklin D. Roosevelt)

Präsident Roosevelt gilt derweil für Team Biden als der historische Orientierungspunkt schlechthin. Während der Great Depression verabschiedeten Demokraten unter Führung Roosevelts mit dem New Deal selbstbewusst umfassende Wirtschafts- und Sozialreformen. Bei den Zwischenwahlen 1934 konnten Demokraten daraufhin sogar jeweils neun Sitze im U.S. Senat und im U.S. Repräsentantenhaus hinzugewinnen.

Davon ist die Demokratische Partei im Jahr 2022 zwar weit entfernt. Das Halten einer knappen Mehrheit im U.S. Senat ist dennoch, auch auf Grund oben genannter legislativer Erfolge sowie qualitativ fragwürdiger republikanische Kandidaten, nicht unrealistisch. Präsident Biden könnte dann seinem nächsten Urlaub in South Carolina entspannter entgegensehen. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Forward Party; Canva.com; eigene Grafiken.

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Ein Kulturkämpfer als aufstrebender Liebling der Konservativen

Laut dem vom französischen Historiker Stéphane Courtois herausgegebenen „Schwarzbuch des Kommunismus“ fielen bislang mindestens 100 Millionen Menschen der Ideologie des Marxismus-Leninismus zum Opfer. In Deutschland brachte beispielsweise mit der DDR ein sozialistischer Unrechtsstaat viel Leid über die Bevölkerung: Mauerbau und Mauertote, Stacheldraht und Selbstschussanlagen sowie Bespitzelung und Folter sind nur einige Stichworte, welche die 40-jährige Schreckensherrschaft des Ost-Berliner Regimes beschreiben.

Die Vereinigten Staaten von Amerika waren hingegen während des Kalten Krieges das Sinnbild des Bollwerks der freiheitlichen, demokratischen Welt gegenüber dem linken Totalitarismus. Die unmenschlichen kommunistischen Experimente sind auf europäischem Boden, auch dank der Stärke der USA, weitestgehend (Ausnahme bildet die Republik Belarus) gescheitert. Doch die Ideologie von Marx und Lenin bleibt weiterhin eine Gefahr, wie nicht zuletzt der Aufstieg der Volksrepublik China mit seinen imperialistischen Bestrebungen und massiven Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land darlegt. 

Exil-Kubaner beeinflussen politische Landschaft der USA

In unmittelbarer Nachbarschaft zu den USA liegt das bis heute kommunistisch regierte Kuba. Die Zeiten der auch für die Weltpolitik bedeutenden Krisen zwischen Havanna und Washington D.C. gehören zwar längst der Vergangenheit an. Von Tauwetter kann jedoch auch keine Rede sein. Bis heute fliehen Kubaner in die USA, vor allem auf Grund der geographischen Nähe hauptsächlich in den Sunshine State Florida. 1,53 Millionen Personen kubanischstämmiger Herkunft leben gegenwärtig in Florida. Miami stellt die Stadt mit den meisten in den USA lebenden Kubanern (1,2 Millionen) dar. 

Die Annäherungsversuche der USA an Kuba durch die damalige Administration von Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden kam derweil bei den Exilanten nicht gut an. Die Hispanics wechselten infolgedessen massenweise in das politische Lager der Republikanischen Partei. Florida mutierte auch deswegen in den vergangenen Jahren immer weniger zu einem Swing State. Gegenwärtig stellen Republikaner beide U.S. Senatoren, 16 der 27 Abgeordneten im U.S. Repräsentantenhaus, die Mehrheit in beiden Kammern des Landesparlaments sowie den Gouverneur. 

Floridas Gouverneur als konservativer Hoffnungsträger

Der seit Januar 2019 als Gouverneur agierende Ron DeSantis weiß hingegen bei den ursprünglich aus Kuba kommenden US-Amerikanern zu punkten. Zuletzt führte der 1978 in Jacksonville, Florida, geborene DeSantis sogar einen landesweiten Gedenktag für die Opfer des Kommunismus ein, der jedes Jahr am 07. November abgehalten wird. Des Weiteren wurden Lehrer angewiesen, ihre Schüler über die Gräueltaten des Kommunismus aufzuklären, „damit sich Geschichte nicht wiederholt“, so Gouverneur DeSantis. Als studierter Historiker (Yale University) weiß DeSantis von den Gefahren.

DeSantis, der zudem einen Juraabschluss in Harvard aufweist, gilt gegenwärtig als Hoffnungsträger schlechthin des US-amerikanischen Konservatismus. Mit einem glaubwürdigen Einsatz gegen den Kommunismus deckt DeSantis ein klassisches Anliegen der Republikaner ab und weitet das Wählerpotential der Grand Old Party zudem aus. Dass er zwischen 2005 und 2010 in der Rechtsabteilung der U.S. Navy, davon neun Monate im Irak, arbeitete und Mitglied der U.S. Navy Reserve ist, kommt bei der republikanischen Basis gut an.

DeSantis ist auch ein Kulturkämpfer

Dass DeSantis im immer stärker werdenden Kulturkampf zwischen dem linksliberalen und dem konservativen Amerika eine Vorreiterrolle einnimmt, hat dem seit 2019 amtierenden Gouverneur einerseits Respekt beim republikanischen Wählerklientel verschafft. Andererseits konnte sich DeSantis einen landesweiten Bekanntheitsgrad, auch durch die Veranlassung von liberalen Regeln während der Hochzeit der Coronavirus-Pandemie, erarbeiten. Gleichwohl ist die Berichterstattung über den seit 2010 mit Casey verheirateten dreifachen Familienvater oftmals kritisch, da er sich in der Gesellschaftspolitik gegen den progressiven Mainstream richtet. 

In der Schulpolitik hat DeSantis beispielsweise das House Bill 1557 mit dem expliziten Namen „Parental Rights in Education“ („Elternrechte in der Bildung“) erlassen. Dieses besagt, dass die sexuelle Identität noch nicht im Lehrplan von Grundschulen behandelt werden soll.  Es soll Aufgabe der Eltern und nicht des Staates sein, in solch einem frühen Kindesalter über alternative Sexualitätsformen aufzuklären – oder eben nicht. Linksliberale bezeichnen das Gesetz derweil als Don’t Say Gay“ („Sag nicht homosexuell“).

Dies ist ein Gesetz, das Eltern mehr Verantwortung gibt und unsere Kinder beschützt.
(Ron DeSantis)

Des Weiteren verbot DeSantis die sogenannte „Critical Race Theory“ („Kritische Rassentheorie“) in Schulen. Diese besagt, dass die USA auf einem historisch gewachsenen systemischen Rassismus aufgebaut wurden. DeSantis will laut eigener Aussage die Schüler Floridas vor den Gefühlen der Schuld und der Pein für vergangene Taten von Mitgliedern ihrer – weißen – Rasse beschützen. Die Verbrechen an den US-amerikanischen Ur-Einwohnern durch die weißen Siedler kommen somit kaum noch im Lehrplan vor.

Im Gegensatz zu vielen Politikern der republikanischen Partnerparteien in Deutschland steht DeSantis konsequent für eine konservative Gesellschaftspolitik und für traditionelle Werte. Dass er es bislang erfolgreich schafft, sich von Donald Trump zu distanzieren ohne dessen Wählerschaft zu vergraulen, macht Ron DeSantis zu einem Mitfavoriten auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.

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Die neue Partei der Mitte

Der Slogan „Vorwärts“ wird primär mit dem linken politischen Spektrum in Verbindung gebracht. Der Titel der Parteizeitung der SPD ist beispielsweise seit dem Jahre 1876 danach benannt. In der sozialistischen Diktatur der DDR wurde die Sportvereinigung der Nationalen Volksarmee auf den Namen „Vorwärts“ getauft. Selbst in den USA wurde vom linken politischen Spektrum schon der Begriff verwendet: Der damalige Präsident Barack Obama ging mit dem Motto Forward, also „Vorwärts“, in den Wahlkampf 2012.

Eine neue dritte Partei sieht den Fortschritt des 21. Jahrhunderts in den USA jedoch nicht auf der politischen linken Seite. Auch nicht Rechts. Sondern in der Mitte der Gesellschaft, die von der Republikanischen wie von der Demokratischen Partei zu oft außer Acht gelassen wird. Der Name der neuen dritten Partei: Forward – „Vorwärts“.

Demokraten und Republikaner verlieren Mitte aus den Augen

Das politische System der USA hat bekanntlich ein Zwei-Parteien-System hervorgebracht. Eine Begebenheit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur verfestigte, sondern auf Grund des Vorwahlsystems, willkürlicher parteiischer Wahlkreisziehung und neuer Medien Politiker mit immer extremeren Positionen hervorbrachte. Dementsprechend vertreten laut einer Studie des Pew Research Center gegenwärtig nur noch rund zwei Dutzend Kongressabgeordnete eine moderate politische Einstellung. In der Legislaturperiode 1971 – 1972 war dies bei noch 160 Abgeordneten der Fall. 

Die politische Arbeit gestaltet sich in Washington D.C. folgerichtig oftmals als zäh, sieht das politische System doch eigentlich eine explizite Zusammenarbeit zwischen den Parteien vor. Infolgedessen sehen laut den Durchschnittswerten von Real Clear Politics drei Viertel der US-Amerikaner die USA auf dem falschen Weg. 62 Prozent der Bevölkerung sind laut einer repräsentativen Umfrage von Gallup aus dem Jahr 2021 sogar der Meinung, dass eine neue, dritte Partei benötigt wird – der höchste bislang gemessene Wert. Die Mehrheit der Anhänger beider großer Parteien teilt diese Auffassung, davon 63 Prozent der Republikaner. 

Forward als moderate Alternative

In diese Lücke versucht nun Forward, die als Partei der Mitte gegründet wurde, zu stoßen. Hervorgegangen ist Forward aus drei Bewegungen und Organisationen von ehemaligen Funktionären der Republikanischen und Demokratischen Partei sowie von parteiunabhängigen Aktivisten. Das Renew America Movement wurde von einstigen Republikanern um Miles Taylor, der als Offizieller im Bereich Heimatschutz im Weißen Haus von Donald Trump arbeitete, ins Leben gerufen.

Eine positiv vereinende dritte Partei zu etablieren ist schwierig, aber es ist auch genau das, auf was Millionen von Amerikaner gewartet haben. Deswegen werden wir erfolgreich sein.
(Andrew Yang, Mitbegründer von Forward, im Online-Magazin The Hill)

Das Serve America Movement wurde hingegen von Ehemaligen beider großer Parteien und Unabhängiger gegründet. Das Aushängeschild dieser Bewegung ist David Jolly, der einst für die Republikanische Partei als Abgeordneter im U.S. Kongress amtierte. Die Forward Party des ehemaligen Teilnehmers der demokratischen Präsidentschaftsvorwahlen (2020) und New Yorker Bürgermeisterkandidaten (2021) Andrew Yang komplementiert die Organisationen, aus der die neue Partei hervorging. Der extrovertierte und kreative Unternehmer Yang führt die Partei zusammen mit der ehemaligen republikanischen Gouverneurin von New Jersey Christine Todd Whitman an. 

Inhaltliche Ziele der Partei

Noch weist die Partei kein detailliertes Programm auf. Die übergeordneten inhaltlichen Ziele sind jedoch klar formuliert: In Zeiten der politischen und gesellschaftlichen Spaltung soll ein Mittelweg eingenommen werden. Politischer Extremismus wird strikt abgelehnt. Die Stärkung der Wirtschaft, einfachere Möglichkeiten zum Wählen sowie die Zurückgewinnung von Vertrauen in die Regierung wurden von den Verantwortlichen exemplarisch genannt.

Die Vereinigten Staaten benötigen dringend eine neue politische Partei – eine Partei, welche die moderate, vernünftige Mehrheit abbildet.
(Verantwortliche der Partei in einem Gastbeitrag in The Washington Post)

Die Einnahme extremer Positionen beispielsweise bei Themen wie dem Abtreibungsrecht (vollkommene Legalisierung versus Totalverbot), Klimaschutz (Wirtschaft und Klimaschutz sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden) und Waffenkontrolle wird abgelehnt. Ein erster landesweiter Parteitag soll in einer Großstadt im Sommer 2023 stattfinden und ein erstes detailliertes Programm verabschieden. Bis dahin sollen zahlreiche Veranstaltungen im Herbst diesen Jahres weitere Unterstützung generieren. Am 24. September 2022 gibt es für die neue Partei bei einer größeren Veranstaltung in Houston, Texas, den offiziellen Startschuss. 

Aussichten

Als Wahlziel hat Forward ausgegeben sich bis Ende 2023 in 30 Bundesstaaten registriert zu haben und auch gewählt werden zu können. Die Hürden hierzu unterscheiden sich je nach Staat. Bis zu den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024 will die Partei in allen 50 Bundesstaaten registriert und wählbar sein. Der wahltechnische Fokus liegt zunächst bei lokalen Wahlen, wie Stadträten und Schulbehörden. 

Treten die Verantwortlichen von Forward mit einem hohen Grad an Seriosität und Professionalität auf und können Spenden sowie Medienaufmerksamkeit generiert werden, sind mittelfristig regionale Erfolge durchaus möglich. Für den ganz großen Erfolg auf Ebene der Staaten oder gar im Bund benötigt es einen sehr langen Atem. Eine nachhaltige Etablierung auf Bundesebene hat seit dem US-amerikanischen Bürgerkrieg allerdings keine Partei geschafft. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Forward Party; Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.