Als Hillary Clinton im April ihre Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur offiziell verkündete, galt sie als die unangefochtene Favoritin. Als einstige First Lady, Senatorin und Außenministerin brachte sie nicht nur immense politische Erfahrung mit in den Wahlkampf.
Auch ihre Popularitätswerte lagen im positiven Bereich (66 Prozent Zustimmung im Jahr 2012). Hillarys Zeit als oberste Diplomatin der Vereinigten Staaten hatte hierbei sicherlich einen bedeutenden Anteil. Die Nominierung schien für Clinton reine Formsache zu sein. Zumal ihre innerparteiliche Konkurrenz wenig angsteinflössend schien.
Der Aufstieg des Bernie Sanders
Vier Monate sind seit Clintons Kampagnenstart vergangen. Vier Monate in denen Massen mobilisiert wurden, tausende Amerikaner Wahlkampfkundgebungen beiwohnten. Nur kreiste diese – positive – Aufmerksamkeit nicht um Hillary, sondern um Bernie Sanders. Clintons-Traumwelt hat Risse bekommen.
Freilich sagt die Teilnehmerzahl von Wahlveranstaltungen wenig über tatsächliche Wahlabsichten aus. Ron Paul und Mitt Romney können hiervon ein Lied singen. Nichts desto trotz ist der Aufstieg des 73-jährigen Sanders bemerkenswert. Zumal er mittlerweile im wichtigen Bundesstaat New Hampshire in Umfragen vor Hillary liegt.
Wie konnte es ein unabhängiger Senator mit sozialistischem Anstrich schaffen, die große Favoritin so derart in Bedrängnis zu bringen? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Amerikaner in der Regel Sozialisten meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Hillarys e-Mail-Affäre
Die Gründe für Hillary Abschwungsphase sind vielfältiger Natur. Im Zentrum hiervon steht die e-Mail-Affäre. Anstatt wie vorgeschrieben eine Regierungsadresse und -server als Außenministerin zu verwenden, schrieb HRC ihre e-Mails über ihren privaten Account. Gespeichert wurden die Nachrichten auf einem Privatserver in ihrem Haus.
Wieder einmal konnte der Eindruck nicht verwehrt bleiben, dass sich die Clintons über dem Gesetz sehen. Dass Hillary zuletzt über ihre eigene Affäre scherzte und bei der Aufklärung des Sachverhaltes nur zögerlich mithalf verstärkte diesen Eindruck zusätzlich.
Bei ihren Wahlkampfauftritten sieht sich HRC laut eigener Aussagen nicht mit diesem Skandal konfrontiert. Repräsentative Meinungsumfragen sehen dies anders. Amerikaner verlieren immer mehr an Vertrauen gegenüber der Demokratin.
Hillary bleibt Nummer 1 der Demokraten – vorerst
Nun bleibt abzuwarten, ob HRC auch klassifizierte e-Mails auf ihrem Server speicherte. Selbst strafrechtliche Ermittlungen stehen im Raum. Allein diese Möglichkeit verunsichert die demokratische Partei, steht doch neben Hillary bisher kein präsidentieller Kandidat des Establishments bereit – ist Sanders doch spätestens bei der general election als zu weit links im politischen Spektrum zu verorten, um realistische Chancen auf einen Wahlsieg zu haben.
Trotz dieser Turbulenzen führt Hillary Clinton weiterhin unangefochten die nationalen Umfragen an, wenngleich ihr Vorsprung geschmolzen ist. Des Weiteren ist es noch sehr früh im Vorwahlkampf. Ein guter Zeitpunkt, um bestehende Unstimmigkeiten zu lösen, doch noch gestärkt in die erste Vorwahl im Februar zu gehen und einen Stolperstein für eine mögliche general election aus dem Weg zu räumen.
Dafür müsste sich Hillary jedoch – abermals – neu erfinden, sich erden. Denn ihre Krise ist hausgemacht und ihr Krisenmanagement ausbaufähig. So hat HRC ein Vakuum in der demokratischen Partei entstehen lassen, das gefüllt werden will. Vizepräsident Joe Biden steht bereit, lotet einen dritten Anlauf nach 1988 und 2008 gen Oval Office aus. Der demokratische Vorwahlkampf könnte doch noch spannend werden.