Nach der Coronavirus-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war schon in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts klar, dass sich die „Goldenen Zwanziger“ aus dem vorherigen Jahrhundert nicht wiederholen würden. Im Jahr 2025 befindet sich, soweit Vergleiche mit der Vergangenheit überhaupt möglich sind, zumindest Europa sicherheitspolitisch in den 1930 Jahren wieder. Handelspolitisch ist die Welt seit dem von Präsident Donald Trump verkündeten „Liberation Day“ am 02.04.2025 zumindest vorübergehend in den 1890er Jahren angekommen.
Der 47. US-Präsident verkündete an diesem Tag nämlich für nahezu alle Handelspartner der Vereinigten Staaten von Amerika (zusätzliche) Zölle in Höhe von mindestens zehn Prozent. Für Importe aus der Volksrepublik China gelten beispielsweise zusätzliche Zölle in Höhe von 34 Prozent. Chinesische Importe werden infolgedessen mit insgesamt 54 Prozent bezollt. Für Waren aus der Europäischen Union traten zusätzliche Zölle in Höhe von 20 Prozent in Kraft. Zudem gesellen sich Zölle von 25 Prozent auf alle im Ausland hergestellten Automobile.
Dabei profitierten die Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, überproportional vom Welthandel. Exemplarisch sei an dieser Stelle erwähnt, dass breite Bevölkerungsschichten in den vergangenen 80 Jahren, wie beispielsweise auch in der Bundesrepublik Deutschland in Europa, einen gewissen Wohlstand errangen. Lebte im Jahr 1945 noch knapp jeder Dritte US-Amerikaner in Armut, ist dies gegenwärtig nur noch bei jedem Zehnten der Fall.
Und dennoch will die Administration von Präsident Trump die USA mit einer – einst gescheiterten – protektionistischen Handelspolitik in ein „goldenes Zeitalter“ führen. Oder zündete Trumps Regierung eine sprichwörtliche Nebelkerze und hat in Wirklichkeit ganz andere Absichten? Daraufhin deutet, dass in der Trump-Administration vier, teils rivalisierende, Faktionen vorherrschen, die sich von den jüngst verabschiedeten Zöllen unterschiedliche Ziele versprechen.
Einerseits gibt es eine Gruppe, die durch höhere Zölle zusätzliche Staatseinnahmen generieren will. Mit diesen Einnahmen wiederum könnten geplante Steuersenkungen finanziert werden. Eine weitere Faktion innerhalb der Trump-Administration verspricht sich andererseits durch die Zollpolitik eine Reindustrialisierung der USA. Ausländische Unternehmen sollen in den USA produzieren und somit Arbeitsplätze schaffen. Präsident Trump äußerte sich diesbezüglich mehrmals unterstützend.

Quelle: Financial Times und wie in der Grafik angegeben.
Dieses Gedankenspiel würde jedoch die Produktionskosten steigern, Produkte für den Endverbraucher teurer werden lassen. Ebenso ist es auf Grund des Wandels der Arbeitswelt und der Demografie unrealistisch, dass im Dienstleistungs- und Informationszeitalter die Industriearbeit wieder zum dominanten Sektor wird. Das Ziel der Reindustrialisierung durch hohe Zölle wäre des Weiteren gleichbedeutend mit dem Rückgang von Zolleinnahmen, was wiederum gegen dem Ansinnen der erstgenannten Gruppe steht, die zusätzliche Staatseinnahmen generieren will.
Eine dritte Faktion im Weißen Haus will die Vereinigten Staaten von Amerika autark machen. Dies bedeutet, dass sich die USA vollständig unabhängig von anderen Ländern machen sollen. Sicherheitspolitische Gründe werden hierbei angeführt, sollen die USA doch bei einer größeren militärischen Konfrontation, zum Beispiel mit China, nicht von anderen Ländern abhängig sein. Als höheres Ziel wird von dieser Gruppe die Beendigung der Globalisierung verfolgt.
Eine vierte und letzte Faktion innerhalb der Administration von Präsident Trump sieht in der Verabschiedung von zusätzlichen Zöllen ein Instrument, um eine stärkere Ausgangsbasis für mögliche Verhandlungen mit den Handelspartnern zu haben. Heißt: Mittelfristig sollen die Zölle zwischen den Partnern angeglichen und abgebaut werden. Präsident Trump erwähnte dieses Ziel bereits beiläufig, Elon Musk plädierte bei einer Rede per Videoschalte bei der rechtspopulistischen Lega Nord aus Italien gar für ein transatlantisches Freihandelsabkommen, bei dem es keinerlei Zölle zwischen den USA und der Europäischen Union mehr geben solle. Bereits mehr als 50 Länder sollen sich für Verhandlungen bereit erklärt haben.
Zusammengefasst verfolgen vier Gruppen innerhalb der amtierenden US-Administration unterschiedliche Ziele mit der gegenwärtigen Zollpolitik. Eine Faktion will zusätzliche Staatseinnahmen generieren, eine andere Einflussgruppe setzt sich für eine Reindustrialisierung ein, während eine dritte Gruppierung sogar die Beendigung der Globalisierung fordert. Für die Weltwirtschaft dürfte indes die vierte Gruppe, die in den Zöllen eine Stärkung der US-Verhandlungsbasis sieht, die bestmögliche Option darstellen. Für welchen Weg sich Präsident Trump entscheidet, ist indes noch ungewiss.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; Financial Times; eigene Grafiken.
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