Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien von ihren expansiven Bestrebungen geheilt. Der russische Imperialismus überdauerte hingegen das Zarenreich, lebte in der von Russland dominierten Sowjetunion fort und agiert in der Russischen Föderation ungemindert weiter.
In den beiden Tschetschenien-Kriegen in den 1990er und 2000er Jahren machte die Russische Föderation jegliche Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes zunichte. Die Hauptstadt Grosny wurde dem Erdboden gleichgemacht, mehr als 100.000 Personen vielen den Kämpfen zum Opfer. Im Kaukasuskrieg 2008 unterstützte Russland sodann die sogenannten Separatisten in Südossetien und Abchasien. Die eigentlich zu Georgien gehörenden Gebiete werden bis heute von Russland besetzt.
Russland ist der alleinige Aggressor
Im Jahr 2014 erfolgte die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Krim sowie die von Russland gesteuerten Kämpfe im ukrainischen Donbas. Die Friedensvereinbarungen von Minsk brach Moskau, im Jahr 2022 folgte die vollumfängliche russische Invasion der Ukraine. Als Kriegsziele gab der russische Diktator Vladimir Putin die Eroberung der gesamten Ukraine und die Absetzung der Regierung in Kyiv sowie hierdurch eine Entmilitarisierung der ukrainischen Streitkräfte und eine Abkehr vom Westen aus.
Des Weiteren gab Putin offen zu verstehen, dass er alles Ukrainische wie Sprache, Kultur und Geschichte vernichten will. Mit den Massakern in Butscha und Irpin sowie in zahlreichen anderen Städten folgte die russische Armee der Vorgabe ihres Präsidenten. Die Entführung von mehr als 20.000 ukrainischer Kinder, die in Russland in Umerziehungslager gebracht wurden, zählt ebenso zu der vom Kreml ausgegebenen Strategie zur Erreichung einer ethnischen Säuberung wie die Einrichtung von Arbeitslagern in den besetzten Gebieten.
Russische Desinformation versucht den Westen zu spalten
Die 2020er Jahre haben die dunkelste Vergangenheit der Menschheitsgeschichte in die Gegenwart zurückgebracht. Eine differenzierte Betrachtungsweise, wie es normalerweise bei politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten und Entwicklungen auf Grund ihrer oftmaligen Komplexität notwendig ist, fällt beim größten Angriffskrieg auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Die Rollen sind nämlich klar verteilt: Die Ukraine ist das Opfer, Russland der Aggressor. Ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Dunkelheit.
Im Fokus der russischen Regierung stehen Bemühungen, die Deutungshoheit über den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erlangen. Durch falsche Behauptungen wird unter anderem versucht, den militärischen Einmarsch zu legitimieren, zivile Opfer zu verschleiern und das Narrativ eines russlandfeindlichen Westens zu verankern. Zu den Hauptthemen russischer Desinformation und Propaganda gehören auch Verunglimpfungen der Ukraine und die Darstellung des Westens als Kriegstreiber.
Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland über russische Desinformationskampagnen.
Doch diese Klarheit versucht Moskau durch eine große staatlich angelegte Desinformationskampagne zu unterminieren. Von Russland gesteuerte Propaganda soll die Öffentlichkeit im Westen zugunsten des Kreml beeinflussen. Betroffen waren hiervon beispielsweise schon Wahlen in den USA, Deutschland oder sogar Rumänien. Das deutsche Bundesministerium des Innern schreibt vor diesem Hintergrund auf ihrer Website davon, dass „seit der durch die Sanktionen bewirkten Einschränkung der Reichweite russischer staatsnaher Medien (…) pro-russische Desinformation und Propaganda verstärkt über Accounts in sozialen Medien verbreitet“ werden (Klick hier).
Trump bedient sich russischer Desinformationen
Dass die Russische Föderation bei ihrem Kampf um Beeinflussung westlicher Gesellschaften einmal den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu den ihren zählen könnte, hätten sich die Herrscher im Kreml wohl in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Doch Präsident Donald Trump unternimmt genau dies. In den vergangenen Wochen sprach er, ebenso wie Vizepräsident J.D. Vance, beispielsweise mehrmals davon, dass der ukrainische Präsident Volodymir Zelensky keinen Frieden wolle, Putin jedoch schon.
Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten -, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.
George Orwell: 1984.
In Anbetracht der eingehenden Schilderung über den russischen Angriffskrieg klingt die von der US-Administration geäußerte Behauptung schon nach dem Drehbuch von George Orwells Bestseller „1984“. In der bekannten Dystopie erhalten Wörter oftmals neue, gegensätzliche Behauptungen wie beispielsweise „Krieg ist Frieden“ oder „Unwissenheit ist Stärke“, um die Autorität der regierenden Partei zu untermauern. Im Fall des Krieges in Osteuropa soll mit dieser Strategie der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Russischen Föderation legitimiert werden.
Gleiches gilt für die von Präsident Trump getätigte Tirade gegenüber Zelensky, der ukrainische Präsident sei ein „Diktator“. Wohlgemerkt wurde Zelensky im April 2019 vom ukrainischen Volk in freien, geheimen und fairen Wahlen mit 73,22% der abgegebenen Stimmen zum Präsidenten gewählt. Die für 2024 angesetzte Präsidentschaftswahl konnte auf Grund des andauernden Krieges nicht wie ursprünglich geplant abgehalten werden und findet nach Kriegsende statt. Die Regelung der Bundesrepublik Deutschland sieht diesbezüglich bei einem Verteidigungsfall ein ähnliches Vorgehen vor.
Inszenierter Eklat im Oval Office
Den Höhepunkt der Desinformationskampagne inszenierten Präsident Trump, Vizepräsident Vance und deren Gefolgschaft beim Besuch von Präsident Zelensky im Weißen Haus am 28.02.2025. Bei der Begrüßung im Oval Office wurden die Pressevertreter, Journalisten von renommierten Medien wie Reuters wurden ausgesperrt und durch ideologietreue Propagandisten ersetzt, nicht wie üblich nach fünf bis zehn Minuten aus dem Arbeitszimmer des Präsidenten herausgeführt. Vielmehr durften die Medienvertreter das ganze, eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte, Gespräch zwischen den Regierungsvertretern beiwohnen.
Das wird großartiges Fernsehen sein, das kann ich Ihnen sagen.
Präsident Trump über seinen inszenierten Eklat im Oval Office.
So war es auch Brian Glenn, Vertreter des rechten Mediums Real America’s Voice und Lebensgefährte der rechtsextremen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene, der Zelensky die provokante Frage stellte, ob er denn einen Anzug besitze. Seit Kriegsausbruch trägt Zelensky bekanntlich eine Art Militäroutfit, wie übrigens auch einst der britische Premierminister Winston Churchill, der so auch das Weiße Haus während des Zweiten Weltkriegs besuchte. Das dunkle Schauspiel nahm nun seinen Lauf.
Denn Vizepräsident Vance ließ das Gespräch endgültig eskalieren, indem er behauptete, dass Zelensky nicht dankbar sei. Dabei dankt der ukrainische Präsident den USA und den US-Amerikanern unentwegt für die Unterstützung – so auch an diesem denkwürdigen Tag. Präsident Trump setzte daraufhin seine bekannte Desinformationskampagne gegen Zelensky und die Ukraine fort. Im Zangengriff wurde Zelensky von den US-Amerikanern regelrecht erniedrigt.
Transatlantische Freundschaft pausiert
Angesichts vorangegangener Ereignisse – Präsident Trump telefonierte mit Diktator Putin, ohne dieses Vorhaben mit westlichen Verbündeten abzusprechen, Abstimmung der USA gegen eine UN-Resolution der Ukraine und Einbringung einer eigenen russlandfreundlichen Resolution, Zielvorgabe der Normalisierung der Beziehungen zu Russland sowie das erneute Infragestellen der NATO-Beistandsklausel – wird deutlich, dass der Eklat im Oval Office von langer Hand vorbereitet war. Dass sich Präsident Trump selbst als Mediator zwischen der Ukraine und Russland sieht, stärkt zudem den Aggressor. Der gemeinsame Hass von Trump, Vance und Putin auf die regelbasierte Ordnung sowie auf die liberale Demokratie ist für diese US-Administration offenbar tiefergehender als die Bedeutung von alten Allianzen.
Angesichts des Trumpschen russischen Neusprechs und des vom US-Präsidenten ausgerufenen Handelskrieges gegen eigentlich verbündete Nationen sollten sich die Demokratien Europas ehrlich machen: Die erfolgreiche transatlantische Partnerschaft wird für mindestens vier Jahre pausieren. Auf diese USA ist kein Verlass. Gleichwohl die Kommunikationskanäle offen gehalten werden sollten, muss sich der alte Kontinent doch von der US-Abhängigkeit lösen. Erinnert sei an dieser Stelle an die Worte des Sozialdemokraten Kurt Schumacher, der davon sprach, dass „Politik (…) mit der Betrachtung von Wirklichkeit [beginnt]“ – auch wenn es noch so schmerzlich ist.

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Ein Gedanke zu “Trumps russischer Neusprech”
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