Thanksgiving – Der amerikanischste aller Feiertage

Was passiert eigentlich, wenn ein Präsidentschaftskandidat verstirbt?

Die Phasen einer Präsidentschaftswahl.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Thanksgiving – der amerikanischste aller Feiertage

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Ein Land, zwei Welten

Auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wurde ein Mordanschlag verübt. Eine Tat, mit der ein psychisch kranker Mann die Aufmerksamkeit der Schauspielerin Jodie Foster auf sich ziehen wollte. Der Präsident überlebte zwar, jedoch schwerverletzt. Im Krankenhaus durfte sodann nur ein ausgewählter Kreis den Commander-In-Chief, dessen Amtsgeschäfte trotz schwerster Verletzungen nicht temporär auf den Vizepräsidenten übertragen wurden, besuchen.

Zu diesem erlauchten Kreis gehörte auch der Sprecher des U.S. Repräsentantenhauses von der konkurrierenden Partei. Als Tip O’Neill das Krankenhauszimmer von Präsident Ronald Reagan betrat, fasste der Demokrat die Hände des Republikaners, küsste dessen Stirn und sprach tränenüberströmt die Worte „Gott segne Sie, Herr Präsident“. O’Neill fiel daraufhin auf seine Knie und betete für Reagan. 

Hart in der politischen Auseinandersetzung, respektvoll im Umgang miteinander. Dieses Leitprinzip, welches von der überwiegenden Mehrheit in Washington D.C. einst verfolgt wurde, war über Jahrzehnte hinweg das Erfolgsrezept US-amerikanischer Demokratie. Umgangsformen, die im Jahr 2022 weitestgehend der kontinuierlich steigenden politischen Polarisierung zum Opfer gefallen sind. 

Parteien haben politische Mitte verlassen

Laut einer Studie des Pew Research Center haben sich die beiden großen Parteien seit den 1970 Jahren kontinuierlich voneinander entfernt. Die Republikanische Partei rückte stärker nach rechts, die Demokratische Partei nach links. Waren in der Legislaturperiode 1971 – 1972 noch 160 Abgeordnete mit moderaten politischen Einstellungen am Capitol Hill vertreten, ist dies gegenwärtig nur noch bei rund zwei Dutzend Mitgliedern des U.S. Kongresses der Fall. 

A house divided against itself cannot stand.
(Abraham Lincoln, 16. US-Präsident)

Dies ist auch eine Folge der steigenden Homogenisierung der jeweiligen Fraktionen. Im Jahr 2022 werden Republikaner im U.S. Kongress zur Hälfte von weißen Politikern aus den Südstaaten repräsentiert. Bei Demokraten dominieren wiederum Minderheiten.

Diese Unterschiede machen sich auch bei grundlegenden Fragen bemerkbar: Für mehr als ein Fünftel der republikanischen Kongressmitglieder ist Religion sehr wichtig und gibt dem Leben einen Sinn. Bei Demokraten ist dies nur bei acht Prozent der Abgeordneten der Fall. Für Republikaner ist zudem der Wert der Freiheit wichtiger als bei Demokraten, die wiederum die eigene Selbstverwirklichung als bedeutender erachten. 

Junge Generation bringt keine Hoffnung auf Einheit mit

Hoffnung auf einen zukünftig besseren Umgang oder sogar Zusammenarbeit zwischen den Parteien wird durch die gesellschaftliche Entwicklung gedämpft. Mit der politischen Spaltung kommt nämlich auch eine Polarisierung innerhalb der Bevölkerung einher. Insbesondere die Einstellung der jungen Generation lässt darauf schließen, dass zwar in einem Land, aber doch eher in zwei Welten gelebt wird.

Repräsentative Umfragen des Generation Lab in Auftrag von Axios lassen vor diesem Hintergrund aufhorchen: 71 Prozent der College Studenten, sprich der 17- bis 18-Jährigen, welche sich den Demokraten verbunden fühlen, würden nicht mit einer Person auf ein Date gehen, wenn diese den Republikanern nahesteht. Republikaner sind bei dieser Frage interessanterweise toleranter, nur knapp ein Drittel dieser Kohorte würde eine Verabredung mit einer den Demokraten nahestehenden Person ablehnen.

41 Prozent der Demokraten würden nicht einmal mit Republikanern gemeinsam einkaufen gehen oder mit Personen der anderen Partei eine Freundschaft schließen (37 Prozent). Frauen sind hierbei weitaus ideologischer als Männer: Nur 41 Prozent der Frauen würden mit einer Person eine Beziehung eingehen, der/die sich mit einer anderen Partei identifiziert. Zwei Drittel der Männer hätten mit einer politischen Heterogenität in ihrer Beziehung keine Probleme. 

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in Politik und Gesellschaft so gespalten wie seit dem Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert nicht mehr. Radikalisierte sich seit den 1970er Jahren zunächst primär die Republikanische Partei, vollzieht sich dieser Prozess nun auch bei Demokraten. Politiker beider großer Parteien, aber auch insbesondere die junge, liberale Generation, sollten sich ein Beispiel an Tip O’Neill aus dem Jahr 1981 nehmen: Hart in der politischen Auseinandersetzung, respektvoll im Umgang miteinander.  

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Wahlen sollten ein Fest der Demokratie sein

Wahlen allein machen noch keine Demokratie.
(Barack Obama)

Die Abhaltung von Wahlen muss nicht zwangsläufig auf ein politisches System der Volksherrschaft hindeuten. Deutsche aus den Neuen Bundesländern wissen dies nur zu gut. Die Deutsche Demokratische Republik war nämlich nur dem Namen nach demokratisch.

Wahlen wurden pro Forma zur – scheinbaren – Legitimierung der SED-Diktatur abgehalten. Im Wahllokal wurden Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten gereicht – diese wurden sodann ohne Markierung gefaltet und wieder abgegeben. Wahlen stellten in der DDR ein Oxymoron dar, waren diese doch weder geheim noch demokratisch.

Als die Opposition im Jahr 1989 massive Wahlfälschungen erstmals beweisen konnte, die Reformbemühungen von Michail Gorbatschow in Moskau gaben dieser Aufwind, begannen Massendemonstrationen im ganzen Land. Der Anfang vom Ende der sozialistischen Diktatur wurde eingeleitet.

31 Jahre später weht der Wind des Wandels erneut durch ein europäisches Land. Seit 26 Jahren ist Alexander Lukashenko Präsident der Republik Belarus. In dieser Zeit baute der Diktator ein brutales sowjet-nostalgisches System auf. Wie in der DDR werden Wahlen zum Schein abgehalten. Wie in der DDR werden diese massiv gefälscht.

Bei der diesjährigen „Präsidentschaftswahl“ erklärte sich Lukashenko erneut mit 80% der abgegebenen Stimmen zum Sieger. Auf Grund des offensichtlichen Ansehensverlustes in der Bevölkerung ein fataler Fehler. Das sprichwörtliche Fass wurde zum Überlaufen gebracht. Die als geduldig bekannten Belarusen gehen seit jenem 9. August kontinuierlich auf die Straße, um für die Absetzung des Präsidenten und für Neuwahlen zu demonstrieren.

Demokratie: die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.
(Abraham Lincoln)

Der 16. US-Präsident Abraham Lincoln beschrieb des politische System der Demokratie treffend.  Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht davon, dass „[a]lle Staatsgewalt vom Volke aus[geht]“. Freie, geheime und gleiche Wahlen sind eines der größten Errungenschaften in der politischen Menschheitsgeschichte. Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten vor diesem Hintergrund für viele Staaten der Welt als Vorbild.

Doch die Musterdemokratie bekommt Risse – nicht erst seit der Ära Trump. Die Präsidenschaftswahl 2000 zwischen George W. Bush und Vizepräsident Al Gore musste der Oberste Gerichtshof entscheiden. Gerichtlich angeordnete Nachzählungen im entscheidenden Bundesstaat Florida hielten das Land in Atem. Der Wahlsieger stand erst einen Monat nach dem Wahltag fest. Der Ausgang der ersten Wahl im neuen Jahrtausend gilt bis heute als umstritten.

Zwanzig Jahre später weist eine weitere Präsidentschaftswahl ebenso wenig Vorbildcharakter auf. Negativbeispiele gibt es zur Genüge. Im weiteren Verlauf seien einige Wenige genannt.

So rief Präsident Donald Trump seine Anhänger zur Wahlbeobachtung auf: „Beobachtet all das Stehlen und Betrügen.“ Ein ungeheuerlicher Vorgang, da unbegründet. Zwar kommt es immer wieder zu Problemen mit Wahlmaschinen oder in diesem Jahr mit dem neuen Wählen via Touchscreen im Bundesstaat Georgia. Doch massive Wahlfälschungen sind den USA so unbekannt wie demokratische Wahlen in der DDR oder in Belarus unter Lukashenko.

Die Folge von Trumps Aufruf: Wähler könnten eingeschüchtert sein, nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. In Fairfax, Virginia, formten beispielsweise schon Anhänger des US-Präsidenten vor dem Wahllokal eine Menschenkette, um die frühzeitige Stimmabgabe zu erschweren. Hupende Autokonvois schüchterten zudem schon Wähler ein. Fatale Bilder, welche die mächtigste Demokratie der Welt insbesondere an die nach Freiheit strebenden Völker aussendet.

Doch damit nicht genug: Laut Präsident Trump führe die Ausweitung des Einsatzes der Briefwahl zu Wahlfälschungen. Freilich eine unbewiesene Anschuldigung. Dies heißt jedoch nicht, dass keine Probleme mit der Briefwahl in den USA einhergehen würden. Alleine bei den Vorwahlen in Kalifornien im März diesen Jahres wurden 100.000 Briefwahlstimmen als ungültig erklärt. Primäre Gründe: Unerfahrenheit der US-Bürger bei der Anwendung des Briefwahlsystems.

Eine Unerfahrenheit, die auch auf die meisten Behörden zutrifft. Lediglich die Bundesstaaten Washington und Oregon haben schon vor Jahren auf Briefwahl umgestellt. In anderen Staaten benötigt es für die Briefwahl einen triftigen Grund. In den meisten Staaten wird es dennoch vermehrt möglich sein per Brief zu wählen. Auf Grund der Coronavirus-Pandemie werden so viele US-Amerikaner wie nie zuvor diese Möglichkeit nutzen.

Doch ist die US-amerikanische Post überhaupt in der Lage die Briefwahlunterlagen fristgerecht zuzustellen? Die US-Post sieht sich gegenwärtig einem tiefgreifenden Reformprozess gegenüber, für die neuen Herausforderungen werden zusätzliche monetäre Mittel benötigt. Doch die Republikanische Partei stellt sich quer. Wohlwissend, dass Briefwähler überproportional für die Kandidaten der Demokraten stimmen werden. Viele Anhänger der Demokraten wollen sich nämlich nicht der Gefahr aussetzen, bei Besuch des Wahllokals mit dem Coronavirus infiziert zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es schon zu ersten juristischen Auseinandersetzungen kam. Die Republikanische Partei des Bundesstaates Pennsylvania forderte beispielsweise, dass Briefwahlstimmen nur innerhalb eines stark beschränkten Zeitraums gezählt werden dürften. Der Supreme Court entschied dagegen, die Auszählung darf sich nun auch bis zu drei Tage erstrecken.

Doch auch die Kampagne von Joe Biden hat schon eine „Armee von Anwälten“, wie es The Guardian bezeichnete, für die Tage nach der US-Präsidentschaftswahl zusammengestellt. Eine erneute juristische Auseinandersetzung um das Wahlergebnis, wie es die USA im Jahr 2000 schon erlebt haben, ist im Bereich des Möglichen. Das Land der Freiheit gibt ein klägliches Bild bei der Abhaltung ihrer Präsidentschaftswahl ab. Dabei sollten Wahlen doch ein Fest der Demokratie sein.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); The White House; eigene Grafiken