Wahlen sollten ein Fest der Demokratie sein

Wahlen allein machen noch keine Demokratie.
(Barack Obama)

Die Abhaltung von Wahlen muss nicht zwangsläufig auf ein politisches System der Volksherrschaft hindeuten. Deutsche aus den Neuen Bundesländern wissen dies nur zu gut. Die Deutsche Demokratische Republik war nämlich nur dem Namen nach demokratisch.

Wahlen wurden pro Forma zur – scheinbaren – Legitimierung der SED-Diktatur abgehalten. Im Wahllokal wurden Wahlzettel mit vorab nominierten Abgeordneten gereicht – diese wurden sodann ohne Markierung gefaltet und wieder abgegeben. Wahlen stellten in der DDR ein Oxymoron dar, waren diese doch weder geheim noch demokratisch.

Als die Opposition im Jahr 1989 massive Wahlfälschungen erstmals beweisen konnte, die Reformbemühungen von Michail Gorbatschow in Moskau gaben dieser Aufwind, begannen Massendemonstrationen im ganzen Land. Der Anfang vom Ende der sozialistischen Diktatur wurde eingeleitet.

31 Jahre später weht der Wind des Wandels erneut durch ein europäisches Land. Seit 26 Jahren ist Alexander Lukashenko Präsident der Republik Belarus. In dieser Zeit baute der Diktator ein brutales sowjet-nostalgisches System auf. Wie in der DDR werden Wahlen zum Schein abgehalten. Wie in der DDR werden diese massiv gefälscht.

Bei der diesjährigen „Präsidentschaftswahl“ erklärte sich Lukashenko erneut mit 80% der abgegebenen Stimmen zum Sieger. Auf Grund des offensichtlichen Ansehensverlustes in der Bevölkerung ein fataler Fehler. Das sprichwörtliche Fass wurde zum Überlaufen gebracht. Die als geduldig bekannten Belarusen gehen seit jenem 9. August kontinuierlich auf die Straße, um für die Absetzung des Präsidenten und für Neuwahlen zu demonstrieren.

Demokratie: die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.
(Abraham Lincoln)

Der 16. US-Präsident Abraham Lincoln beschrieb des politische System der Demokratie treffend.  Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht davon, dass „[a]lle Staatsgewalt vom Volke aus[geht]“. Freie, geheime und gleiche Wahlen sind eines der größten Errungenschaften in der politischen Menschheitsgeschichte. Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten vor diesem Hintergrund für viele Staaten der Welt als Vorbild.

Doch die Musterdemokratie bekommt Risse – nicht erst seit der Ära Trump. Die Präsidenschaftswahl 2000 zwischen George W. Bush und Vizepräsident Al Gore musste der Oberste Gerichtshof entscheiden. Gerichtlich angeordnete Nachzählungen im entscheidenden Bundesstaat Florida hielten das Land in Atem. Der Wahlsieger stand erst einen Monat nach dem Wahltag fest. Der Ausgang der ersten Wahl im neuen Jahrtausend gilt bis heute als umstritten.

Zwanzig Jahre später weist eine weitere Präsidentschaftswahl ebenso wenig Vorbildcharakter auf. Negativbeispiele gibt es zur Genüge. Im weiteren Verlauf seien einige Wenige genannt.

So rief Präsident Donald Trump seine Anhänger zur Wahlbeobachtung auf: „Beobachtet all das Stehlen und Betrügen.“ Ein ungeheuerlicher Vorgang, da unbegründet. Zwar kommt es immer wieder zu Problemen mit Wahlmaschinen oder in diesem Jahr mit dem neuen Wählen via Touchscreen im Bundesstaat Georgia. Doch massive Wahlfälschungen sind den USA so unbekannt wie demokratische Wahlen in der DDR oder in Belarus unter Lukashenko.

Die Folge von Trumps Aufruf: Wähler könnten eingeschüchtert sein, nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. In Fairfax, Virginia, formten beispielsweise schon Anhänger des US-Präsidenten vor dem Wahllokal eine Menschenkette, um die frühzeitige Stimmabgabe zu erschweren. Hupende Autokonvois schüchterten zudem schon Wähler ein. Fatale Bilder, welche die mächtigste Demokratie der Welt insbesondere an die nach Freiheit strebenden Völker aussendet.

Doch damit nicht genug: Laut Präsident Trump führe die Ausweitung des Einsatzes der Briefwahl zu Wahlfälschungen. Freilich eine unbewiesene Anschuldigung. Dies heißt jedoch nicht, dass keine Probleme mit der Briefwahl in den USA einhergehen würden. Alleine bei den Vorwahlen in Kalifornien im März diesen Jahres wurden 100.000 Briefwahlstimmen als ungültig erklärt. Primäre Gründe: Unerfahrenheit der US-Bürger bei der Anwendung des Briefwahlsystems.

Eine Unerfahrenheit, die auch auf die meisten Behörden zutrifft. Lediglich die Bundesstaaten Washington und Oregon haben schon vor Jahren auf Briefwahl umgestellt. In anderen Staaten benötigt es für die Briefwahl einen triftigen Grund. In den meisten Staaten wird es dennoch vermehrt möglich sein per Brief zu wählen. Auf Grund der Coronavirus-Pandemie werden so viele US-Amerikaner wie nie zuvor diese Möglichkeit nutzen.

Doch ist die US-amerikanische Post überhaupt in der Lage die Briefwahlunterlagen fristgerecht zuzustellen? Die US-Post sieht sich gegenwärtig einem tiefgreifenden Reformprozess gegenüber, für die neuen Herausforderungen werden zusätzliche monetäre Mittel benötigt. Doch die Republikanische Partei stellt sich quer. Wohlwissend, dass Briefwähler überproportional für die Kandidaten der Demokraten stimmen werden. Viele Anhänger der Demokraten wollen sich nämlich nicht der Gefahr aussetzen, bei Besuch des Wahllokals mit dem Coronavirus infiziert zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es schon zu ersten juristischen Auseinandersetzungen kam. Die Republikanische Partei des Bundesstaates Pennsylvania forderte beispielsweise, dass Briefwahlstimmen nur innerhalb eines stark beschränkten Zeitraums gezählt werden dürften. Der Supreme Court entschied dagegen, die Auszählung darf sich nun auch bis zu drei Tage erstrecken.

Doch auch die Kampagne von Joe Biden hat schon eine „Armee von Anwälten“, wie es The Guardian bezeichnete, für die Tage nach der US-Präsidentschaftswahl zusammengestellt. Eine erneute juristische Auseinandersetzung um das Wahlergebnis, wie es die USA im Jahr 2000 schon erlebt haben, ist im Bereich des Möglichen. Das Land der Freiheit gibt ein klägliches Bild bei der Abhaltung ihrer Präsidentschaftswahl ab. Dabei sollten Wahlen doch ein Fest der Demokratie sein.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); The White House; eigene Grafiken

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