„Stärker zu Hause und respektiert in der Welt“. Mit diesem Motto ging die Demokratische Partei im Jahr 2004 in ihren Parteitag, in dem John F. Kerry als Präsidentschaftskandidat und John Edwards als Vizepräsidentschaftskandidat offiziell nominiert werden sollten. Im Fleet Center zu Boston, MA, stahl jedoch ein bis dahin weitestgehend unbekannter Nachwuchspolitiker den gestandenen politischen Größen die Schau. Der erst 43-jährige Barack Obama hielt nämlich eine Rede, mit der er über seinen Heimatbundesstaat Illinois, in dem er bis dahin als Abgeordneter im Landesparlament amtierte, hinaus Bekanntheit erreichen sollte.
Am zweiten Tag der Democratic National Convention, einem Dienstag, betrat Obama die Bühne und zeigte erstmals einem landesweiten Publikum seine außergewöhnliche rhetorische Begabung. In der 15-minütigen Rede warb Obama, der zu diesem Zeitpunkt für einen U.S. Senatssitz für Illinois kandidierte, für das demokratische Präsidentschaftsticket Kerry/ Edwards – und für sich selbst. Gleich zu Beginn seiner Ansprache versetzte Obama die Zuhörer in der vollbesetzten Arena in seinen Bann, in dem er über seine Familiengeschichte, die er als einen „Amerikanischen Traum“ bezeichnete, sprach.
Der heutige Abend ist eine besondere Ehre für mich, weil, seien wir mal ehrlich, meine Präsenz auf dieser Bühne ist sehr ungewöhnlich. Mein Vater war ein ausländischer Student, geboren und aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Kenia. Er wuchs mit dem Hüten von Ziegen auf.
Barack Obama beim Demokratischen Nominierungsparteitag (DNC) 2004.
Seine Familiengeschichte bettete Obama gekonnt in einen größeren Kontext ein, mit dem sich die Mehrheit der US-Amerikaner sicherlich identifizieren konnte:
Ich stehe hier mit dem Wissen, dass meine Geschichte ein Teil der größeren amerikanischen Geschichte ist, dass ich allen, die vor mir kamen, etwas zu verdanken habe und dass meine Geschichte in keinem anderen Land auf dieser Erde möglich wäre.
Obama beim DNC 2004.
Dabei unterstrich Obama die Stärke der Vereinigten Staaten von Amerika, die er in ihrer Vielfältigkeit ausmachte. Schließlich, so Obama, sei das Motto der USA ja auch „E pluribus unum“ – „Aus vielen eines“.
Sie [Obamas Eltern; Anm. d. Verf.] gaben mir einen afrikanischen Namen, „Barack“, was „gesegnet“ bedeutet. Sie glaubten daran, dass in einem toleranten Amerika dein Name deinen Erfolg nicht behindern kann.
Obama beim DNC 2004.
Neben der ureigenen US-amerikanischen Diversität betonte Obama ebenso die Errungenschaften der Demokratie und des Rechtsstaates in den USA. Werte, die keineswegs selbstverständlich seien. Zwei Jahrzehnte später klingen Obamas Worte schon nahezu prophetisch:
Dass wir sagen können, was wir denken, dass wir schreiben können, was wir denken, ohne plötzlich ein Klopfen an der Tür zu hören (…) Dass wir an einem politischen Prozess teilnehmen können ohne Angst auf Vergeltung zu haben und dass unsere Stimmen gezählt werden.
Obama beim DNC 2004.
Das demokratische Ticket Kerry/ Edwards bezeichnete Obama indes als Kandidaten der „Hoffnung“. Ein Leitmotiv, mit dem sich der Demokrat in seinen späteren Wahlkämpfen selbst schmücken sollte. Obamas Positivität führte den Juristen und früheren Sozialarbeiter letztendlich auch zu seinem Teil der Rede, welche ihn über die USA hinaus bekannt machen und seine weitere politische Karriere ebnen sollte. Obamas Ausführungen über die nationale Einheit der Vereinigten Staaten führten zu Jubelrufen im Fleet Center und sogar zu stehenden Ovationen von Obamas späterer Konkurrentin Hillary Clinton:
Es gibt nicht ein liberales Amerika und ein konservatives Amerika – es gibt die Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt kein schwarzes Amerika und ein weißes Amerika und ein Latino-Amerika und asiatisches Amerika – es gibt die Vereinigten Staaten von Amerika. Kritiker möchten unser Land gerne in rote und blaue Staaten zerstückeln: rote Staaten für Republikaner und blaue Staaten für Demokraten. Aber auch für jene habe ich Neuigkeiten. Wir beten zu einem ehrfurchtgebietenden Gott in den blauen Staaten, und wir mögen keine Bundesagenten, die in unseren Bibliotheken in den roten Staaten herumstöbern. Wir trainieren die Little League in den blauen Staaten, und ja, wir haben ein paar schwule Freunde in den roten Staaten. Es gibt Patrioten, die gegen den Krieg im Irak waren, und es gibt Patrioten, die ihn unterstützten. Wir sind ein Volk, wir alle schwören dem Sternenbanner Gefolgschaft, wir alle verteidigen die Vereinigten Staaten von Amerika.
Obama beim DNC 2004.
Zwar sollten Kerry/ Edwards bei der Präsidentschaftswahl 2004 gegen die republikanischen Amtsinhaber Präsident George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney das Nachsehen haben. Doch mit Obama ging ein junger Stern am demokratischen Himmel auf. Im November 2004 sollte er mit 70% der abgegebenen Stimmen zum U.S. Senator für Illinois gewählt werden. Nur vier Jahre später betrat Obama sodann erneut die Bühne eines Nominierungsparteitags. Diesmal als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei. Unbekannt war Obama zu diesem Zeitpunkt freilich niemandem mehr, schließlich läutete er mit seiner historischen Grundsatzrede schon an jenem Dienstag des 27.07.2004 seine eigene politische Ära ein.

Ein Beitrag von Kai-Uwe Hülss M.A.
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