HIGH-FIVE mit Dr. Sergey Lagodinsky MdEP: „Wenn die USA schwanken, darf Europa nicht wanken.“

Dr. Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/ Die Grünen) ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. Der Jurist agiert als Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments zur Parlamentarischen Versammlung Euronest (der östlichen Nachbarschaft). Des Weiteren ist Dr. Lagodinsky MdEP Mitglied des Rechtsausschusses sowie im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. Foto: Sergey Lagodinsky/ EP

Steckbrief Dr. Sergey Lagodinsky MdEP
Geburtsdatum01.12.1975
GeburtsortAstrachan, Sowjetunion
AusbildungUniversitäten Göttingen, Harvard und HU Berlin (Rechtswissenschaften, Public Administration)
Politischer WerdegangAbgeordneter des Europaparlaments (seit 2019),
Referent Heinrich-Böll-Stiftung (2012 – 2019)

Foto: Sergey Lagodinsky/ Henning Angerer.

Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.

Weitere Informationen zu Dr. Sergey Lagodinsky MdEP gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und X.

HIGH-FIVE mit Thomas Silberhorn MdB: „Dürfen uns im transatlantischen Handel nicht gegenseitig schwächen“

Steckbrief Thomas Silberhorn MdB
Geburtsdatum12.11.1968
GeburtsortKemmern, Bayern
AusbildungUniversitäten Erlangen, München und Bayreuth (Rechtswissenschaften)
Politischer WerdegangBundestagsabgeordneter (seit 2002),
Parlamentarischer Staatssekretär BMVg (2018 – 2021),
Parlamentarischer Staatssekretär BMZ (2014 – 2018)

Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.

Weitere Informationen zu Thomas Silberhorn MdB gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, und X.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

HIGH-FIVE mit Dr. Sebastian Schäfer MdB: „Müssen transatlantisches Verhältnis auf allen Ebenen pflegen.“

Dr. Sebastian Schäfer zog bei der Bundestagswahl 2021 über die Baden-Württembergische Landesliste von Bündnis 90/ Die Grünen in den Deutschen Bundestag ein. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist Obmann seiner Fraktion im Haushaltsausschuss sowie Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA. Weitere Informationen zu Dr. Sebastian Schäfer MdB gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und X.

Steckbrief Dr. Sebastian Schäfer MdB
Geburtsdatum11.07.1979
GeburtsortDettelbach, Bayern
AusbildungUniversitäten Erfurt und Berkeley (Staatswissenschaften, Philosophie, Wirtschaftswissenschaften)
Politischer WerdegangBundestagsabgeordneter (seit 2021)

Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.

Weitere Informationen zu Dr. Sebastian Schäfer MdB gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und X.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken; Dr. Sebastian Schäfer MdB.

HIGH-FIVE mit Armin Laschet MdB: „Abraham Accords sind eine echte Chance auf Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn“

Die Coronavirus-Pandemie erlebte ihren Höhepunkt in den Jahren 2020 und 2021. Russland startete seinen vollumfänglichen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022. Der Beginn der 2020er Jahre war und ist geprägt von weltweiten Krisen. Doch es gab auch positive Entwicklungen, im Nahen Osten zum Beispiel. Mit der Unterzeichnung der Abraham Accords normalisierten auf Initiative der USA mehrere muslimische Länder der arabischen Welt ihre Beziehungen zu Israel.

Vor diesem Hintergrund gründete sich in diesem Jahr der Parlamentskreis Abraham Accords im Deutschen Bundestag. Zu den Mitinitiatoren des fraktionsübergreifenden Parlamentskreises gehörte auch Armin Laschet. Auf „1600 Pennsylvania“ äußert sich der christdemokratische Bundestagsabgeordnete exklusiv zu diesem und weiteren Themen.

2021 führte der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen CDU und CSU in die Bundestagswahl. Seit der verlorenen Wahl ist Armin Laschet Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Im Parlament ist der gebürtige Aachener unter anderem Vorsitzender des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Weitere Informationen zu Armin Laschet MdB gibt es auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und Twitter.

Die Präsidentschaft von Donald Trump (2017 – 2021) polarisierte und belastete die transatlantischen Beziehungen. Vor diesem Hintergrund trat die realistische Herangehensweise der Trump-Administration an die Herausforderungen des Nahen Ostens, die in der Unterzeichnung der Abraham Accords gipfelte, in den Hintergrund. Wie beurteilen Sie die diplomatische Annäherung Israels mit vier muslimischen Ländern der arabischen Welt unter Vermittlung der USA?

Die Unterzeichnung der Abraham Accords ist vielen in ihrer Tragweite noch nicht bewusst: Die Abkommen markieren einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Nahen Osten. Zuvor galt die Lösung des Israel – Palästina Konfliktes als Voraussetzung dafür, überhaupt erst Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarn aufzunehmen. Im Angesicht der großen Zukunftsthemen in der Region, die Folgen des Klimawandels, volkswirtschaftliche Transformationen und Sicherheit, ist jetzt aber das oberste Ziel für die Abraham Staaten das Prinzip der Koexistenz und der Kooperation.

Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, weg von den „Drei Neins“ der Khartum Erklärung – Nein zu Frieden, Nein zu Verhandlungen, Nein zur Anerkennung – hin zu einem warmen Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn. Die Vertragsstaaten bekräftigen auf allen Feldern das erklärte Ziel, sich nicht nur gegenseitig als Staaten anzuerkennen, sondern ihre Gesellschaften in einer gemeinsamen Zukunft aufeinander zuzuführen. Wie ernst das gemeint ist, zeigt sich beispielsweise darin, dass die Vereinigten Arabischen Emirate seit Anfang des Jahres die Erinnerung an den Holocaust in ihre Schulcurricula aufgenommen haben. Damit sind die Abraham Accords eine echte Chance auf Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn und für eine stabile und prosperierende Zukunft und regionale Kooperation.

Dass die Abraham Accords in Europa zunächst kritisch beäugt wurden, liegt wohl daran, dass Präsident Trump sich mit ihrem Erfolg krönte. Und in der Tat ist dies ein Erfolg seiner Rolle als Vermittler. Doch diese historische Entwicklung parteipolitisch zu ignorieren wäre grob fahrlässig, denn der Normalisierungsprozess wurde schon weit früher von ihren Unterzeichnerstaaten selbst vorbereitet. Dass die Abraham Accords mehr sind, zeigt sich darin, dass die Biden-Administration weiter an ihnen festhält und die Unterzeichnerstaaten im Rekordtempo ihre neu eingegangene Beziehung durch weitere zwischenstaatliche Abkommen mit Leben füllen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die arabischen Länder, die ihre Beziehungen mit Israel normalisieren, heute noch in der Unterzahl sind. Der derzeitige Aufschwung erklärt sich auch zum Teil aus der Handlungsunfähigkeit von Staaten wie Syrien, Irak und Libyen.

Wir haben es also definitiv mit einem grundlegenden und historischen Wandel zu tun. Doch wie nachhaltig der ist, hängt einerseits von dem Erfolg der zahlreichen Kooperationsinitiativen ab und zweitens davon, ob die breite Bevölkerung in den Abraham Accords Staaten den Erfolg spürt und davon profitiert.

Steckbrief Armin Laschet MdB
Geburtsdatum18.02.1961
GeburtsortAachen, Nordrhein-Westfalen
AusbildungUniversitäten München und Bonn (Rechts- und Staatswissenschaften)
Politischer WerdegangBundestagsabgeordneter (seit 2021),
Bundeskanzlerkandidat CDU/CSU (2021),
Bundesvorsitzender CDU (2021 – 2022),
Ministerpräsident NRW (2017 – 2021),
Landtagsabgeordneter NRW (2010 – 2021),
Minister NRW (2005 – 2010),
Europaabgeordneter (1999 -2005),
Bundestagsabgeordneter (1994 – 1998),
Ratsherr der Stadt Aachen (1989 – 2004)

Ende März hat sich der fraktionsübergreifende Parlamentskreis Abraham Accords im Deutschen Bundestag gegründet. Was hat es mit dieser Initiative explizit auf sich?

Eine regionale Neuordnung in unserer unmittelbaren europäischen Nachbarschaft von den Ausmaßen der Abraham Accords kann der Deutsche Bundestag nicht ignorieren. Daher engagiere ich mich gemeinsam mit den Abgeordneten Aydan Özoğuz (SPD), Lamya Kaddor (Bündnis 90/ Die Grünen) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP) für den parteiübergreifenden Parlamentarierkreis Abraham Accords. Ähnliche Kreise gibt es auch im Unterhaus des Vereinigten Königreichs, dem Senat der Vereinigten Staaten von Amerika und im Europäischen Parlament.

Wir setzten uns dafür ein, dass Deutschland den Abraham Prozess aktiv unterstützt und darauf hinwirkt, dass sich neue Länder diesem visionären Aufbruch anschließen. Gemeinsam flankieren wir Entwicklungen, die den Aufbau von vertieften Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarn fördern. Außerdem haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die positiven Entwicklungen im Nahen Osten der deutschen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Menschen dafür zu begeistern.

Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland einen besonderen Beitrag zum Gelingen der Abraham Accords leisten kann. Deutschland pflegt enge Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu den arabischen Staaten und hat eine besondere Verpflichtung sich für die Sicherheit Israels einzusetzen. Aus unserer historischen Verantwortung heraus hat sich eine lebendige Erinnerungskultur zum Holocaust entwickelt und eine vielfältige Kultur der Vergangenheitsbewältigung und Versöhnungsarbeit. Mit diesen Potentialen kann Deutschland konstruktiv zur Verständigung der Abraham Accords Staaten und zu einer gelebten Kultur der Koexistenz im Nahen Osten beitragen.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Bündnis 90/ Die Grünen) äußerte gegenüber dem Deutschlandfunk die Worte, dass “der letzte, der einmal einen Siedlungsstopp in Israel erreicht hat (…) Trump [war], und zwar damit, dass er den Israelis was bieten konnte, nämlich die Abraham Accords”. Wie könnten Ihrer Meinung nach die USA und/oder die EU einen weiteren Siedlungsstopp und damit mehr Frieden im Nahen Osten erreichen?

Volker Beck spricht damit eine Kernfrage der Nachhaltigkeit der Abraham Accords an, der Fokus auf gemeinsame Interessen. Israel, auch mit der derzeitigen Regierung, hat ein großes Interesse daran, dass der Abraham Prozess zu einem Erfolg wird.

Dazu würde ich gerne ein wichtiges vorgetragenes Bedenken gegen die Abraham Accords ansprechen, nämlich die Sorge, dass die Palästinenser in dem Prozess außen vorgelassen werden. Der Abraham Prozess ist nämlich mitnichten ein Übergehen der Palästinenser und ein Ignorieren des Nahostkonfliktes. Ganz im Gegenteil haben wir hier die Chance die festgefahrenen, derzeit nicht existierenden Gespräche über eine Zukunft für die Palästinenser wieder zu beleben. Und zwar auf eben genau auf der Grundlage von Koexistenz und gegenseitiger Anerkennung.

Die arabischen Unterzeichnerstaaten haben 2020 die Abraham Accords nur unter der Voraussetzung unterzeichnet, dass Israel das Vorhaben einer Annexion von besetzten Gebieten suspendiert. Eine Wiederaufnahme dieser Pläne würde dementsprechend die Grundvoraussetzung, unter der die Accords zustande kamen, brechen. Das ist definitiv nicht im israelischen Interesse. Und sowohl die Emirate als auch Bahrain bekräftigen, dass eine Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern durch die Accords nicht ersetzen kann.

Über den transatlantischen Beziehungen hängt das Damoklesschwert einer US-Administration, die sich erneut vermehrt dem Isolationismus verschreiben könnte. Wie sollte sich die Europäische Union auf solch ein mögliches Szenario, insbesondere in Zeiten des Krieges in Europa, bestmöglich vorbereiten?

Ich teile nicht die Meinung, dass die USA in einen harten Isolationismus verfallen werden. Die grundlegenden Neuorientierungen der USA haben bereits unter Barack Obama begonnen und haben sich auch unter Joe Biden nicht geändert. Namentlich, der Umschwung nach Asien, eine gerechtere Verteilung der Sicherheitsanstrengungen und eine Wirtschaftspolitik der gedrosselten Globalisierung. Diese Debatten existierten bereits vor Trump und beschäftigen uns auch heute.

Die USA beweisen aber gerade in der Ukraine, dass sie verlässliche Partner sind und grundlegend auf ein Bündnis mit Europa zählen. Die westliche Staatengemeinschaft ist geschlossen wie lange nicht mehr, aber wir bewegen uns damit auch auf eine Zeit von Partnerschaft auf Augenhöhe zu. Damit meine ich, dass eine Entwicklung der Welt hin zu einer multipolaren Ordnung für Europa bedeutet, sich nicht weiter unter den ausgebreiteten Flügeln einer einzelnen Hegemoniemacht ausruhen zu können. Wir sind gefragt uns aktiv für ein Europa und eine Welt zu engagieren, in denen unsere Werte und Visionen bestehen können.

Ich plädiere daher dazu, nicht jede Konfrontation als Krise wahrzunehmen, sondern als eine Entwicklung hin zu einer lebendigen Partnerschaft. Dafür müssen wir uns zum Teil unangenehmen Fragen stellen und Anstrengungen in Bereichen unternehmen, die wir zuvor vernachlässigt haben. Aber wenn wir diese Anstrengungen anpacken, bin ich zuversichtlich, dass unsere Verbundenheit mit den USA nur stärker wird.

Die physischen und psychischen Belastungen von Wahlkämpfen sind, wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, enorm. Würden Sie vor diesem Hintergrund Personen mit fortgeschrittenem Alter, wie dies beispielsweise bei US-Präsident Biden mit seinen mittlerweile 80 Jahren der Fall ist, zu den Strapazen eines erneuten Wahlkampfes raten?

Grundlegend sollte das Alter eines Kandidaten nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine Kandidatur sein. Vielmehr müssen die Fähigkeiten und die politische Erfahrung der Kandidatin oder des Kandidaten im Vordergrund stehen. Allerdings sollten ältere Bewerberinnen und Bewerber auf ein Amt sich natürlich ihrer eigenen Belastbarkeit bewusst sein und gegebenenfalls ihre Entscheidung, erneut zu kandidieren, darauf abstimmen.

Präsident Biden ist ein in der Einschätzung seiner Fähigkeiten sehr geübter Mensch. Er weiß aus vielen Wahlkämpfen und Ämtern, worauf er sich einlässt und wird von hervorragenden Menschen beraten. Da Präsident Biden erneut antritt, dürfen wir auch darauf vertrauen, dass er sich geistig und körperlich in der Lage dazu sieht. In dem Fall dürfen wir uns dann auch auf seine Inhalte konzentrieren und nicht auf sein Alter.

Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.

Weitere Informationen zu Armin Laschet MdB gibt es auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und Twitter.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken; Armin Laschet MdB.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

HIGH-FIVE mit Hubert Hüppe MdB: „Von Bidens Versprechen, US-Amerikaner zusammenzuführen, ist nichts geblieben!“

Das seit dem Jahr 1973 bestandene landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gehört seit der Entscheidung des Supreme Court im Fall der Abtreibungsgesetzgebung in Mississippi der Geschichte an. Bundesstaaten haben ab sofort das Recht, eigenverantwortlich in dieser Thematik zu entscheiden. Ein Urteil, welches weit über die USA hinaus für Diskussionen sorgte.

Insbesondere aus Deutschland kam es von Seiten vieler Medien und aus der Politik zu Kritik am Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten. Gleichwohl gibt es auch deutsche Stimmen, die sich erfreut über die Stärkung des Lebensschutzes zeigten. Vor diesem Hintergrund führte „1600 Pennsylvania“ nachfolgendes Interview mit dem christdemokratischen Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe.

Als einer von nur wenigen Bundestagsabgeordneten haben Sie sich offen über das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, die Abtreibungsgesetzgebung den Bundesstaaten zukommen zu lassen und damit das Grundsatzurteil Roe vs. Wade außer Kraft zu setzen, gefreut. Was sind Ihre Beweggründe?

Ich freue mich, dass der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten klargestellt hat, dass die Verfassung der USA kein Recht auf Tötung eines ungeborenen Kindes enthält. Das ist ein großer Sieg für das Recht auf Leben und natürlich auch für die weltweite Pro-Life-Bewegung.

Trotz massiven Drucks der sogenannten Pro-Choice-Anhänger, Anschlägen auf Pro-Life Einrichtungen und sogar einem geplanten Attentat auf Richter Brett Kavanaugh, hatte die deutliche Mehrheit der Richterinnen und Richter des Supreme Court den Mut, das 1973 ausschließlich von Männern gefällte Urteil Roe vs. Wade endlich aufzuheben. Wie im berüchtigten Dred-Scott-Urteil zur Sklaverei hat Roe vs. Wade es bestimmten Menschen erlaubt, anderen ihre Menschenrechte abzusprechen.

Die meisten US-Bundesstaaten weisen weiterhin eine liberalere Abtreibungsgesetzgebung als Deutschland auf. Entgegen dieser Realität wird hierzulande häufig eine “Rückkehr der USA in das Mittelalter” behauptet. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied beziehungsweise was hat es damit auf sich?

Viele Staaten der USA haben bereits Gesetze mit denen ungeborene Kinder geschützt werden. Sicher werden jetzt nach dem Urteil weitere folgen. Das ist kein Rückfall in das Mittelalter, sondern die Wiederherstellung der Menschenrechte. Es ist barbarisch, die eigenen Kinder teilweise, wie in einigen Staaten der USA erlaubt, bis zur Geburt zu töten.

Im Übrigen entspricht das jetzige Urteil grundsätzlich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland. Es hat in der Vergangenheit mehrfach festgestellt, dass auch das ungeborene Kind ein Lebensrecht hat, welches durch den Staat zu schützen ist.

Weder in Deutschland noch in den USA gibt es ein „Recht auf Abtreibung.“ Das ist kein Rückfall ins Mittelalter, sondern Realität moderner Rechtsstaaten, die die Menschenrechte schützen. Das Prinzip der Menschenwürde besagt, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, allein weil er Mensch ist.

Der ZDF-Journalist Elmar Theveßen beschrieb das Abtreibungsurteil mit den Worten der “Talibanisierung Amerikas”. Ihre Entgegnung zu Herrn Theveßen?

Das ist eine unentschuldbare zynische Entgleisung, die ich nur als Hate Speech [Hassrede; Anmerkung des Interviewers] bezeichnen kann. Die Wiederherstellung des Rechts auf Leben mit den Verbrechen der Taliban zu vergleichen, zeigt wie unseriös und tendenziös die Berichterstattung in Deutschland ist. Es ist ein Skandal, dass man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so eine Hetze verbreiten darf. Leider ist er da nicht allein. In den deutschen Medien wurden auch die Anschläge von Pro-Choice-Sympathisanten kaum erwähnt.

Die deutsche Abtreibungsgesetzgebung ist sicherlich nicht perfekt, kann sie bei solch einem schwierigen und ethischen Thema auch nicht sein. Wäre Ihrer Meinung nach die deutsche Gesetzgebung dennoch ein guter Kompromiss für die USA?

Ich halte die deutsche Gesetzgebung für keinen guten Kompromiss. Es ist diskriminierend, dass in Deutschland ungeborene Kinder mit Behinderungen faktisch bis zur Geburt getötet werden können. Es ist schlicht nicht möglich, zwischen Leben und Tod einen Kompromiss zu finden.

Bei Präsident Joe Biden und den Demokraten sehe ich überhaupt kein Einlenken. Selbst bei Abtreibungen in späten Stadien, wo das Kind außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre, soll es keine Einschränkungen geben. Von dem Versprechen des Präsidenten, das Volk der USA zusammenzuführen, ist nichts geblieben. Er lässt sich da von den Pro-Choice-Hardlinern führen.

Die Bundesregierung hat den Paragraf 219a StGB, das Werbeverbot für Abtreibungen, aufgehoben. Befürchten Sie damit das Öffnen der Büchse der Pandora, sprich den Beginn einer in Deutschland ähnlich stark polarisierten und emotional geführten Debatte wie in den USA?

Die Büchse der Pandora ist schon längst geöffnet. Erschreckend ist nicht nur die jetzt freigegebene Werbung für die Tötung ungeborener Kinder, sondern auch die brutale Argumentation. Die Aufhebung des § 219a StGB war nur Mittel zum Zweck. Wer in der Debatte Familienministerin Lisa Paus gehört hat, weiß, dass sie eigentlich die völlige Freigabe der Abtreibung ohne jegliche Einschränkungen bis zur Geburt will. Und sie war in der Debatte nicht allein.

Von dem Druck, den Männer und Familienangehörige auf Frauen ausüben, ihr Kind abtreiben zu lassen, war nichts zu hören. Ebenso nicht von Hilfen für Frauen in Konfliktsituationen, von der Liebe zum Kind, verantwortungsbewusster Sexualität und Unterstützung von Frauen, die ihr Kind bekommen wollen. Damit beginnt nicht der Kulturkampf, sondern wir sind schon mittendrin: der Kampf der Kultur des Lebens gegen die Kultur des Todes. 

Vielen Dank für das Interview. 

Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.


Hubert Hüppe ist seit 1974 Mitglied der CDU und seit 2021 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. In der aktuellen Legislaturperiode hat er den Vorsitz des Ausschusses für Gesundheit kommissarisch inne. Bereits von 1991 bis 2009 und von 2012 bis 2017 gehörte Hüppe dem Deutschen Bundestag an. Von 2009 bis 2013 amtierte er als Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. Hüppe engagiert sich in der Lebensrechtsbewegung und ist seit 1986 stellvertretender Bundesvorsitzender der Christdemokraten für das Leben. 2008 wurde Hüppe das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Weitere Informationen zu Hubert Hüppe gibt es auf seiner Website (Klick hier) und auf Facebook (Klick hier).

Bildquellen: Website Hubert Hüppe MdB (Fotograf: René Golz); Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com