Die Phasen des Präsidentschaftswahlkampfs

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Ein Ausspruch, der insbesondere auf das politische System der Vereinigten Staaten von Amerika zutrifft. Kaum ist eine Präsidentschaftswahl beendet, treffen bereits mögliche Kandidaten für die Wahl in vier Jahren ihre Vorbereitungen.

Die heiße Phase der Vor-Vorwahlen beginnt sodann nach den Zwischenwahlen, sprich zwei Jahre vor dem nächsten Präsidentschaftswahltermin. Vor diesem Hintergrund informiert der nachfolgende Beitrag über die wichtigsten Etappen auf dem Weg in die 1600 Pennsylvania Avenue, der Adresse des Weißen Hauses.

Der Vor-Vorwahlkampf

Politiker geben in der Regel ihre Teilnahmen an den jeweiligen innerparteilichen Vorwahlen im Frühjahr bis Sommer vor dem eigentlichen Wahljahr offiziell bekannt. Gleichwohl gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel: Ungewöhnlich früh verkündete im November 2022 beispielsweise Donald Trump seine erneute Ambition auf die republikanische Nominierung. Der ehemalige Präsident wollte damit mögliche innerparteiliche Konkurrenten beeindrucken.

Ungewöhnlich spät, nämlich am 24.11.2019 und damit nur rund zwei Monate vor der ersten Vorwahl, wiederum trat Michael Bloomberg in den demokratischen Vorwahlkampf des Jahres 2020 ein. Als Multi-Milliardär finanzierte der ehemalige New Yorker Bürgermeister seinen Wahlkampf ohnehin selbst. Bloombergs Wahlkampfstrategie konzentrierte sich zudem auf den Super Tuesday – und scheiterte damit.

Bevor Politiker ihre Kandidaturen offiziell erklären und damit ihre Finanzaktivitäten gegenüber der Federal Election Commission (FEC) offenlegen müssen, ist es möglich, ein sogenanntes exploratory committee ins Leben zu rufen. Mit solch einem Komitee sollen die Chancen bei den Vorwahlen offensiv(er) ausgelotet werden, indem erstes Personal eingestellt und Spenden, die nicht der FEC gemeldet werden müssen, gesammelt werden können. Aktuell betreibt der republikanische U.S. Senator Tim Scott solch ein exploratory comittee.

Unabhängig von der Gründung eines solchen Komitees halten (potentielle) Präsidentschaftskandidaten zahlreiche Veranstaltungen insbesondere in den frühen Vorwahlstaaten ab. Dabei werden politische Botschaften getestet sowie versucht ein Netzwerk zu möglichen Unterstützer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen.

Die große Fernsehshow

Der Vorwahlkampf nimmt mit den Fernsehdebatten, die normalerweise im Sommer vor dem Wahljahr beginnen, so richtig an Fahrt auf. Erstmals müssen sich die Kandidaten vor einem größeren, landesweiten Publikum beweisen. Schon so manche Hoffnung auf das Weiße Haus wurde bei diesen Debatten, die an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Fernsehanstalten ausgestrahlt werden, zerstört (deswegen heißt es auch „Vorsicht vor Vorwahlumfragen“, Hintergründe klick hier).

Die erste TV-Debatte zu den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen ist im August in Milwaukee, Wisconsin, angesetzt und wird von Fox News ausgerichtet. Da Bret Baier dieses erste Aufeinandertreffen der republikanischen Hoffnungsträger moderieren soll, hat Trump aus Antipathie gegenüber Baier seine Teilnahme ebenso offengelassen wie für die zweite Fernsehdebatte. Diese soll nämlich in der Ronald Reagan Presidential Library in Simi Valley, Kalifornien, stattfinden. Trump lehnt dies ab.

Die Demokratische Partei plant bislang keine TV-Debatten. Amtsinhaber Joe Biden wird bislang lediglich von den wenig erfolg versprechenden Kampagnen von Marianne Williamson und Robert F. Kennedy Jr. herausgefordert.

Die Vorwahlen

Nach der Weihnachts- und Neujahrspause beginnen im Präsidentschaftswahljahr sodann die Vorwahlen. Bei den vergangenen Wahlen waren zunächst die Einwohner von Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina dazu aufgerufen, über ihre jeweiligen präferierten Präsidentschaftskandidaten abzustimmen (welche Personengruppe in welchem Bundesstaat explizit bei Vorwahlen wahlberechtigt ist, wird in einem späteren Beitrag behandelt).

Bei den republikanischen Vorwahlen wird diese Reihenfolge höchstwahrscheinlich auch im Jahr 2024 eingehalten werden. Demokraten hingegen planen eine Veränderung: Nach dem Auszählungsdebakel von Iowa im Jahr 2020 soll fortan die erste Vorwahl in South Carolina (03.02.2024) abgehalten werden. New Hampshire und Nevada (06.02.2024), Georgia (13.02.2024) und Michigan (27.02.2024) folgen.

Im März kommt es sodann zum Super Tuesday. An diesem Super-Wahl-Dienstag finden die meisten Vorwahlen an einem Tag statt. Mit einer Vorentscheidung, welcher Kandidat seine Partei in die nächste Präsidentschaftswahl anführt, kann gerechnet werden.

Der Hauptwahlkampf

Nach Beendigung aller Vorwahlen nominieren die Parteien zwischen Anfang Juli und Ende August des Wahljahres ihre jeweiligen Präsidentschaftskandidaten. Im Jahr 2024 wird der Demokratische Nominierungsparteitag zwischen dem 19. und 22.08. in Chicago, Illinois, stattfinden. Republikaner küren ihren Kandidaten in Milwaukee, Wisconsin, zwischen dem 15. und 18.07.2024.

Bei diesen Veranstaltungen tritt auch erstmals der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat, bei Demokraten wird es erneut Amtsinhaberin Kamala Harris sein, öffentlich in Erscheinung. Mit den Parteitagen beginnt sodann die heiße Phase des Hauptwahlkampfs, deren Höhepunkte die TV-Debatten zwischen den Kandidaten darstellen.

Wer die Vereinigten Staaten von Amerika in die nächsten vier Jahre führt, entscheidet sich am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Im Jahr 2024 wird dies der 05.11. sein. Knapp zwei Monate später, nämlich am 20.01., wird der neue oder alte Präsident vor dem U.S. Kapitol in sein Amt eingeführt. Damit beginnt nicht nur die neue Amtszeit, sondern auch die Vorbereitung möglicher Präsidentschaftskandidaten für die Wahl in vier Jahren.

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Das Update 10/2020: Präsident Donald Trump und First Lady Melania mit dem SARS-Cov-2-Virus infiziert

1600 Pennsylvania bringt euch über die wichtigsten Ereignisse rund um US-amerikanische Politik des vergangenen Monats auf den aktuellen Stand. 

New York Times: Trump zahlte kaum Steuern

Laut einer Recherche von The New York Times soll Donald Trump in zehn der 15 Jahren vor seiner Wahl zum Präsidenten keine Einkommenssteuer bezahlt haben. In den Jahren 2016 und 2017 soll Trump lediglich $750 an den Fiskus abgeführt haben. Die Recherche (Klick hier).

Trump kündigt Exekutivanordnung zum Lebensschutz an

Präsident Trump hat eine Exekutivanordnung mit dem Namen „Born Alive“ angekündigt, die eine medizinische Versorgung von Kleinkindern vorschreibt, die nach gescheiterten Abtreibungsversuchen lebend geboren werden. Ebenso plant die Trump-Administration die Erhöhung der monetären Mittel für Forschung für Früh- und Neugeborene.

Ruth Bader Ginsburg gestorben
Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court, ist im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Sie galt als Ikone des liberalen Amerika, die sich für Frauen- und Bürgerrechte einsetzte. Bader Ginsburg wurde 1993 vom damaligen Präsidenten Bill Clinton für den Obersten Gerichtshof nominiert. Der Supreme Court (Klick hier).

Amy Coney Barrett soll auf Ruth Bader Ginsburg folgen

Präsident Trump nominierte am 26.09.2020 die 48 Jahre junge Amy Coney Barrett (ACB) für den vakanten Sitz am Obersten Gerichtshof. Barrett gilt als gläubige Katholikin, hat sieben Kinder und ist seit 2017 Richterin an einem Berufungsgericht. Sie hat sich wiederholt gegen Abtreibungen, gleichgeschlechtliche Eheschließungen und gegen Obamacare ausgesprochen. Der U.S. Senat muss die Personalie noch bestätigen. Die NZZ hat sich mit ACB befasst (Klick hier).

Obama veröffentlicht weiteres Buch

Am 17. November 2020 erscheint mit „A Promised Land“ ein weiteres Buch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama.

Trump weitet Stopp der Offshore-Ölförderung aus

Präsident Trump hat ein Moratorium für Ölbohrungen vor der Küste Floridas um zehn Jahre bis 2032 verlängert. Zudem weitete der US-Präsident das Verbot von Ölbohrungen auf die Küstengewässer der Staaten Georgia und South Carolina aus. Präsident Trump gilt ansonsten als Unterstützer der Öl- und Gasindustrie. Herausforderer Biden sieht vor diesem Hintergrund Trumps Entscheidung als Wahlkampfmanöver. Bastian Hermisson von der Heinrich-Böll-Stiftung ordnet die Entscheidung im Interview mit „1600 Pennsylvania“ ein (Klick hier).

Präsident Donald Trump positiv auf Covid-19 getestet

Präsident Donald Trump und First Lady Melania wurden am 01. Oktober 2020 positiv auf das neuartige Coronavirus getestet. Kurz zuvor wurde bekannt, dass Hope Hicks, enge Beraterin des Präsidenten, mit dem SARS-Cov-2-Virus infiziert ist. Das First Couple hatte sich zunächst in Quarantäne begeben, Präsident Trump wurde kurz danach ins Walter Reed Krankenhaus eingeliefert.

Arbeitsmarktzahlen September

Im September sank die Arbeitslosenquote auf 7,9%. 661.000 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen.

WTO: US-Zölle illegal

Laut der Welthandelsorganisation (WTO) sind die von den USA verhängten zusätzlichen Zölle auf chinesische Produkte aus den Jahren 2018 und 2019 rechtswidrig. Die Zölle seien ein Verstoß gegen das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen.

Belarus: USA erkennen Lukashenko nicht als Präsidenten an

Nach der offensichtlichen erneuten Wahlfälschung in der Republik Belarus erkennen die USA Alexander Lukashenko nicht mehr als rechtmäßigen Präsidenten an. Die USA setzen sich für einen nationalen Dialog sowie für freie und faire Wahlen in der ehemaligen Sowjetrepublik ein.

Präsident Trump vor den Vereinten Nationen

Die diesjährige Generalversammlung der Vereinten Nationen lief auf Grund der Covid19-Pandemie weitestgehend virtuell ab. Präsident Trump kritisierte in seiner Rede Chinas Umgang mit dem neuartigen Coronavirus: „Wir müssen die Nation zur Rechenschaft ziehen, die diese Seuche auf die Welt losgelassen hat – China.“

Weiterer diplomatischer Erfolg der USA

Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wird nach Vermittlung der USA auch Bahrain diplomatische Beziehungen mit Israel aufnehmen. Am 15. September 2020 haben sodann Vertreter der Vereinigten Arabischen Emirate und des Bahrain die Normalisierung ihrer Beziehungen mit Israel im „Abraham Abkommen“ offiziell vereinbart. Der Friedensschluss gilt als historisch, da zuvor erst mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) zwei arabische Länder Frieden mit Israel schlossen.

Chaotische erste Fernsehdebatte

Es war die wohl chaotischste Fernsehdebatte aller Zeiten. Das Duell zwischen Präsident Donald Trump und Joe Biden war eine Veranstaltung ohne Mehrwert. Gegenseitige Anschuldigungen und andauernde Unterbrechungen durch den Amtsinhaber prägten das Duell ebenso wie ein Herausforderer, der sich zumeist einer direkten Diskussion verweigerte. Moderator Chris Wallace hatte die “Diskussion” zu keinem Zeitpunkt im Griff. Verlierer sind die US-amerikanischen Wähler und die US-Demokratie. Weiterführende Informationen, die Debatte in voller Länge sowie Höhepunkte (Klick hier). 

Trump wirbt um Afroamerikaner

Präsident Trump stellte einen „Platin-Plan“ vor, der drei Millionen neue Jobs, 500.000 neue Unternehmen sowie einen besseren Zugang zu Bildung und Ausbildung für Afroamerikaner garantieren soll. Des Weiteren will Präsident Trump bei einer weiteren Amtszeit den rassistischen Ku-Klux-Klan sowie die linksextremistische Antifa als Terrorgruppen einstufen. Afroamerikaner sind in der Regel der Demokratischen Partei zugeneigt.

Sanders warnt vor erneuter Trump-Wahl

Der einstige Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders hat sich in einem flammenden Appell zu Wort gemeldet. Laut dem demokratischen Sozialisten hätten US-Amerikaner am 03. November 2020 die Wahl zwischen „Donald Trump  und der Demokratie“. Der Präsident sei eine Gefahr für das demokratische System der USA, so Senator Sanders. Präsident Trump hatte mehrmals offengelassen, ob er das Wahlergebnis anerkennen werde.

NRA investiert bislang kaum in Wahlkampf

Die NRA hat in diesem Wahlkampf bislang signifikant weniger in Werbung investiert als vor vier Jahren. Gab die NRA 2016 noch $27,34 Millionen aus, investierte die Waffenlobby bislang erst $4,7 Millionen.

FBI: Russland mischt sich in Wahl ein

Laut FBI-Direktor Christopher Wray soll sich Russland wie schon 2016 in den US-Präsidentschaftswahlkampf einmischen. Ziel sei es, den demokratischen Kandidaten Joe Biden zu schaden.

Katholische Gruppe gegen Biden

Die katholische Gruppe „CatholicVote“ setzt $9,7 Millionen für Werbung gegen Joe Biden ein. Es sollen gezielt Katholiken in Swing States angesprochen werden. Der Katholik Biden steht für eine liberale Gesellschaftspolitik.

Renommiertes Magazin gibt erstmals Wahlempfehlung ab

Erstmals in seiner 175-jährigen Geschichte hat sich das Magazin „Scientific American“ für einen Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen. Das Magazin empfiehlt die Wahl von Joe Biden.

Bloomberg unterstützt Biden

Der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Präsidentschaftskandidat Mike Bloomberg wird die Kampagne von Joe Biden im Bundesstaat Florida mit mindestens $100 Millionen unterstützen.

Bidens Steuerpläne für Unternehmen

Präsidentschaftskandidat Joe Biden plant einen Steueraufschlag von 10% für alle Firmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.

„Demographic Swingometer“

The Cook Political Report wartet mit einem „Demographic Swingometer“ zur Präsidentschaftswahl auf. Bei diesem Programm kann das Wahlergebnis sowie Wahlbeteiligung aller relevanten Kohorten durchgespielt werden. Als Ergebnis erhält man das Wahlmännerresultat. Das Programm (Klick hier).

HIGH-FIVE mit Knut Dethlefsen (Teil 2): „Coronavirus legt Rassismus offen.“

Die Coronavirus-Pandemie hält die Welt in Atem. Millionen Infizierte. Hunderttausende Tote. Millionen Arbeitslose. Besonders stark betroffen sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Vor diesem Hintergrund sprach „1600 Pennsylvania“ in einem zweiteiligen HIGH-FIVE Interview mit Knut Dethlefsen, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in den USA . Der nachfolgende zweite Teil des Interviews beschäftigt sich mit dem durch die Pandemie offen zu Tage getretenen Rassismus in den USA. Ebenso wird ein Ausblick auf die Präsidentschaftswahl geworfen.

Überdurchschnittlich viele Afroamerikaner sind mit dem Coronavirus infiziert und sterben daran. Was sind die Ursachen hierfür?

Die Ursache dafür, dass die Krise vor allem Nicht-Weiße  Amerikaner trifft ist so traurig wie einfach auszumachen: Rassismus. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren sagte dazu: „Jahrzehnte des strukturellen Rassismus haben so viele schwarze und braune Familien vom Zugang zu guter Gesundheitsversorgung, zu bezahlbarem Wohnraum und finanzieller Sicherheit ferngehalten und die Coronavirus-Krise hat diese Ungleichheiten massiv verstärkt“.

Es gibt ein US-Sprichwort, das besagt: „Wenn Amerika einen Schnupfen bekommt, dann bekommen Afro-Amerikaner eine Lungenentzündung.“ In der jetzigen Krise hat der Brookings-Experte Rashawn Ray das so umgemünzt: „Wenn Amerika vom Coronavirus infiziert wird, dann sterben die Afro-Amerikaner.“ In Chicago z.B. machen Afro-Amerikaner 70 Prozent der Todesfälle aus, obwohl weniger als jeder dritte Einwohner schwarz ist.

Der strukturelle Rassismus hat bereits vor Corona zu Umständen beigetragen, die für Afro-Amerikaner zu einem höheren Risiko für Leib und Leben führen. Dazu gehören die Wohn- und Lebensbedingungen. Afro-Amerikaner leben oft in Nachbarschaften, die nicht nur enger bebaut sind, sondern auch weniger Zugang zu gesunden Lebensmitteln, Grünflächen oder Sportanlagen bieten. Damit gehen Vorerkrankungen wie Diabetes und Übergewicht einher, die in der jetzigen Krise lebensbedrohlich werden. Sie sind auch häufiger auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und haben schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung.

Hinzu kommt der Arbeitsmarkt. Nicht-weiße Amerikaner machen einen höheren Anteil der „essentiellen“ Arbeitnehmenden aus. Afro-Amerikaner stellen beinahe jeden dritten Busfahrer und jeden fünften Beschäftigten im Restaurantsektor oder bei Supermarktbeschäftigten. Diese aber können nicht im „home office“ arbeiten und sind damit einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt.

Auch beim aktiven Schutz vor Corona macht sich Rassismus bemerkbar. Während das Tragen einer Gesichtsmaske für weiße Amerikaner kein Problem darstellt, häufen sich die Fälle, in denen vor allem männliche Afro-Amerikaner in Geschäften gestoppt und befragt werden, weil man ihnen kriminelle Absichten unterstellt.

Im November findet die US-Präsidentschaftswahl 2020 statt. Der Wahlkampf wird auf Grund der Pandemie anders als üblich verlaufen. Wird Präsident Trump oder der demokratische Herausforderer Biden von den neuen Umständen profitieren?

Ich glaube, es ist zunächst wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Pandemie das Bundesgesetz über die allgemeinen Wahlen im November nicht außer Kraft setzen wird. Das bedeutet, dass das Weiße Haus nicht per Verfügung die Wahlen im November verlegen kann. Dazu würde es einer Gesetzesänderung des Kongresses bedürfen (weiterführende Informationen klick hier).

Es ist jedoch nur schwer vorherzusagen, wie genau die Wahlbeteiligung aussehen könnte, wenn die Menschen aufgrund der Einschränkungen zu ängstlich oder anderweitig nicht in der Lage sind, ihre Stimme in einem Wahllokal abzugeben. Dies könnte die Probleme beim Zugang zu den Wahlen im amerikanischen System noch verschärfen.

Sicher ist auch, dass Trump eine solide Basis hat, die ihn unabhängig von aktuellen Entwicklungen unterstützt: Nichts, was Biden tut, würde sie vom Gegenteil überzeugen. Trump hat auch den Vorteil des Amtsinhabers und eigentlich beste Voraussetzungen, als Krisenmanager zu glänzen. Auch wenn er dieser Rolle ganz offensichtlich nicht gewachsen ist – eine Mehrheit von 52 Prozent meinte Mitte April, dass er die Krise nicht gut im Griff hat – könnte er die Lorbeeren als Reaktion auf die Pandemie einstreichen. Das aber setzt voraus, dass die Situation weniger akut wird und die USA wieder eine Art regulären Betrieb aufnehmen können. Das aber ist momentan unwahrscheinlich.

Der wichtigste Grund dafür liegt in den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie. Statt gute Wirtschaftsdaten zum Zentrum seiner Wahlkampagne machen zu können, stehen die USA vor der größten Rezession seit der Great Depression. Damit ist Trumps Wiederwahlstrategie effektiv zunichte gemacht. Auch deshalb versucht er gerade, die Schuld bei China abzuladen und Biden als zu „weich“ gegenüber China zu brandmarken.

Einen Vorteil hat Trump zudem in der digitalen Wahlkampfführung. Seine Online-Kampagne ist gut organisiert und ebenso finanziert. Diese hat er in den letzten vier Jahren kontinuierlich ausgebaut, noch bevor die COVID-19-Pandemie die traditionelle Kampagne zum Erliegen brachte. Im Vergleich dazu ist Joe Bidens digitaler Auftritt unterfinanziert und personell unterbesetzt. Berichten zufolge ist das Biden-Team bei der Frage gespalten, ob die Digitalkampagne intern aufgebaut oder eine Firma beauftragt werden soll, die mit Bidens ehemaligem Rivalen Michael Bloomberg verbunden ist.

Joe Biden hat eher persönlich und inhaltlich eine starke Position – er kann der „Anti-Trump“ sein. Er kann seinen Wahlkampf mit der Botschaft führen, dass er ein kompetenter und erfahrener Politiker und Gesetzgeber, aber eben auch ein sehr menschlicher Tröster
(„comforter-in-chief“) ist.

Ob die Pandemie dem Wahlkampf des amtierenden Präsidenten Donald Trump oder dem seines mutmaßlichen demokratischen Herausforderers Joe Biden zugutekommen wird, hängt aber vor allem vom weiteren Verlauf der Krise ab. Zum jetzigen Zeitpunkt sprechen die Zahlen gegen Trump: Landesweit liegt Biden ca. vier Prozentpunkte vor dem Amtsinhaber und auch in den fünf wichtigen Bundesstaaten die Trump 2016 gewinnen konnte – Wisconsin (+2,7), Michigan (+5,5), Pennsylvania (+6,5), Florida (+3,2) und Arizona (+9) – hat der Herausforderer momentan die Nase vorn. Joe Biden hat also gute Chancen, der nächste Präsident der USA zu werden.

Vielen Dank für das Interview. 

Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.

Knut Dethlefsen ist Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington D.C. Zuvor leitete er die Büros der FES in Warschau, Ost-Jerusalem und Shanghai. Dethlefsen hat einen Master of Arts in Geschichte, Politikwissenschaft und Ökonomie (TU Berlin) sowie einen Master of Science in Foreign Service (Georgetown University) inne. Dethlefsen ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und analysiert US-Politik unter anderem für das IPG-Journal (klick hier).


Bildquellen: Friedrich-Ebert-Stiftung USA; Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com

Das Update 04/2020: Coronavirus ist größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg

1600 Pennsylvania bringt euch über die wichtigsten Ereignisse rund um US-amerikanische Politik des vergangenen Monats auf den aktuellen Stand. 

Generalinspekteur der Geheimdienste entlassen

Präsident Donald Trump hat Michael Atkinson, Generalinspekteur der Geheimdienste, von seinen Aufgaben entbunden.

Biden schreibt Trump

Joe Biden, wahrscheinlicher demokratischer Präsidentschaftskandidat, hat Präsident Trump einen Brief geschrieben. Auf Grund der Ausbreitung des Coronavirus soll, so Biden, die Trump-Administration ihre Klage gegen den Affordable Care Act, Obamas Gesundheitsreform, zurückziehen. Der Supreme Court richtet in diesem Jahr über die Gesetzgebung.

10 Jahre Obamas Gesundheitsreform

Inmitten der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise boxte Präsident Obama vor zehnJahren entgegen dem Rat seiner Vertrauten seine bis heute umstrittene Gesundheitsreform durch. Die USA wurden durch diese Entscheidung noch stärker polarisiert. So sehen US-Amerikaner den Affordable Car Act heute (klick hier).

Coronavirus-Hilfspaket Phase 1:
Zusätzliche Finanzmittel

Ende Februar 2020 bat Präsident Trump den U.S. Kongress um $2,5 Milliarden zur Bekämpfung des Coronavirus. Letztendlich stellte der U.S. Kongress gar $8,2 Milliarden zur Verfügung. Am
06. März 2020 traten die Maßnahmen in Kraft.

Zusätzliche finanzielle Mittel werden seitdem für die Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC), für die Behörde für Lebens- und Arzneimittel, für die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH), für die Behörde für kleine Unternehmen, für die Behörde für internationale Entwicklung (USAID) und für das Außenministerium bereitgestellt. $4 Milliarden werden für die Bereitstellung von Coronavirus-Tests verwendet.

Coronavirus-Hilfspaket Phase 2:
Gesundheitspolitische Verbesserungen

In einem überparteilichen Akt verabschiedete der U.S. Kongress gesundheitspolitische Verbesserungen. Die Maßnahmen wurden von Finanzminister Steven Mnuchin und Speaker Nancy Pelosi ausgehandelt. Das Paket stellt sicher, dass es kostenlose Coronavirus-Tests, auch für Personen ohne Krankenversicherung, gibt. Behandlungen sollen ebenso kostenfrei sein. Ebenso ist eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beinhaltet. Die Maßnahmen sind mindestens $100 Milliarden schwer. Richtlinien zur Bekämpfung des Coronavirus (klick hier).

Coronavirus-Hilfspaket Phase 3:
Billionen schwere Wirtschaftshilfen

Der U.S. Kongress hat mit einem überparteilichen Votum ein $2,2 Billionen schweres Hilfspaket zur Eindämmung der ökonomischen Auswirkungen des Coronavirus verabschiedet. Es ist das teuerste Hilfspaket in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Lesenswerter Beitrag zum Thema:
„Über Nacht erschafft Trump in Amerika das bisher Undenkbare“ (klick hier).

US-AMerikaner erhalten Soforthilfen

Im Rahmen des Hilfspakets zur Abschwächung der ökonomischen Folgen des Coronavirus erhalten US-Amerikaner auch Direktzahlungen. Alleinstehende bekommen einmalig $1.200, Ehepaare $2.400 sowie für jedes Kind unter 17 Jahren weitere $500.

Die Unterstützung wird nur für US-Amerikaner bis zu einem Bruttojahreseinkommen von $75.000/Person voll ausgezahlt. Bis zu einem Einkommen von $99.000/Person erfolgt eine stufenweise Reduzierung der Zahlungen.

Coronavirus-Hilfsphaket Phase 4:
Folgt ein Infrastruktur-Paket?

Washington ist sich weitestgehend einig, dass bisherige Maßnahmen zur Eindämmung der Auswirkungen des Coronavirus nicht ausreichen werden. Präsident Trump und die demokratische Partei (!) haben vor diesem Hintergrund ein Infrastrukturprogramm ins Spiel gebracht. In der zweiten Hälfte des Monats dürfte darüber debattiert werden.

Kriegswirtschaftsgesetz aktiviert

Präsident Trump hat das Kriegswirtschaftsgesetz aktiviert. Damit kann er Firmen befehlen, nötiges Material herzustellen. Der Automobilkonzern General Motors soll beispielsweise Beatmungsgeräte produzieren. Der Defence Production Act wurde ursprünglich im Jahr 1950 während des Koreakriegs beschlossen.

Notenbank unterstützt Wirtschaft

Die US-amerikanische Notenbank Fed stellt $1 Billion zur Verfügung um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus abzumildern. Des Weiteren wurde der Leitzins auf 0 bis 0,25 Prozent gesenkt.

Lufttransport

In den USA geht gegenwärtig der größte medizinische Lufttransport in der Geschichte des Landes von statten. 22 Flugzeuge in 2 Wochen sollen jeweils 12 Millionen Handschuhe, 130.000 Desinfektionsmittel, 1,7 Millionen Masken, 130.000 N95 Masken, 50.000 Kittel und 36.000 Thermometer liefern.

Internationale Solidarität

Die Vereinigten Staaten helfen Italien im Kampf gegen das Coronavirus. Kurze Zeit später erhielten die USA Hilfe von Russland. Präsident Trump und Präsident Putin telefonierten zuvor miteinander. Über die Auswirkungen des Coronavirus auf die internationalen Beziehungen sprach der Tagesspiegel mit Professor Dr. Varwick (klick hier).

Google informiert über Virus

Präsident Trump kündigte es an, Google lieferte. Die weltweit größte Suchmaschine hat nun eine eigene Website mit wichtigen Informationen rund um die Bekämpfung des Coronavirus ins Leben gerufen. Die Website ist hier aufrufbar (klick hier).

Nationalgarde wird eingesetzt

Die Nationalgarde unterstützt den Bundesstaat New York im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Die Nationalgardisten sollen New Rochelle mit Lebensmitteln versorgen und öffentliche Einrichtungen säubern. Mittlerweile wir die Nationalgarde auch in anderen Staaten eingesetzt.

Prominente Infizierte

U.S. Senator Rand Paul hat sich ebenso mit dem Virus infiziert wie der Ehemann von U.S. Senatorin Amy Klobuchar. Eine Vielzahl von Kongressabgeordneten befinden sich zudem in Quarantäne. CNN-Moderator Chris Cuomo, Bruder des New Yorker Gouverneurs Andrew Cuomo, ist ebenso mit dem Coronavirus infiziert.

Infizierte auf Flugzeugträger

Auf dem US-Kriegsschiff „Theodore Roosevelt“ wurden zahlreiche Soldaten mit dem Coronavirus infiziert. Kapitän Brett Crozier kritisierte die Zustände und bat um Evakuierung der 4.000 Besatzungsmitglieder – und wurde dafür des Amtes enthoben. Die Navy wirft Crozier schlechtes Urteilsvermögen vor.

Texas Vize-Gouverneur: Großeltern bereit für enkel zu sterben

Kontroverse Aussagen des texanischen Vize-Gouverneurs Dan Patrick: Die Coronavirus-Krise könne nur durch Opfer von allen Seiten gemeistert werden. Großeltern seien bereit für ihre Enkel zu sterben, damit die US-Wirtschaft am Leben erhalten werden könne, so Patrick. Er sei selbst dafür bereit, sich zu opfern.

USA verhängen Einreisestopp für Europa

Auf Grund der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus haben die USA am 13. März 2020 einen 30-tägigen Einreisestopp für Bürger aus dem Schengen-Raum verhängt. In einer Rede an die Nation kritisierte Präsident Trump vor diesem Hintergrund das zu langsame Vorgehen der europäischen Politik.

Ende Januar verhängten die USA schon einen Einreisestopp für Personen, die sich in China aufhielten. Einreiseverbote gegenüber dem Iran, dem Vereinigten Königreich und Irland folgten kurze Zeit später. Alle Einreiseverbote sollen über genannten Zeitraum hinaus verlängert werden.

US-Arbeitsmarkt bricht ein

Erstmals seit 2010 konnte der monatliche Arbeitsmarktreport keine neu kreierten Arbeitsplätze ausweisen. 701.000 Arbeitsplätze wurden auf Grund der Coronavirus-Krise vernichtet. Die Arbeitslosenquote stieg von 3,5 Prozent im Februar auf nun 4,4 Prozent.

Millionen US-Amerikaner verlieren Arbeitsplatz

Auf Grund der Ausbreitung des Coronavirus haben sich alleine in der ersten Woche seit Inkrafttreten der Ausgangssperre 3,28 Millionen US-Amerikaner arbeitslos gemeldet. Das ist im Vergleich zur Vorwoche eine Verzehnfachung. In der zweiten Woche haben sogar 6,65 Millionen US-Amerikaner Arbeitslosenhilfe beantragt.

Dow Jones mit größtem Anstieg seit 1930
Die Wall Street konnte am 24. März 2020 den größten Kurssprung seit fast 90 Jahren verzeichnen. Der Dow Jones legte mehr als 2.000 Punkte zu. In der Woche zuvor musste der Handel an der Wall Street auf Grund hoher Kursverluste, ausgelöst durch die weltweite Ausbreitung des Coronavirus, noch mehrmals pausiert werden.

USA setzen Kopfgeld auf Maduro aus

Die USA haben Anklage gegen den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro erhoben. Er wird des „Drogen-Terrorismus“ beschuldigt. Auf Maduro wurde ein Kopfgeld in Höhe von $15 Millionen ausgesetzt.

Tödlicher Angriff im Irak

Im Irak hat sich der tödlichste Angriff auf eine amerikanische Basis seit Jahren ereignet. Am 12. März 2020 starben zwei US-Amerikaner und ein Brite bei einem Raketenangriff.

U.S. Außenminister in Afghanistan

U.S. Außenminister Mike Pompeo versuchte mit einem Afghanistan-Besuch den dortigen Friedensprozess weiter in Gang zu bringen. Der Vermittlungsversuch zwischen dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani und dessen Herausforderer Abdullah Abdullah scheiterte jedoch vorerst.

Beide Kontrahenten sollen eine Einheitsregierung bilden, um mit den Taliban in Friedensverhandlungen einzusteigen. Die USA reagierten auf die jüngsten Entwicklungen und kürzten afghanische Hilfen in Höhe von $1 Milliarde. Radio Free Europe/Radio Liberty hat sich mit dem afghanischen Friedensprozess auseinandergesetzt (klick hier).

Vorentscheidung im Vorwahlkampf

Joe Biden konnte seinen Vorsprung auf Bernie Sanders weiter ausbauen. Der aktuelle Delegiertenzähler (klick hier).

Vorwahlen verlegt

Auf Grund der Ausbreitung des Coronavirus wurden zahlreiche Vorwahlen neu terminiert. Beliebter neuer Wahltermin ist der 02. Juni 2020. Alle Vorwahltermine im Überblick (klick hier).

Demokraten verlegen Parteitag

Die demokratische Partei verschiebt ihren Nominierungsparteitag vom 13. Juli 2020 auf Mitte August. Die republikanische Partei würde demnach nur eine Woche später am 24. August 2020 ihren Parteitag abhalten.

Neuester Biden-Werbespot

Im neuesten Werbespot von Joe Biden stellt sich der ehemalige Vizepräsident als vertrauensvollere Alternative zu Präsident Trump in Krisenzeiten dar.

Joe Biden bekommt zudem Unterstützung von seinem Super PAC „Unite the Country“:

Allerdings muss sich Biden noch den neuen Gepflogenheiten in Zeiten des Coronavirus anpassen:

Bloomberg transferiert Kampagnengelder an demokraten

Mike Bloomberg hat $18 Millionen von seiner einstigen Wahlkampagne zur demokratischen Partei transferiert. Ebenso hat Bloomberg Wahlkampfbüros samt Belegschaft in sechs umkämpften Staaten an die demokratische Partei übergeben.

Kandidatur Beendet: Tulsi Gabbard

Abgeordnete Tulsi Gabbard hat am 19. März 2020 ihre Präsidentschaftskandidatur beendet.
Alle ehemaligen Kandidaten im Überblick (klick hier).

Biden will Frau als Vize

Joe Biden hat in der zehnten TV-Debatte versprochen, eine Frau als Kandidatin für das Vizepräsidentschaftsamt nominieren zu wollen. Gehandelt werden u.a. die Senatorinnen Kamala Harris, Amy Klobuchar, Elizabeth Warren sowie Stacey Abrams und Gouverneurin Gretchen Whitmer.

Die Lehren des Super Tuesday (2): Die Enttäuschung des Bernie Sanders und des Mike Bloomberg

Was dem American Football der Super Bowl, ist den US-amerikanischen Vorwahlen der Super Tuesday. Der vorläufige Höhepunkt auf dem Weg zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten verlief auch in diesem Jahr denkwürdig. Aus den 14 Vorwahlstaaten plus dem Votum in American Samoa ging der ehemalige Vizepräsident Joe Biden als Gewinner hervor.

Senator Bernie Sanders blieb hinter seinen Erwartungen zurück. Der neuntreichste Mann der Welt, Michael „Mike“ Bloomberg, enttäuschte gar so sehr, dass er seine Kandidatur nach seinem ersten Wahltag zurückzog. Senatorin Elizabeth Warren folgte diesem Beispiel kurze Zeit später.
„1600 Pennsylvania“ zieht in zwei Teilen die Lehren aus dem Super Vorwahltag!

Die Enttäuschung des Bernie Sanders

Für Bernie Sanders geht es auch in diesem Jahr nicht einfach um eine Präsidentschaftswahl. Für den demokratischen Sozialisten geht es vielmehr um eine politische und gesellschaftliche Revolution. Dafür weiß Sanders insbesondere junge, links-liberale und für seine Anliegen begeisterte US-Amerikaner auf seiner Seite.

Der Super Tuesday hat dem Enthusiasmus um Bernie Sanders jedoch Grenzen aufgezeigt. Zwar erfreute sich der Senator aus Vermont nach wie vor reger Unterstützer genannter Wählergruppen. Doch waren diese nicht für die ansteigende Wahlbeteiligung verantwortlich wie es Sanders gerne gesehen hätte beziehungsweise wie er oftmals behauptet.

Vielmehr war es eine Koalition aus Afroamerikanern, dem Bildungsbürgertum und ökonomisch besser gestellten Wählern, die vermehrt an die Wahlurnen strömten. Kohorten, die Biden überproportional unterstützten. Die Gründe sich für einen gemäßigten Kandidaten namens Joe Biden zu entscheiden sind vielfältiger Natur.

Einerseits motivierte der Erfolg von Biden in South Carolina Afroamerikaner den ehemaligen Vizepräsidenten mit großer Mehrheit zu unterstützen. Andererseits dürfte Sanders‘ Auftreten selbst für viele Anhänger der demokratischen Partei zu extrem sein.

Exemplarisch sei an dieser Stelle genannt, dass Sanders kurz vor dem Super Wahltag seine freundlichen Worte gegenüber der kommunistischen Revolution auf Kuba erneuerte. Bis dahin unentschlossene Wähler hat Sanders mit diesen Aussagen sicherlich nicht für sich gewinnen können.

Ebenso ausschlaggebend war die Tatsache, dass innerhalb der demokratischen Partei der Wille vorherrscht, einen Kandidaten zu unterstützen, der ihrer Meinung nach die besten Chancen gegen Präsident Trump im November aufweist. All diese Gründe sorgten wiederum für eine höhere Wahlbeteiligung.

In Texas stieg beispielsweise die absolute Anzahl von abgegebenen Stimmen um 700.000 im Vergleich zur vergangenen Vorwahl. Das Ergebnis: Sanders verlor drei Prozentpunkte im Vergleich zur Vorwahl im Jahr 2016.

In Virginia gaben in diesem Jahr 1,3 Millionen Bürger ihre Stimme ab. Hiervon stimmten 23 Prozent für Sanders. Vier Jahre zuvor erreichte der Senator noch 35 Prozent der Stimmen, allerdings bei lediglich 780.000 abgegebenen Stimmen. Die Hälfte der Wähler entschied sich erst kurz vor der Wahlabgabe. Eine gute Nachricht für Biden, hatte dieser doch durch seinen Erdrutschsieg in South Carolina das Momentum inne.

Je höher die Wahlbeteiligung am Super Tuesday, desto wahrscheinlicher ein schlechteres Abschneiden von Bernie Sanders. Das Argument, dass nur Sanders neue Wählerschichten an die Wahlurnen bringen würde ist folglich ebenso falsifiziert wie die Behauptung, dass Sanders‘ enthusiastische Anhängerschaft die besten Chancen gegen Donald Trump hätte.

Der Rückzug des Mike Bloomberg

Für eine erfolgreiche Kampagne sind monetäre Mittel unentbehrlich. Die Vielzahl an Kandidaten, die noch vor der ersten Vorwahl ihre Hoffnungen auf das Weiße Haus begraben mussten, können bestens davon berichten. Eine Erfolgsgarantie ist eine finanziell bestens ausgestattete Kampagne jedoch auch nicht.

Bei US-Präsidentschaftswahl 2016 gab Hillary Clinton beispielsweise deutlich mehr als Donald Trump aus. Während Clinton $1,2 Milliarden in ihren Wahlkampf investierte, gab Trump „lediglich“ $647 Millionen aus. Das Wahlergebnis ist bekannt.

Vier Jahre später setzte Mike Bloomberg so viele monetäre Mittel ein wie kein anderer Kandidat zuvor. Drei Monate Wahlkampf ließ sich Bloomberg $558 Millionen nur für Werbung kosten. Für die 14 Staaten, in denen am Super Tuesday gewählt wurde, gab der ehemalige New Yorker Bürgermeister mehr als $200 Millionen aus. Es war die teuerste selbstfinanzierte Kampagne aller Zeiten.

Gute Umfragewerte konnte sich Bloomberg zwar erkaufen. Bestätigen konnte der New Yorker dieser Werte aber nicht. Dies lag vor allem an der Unterstützung der moderaten Wählerschaft für Joe Biden, der zudem Wahlempfehlungen von ehemaligen gemäßigten Kandidaten sowie von einflussreichen Politikern auf seiner Seite wusste.

Vor diesem Hintergrund war Bloombergs Strategie, erst in den Super Tuesday Staaten in den Vorwahlkampf einzusteigen, ein Spiel mit dem Feuer. „1600 Pennsylvania“ formulierte dies schon am 25. November 2019 mit folgenden Worten:

Ein dortiger Sieg [in Iowa] Buttigiegs beziehungsweise ein Sieg von Joe Biden bei der vierten Vorwahl in South Carolina und eine selbsternannte moderate Alternative wäre am Super Tuesday wohl überflüssig. Michael Bloomberg würde dann die Lehre von Michail Gorbatschow praktisch erfahren: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Buttigieg bekam zwar durch seinen Vorwahlsieg in Iowa kein Momentum. Biden konnte sich einen solchen jedoch mit einem Erdrutschsieg in South Carolina erarbeiten. Die Kampagne von Bloomberg wurde somit überflüssig bevor er überhaupt auf einem Wahlzettel stand. Der ehemalige New Yorker Bürgermeister machte somit die Erfahrung seine Vorgängers Rudy Giuliani, der 2008 eine ähnliche Strategie fuhr – und ebenso scheiterte.