Vor 75 Jahren wurde die NATO von zehn europäischen und zwei nordamerikanischen Ländern zur Eindämmung der Sowjetunion ins Leben gerufen. Der Nordatlantikpakt garantierte während des Kalten Krieges – militärischen – Frieden in Europa durch Stärke. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa suchte die NATO nach einem neuem Sinn, fand diesen auch vorübergehend in der Terrorismusbekämpfung nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001.
Doch die Krise mit dem eigenen Selbstverständnis, der Sinnhaftigkeit des Verteidigüngsbündnisses, blieb. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die NATO im Jahr 2019 gar als „Hirntod“. Doch mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der seit Februar 2022 vonstattengeht, erlebt die NATO ein Comeback. Die Neue Zürcher Zeitung titelte gar über den Nordatlantikpakt, dass „die Wächter des Westens (…) zurück auf der Weltbühne“ seien.
Doch der größte Krieg auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs und die wiedergewonnene Bedeutung der NATO darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch weitaus größere Herausforderungen auf den Weltfrieden lauern. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben dies seit der Ära von Barack Obama verstanden und sich kontinuierlich gen Pazifik, dem ökonomischen und sicherheitspolitischen Mittelpunkt des 21. Jahrhunderts, ausgerichtet.
Explizit befürchten die USA, wie von hochrangigen Experten und Militärangehörigen verlautbart, eine Invasion der kommunistischen Volksrepublik China gegen die demokratisch geführte Republik China, besser bekannt als Taiwan. Gunter Schubert, Professor an der Eberhard Karls Universität Tübingen und einer der renommiertesten deutschsprachigen Experten zur Region, beschreibt Taiwans Zukunft infolgedessen als „unsicher“.
Kaum jemand im <<Westen>> zweifelt heute daran, dass ohne entschlossenen internationalen Widerstand die chinesische Regierung in nicht mehr allzu ferner Zukunft ihren Worten Taten folgen lassen wird und eine militärische Invasion in Taiwan wagt.
Gunter Schubert: Kleine Geschichte Taiwans, S. 131.
Seit dem vollumfänglichen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und zunehmenden chinesischen Militärmanövern in der Formosastraße ist Taiwan also einmal mehr in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit geraten. Doch was ist der Hintergrund der, diplomatisch ausgedrückten, angespannten Beziehungen zwischen Festlandchina und Taiwan?
Am 20. Januar 2019 hielt Xi eine Rede (…) und machte darin unmissverständlich klar, dass Taiwan ein integraler Teil der Volksrepublik China sei und (…) mit dem Festland wiedervereinigt werde.
Schubert: Kleine Geschichte Taiwans, S. 121.
Das von Professor Dr. Schubert verfasste 185 Seiten starke und im C.H. Beck erschienene Werk „Kleine Geschichte Taiwans“ geht dieser Frage ebenso auf den Grund wie generell der bewegenden Geschichte Taiwans. Herausgekommen ist ein gut lesbares Buch, welches der Leserschaft erste Informationen über die Historie, Kultur und Politik des Inselstaates an die Hand gibt.
Dabei wird ebenso deutlich, dass seit Ende des chinesischen Bürgerkrieges die USA eine entscheidende Rolle für das Fortbestehen Taiwans spielten. Außenpolitisch und militärisch, so Professor Dr. Schubert, sei Taiwan komplett von den USA abhängig (S. 101). Für die nahe Zukunft dürften die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen Washington D.C. und Taipeh nochmals um einiges an Bedeutung hinzugewinnen. Ein Grund mehr, Schuberts „Kleine Geschichte Taiwans“ zu studieren.
Vielen Dank an den Verlag C.H. Beck für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.
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Die offizielle Buchbeschreibung
An nur wenigen Orten verdichtet sich die Weltpolitik gegenwärtig so stark wie rund um Taiwan. Chinas Ansprüche auf die Insel haben das Potential einen Krieg auszulösen zwischen den beiden stärksten Militärmächten der Welt. Gunter Schubert, einer der besten Kenner des heutigen Taiwan, führt in dessen Geschichte und Gegenwart ein und hilft, den Konflikt besser zu verstehen.
Taiwan hat eine wechselvolle Geschichte, in denen sich Phasen der Zugehörigkeit zum chinesischen Festland mit Zeiten kolonialer Herrschaft ablösten. Den knapp 200 Jahren unter der Qing-Dynastie folgten von 1895 bis 1945 die Jahre unter japanischer Kolonialherrschaft. Als Folge des chinesischen Bürgerkriegs wurde Taiwan zum Rückzugsort der unterlegenen Kuomintang unter Chiang Kai-shek.
Lange Zeit sahen sich beide, Taiwan ebenso wie das kommunistische Regime auf dem Festland, als eigentliche Repräsentanten Chinas und erhoben Ansprüche auf das Gebiet des jeweils anderen. Inzwischen hat sich Taiwan immer mehr von Festlandchina entfernt, und ein Großteil der Bevölkerung sieht ihr Land trotz der vielschichtigen kulturellen und historischen Verflechtung als einen souveränen Staat. Gunter Schubert leuchtet die komplexe kulturelle, politische und nationale Identität Taiwans aus und macht so das schwierige Verhältnis der Inselrepublik zur Volksrepublik China auf knappem Raum verständlich.

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