Die Vereinigten Staaten von Amerika wenden sich kontinuierlich von Europa ab, sehen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts primär im Pazifik. Deutschland wiederum profitierte zwar in den vergangenen Jahrzehnten von der transatlantischen Freundschaft. Doch sehen laut einer repräsentativen Umfrage des Pew Research Center knapp die Hälfte aller Deutschen die USA negativ. Vor diesen Hintergründen äußert sich der Vorsitzende der Parlamentariergruppe USA, Dr. Sebastian Schäfer MdB von Bündnis 90/ Die Grünen, auf „1600 Pennsylvania“ exklusiv zum Stand der transatlantischen Beziehungen im Wahljahr 2024.
Dr. Sebastian Schäfer zog bei der Bundestagswahl 2021 über die Baden-Württembergische Landesliste von Bündnis 90/ Die Grünen in den Deutschen Bundestag ein. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist Obmann seiner Fraktion im Haushaltsausschuss sowie Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA. Weitere Informationen zu Dr. Sebastian Schäfer MdB gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und X.
Sie haben die Nachfolge von Jürgen Trittin als Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA übernommen. Was hat es mit solch einer Gruppe auf sich, was sind die Aufgaben und Ziele?
Die Parlamentariergruppen gibt es seit 1951 im Deutschen Bundestag. Aufgabe und Ziel ist es, kontinuierlich engen und persönlichen Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen der jeweiligen Partnerländer und -regionen zu halten. Aktuell gibt es 47 überfraktionelle Parlamentariergruppen. Die Parlamentariergruppe USA ist mit über 100 Mitgliedern die größte Gruppe.
Ich freue mich sehr, dass ich seit Januar 2024 den fraktionsübergreifenden Vorstand der Parlamentariergruppe USA anführen darf. Mit dem Superwahljahr in Europa und den Vereinigten Staaten ist es ein besonderes Jahr für das transatlantische Verhältnis. Wir pflegen mit vielen Menschen und Institutionen einen intensiven Austausch und verfolgen die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in den USA sehr eng.
Weisen Sie neben Ihrem politischen Engagement auch persönliche Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auf?
Im Rahmen des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms des Deutschen Bundestages hatte ich die Möglichkeit, mein 11. Schuljahr an einer High School in Minnesota zu verbringen. Spätestens dieser intensive Kontakt mit dem Land und den Leuten vor Ort hat mich zu einem überzeugten Transatlantiker gemacht. Später konnte ich während meines Studiums Studienabschnitte am Beloit College in Wisconsin und an der University of California in Berkeley verbringen. Da sind starke persönliche Verbindungen entstanden.
Zuletzt durfte ich 2022 als Marshall Memorial Fellow des German Marshall Fund das Land intensiv bereisen. Als Berichterstatter meiner Fraktion für den Verteidigungsetat bin ich öfter in den USA. In der Sicherheitspolitik ist der transatlantische Austausch in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ganz besonders wichtig.
| Steckbrief Dr. Sebastian Schäfer MdB | |
|---|---|
| Geburtsdatum | 11.07.1979 |
| Geburtsort | Dettelbach, Bayern |
| Ausbildung | Universitäten Erfurt und Berkeley (Staatswissenschaften, Philosophie, Wirtschaftswissenschaften) |
| Politischer Werdegang | Bundestagsabgeordneter (seit 2021) |
Die erste Amtszeit von Präsident Joe Biden geht ihrem Ende entgegen. Wie beurteilen Sie Bidens Präsidentschaft aus Sicht der transatlantischen Beziehungen?
Für Joe Biden hat die internationale Kooperation und ganz besonders das transatlantische Verhältnis eine besondere Bedeutung. Durch die gemeinsame Unterstützung konnte die Ukraine in ihrem tapferen Abwehrkampf gegen die russische Aggression gestärkt werden. Die zwischenzeitliche Blockade der Unterstützung in den USA konnte durch seine Führung gelöst werden. Ich würde mir aber insgesamt eine stärkere Unterstützung der Ukraine wünschen, damit Putins imperialer Expansionsdrang wirklich gestoppt wird.
Aber natürlich verändert sich das transatlantische Verhältnis. Schon Barack Obama hat den Fokus stärker Richtung Asien gelegt. Europa muss mehr Verantwortung übernehmen, insbesondere für seine Sicherheit. Auch bei einer zweiten Amtszeit von Joe Biden ist damit zu rechnen, dass auf Europa große Aufgaben zukommen. Bei der schwierigen geopolitischen Lage auf der Welt bleibt ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten für uns absolut essenziell.
Mit dem Inflation Reduction Act verantwortete die Biden-Administration die bislang größten monetären Anstrengungen in der US-Geschichte zur Bekämpfung der Klimakrise. Ein guter Anfang?
Der Inflation Reduction Act ist ein großer Erfolg der Biden-Administration. Die Vereinigten Staaten haben richtig Geld in die Hand genommen, um wichtige Anreize für Investitionen in Klimaschutz und nachhaltige Technologien zu setzen. Das ist ein guter Anfang, wir werden die Menschheitsaufgabe des Kampfes gegen die Klimakrise nur gemeinsam gewinnen können.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Inflation Reduction Act protektionistisch angelegt ist. Gerade für unseren am Export orientierten Standort ist das eine Herausforderung.
Ihr Wunsch für die transatlantischen Beziehungen in den kommenden Jahren?
Das transatlantische Verhältnis bleibt zentral. Wir müssen dieses Verhältnis auf allen Ebenen pflegen, nicht nur auf Regierungs- und Parlamentsebene, sondern auch auf Ebene der Bundesstaaten und der Städte. Jugendaustausch, persönliche Begegnungen, die zu Freundschaften führen, das ist das Fundament für unsere engen Beziehungen.
Das freundschaftliche transatlantische Verhältnis ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt in den Gesprächen, die wir im Rahmen der Parlamentariergruppe USA führen, nehme ich wahr, dass es viele Bemühungen gibt, neue Gesprächskanäle zu etablieren oder bestehende weiter zu vertiefen.
Der amerikanische Souverän trifft bei den Wahlen am 5. November wichtige Entscheidungen für die Zukunft, auch hinsichtlich der transatlantischen Beziehungen. Ich werde weiter daran arbeiten, dass die hervorragenden Beziehungen zwischen den USA und Deutschland bestehen bleiben und weiter ausgebaut werden.
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Kai-Uwe Hülss M.A.
Weitere Informationen zu Dr. Sebastian Schäfer MdB gibt es auf seiner Website sowie auf seinen Social-Media-Präsenzen auf Facebook, Instagram und X.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken; Dr. Sebastian Schäfer MdB.
