Wer Tag für Tag Skandalöses sagt oder Skandale erfindet, mit Dreck um sich wirft, provoziert und beleidigt, wer mit Vorsatz alle Regeln des Anstandes über den Haufen wirft und die Hemmungslosigkeit zum Prinzip erhebt, wer unablässig schmäht, verleumdet und andere mit Trommelfeuer aus der Fassung bringt, wer weder sich noch anderen eine Atempause gönnt, dem gehören die Schlagzeilen.
Bernd Greiner: Weißglut. Die inneren Krieg der USA, S. 184.
Eine Beschreibung, die auf den 45. und 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zutrifft. Schließlich bestimmt Donald Trump seit seinem Eintreten in das politische Leben im Jahr 2015 nahezu täglich die Schlagzeilen im Inland und größtenteils sogar im Ausland. Doch der Politikwissenschaftler und Historiker Bernd Greiner bezieht sich in seinem neuestem Werk „Weißglut. Die inneren Krieg der USA. Eine Geschichte von 1900 bis heute“ nicht auf den MAGA-Republikaner. Trump ist nämlich, wie Greiner treffend in seinem 464 Seiten starken und im Verlag C.H. Beck erschienenen Werk feststellt, nur Wirkung einer schon längeren Entwicklung.
Mit dem diesem Beitrag vorangestellten Zitat bezieht sich Greiner auf den einstigen U.S. Senator Joseph McCarthy. Dieser bestimmte schon in den 1950er Jahren mit seiner aggressiven antikommunistischen Haltung maßgeblich die US-Medien und die Innenpolitik der Vereinigten Staaten. Nach dem Republikaner wurde gar eine ganze Ära benannt. Der „McCarthyismus“ hat sich bis heute als Synonym für unbewiesene Verdächtigungen und öffentlichem Denunziantentum in das historische Gedächtnis der Vereinigten Staaten eingeprägt. Eine Politik durch systematisches und andauerndes Verbreiten von Lügen ist also mitnichten eine Neuerung in der Ära Trump, sie war schon ein Markenzeichen McCarthys (Greiner: Weißglut, S. 184).
Gezeichnet wurde das Bild eines galoppierenden Bevölkerungsaustauschs, eine Landkarte Amerikas, auf der die Siedlungsgebiete von weißen Angelsachsen – „die besten unserer Gründergeneration“ – Stück für Stück von Zuwanderern aus Süd- und Osteuropa in die Zange genommen werden.
Greiner: Weißglut, S. 81, über die in der Zwischenkriegszeit agierende American Protective League. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sollte diese Einwanderungskritik, diesmal jedoch an Migranten aus Süd- und Mittelamerika gerichtet, wiederbelebt werden.
Doch die „inneren Kriege der USA“, unter denen Greiner im vorliegenden Werk primär Repressionen von Seiten konservativer und rechter bis rechtsextremer US-Amerikaner versteht, begannen schon früher. In seinem Buch informiert Greiner in chronologischer Reihenfolge ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts über diese Konflikte. Dabei führt er seine Leserschaft gekonnt durch die Streikbrüche der Zwischenkriegszeit, Organisationen Ehrenamtlicher zur Bekämpfung von mit Deutschland oder Sozialisten sympathisierenden Personen und durch den Kalten Krieg.
„Weißglut“ wartet mit zahlreichen Erkenntnisgewinnen für die Leserschaft auf. Beispielsweise wurde schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Ausdruck
Dieses Land gehört uns allein, wir holen es uns zurück
Greiner: Weißglut, S. 39.
von der American Protective League (von der Regierung unterstützte Organisation von Privatpersonen zur Identifikation deutscher Sympathisanten, Sozialisten, Anarchisten etc.) geprägt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sollte mit diesem Slogan eine Graswurzelbewegung auf der Seite der Republikanischen Partei für Furore sorgen.
Im letzten Kapitel befasst sich Greiner sodann mit der Gegenwart, sprich mit sogenannten christlichen Nationalisten und der ab dem Jahr 2008 entstehenden Tea Party, aus der später Trumps Make America Great Again Bewegung hervorgehen sollte. Trump äußerte schon 2011, der Hochphase der Tea Party, dass ihn „die Leute in der Tea Party mögen [würden], weil ich für vieles stehe, was die Tea Party will“ (Greiner: Weißglut, S. 10).
Fünf Jahre später sollte der damals noch als Immobilienmogul und Reality-TV-Star bekannte New Yorker von der Tea Party zum Sieg in den republikanischen Vorwahlen und gegen Hillary Clinton in der Hauptwahl getragen werden. Zugute kam Trump mit einem schon stattfindenden Kulturkampf ein Metier, welches ihm lag, jedoch nicht von ihm erfunden wurde (Greiner: Weißglut, S. 10.). Wie Trump der Weg zur Macht bereitet wurde, arbeitet Greiner in seinem neuesten Buch „Weißglut“ mit spannenden Hintergrundinformationen gekonnt heraus und stellt dabei fest, dass selbst der Slogan des MAGA-Republikaners ursprünglich nicht von ihm stammte:
Wie ein Untoter geistert seither ein Slogan durch Politik und Gesellschaft in den USA: „America First“. Zu den prominenten Taktgebern zählte einmal mehr Präsident Woodrow Wilson.
Greiner: Weißglut, S. 108.
Vielen Dank an den Verlag C.H. Beck für die Zusendung eines Rezensionsexemplars. Weiterführende Informationen des Verlags (Klick hier).
Die offizielle Buchbeschreibung
Was ist bloß mit den USA los? Woher kommt das Gift im politischen Betrieb? Das Lügen, Denunzieren und Dämonisieren, der Hass auf Minderheiten und die Unerbittlichkeit gegenüber den Schwachen? Wie konnte die Weißglut zur politischen Betriebstemperatur werden? Donald Trump und sein MAGA-Movement haben Wurzeln, die weit zurückreichen ins «amerikanische Jahrhundert». Dieses Buch legt sie frei.
Bernd Greiner erzählt eine andere Geschichte der USA der letzten hundert Jahre, die ebenso erhellend wie bedrückend ist. Es ist die Geschichte einer Gesellschaft, die sich innere Kriege leistet, befeuert von einem Extremismus der Mitte, der sich als das politische Metronom des Landes erweist. Im Mittelpunkt stehen weder Präsidenten noch Parteien. Im Mittelpunkt steht selbsternannte Hüter des Gemeinwohls, Bürgerinnen und Bürger, die im Namen der Demokratie anderen die demokratische Teilhabe streitig machen – mit minimaler Toleranz für politisch Unangepasstes, mit kompromisslosem Beharren auf eigenen Zielen, mit missionarischem Sendungsbewusstsein. Sie haben der Arbeiterbewegung das Rückgrat gebrochen, Linke aus dem politischen Leben verbannt, Rüstungs- und Kriegskritiker marginalisiert und die Dominanz der Weißen zementiert. Über allem thront die Maxime, dass wahre Macht auf der Angst der anderen beruht. Und dass Verunsicherung und Furcht den größeren Gewinn abwerfen. Anders gesagt: Wenn Donald Trump das einzige Problem wäre, hätte Amerika nur ein geringes Problem.

Ein Beitrag von Kai-Uwe Hülss M.A.
Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
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