Biden auf Roosevelts Spuren?

Den Sommerurlaub 2015 verbrachte Joe Biden mit seiner Familie auf Kiawah Island in South Carolina. Nach der Beerdigung von Sohn Beau, der kurz zuvor an einem Gehirntumor verstarb, diente das Urlaubsparadies südwestlich von Charleston als Rückzugsort für den Biden-Clan. Am 16 kilometerlangen Sandstrand versuchte der damals noch als Vizepräsident amtierende Biden Kraft zu tanken, sich von diesem Schicksalsschlag einigermaßen zu erholen. 

Sieben Jahre später suchte Familie Biden erneut den Palmenstaat auf, um sich eine Auszeit vom regen Washingtoner Politikbetrieb zu gönnen. Präsident Biden kam der Zeitpunkt seines schon länger geplanten Urlaubs gelegen, musste er sich doch noch von einer Coronavirus-Erkrankung erholen. Als Risikopatient wurde ihm das Medikament Paxlovid an fünf Tagen verabreicht. Nach einem sich daran anschließenden negativen Testergebnis wurde Präsident Biden jedoch nur kurze Zeit später erneut positiv getestet. Für insgesamt 16 Tage musste sich Präsident Biden von der Außenwelt isolieren.

Überraschender innenpolitischer erfolg

Nach überstandener Krankheit zeigte sich Präsident Biden im Urlaub während eines Radausflugs am Strand von Kiawah Island sichtlich erholt und entspannt. Letzteres sicherlich auf Grund der Tatsache, dass Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act kurz vor der parlamentarischen Sommerpause ein regelrechter Coup gelang. Mehr als ein Jahr lang wurde an der Gesetzesinitiative gearbeitet. Die moderaten demokratischen Senatoren Kyrsten Sinema und Joe Manchin blockierten bekanntlich bis zum Sommer diesen Jahres die Verabschiedung.

Doch dann die Wende mit einem modifizierten und weniger teuren Vorschlag. Anhand der Parteilinien verabschiedete der U.S. Senat das Gesetz mit 51 zu 50 Stimmen, Vizepräsidentin Kamala Harris löste die Pattsituation zugunsten der Demokraten auf. Im U.S. Repräsentantenhaus votierten 220 Abgeordnete für, 207 Parlamentarier gegen das von Präsident Biden als „eines der wichtigsten Gesetze in unserer Geschichte“ bezeichnete Programm. 

Das Hauptaugenmerk liegt bei dem Inflation Reduction Act, wie es schon der Name sagt, auf der Inflationsbekämpfung. Explizit soll hierbei das Haushaltsdefizit verringert, die Preise verschreibungspflichtiger Medikamente gesenkt, der Affordable Care Act für drei Jahre subventioniert und eine „gerechte Steuerreform“ durchgeführt werden. Von der Gesamtsumme in Höhe von $737 Milliarden sind $369 Milliarden für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz vorgesehen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.

Erfolgreiche innenpolitische Agenda

Der Inflation Reduction Act ist nicht der erste legislative Erfolg von Präsident Biden. Vor diesem Hintergrund unterzeichnete der 46. US-Präsident ebenso im August den CHIPS and Science Act. Das Gesetz fördert die Halbleiterforschung und -herstellung in den USA mit $280 Milliarden. Die Vereinigten Staaten wollen nach den negativen Erfahrungen der Lieferkettenunterbrechung, ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie, unabhängiger von Lieferanten, insbesondere aus Asien, werden. Das Gesetz wurde mit Stimmen aus beiden Parteien verabschiedet. 

Im November vergangenen Jahres gelang Präsident Biden zudem ein überparteiliches Infrastrukturpaket, an dem zuvor noch seine Vorgänger Donald Trump und Barack Obama scheiterten. Mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act werden zusätzliche $550 Milliarden in die Erneuerung von Straßen, Brücken und Schulen sowie für den Ausbau von Breitband, E-Ladestationen und die Sicherstellung von sauberem Wasser bereitgestellt. 

The president has delivered the largest economy recovery plan since Roosevelt, the largest infrastructure plan since Eisenhower, the most judges confirmed since Kennedy, the second largest health care bill since Johnson, and the largest climate change bill in history.
(Ron Klain, Stabschef des Weißen Hauses)

Zur Abmilderung der ökonomischen Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie setzte Präsident Biden zu Beginn seiner Amtszeit zudem den American Rescue Plan Act mit knappen Mehrheiten im U.S. Kongress durch. Die Staatshilfen sahen die Rekordsumme von $1,9 Billionen vor.

Demokraten distanzieren sich von Biden

Präsident Biden konnte somit bislang eine innenpolitische Agenda in der Höhe von $3,5 Billionen (!) erfolgreich durch den U.S. Kongress bringen. Hinzu gesellt sich eine striktere Waffengesetzgebung, zusätzliche Unterstützungsleistungen für Kriegsveteranen, sinkende Benzinpreise sowie die niedrigste Arbeitslosenquote in fünf Jahrzehnten. Lediglich die weiterhin hohe Inflationsrate in Höhe von 8,5 Prozent im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat wirft einen Schatten auf die bisherigen legislativen Erfolge.

Paradoxerweise sind viele demokratische Amtsträger und Wähler dennoch der Meinung, bislang nicht viel erreicht zu haben. Infolgedessen sehen insbesondere junge und progressive Demokraten den Präsidenten weiterhin kritisch. Laut einer repräsentativen Umfrage von NBC News/ Generation Lab sprechen sich 73 Prozent der College-Demokraten gegen eine zweite Amtszeit von Präsident Biden aus.

Demokratische Politiker distanzieren sich des Weiteren vermehrt vom Präsidenten. In Ohio wirbt beispielsweise Abgeordnete Marcy Kaptur in ihrem Wiederwahlkampf mit den Worten, dass sie nicht für Joe Biden, sondern für ihre Wähler arbeite. Forderungen aus den eigenen Reihen, dass sich Präsident Biden nicht zur Wiederwahl stellen solle, runden die innerparteiliche Kritik ab. 61 Prozent der kalifornischen Wähler, einer der liberalsten Staaten der USA, befürworten diesen Appell laut dem Berkeley Institute of Governmental Studies

Biden-Administration geht in die Kommunikationsoffensive

Die Biden-Administration versucht dem Einstellungsproblem vieler Demokraten und den herausfordernden Umfragen vor den Zwischenwahlen im November nun mit einer Kommunikationsoffensive entgegenzuwirken. In den nächsten Wochen sollen Regierungsmitglieder vermehrt durch die USA reisen und in Medien auftreten, um die bisherigen innenpolitischen Errungenschaften bekannt(er) zu machen. 

Die Leitlinien sind hierbei, dass die Regierung ihre Wahlversprechen hielt und ihren Fokus niemals verlor. Ebenso soll damit geworben werden, dass sich das Weiße Haus und Kongress-Demokraten gegen Lobbyisten zum Wohle des US-amerikanischen Volkes durchsetzen konnten. Der Reise- und Medienblitz ist vor dem Hintergrund der Midterms auch nötig. Mit Ausnahme von George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verlor in der Moderne nämlich die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen immer an Zustimmung. 

It is common sense to take a method and try it. If it fails, admit it frankly and try another. But above all, try something. (Präsident Franklin D. Roosevelt)

Präsident Roosevelt gilt derweil für Team Biden als der historische Orientierungspunkt schlechthin. Während der Great Depression verabschiedeten Demokraten unter Führung Roosevelts mit dem New Deal selbstbewusst umfassende Wirtschafts- und Sozialreformen. Bei den Zwischenwahlen 1934 konnten Demokraten daraufhin sogar jeweils neun Sitze im U.S. Senat und im U.S. Repräsentantenhaus hinzugewinnen.

Davon ist die Demokratische Partei im Jahr 2022 zwar weit entfernt. Das Halten einer knappen Mehrheit im U.S. Senat ist dennoch, auch auf Grund oben genannter legislativer Erfolge sowie qualitativ fragwürdiger republikanische Kandidaten, nicht unrealistisch. Präsident Biden könnte dann seinem nächsten Urlaub in South Carolina entspannter entgegensehen. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Forward Party; Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Merrick Garland – Der Attorney General

Als zuletzt die Hälfte der US-Amerikaner Vertrauen in den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten hatten, war Präsident George W. Bush noch in seinem zweiten Amtsjahr. Seitdem ging es kontinuierlich bergab für das Ansehen des Supreme Court. Am Ende der Ära von Präsident Barack Obama hatten nur noch 36 Prozent der US-Amerikaner Vertrauen in die Judikative. Im Juni diesen Jahres fiel dieser Wert laut der jährlich durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup auf nur noch 25 Prozent. 

Die Hauptschuld an dieser für den Zustand der US-amerikanischen Demokratie gefährlichen Entwicklung tragen die beiden großen Parteien, welche den Obersten Gerichtshof immer stärker ideologisieren und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versuchen. Mit Joe Biden und Donald Trump bezeichneten sogar die letzten beiden Präsidenten Entscheidungen des Supreme Court als „skandalös“. Die Parteiführer im U.S. Kongress unterminieren mit ihrer Arbeit im Hintergrund die eigentliche unabhängige Rolle der Judikative zudem. 

Perfektioniert hat dieses dunkle Spiel der Macht, welches schon nahezu an House of Cards erinnert, der republikanische Minderheitsführer im U.S. Senat, Mitch McConnell. Beispiel: Als im Februar 2016 der konservative Oberste Richter Antonin Scalia, verstarb, verweigerte der damals noch republikanisch dominierte U.S. Senat dem von Präsident Obama nominierten Merrick Garland das Votum. Die Begründung McConnells, der damals die Senatsmehrheit anführte: die im November anstehende Präsidentschaftswahl.

Gleichwohl es nicht ungewöhnlich ist, dass die konkurrierende Partei – sofern diese über die Senatsmehrheit verfügt – im Präsidentschaftswahljahr eine Nominierung für den Obersten Gerichtshof blockiert, lässt der mit neun Monaten vor der Wahl frühe Zeitpunkt und die Tatsache, dass es nicht einmal zu einer Anhörung kam, aufhorchen. Letztendlich ging es es McConnell darum, die Balance des Supreme Court zwischen Richtern, welche die Verfassung traditionell auslegen und Juristen mit einer moderneren Verfassungsauslegung kurzfristig zu wahren, um später den Obersten Gerichtshof bei weiteren Vakanzen im Sinne des Konservatismus zu stärken. 

14 Monate nach Scalias Ableben wurde letztendlich der von Präsident Trump nominierte Neil Gorsuch als Verfassungsrichter vereidigt. Dem seit dem Jahr 1997 am U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit amtierenden Richter Garland blieb folglich auch beim dritten Anlauf, schon in den Jahren 2009 und 2010 wurde er von Präsident Obama als Verfassungsrichter in Betracht gezogen, der Karriereschritt zum höchsten Gericht des Landes verwehrt. 

Das besonnene Auftreten und die Qualifikation des Harvard Law Absolventen blieb Joe Biden jedoch im Gedächtnis. Als neugewählter Präsident entschied sich Biden für Garland und gegen den als Favorit geltenden abgewählten U.S. Senator Doug Jones als Attorney General. Im politischen System der USA nimmt der Attorney General eine Zwitterstellung zwischen Justizminister und Generalstaatsanwalt ein. Für diese Position sollte Garland auch eine Mehrheit im U.S. Senat erhalten: Am 11.03.2021 bestätigten 70 U.S. Senatoren bei 30 Gegenstimmen die Personalie. 

Der im Jahr 1952 in Chicago, Illinois, geborene Garland wurde im Sinne des konservativen Judentums erzogen. Seine Wurzeln väterlicherseits liegen im zaristischen Russland. Aus dem Gebiet des heutigen Litauen und Polen emigrierten Garlands Großeltern zu Beginn des 20. Jahrhunderts wegen des ansteigendem Antisemitismus in die USA. Seit 1987 ist Garland mit Lynn, dessen Großvater einst die US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman beriet, verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. 

Dem Amt des Attorney General versucht Merrick Garland nach der auch in diesem Gebiet herausfordernden Ära Trump wieder mehr politische Unabhängigkeit zu verleihen. Kein leichtes Unterfangen, wird sich Garland doch auch damit befassen müssen, ob der ehemalige Präsident Trump auf Grund dessen Rolle rund um die Stürmung des U.S. Kapitols angeklagt werden sollte. Ob Garland als Teil der Biden-Administration der Bevölkerung wieder mehr Vertrauen in die Judikative vermitteln kann?

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; The White House; Biden-Transition; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Verteidigung der Checks and Balances

Donald Trump und progressive Demokraten sind vereint. Vereint in ihrer Ablehnung gegenüber der gegenwärtigen Besetzung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist eine Diskussion über die Judikative, die in gewohnter Regelmäßigkeit geführt wird. Politische Eigeninteressen stehen darin oftmals vor dem Wohle des Landes.

Doch worum geht es im konkreten Fall? Der 45. US-Präsident ist empört darüber, dass der Supreme Court ihm nicht eine weitere Amtszeit zuschanzte. Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl führte Trumps Kampagne einige Klagen gegenüber den, angeblich irregulären, Ablauf der Wahl. Die Judikative wies jedoch alle Wahlanfechtungen Trumps zurück.

Trump äußerte sich daraufhin „enttäuscht“ insbesondere über die von ihm nominierten Richter. Während seiner Amtszeit konnte der Republikaner bekanntlich drei von insgesamt neun Richter vorschlagen. Der U.S. Senat bestätigte alle drei Nominierten, so dass dem gegenwärtigen Supreme Court sechs Richter angehören, die von republikanischen Präsidenten nominiert wurden. Drei Richter gehen auf das Vorschlagsrecht demokratischer Präsidenten zurück.

Obwohl der Oberste Gerichtshof seine politische Unabhängigkeit im Fall Trump, wenig überraschend, erneut unter Beweis stellte, führten die ideologischen Mehrheitsverhältnisse zu Kritik bei progressiven Demokraten. Vereinfacht formuliert interpretieren von konservativen Präsidenten vorgeschlagene Richter die Verfassung in der Regel in einer traditionelleren Auslegung, von liberalen Präsidenten nominierte Richter legen die Verfassung eher offener, moderner aus.

Wir Richter lassen uns von juristischen Philosophien leiten, nicht von persönlichen politischen Meinungen. (Oberste Richterin Amy Coney Barrett)

Die Forderung nach einer Erhöhung der Anzahl der Richter, um die eigene politische Agenda durchzusetzen, wurde so lautstark formuliert, dass US-Präsident Joe Biden kurz nach Amtsantritt eine unabhängige Kommission einsetzte, um Reformen am Supreme Court zu überprüfen. Eine smarte Entscheidung, entpolitisierte Präsident Biden hierdurch zunächst die Debatte.

Die 36 Mitglieder starke Kommission veröffentlichte nun ihren vorläufigen Bericht. Neben einer Amtszeitbegrenzung, zum Beispiel in Form von 18 Jahren, gilt als wichtigstes Ergebnis, dass eine Erhöhung der Richteranzahl pessimistisch gesehen wird. Die Begründung: Dies würde einerseits das Vertrauen in die Judikative unterminieren, andererseits würde der Supreme Court zum Spielball der Parteien werden.

Der demokratische Mehrheitsführer im U.S. Senat, Chuck Schumer, bestätigte dies in den vergangenen Monaten sogar offen: Mit einer Erhöhung der Richteranzahl am Obersten Gerichtshof soll Amerika verändert werden. Als Beschützer der Verfassung ist der Supreme Court aber eben kein Instrument der Parteien zur Machtausübung, wie nun auch die von Präsident Biden einberufene Kommission unterstrich.

68 Prozent der US-Amerikaner sind gegen eine Erhöhung der Richteranzahl am Supreme Court. (Quelle: Repräsentative Umfrage des Wall Street Journal)

Wenn die Richtersprüche des Obersten Gerichtshofs nicht mit der eigenen politischen Meinung übereinstimmen, können und sollten in einem Rechtsstaat nicht einfach die Regeln geändert werden. Dies gilt für Trump ebenso wie für progressive Demokraten und allen anderen Akteuren. Auch die Checks and Balances gehören verteidigt – wie es die von Präsident Biden einberufene Kommission in ihrem vorläufigen Bericht nun tat.

Der Kampf um Einfluss auf die Judikative ist dennoch nicht beendet. Schon in den 1930er Jahren verfolgte Präsident Franklin D. Roosevelt das Ziel der Aufstockung des Supreme Courts  aus politischen Gründen. In den vergangenen 90 Jahren hat sich bei beiden Parteien am Versuch der – nachhaltigen – Beeinflussung des Obersten Gerichtshofs wenig verändert. Die größte Bedrohung der US-amerikanischen Demokratie, in diesem Fall in der Aushöhlung der Checks and Balances, kommt von innen – wie nicht zuletzt auch der Sturm auf das Kapitol in Washington D.C. am 06. Januar diesen Jahres zeigte.

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Ein Update für die Demokratie

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein Land der Superlative. Letzte verbliebene Supermacht, stärkstes Militär, Wirtschaftsmacht, Sportnation, Erfindergeist, lange Zeit Heimat der höchsten Wolkenkratzer der Welt. Die Aufzählung könnte fortgeführt werden, doch der im politischen Sinne wichtigste Aspekt ist zweifelsohne die Tatsache, dass die USA die weltweit am längsten bestehende Demokratie haben.

Herrschte schon seit ihrer Gründung am 04. Juli 1776 als Antwort auf die europäischen Monarchien ein demokratischer Grundkonsens bei den 13 unabhängigen US-amerikanischen Kolonien, werden seit dem Jahr 1788 landesweit alle vier Jahre der Präsident und alle zwei Jahre ein Teil des U.S. Kongresses gewählt. Kriege, Terrorattacken, Amtsmissbräuche, Attentate sowie Ermordungen oder Ableben von Amtshinhabern konnten auf Grund einer bestens ausgearbeiteten Verfassung, die alle Eventualitäten regelt, den feststehenden Wahlrhythmus nicht aushebeln.

Amtszeitbeschränkung für den Regierungschef 

In der 245-jährigen US-amerikanischen Demokratiegeschichte wurden zudem fortlaufend Verbesserungen am politischen System vorgenommen. Im Jahr 1951 wurde beispielsweise von den Bundesstaaten der 22. Zusatzartikel zur Verfassung ratifiziert, der seitdem die Amtszeit eines Präsidenten auf maximal zwei Amtsperioden beschränkt. Die mehr als zwölf Jahre andauernde Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt (1933 – 1945) wird somit unerreichbar bleiben.

Der Demokratie ist dies mitnichten abträglich. Eine Amtszeitbegrenzung bekämpft, so gut wie möglich, Amtsmüdigkeit und eine ausufernde Vetternwirtschaft. Des Weiteren wird der exekutive Ideenwettbewerb und der Tatendrang gefördert, da die Regierungszeit von vornherein auf höchstens acht Jahre begrenzt ist.

Eine Regelung, die so auch auf andere Länder übertragen werden sollte. Beispiel Deutschland: Egal wie die historische Bilanz nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Dr. Angela Merkel ausfallen mag, steht doch schon heute fest, dass insbesondere in den letzten Jahren einige notwendige Reformen und Anstrengungen, exemplarisch sollen an dieser Stelle die Digitalisierung und die Abmilderung der Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Sozialsysteme genannt sein, auf der Strecke geblieben sind.

BEgrenzung der Legislaturperioden auch für Abgeordnete

Eine Amtszeitbegrenzung sollte jedoch nicht nur für Regierende vorherrschen, sondern auch auf die Legislative ausgeweitet werden. Zur Veranschaulichung der Sinnhaftigkeit des Vorschlags lohnt sich der Blick auf jeweils ein US-amerikanisches und ein deutsches Parlamentsmitglied.

In den USA steht im kommenden Jahr der Senatorensitz von Chuck Grassley, der den Bundesstaat Iowa vertritt, planmäßig zur Wahl. Senator Grassley plant seinen Sitz zu verteidigen, hat seine erneute Kandidatur in den vergangenen Tagen angekündigt. Er ist 88 Jahre alt und seit 46 Jahren  Mitglied des U.S. Kongresses. Mit Ablauf der nächsten Wahlperiode (6 Jahre) wäre Grassley 95 Jahre alt.

Sogar noch etwas länger im Amt, nämlich seit dem Jahr 1972, also seit mittlerweile knapp 50 Jahren, ist Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) Mitglied des Deutschen Bundestages. Seinen ersten Amtseid schwor Dr. Schäuble kurz nach den Olympischen Sommerspielen in München, Deutschland war erst einmal Fußball-Weltmeister,  Willy Brandt amtierte als Bundeskanzler und Richard Nixon als US-Präsident.

Es hat nichts mit der Beurteilung der politischen Lebensleistung von Grassley und Dr. Schäuble zu tun, sich angesichts dieser beiden Karrieren die Frage zu stellen, in wie weit beide Persönlichkeiten das Volk nach Jahrzehnten in der professionellen Politik überhaupt noch ernsthaft vertreten können. Ausnahmen gibt es sicherlich, doch sind diese auch die Regel?

Eine Amtszeitbeschränkung von beispielsweise drei Legislaturperioden würde der Entfremdung einer Politikerkaste von der Bevölkerung sicherlich entgegenwirken. Sich ein komplettes Berufsleben ausschließlich mit einem Politiker-Dasein zu verdingen, steht sicherlich fundamental entgegen der ursprünglichen Idee des politischen Systems der Herrschaft des Volkes.

Mindestalter für ABgeordnete als gutes Beispiel 

Berufspolitiker sollten zudem eine gewisse persönliche Reife und Qualifikation mit sich bringen. Die Verfassung der Vereinigten Staaten schreibt vor diesem Hintergrund für die Wahl der Mitglieder des U.S. Kongresses bestimmte Regeln vor. Zu diesen gehört unter anderem ein Mindestalter von 30 Jahren für U.S. Senatoren und 25 Jahren für Mitglieder des U.S. Repräsentantenhauses. Der heutige Präsident Joe Biden wurde beispielsweise einst im jüngsten möglichen Alter in den U.S. Senat gewählt. 

Eine Regelung, die sich auch Deutschland in Teilen von den USA abschauen sollte. Beispielsweise könnte für Direktkandidaten, die eine noch höhere Verantwortung gegenüber ihrem Wahlbezirk haben, ein (höheres) Mindestalter eingeführt werden. Für Listenkandidaten hingegen könnte bis auf die Erfüllung der Volljährigkeit keine weiterführende Altersforderung gestellt werden, so dass auch die jüngste Erwachsenengruppe im Parlament repräsentiert werden kann. Der „Drei-Saal-Karriere“ Kreißsaal, Hör-/Schulsaal, Plenarsaal könnte hiermit zumindest in Ansätzen entgegengewirkt werden. 

Eine gesunde Demokratie benötigt regelmässige updates

Für den einstigen britischen Premierminister Winston Churchill war die Demokratie „die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ Die Möglichkeit eines friedvollen Machtwechsels durch eine freie, geheime Wahl des Volkes ist keine Selbstverständlichkeit. Die Errungenschaft der Demokratie sollte geschützt, gestärkt und weiterentwickelt werden. Eine Beschränkung der Amtszeit für Regierende und der Legislaturperioden für Abgeordnete sowie ein Mindestalter sind diskussionswürdige Vorschläge hierfür. Deutschland kann vor diesem Hintergrund von den USA ebenso lernen wie die Vereinigten Staaten von ihrer eigenen Demokratiegeschichte.  

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Loyalität First

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“ Diese Worte von Präsident John F. Kennedy sollten US-Amerikaner unter anderem einst auf dessen Kurs gegenüber der UdSSR einstimmen. Es ist jedoch auch ein Zitat, welches die US-amerikanische Mentalität bestens beschreibt: Jede Person, die hart arbeitet, kann im Land der unbegrenzten Möglichkeiten alles erreichen.

Der gegenwärtige US-Präsident Joe Biden stimmt dem nur bedingt zu. Das Sozialsystem soll ausgebaut werden, insbesondere Minderheiten, Frauen und Kinder vermehrt von staatlicher Unterstützung profitieren. Ein Kindergeld soll ebenso eingeführt werden wie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und das Recht auf Elternzeit. Der bei US-Amerikanern bislang traditionell beliebte schlanke Staat soll sozialdemokratisiert, ausgebaut werden.

Für die Partei Ronald Reagans, der in einem starken Staat das Problem schlechthin sah, eigentlich eine Steilvorlage, um aus der Opposition heraus nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen. Doch die Jahre unter der Führung von Donald Trump, der einige republikanische Prinzipien über Bord warf, gingen an der Grand Old Party nicht spurlos vorbei. Die Auseinandersetzung zwischen Traditionalisten und Trumpisten ist – erneut – offen entbrannt.

Exemplarisch gilt hierbei der Machtkampf um den GOP conference chair, dem dritthöchsten Amt der Partei im U.S. Repräsentantenhaus. Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick, gehört zwar zum republikanischen Establishment. Die einflussreiche konservative Denkfabrik Heritage Action gibt ihr zudem ein gutes Rating von 82 Prozent.

Doch Cheney kritisierte in den vergangenen Monaten kontinuierlich Trumps Wahlfälschungstheorien, machte ihn für den Sturm auf das U.S. Kapitol mitverantwortlich. Obwohl sie während Trumps Präsidentschaft mit 93 Prozent seiner Anliegen im U.S. Repräsentantenhaus stimmte, wird ihr das Aussprechen von Wahrheiten als mangelnde Loyalität ausgelegt und somit zum Verhängnis.

Die Fraktion der Republikanischen Partei im U.S. Repräsentantenhaus plant Cheney nun mit Elise Stefanik zu ersetzen. Eine rising star, der von Heritage Action zwar lediglich ein Rating von 56 Prozent bescheinigt wird und nur 78 Prozent aller Trump-Anliegen unterstützte, jedoch den 45. US-Präsidenten während der beiden Impeachments vehement verteidigte.

In der Republikanischen Partei nach Trump ist Loyalität zum Ex-Präsidenten nach wie vor von höherer Bedeutung als die politische Einstellung. Die Grand Old Party sucht weiterhin nach ihrem politischen Weg, nach ihrer zukünftigen Ausrichtung. Joe Biden, der das Land so stark progressiv umbauen will wie zuletzt Franklin D. Roosevelt, kann dies nur Recht sein.