Boltons ungehörte Warnung

Sie sind für ihren enormen Mut ebenso bekannt wie für ihre Achtsamkeit und Geduld: Falken. Der Vogel der Krieger beobachtet seine potentielle Beute mit seinen scharfen Augen, in kürzester Zeit kann er große Distanzen überqueren. Kleinere Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien leben in ständiger Bedrohung von einem Falken gerissen zu werden.

Wie in der Natur gibt es auch in der Politik Falken. Von gewaltsamen Regierungsumstürzen durch äußere Unterstützung sind solche Politiker und sicherheitspolitische Experten ebenso wenig abgeneigt wie von Militärinterventionen. Unliebsame Regierungschefs leben in ständiger Gefahr in das Blickfeld eines politischen Falken zu geraten.

Bolton als Sinnbild des US-amerikanischen Falken

Zu dieser, in der Öffentlichkeit oftmals unliebsamen, Gattung des politischen Betriebs gehört der mittlerweile 73 Jahre alte John Bolton. Sein Wissen gab er bislang mit Ronald Reagan, George H.W. Bush, George W. Bush und Donald Trump an vier republikanische US-Präsidenten weiter. Die prominentesten Rollen nahm Bolton als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen zwischen August 2005 und Dezember 2006 sowie als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Trump zwischen April 2018 und September 2019 ein. 

Seit dem 20.01.2021, dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden, hat die Volksrepublik China Bolton zur unerwünschten Person erklärt.

Letztgenannten Arbeitsplatz verlor Bolton, nachdem ihm der damalige Präsident Trump wegen grundlegenden Meinungsverschiedenheiten in der Außen- und Sicherheitspolitik zum Rücktritt aufforderte. Bolton hat nicht erst seitdem kein gutes Wort über den 45. US-Präsidenten übrig. Er bezeichnete Trump unter anderem schon mehrmals als den „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“. In „The Room Where It Happened“ schrieb Bolton sodann seine Erfahrungen mit Trump, den er darin als inkompetent und korrupt beschrieb, nieder. 

So umstritten Boltons Ansichten und insbesondere dessen aggressive Vorschläge oftmals sein mögen, weist er doch einen scharfsinnigen Blick für sicherheitspolitische Entwicklungen auf. Während seiner Tätigkeit im Weißen Haus rückte der belarusische Präsident Alexander Lukashenko in das Blickfeld von Bolton. Im Gegensatz zu vielen anderen Diktatoren musste sich Lukashenko jedoch nicht fürchten, die Aufmerksamkeit Boltons generiert zu haben. Bolton hatte das größere Bild, die russischen Expansionsbestrebungen im Sinn. 

Vor 2020: Tauwetter zwischen den USA und Belarus

Im September 2019 reiste Bolton, damals noch als Nationaler Sicherheitsberater, sodann in die Republik Belarus. Es war der höchstrangige US-Besuch in Minsk seit Präsident Bill Clinton im Jahr 1994. Dies alleine unterstreicht schon das vorangegangene schlechte Verhältnis zwischen den USA und Belarus. Die Gründe hierfür lagen nicht zuletzt bei einer schon im Jahr 2006 von Lukashenko abermals gefälschten Präsidentschaftswahl und Repressionen gegen die eigene Bevölkerung begründet. Infolgedessen statteten in den vergangenen beiden Dekaden nicht einmal höhere US-Beamte der ehemaligen sowjetischen Teilrepublik einen Besuch ab.

Bolton durchbrach die Eiszeit zwischen beiden Nationen wegen zweierlei Gründe: Einerseits öffnete sich Lukashenko nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 erneut dem Westen. Eine Abgrenzung zu Moskau folgte, da der Kreml immer offensiver davon sprach für alle russischsprachigen Völker Verantwortung tragen zu wollen. Eine Wortwahl, mit der 2022 auch die russische Invasion der Ukraine begründet werden sollte. 

Lukashenko duldete auf einmal selbst die moderate Ausbildung einer eigenständigen belarusischen Identität: Das Besuchen von belarusischen Sprachkursen sowie das Tragen von traditioneller Kleidung waren beispielsweise in der sowjetisch-nostalgischen Diktatur, die ansonsten einer Mini-Sowjetunion 2.0 gleicht, möglich. Für die Ausübung genannter Beispiele musste die Bevölkerung zuvor noch mit Repressionen rechnen. Als Bolton nach Minsk reiste, erlebten Belarusen die vergleichsweise größten ihnen zugestandenen Freiheiten in Jahrzehnten. Die belarusische Diktatur grenzte sich deutlich von Russland ab.

Bolton erkannte russisches Bedrohungspotential frühzeitig

Andererseits erkannte Bolton, wie oben schon angedeutet, das russische Bedrohungspotential für die Souveränität und territoriale Integrität der Republik Belarus und damit auch für die angrenzenden NATO-Staaten Polen, Litauen und Lettland frühzeitig. Dementsprechend gab Bolton Lukashenko folgende Worte mit auf den Weg:

Ihre Nation sollte nicht in die Abhängigkeit von nur einem Partner gezwungen werden. Dies gilt in Bezug auf Ihren Wohlstand und Ihre Sicherheit. 

Bolton warnte damit vor einer weitergehenden Integration mit Russland, die primär der Kreml vorantrieb und auch weiterhin bis zum heutigen Tage aggressiv vorantreibt. Selbst von einer „ruhigen Annexion“, im Gegensatz zum gegenwärtigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, war die Rede.

Lukashenko war und ist sich dies auch bewusst, ein Botschafteraustausch wurde vereinbart, die Abnahme von US-amerikanischem Rohöl zur Verringerung von der russischen Abhängigkeit wurde diskutiert. Bolton betonte zudem, dass Belarus nicht zwischen den USA und Russland wählen müsse. Sogar US-Außenminister Mike Pompeo schloss Anfang 2020 einen weiteren Besuch in Minsk an. 

Zurück auf Los namens Moskau

Doch dann kam die Coronavirus-Pandemie, welche Lukashenko nicht ernst nahm. Die Bevölkerung, die später selbst kaum Eigenverantwortung zur Einhegung der Pandemie zeigte, fühlte sich von ihrem autoritären Präsidenten, zumal nicht nur auf diesem Gebiet, im Stich gelassen. Erste Demonstrationen folgten. Die für August 2020 anberaumte „Präsidentschaftswahl“ füllte die Proteste gegen Lukashenko, und nicht wie später von vielen westlichen Politikern und Medien für Demokratie und Westbindung behauptet, zudem mit Leben.

Glichen die Proteste vor der „Wahl“ noch nahezu den Feierlichkeiten bei einer Fußball-WM, überströmte Lukashenko mit dem „Wahl“abend sein Land mit einer nie dagewesenen Gewalt. Die größten Demonstrationen seit Ende der Sowjetunion konnten dennoch zunächst vom Regime nicht aufgehalten werden.

Doch der wochenlange Aufstand, der von einer hilflosen neuartigen Opposition, ursprüngliche Oppositionelle sind schon seit Jahren im Exil oder in Gefangenschaft, ungenügend (wenn überhaupt) geplant wurde, konnte von Lukashenkos Schergen mit russischer Hilfe brutal niedergeschlagen werden. Ohne die Unterstützung des Kremls, der Spezialeinheiten, Waffen und Medienschaffende nach Belarus schickte, hätte Lukashenko den Aufstand weder (politisch) überlebt noch den Staatsterrorismus bis heute fortführen können.

Auch zwei Jahre nach dem Aufstand haben die Repressionen an Intensität kaum nachgelassen. Selbst zahlreiche Privatschulen oder öffentliche Schulen, die auf Belarusisch, Litauisch oder Polnisch (in Belarus gibt es große litauische und polnische Minderheiten) unterrichten, wurden von den Behörden geschlossen. Die berühmte katholische Kirche der Heiligen Simon und Helena in Minsk wurde ebenso beschlagnahmt wie das Soziale Zentrum, Priester wurden aus ihren Wohnungen vertrieben. Die katholische Kirche stellte sich 2020 hinter den Anliegen der demonstrierenden Bevölkerung.  

Entscheidender Fehler des Westens

In dieser Situation beging insbesondere die Europäische Union einen, im Rückblick betrachtet noch offensichtlicheren, entscheidenen Fehler. Schon am 09. August 2021 schrieb der Autor dieses Beitrags für „1600 Pennsylvania“:

Um seine Macht zu sichern, bleibt Lukashenko auf Grund seines eigenen strategischen Versagens nichts anders übrig, als sich an Putin zu wenden. Dieser hilft bereitwillig mit Krediten, Sicherheitskräften und PR-Leuten. Westliche Sanktionen in der derzeitigen Form lassen Belarus in ökonomischer, politischer sowie zivilgesellschaftlicher Hinsicht noch abhängiger von Russland werden. Nach einem Jahr belarusischer Revolution sitzt der Gewinner im Kreml, dank Lukashenkos Brutalität gegenüber seinem eigenen Volk und einer fehlenden langfristigen Belarus-Strategie des Westens.

Lukashenkos Finanzier Putin wurde vom Westen also nicht zur Verantwortung gezogen. Die einseitigen westlichen Sanktionen gegenüber Belarus führten folglich zu einer noch stärkeren Abhängigkeit Minsks von Moskau. Es erfolgte am 24. Februar 2022 die russische Invasion der Ukraine, die auch über belarusisches Staatsgebiet vonstatten ging.

Entgegen der bei westlichen Medien und Politikern weit verbreiteten Meinung hat Lukashenko belarusisches Territorium für die Ausführung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht freiwillig zur Verfügung gestellt. Ihm blieb zur Sicherung der eigenen Macht schlichtweg nichts anderes übrig. Selbst der Aufmarsch russischer Panzer in Minsk war und ist kein abwegiges Szenario. Der Weg nach Westen war Lukashenko schließlich durch eigenes Fehlverhalten (Ursache) und einer wenig durchdachten Sanktionspolitik verschlossen. 

Auch Bolton warnte

Im November 2021, also drei Monate vor Kriegsbeginn, warnte auch Bolton bei CNBC über die zu kurz gedachte westliche Belarus-Politik:

Ich denke, dass wir alle einen Fehler machen, indem wir uns auf Lukashenkos Repressionen gegenüber der Opposition und deren Verlangen nach einer freien, repräsentativen Regierung in Belarus konzentrieren. Natürlich kann nichts rechtfertigen, was Lukashenko getan hat. Doch die Gefahr für Lukashenko ist, dass er bei anhaltenden oppositionellen Tätigkeiten nicht mehr sein eigenes autoritäres Regime in Belarus aufrechterhalten kann und nach noch mehr russischer Hilfe rufen muss. Passiert dies, werden Belarusen möglicherweise nie mehr die Möglichkeit haben eine freie Regierung zu bekommen. 

Schon im Mai 2021 formulierte Bolton in The Washington Post:

Es ist sicher, dass Sanktionen und Äußerungen des Missfallens mit Lukashenko weder sein Verhalten noch sein Regime ändern werden. Vielmehr wird es ihn tiefer in Putins Umklammerung treiben. Das Risiko besteht, dass er hierdurch, möglicherweise für immer, Belarus verliert. 

Bolton sah die territoriale Integrität und Souveränität der Republik Belarus unter einer enormen Bedrohung durch das russische Expansionsbestreben ausgesetzt. Doch er blieb ungehört. Nach einer Entführung einer Ryanair-Maschine und die Inhaftierung zweier Passagiere verabschiedete die EU weitere einseitige Sanktionen gegen Belarus. Dabei half Russland bei dieser Luftpiraterie mit. Wie schon bei der verhaltenen Reaktion auf die russische Annexion der Krim 2014 verfolgte der Westen auch diesmal eine Appeasement-Politik gegenüber dem Kreml.

Aus Fehlern lernen

Doch was hätte der Westen, abgesehen von der Erarbeitung einer seit Jahrzehnten fehlenden langfristig angelegten Belarus-Strategie, anders machen sollen? Laut Bolton hätte der Westen unter Führung der USA ein Übereinkommen mit Lukashenko finden sollen, damit dieser die Macht abgibt, um den russischen Einfluss auf Belarus zu begrenzen. Lukashenko und dessen Familie hätte man eine „schöne Villa an der Riviera“ anbieten können, so Bolton.

Lukashenko und Putin verbindet eine Hassliebe. Minsk steht mitnichten zu 100% hinter Moskau wie auch die FAZ in einem Kommentar treffend feststellte.

Ein ungeliebter Diktator im Exil, ein typischer Lösungsvorschlag politischer Falken. Doch egal wie man zu Boltons Idee stehen mag, im Gegensatz zu den Verantwortlichen in Berlin oder Washington D.C. sah er frühzeitig in den russischen Expansionsbestrebungen, auch auf das Gebiet der Republik Belarus, eine Herausforderung für den Frieden in Europa. Bolton kritisierte  folgerichtig auch, dass Präsident Biden ohne einen Osteuropa-Plan in das Treffen mit Putin im Juni 2021 ging.

Den scharfsinnigen Analysen eines politischen Falken sollten unter gegebenen Umständen doch mehr Gehör geschenkt werden. Denn die nächsten Herausforderungen warten bereits. Die Republik Belarus bereitet sich gegenwärtig (gezwungenermaßen) auf die Ankunft von bis zu 20.000 zusätzlichen russischen Soldaten, sofern diese rekrutiert werden können, für eine mögliche Frühjahrsoffensive gegen die Ukraine vor. Flugplätze werden ausgebaut, Bahnschienen erneuert, Barracken erweitert.

Der Tanz des belarusischen Diktators zwischen Ost und West geht indes unvermindert weiter. Verbal findet Lukashenko traditionell positive Worte für Russland und übernimmt die Propaganda des Kreml. Zuletzt gab es aber auch wieder vorsichtige Anzeichen der Annäherung an den Westen:

Der Krieg muss beendet werden, um den nuklearen Abgrund zu verhindern.
(Im Gegensatz zu russischen Offiziellen spricht Lukashenko vermehrt von „Krieg“)

Gleiches gilt für explizite Taten: Einerseits hielt das belarusische Militär außerordentliche Übungen mit russischen Soldaten ab, eine gemeinsame Kampftruppe wurde zudem vereinbart. Andererseits wurde der Geheimdienst KGB direkt Lukashenko unterstellt – aus Angst vor den russischen Truppen im Land. Außerdem genießen die Bewohner Litauens und Polens eine temporäre visumsfreie Einsreise in die Republik Belarus. Zur Eindämmung der Großmachtfantasien eines Vladimir Putin sollte der Westen Belarus mehr Aufmerksamkeit schenken. Achtsamkeit, Geduld und ein scharfsinniger Blick von (politischen) Falken mag dabei helfen. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

#NeverForget: 11. September 2001

Am 11. September 2001 ereignete sich der bis dato weltweit tödlichste Terrorangriff. Insgesamt verloren 2.996 Menschen unmittelbar ihr Leben. Sogar noch weitaus mehr Personen starben an den Folgen des Terroranschlags, beispielsweise auf Grund von Atemwegserkrankungen, die durch den Einsturz der Wolkenkratzer ausgelöst wurden. Mehr als 6.000 Menschen erlitten, teils schwere, Verletzungen.

Geplant von al-Kaida-Anführer Osama bin Laden entführten an jenem Dienstag 19 Islamisten vier Passagierflugzeuge. Die Selbstmordattentäter steuerten zwei Maschinen in die beiden Türme des World Trade Center zu New York City, wobei 2.753 Personen getötet wurden. Ein weiteres Flugzeug flog in das Pentagon in Washington D.C. und tötete 184 Menschen. Eine vierte Maschine stürzte über Pennsylvania ab, nachdem die Passagiere die Terroristen überwältigen konnten.

Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York City, Washington D.C. und Pennsylvania sagte der radikale islamistische Terrorismus dem Westen unmissverständlich den Kampf an. Eine neue Zeitrechnung begann. Die USA nahmen die Herausforderung an, riefen unter Präsident George W. Bush den Krieg gegen den Terror aus. Streitbare Kriege in Afghanistan – zunächst gegen die für die Anschläge verantwortliche Organisation al-Kaida, später gegen die regierende fundamentalistische Taliban – und im Irak folgten.

Unter der Führung von Präsident Barack Obama wurde am 02. Mai 2011 bin Laden zur Verantwortung gezogen. In Abbottabad, Pakistan, spürten US-Spezialeinheiten den Terrorfürsten auf und erschossen bin Laden bei der Erstürmung seines Anwesens. Zum zwanzigsten Jahrestag des Terroranschlags erfolgte sodann der von Präsident Joe Biden befehligte, jedoch wenig durchdachte und letztendlich chaotische, Abzug der letzten in Afghanistan verbliebenen Truppen.

Die Taliban herrschen seitdem wieder über das Land, versprachen jedoch zuvor in Verhandlungen mit den USA keine Terrornetzwerke mehr auf ihrem Staatsgebiet zu dulden. Nichtsdestotrotz hielt sich Aiman al-Sawahiri, Nachfolger bin Ladens als al-Kaida-Chef, im August diesen Jahres in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf. US-Geheimdienste spürten ihn auf, ein US-Drohnenangriff eliminierte sodann al-Sawahiri. Gleichwohl aus der öffentlichen Debatte nahezu verschwunden, ist der Kampf gegen den weltweiten islamistischen Terrorismus auch 21 Jahre nach 9/11 noch lange nicht abgeschlossen.

Die ZDF heute Nachrichten vom 11. September 2001
Die Tagesschau vom 11. September 2001
CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE (ORTSZEIT)

08:46 Uhr: Flug AA 11 schlägt im Nordturm des World Trade Center ein.

09:03 Uhr: Flug UA 175 schlägt im Südturm des World Trade Center ein.

09:37 Uhr: Flug AA 77 fliegt in das Pentagon.

09:59 Uhr: Der Südturm des World Trade Center stürzt ein.

10:03 Uhr: Flug UA 93 stürzt bei Shanksville ab.

10:28 Uhr: Der Nordturm des World Trade Center stürzt ein.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Wie Biden die Judikative prägt

Ein wesentliches Merkmal eines jeden Rechtsstaates ist die explizite Teilung der Gewalten. Dementsprechend darf eine Institution weder unterschiedliche Gewaltenfunktionen ausüben, noch darf eine Person mehreren Gewalten gleichzeitig angehören. Während die gesetzgebende Gewalt (Legislative; Parlament) und die ausführende Gewalt (Exekutive; Regierung und Verwaltung) im Fokus der Öffentlichkeit stehen, genießt die rechtsprechende Gewalt (Judikative) oftmals ein Schattendasein.

Lediglich bei Grundsatzentscheidungen auf höchster Ebene, zum Beispiel durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland oder des Supreme Court in den USA, gehören die Schlagzeilen der Judikative, die durch unabhängige Richter ausgeübt wird. Die Bedeutung der richterlichen Gewalt im Staat, deren Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist, rückt dabei oftmals in den Hintergrund.

Die Judikative in den USA

Das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten ist der Supreme Court mit Sitz in Washington D.C. Dieser ist sogleich auch der einzige Gerichtshof, der in der US-Verfassung explizit Erwähnung findet. Dem Obersten Gerichtshof gehören (gegenwärtig) neun Richter an, die zuvor vom Präsidenten nominiert wurden und nach einer Befragung im Justizausschuss des U.S. Senats die Zustimmung dieser Parlamentskammer erhielten. Verfassungsrichter genießen de facto eine unbegrenzte Amtszeit. In der Regel verhandelt der Supreme Court Berufungsfälle unterer Gerichte, zumeist Streitigkeiten über die Auslegung und Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen auf Bundes- oder Staatsebene. 

Eine Ebene unter dem Obersten Gerichtshof befinden sich 13 Appellationsgerichte auf Bundesebene (Federal Courts of Appeals) sowie eine weitere Stufe darunter 95 Distriktgerichte auf Bundesebene (Federal District Courts). Laut der Website der US-Botschaft in Deutschland befassen sich diese Bundesgerichte „mit Fällen, die die Verfassung, das Bundesrecht oder Bundesverträge betreffen. Außerdem sind sie für das Seerecht zuständig sowie für solche Fälle, bei denen ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind.“

Präsidenten prägen Judikative

Da US-Präsidenten die Richter auf Bundesebene nominieren, eine Zustimmung des U.S. Senats ist für eine erfolgreiche Bestätigung notwendig, können diese die Ausrichtung der Judikative, Stichwort wortwörtliche versus moderne Auslegung der Verfassung, beeinflussen. Die Präsidentschaft von Donald Trump gilt in diesem Bereich als für die Republikanische Partei als sehr erfolgreich, nominierte dieser doch drei Verfassungsrichter, 54 Appellationsrichter und 174 Distriktrichter erfolgreich. Mitch McConnell, Fraktionsführer der Republikaner im U.S. Senat, bereitete diese legitime „heimliche Revolution“, wie es ZEIT Online schon im Jahr 2017 nannte, jahrelang vor. 

Doch auch der demokratische Präsident Joe Biden ist auf einem guten Weg, die Judikative für die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, zu prägen. Bis zur parlamentarischen Sommerpause im August diesen Jahres nominierte Präsident Biden gar so viele Richter wie kein anderer Amtsinhaber des Weißen Hauses seit Präsident John F. Kennedy. Laut den Daten des Pew Research Center schlug Präsident Biden insgesamt 75 Bundesrichter erfolgreich vor. Zum gleichen Zeitpunkt ihrer jeweiligen Präsidentschaft kamen Trump auf 51, Barack Obama auf 42, George W. Bush auf 72 und Bill Clinton auf 74 Richter.

Biden diversifiziert die Judikative

Explizit hat Präsident Biden bislang eine Verfassungsrichterin, 18 Appellationsrichter und 57 Distriktrichter durch den U.S. Senat, in dessen Kammer die Demokratische Partei eine hauchdünne Mehrheit besitzt, bringen können. Präsident Biden legt bei den Nominierten großen Wert auf die Stärkung von Gruppen, die bislang in der Judikative unterrepräsentiert sind. Vor diesem Hintergrund sind 76 Prozent aller bisher von Präsident Biden vorgeschlagenen Richter weiblich. Bei Obama lag diese Quote noch bei 50 Prozent, bei Clinton bei 36 Prozent sowie bei den republikanischen Präsidenten Trump bei 29 Prozent und bei Bush bei 22 Prozent. 

Knapp zwei Drittel der von Biden nominierten Richter entstammen einer ethnischen Minderheit – weitaus mehr als bei jedem anderen bisherigen Präsidenten. Von den 75 erfolgreich nominierten Richtern gehören 18 der afroamerikanischen, 13 der hispanischen, zehn der asiatischen und acht sonstigen Minderheiten an. Präsident Biden hält somit sein Wahlversprechen, die Vielfältigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika auch in der Exekutive sowie in wichtigen Positionen der Judikative abzubilden. Die heutige Generation der weißen US-Amerikaner, immerhin gehören dieser Gruppe laut dem Zensus aus dem Jahr 2020 weiterhin mehr als 60 Prozent der Bevölkerung an, gilt derweil in der Ära Biden als Opfer vergangener Missstände.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Biden auf Roosevelts Spuren?

Den Sommerurlaub 2015 verbrachte Joe Biden mit seiner Familie auf Kiawah Island in South Carolina. Nach der Beerdigung von Sohn Beau, der kurz zuvor an einem Gehirntumor verstarb, diente das Urlaubsparadies südwestlich von Charleston als Rückzugsort für den Biden-Clan. Am 16 kilometerlangen Sandstrand versuchte der damals noch als Vizepräsident amtierende Biden Kraft zu tanken, sich von diesem Schicksalsschlag einigermaßen zu erholen. 

Sieben Jahre später suchte Familie Biden erneut den Palmenstaat auf, um sich eine Auszeit vom regen Washingtoner Politikbetrieb zu gönnen. Präsident Biden kam der Zeitpunkt seines schon länger geplanten Urlaubs gelegen, musste er sich doch noch von einer Coronavirus-Erkrankung erholen. Als Risikopatient wurde ihm das Medikament Paxlovid an fünf Tagen verabreicht. Nach einem sich daran anschließenden negativen Testergebnis wurde Präsident Biden jedoch nur kurze Zeit später erneut positiv getestet. Für insgesamt 16 Tage musste sich Präsident Biden von der Außenwelt isolieren.

Überraschender innenpolitischer erfolg

Nach überstandener Krankheit zeigte sich Präsident Biden im Urlaub während eines Radausflugs am Strand von Kiawah Island sichtlich erholt und entspannt. Letzteres sicherlich auf Grund der Tatsache, dass Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act kurz vor der parlamentarischen Sommerpause ein regelrechter Coup gelang. Mehr als ein Jahr lang wurde an der Gesetzesinitiative gearbeitet. Die moderaten demokratischen Senatoren Kyrsten Sinema und Joe Manchin blockierten bekanntlich bis zum Sommer diesen Jahres die Verabschiedung.

Doch dann die Wende mit einem modifizierten und weniger teuren Vorschlag. Anhand der Parteilinien verabschiedete der U.S. Senat das Gesetz mit 51 zu 50 Stimmen, Vizepräsidentin Kamala Harris löste die Pattsituation zugunsten der Demokraten auf. Im U.S. Repräsentantenhaus votierten 220 Abgeordnete für, 207 Parlamentarier gegen das von Präsident Biden als „eines der wichtigsten Gesetze in unserer Geschichte“ bezeichnete Programm. 

Das Hauptaugenmerk liegt bei dem Inflation Reduction Act, wie es schon der Name sagt, auf der Inflationsbekämpfung. Explizit soll hierbei das Haushaltsdefizit verringert, die Preise verschreibungspflichtiger Medikamente gesenkt, der Affordable Care Act für drei Jahre subventioniert und eine „gerechte Steuerreform“ durchgeführt werden. Von der Gesamtsumme in Höhe von $737 Milliarden sind $369 Milliarden für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz vorgesehen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.

Erfolgreiche innenpolitische Agenda

Der Inflation Reduction Act ist nicht der erste legislative Erfolg von Präsident Biden. Vor diesem Hintergrund unterzeichnete der 46. US-Präsident ebenso im August den CHIPS and Science Act. Das Gesetz fördert die Halbleiterforschung und -herstellung in den USA mit $280 Milliarden. Die Vereinigten Staaten wollen nach den negativen Erfahrungen der Lieferkettenunterbrechung, ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie, unabhängiger von Lieferanten, insbesondere aus Asien, werden. Das Gesetz wurde mit Stimmen aus beiden Parteien verabschiedet. 

Im November vergangenen Jahres gelang Präsident Biden zudem ein überparteiliches Infrastrukturpaket, an dem zuvor noch seine Vorgänger Donald Trump und Barack Obama scheiterten. Mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act werden zusätzliche $550 Milliarden in die Erneuerung von Straßen, Brücken und Schulen sowie für den Ausbau von Breitband, E-Ladestationen und die Sicherstellung von sauberem Wasser bereitgestellt. 

The president has delivered the largest economy recovery plan since Roosevelt, the largest infrastructure plan since Eisenhower, the most judges confirmed since Kennedy, the second largest health care bill since Johnson, and the largest climate change bill in history.
(Ron Klain, Stabschef des Weißen Hauses)

Zur Abmilderung der ökonomischen Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie setzte Präsident Biden zu Beginn seiner Amtszeit zudem den American Rescue Plan Act mit knappen Mehrheiten im U.S. Kongress durch. Die Staatshilfen sahen die Rekordsumme von $1,9 Billionen vor.

Demokraten distanzieren sich von Biden

Präsident Biden konnte somit bislang eine innenpolitische Agenda in der Höhe von $3,5 Billionen (!) erfolgreich durch den U.S. Kongress bringen. Hinzu gesellt sich eine striktere Waffengesetzgebung, zusätzliche Unterstützungsleistungen für Kriegsveteranen, sinkende Benzinpreise sowie die niedrigste Arbeitslosenquote in fünf Jahrzehnten. Lediglich die weiterhin hohe Inflationsrate in Höhe von 8,5 Prozent im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat wirft einen Schatten auf die bisherigen legislativen Erfolge.

Paradoxerweise sind viele demokratische Amtsträger und Wähler dennoch der Meinung, bislang nicht viel erreicht zu haben. Infolgedessen sehen insbesondere junge und progressive Demokraten den Präsidenten weiterhin kritisch. Laut einer repräsentativen Umfrage von NBC News/ Generation Lab sprechen sich 73 Prozent der College-Demokraten gegen eine zweite Amtszeit von Präsident Biden aus.

Demokratische Politiker distanzieren sich des Weiteren vermehrt vom Präsidenten. In Ohio wirbt beispielsweise Abgeordnete Marcy Kaptur in ihrem Wiederwahlkampf mit den Worten, dass sie nicht für Joe Biden, sondern für ihre Wähler arbeite. Forderungen aus den eigenen Reihen, dass sich Präsident Biden nicht zur Wiederwahl stellen solle, runden die innerparteiliche Kritik ab. 61 Prozent der kalifornischen Wähler, einer der liberalsten Staaten der USA, befürworten diesen Appell laut dem Berkeley Institute of Governmental Studies

Biden-Administration geht in die Kommunikationsoffensive

Die Biden-Administration versucht dem Einstellungsproblem vieler Demokraten und den herausfordernden Umfragen vor den Zwischenwahlen im November nun mit einer Kommunikationsoffensive entgegenzuwirken. In den nächsten Wochen sollen Regierungsmitglieder vermehrt durch die USA reisen und in Medien auftreten, um die bisherigen innenpolitischen Errungenschaften bekannt(er) zu machen. 

Die Leitlinien sind hierbei, dass die Regierung ihre Wahlversprechen hielt und ihren Fokus niemals verlor. Ebenso soll damit geworben werden, dass sich das Weiße Haus und Kongress-Demokraten gegen Lobbyisten zum Wohle des US-amerikanischen Volkes durchsetzen konnten. Der Reise- und Medienblitz ist vor dem Hintergrund der Midterms auch nötig. Mit Ausnahme von George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verlor in der Moderne nämlich die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen immer an Zustimmung. 

It is common sense to take a method and try it. If it fails, admit it frankly and try another. But above all, try something. (Präsident Franklin D. Roosevelt)

Präsident Roosevelt gilt derweil für Team Biden als der historische Orientierungspunkt schlechthin. Während der Great Depression verabschiedeten Demokraten unter Führung Roosevelts mit dem New Deal selbstbewusst umfassende Wirtschafts- und Sozialreformen. Bei den Zwischenwahlen 1934 konnten Demokraten daraufhin sogar jeweils neun Sitze im U.S. Senat und im U.S. Repräsentantenhaus hinzugewinnen.

Davon ist die Demokratische Partei im Jahr 2022 zwar weit entfernt. Das Halten einer knappen Mehrheit im U.S. Senat ist dennoch, auch auf Grund oben genannter legislativer Erfolge sowie qualitativ fragwürdiger republikanische Kandidaten, nicht unrealistisch. Präsident Biden könnte dann seinem nächsten Urlaub in South Carolina entspannter entgegensehen. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Forward Party; Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

In der Krise entdeckt Biden einen anrüchigen Verbündeten neu

Als Supermacht haben die Vereinigten Staaten einen enormen Einfluss auf globale Entwicklungen sowie gegebenenfalls auf andere Länder. Weltweit gesehen nahmen die USA zuletzt bei der Herstellung und Verteilung von Impfstoffen gegen das Coronavirus eine Führungsrolle ein. Die Ukraine könnte sich, trotz heroischem Einsatzes, ohne US-amerikanische Militärhilfen kaum gegen die imperialistischen Bestrebungen Russlands zur Wehr setzen. 

Die USA besitzen auf Grund ihrer ökonomischen und militärischen Stärke über ein hohes weltweites Gestaltungspotential, im positiven wie im negativen Sinne – Stichwort Afghanistan – wohlgemerkt. Daran anschließend haben Politiker, die erstmals in das Amt des Präsidenten gewählt werden, in der Regel ihre ganz eigenen Idealvorstellungen einer US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Visionen werden durch Realpolitik eingetauscht

Entgegen der oftmals verbreiteten Meinung, dass US-Präsidenten die mächtigsten Personen der Welt seien, werden deren Visionen oftmals von den außenpolitischen Realitäten eingeholt. Der sich insbesondere nach innen gerichtete mitfühlende Konservatismus eines George W. Bush wurde durch die islamistischen Terroranschläge des 11. September 2001 zunichte gemacht. Kriege in Afghanistan und im Irak folgten. Barack Obama versuchte sich an einem Neustart der Beziehungen zu Russland, nur um während seiner zweiten Amtszeit die Annexion der ukrainischen Krim sowie weiterer ostukrainischer Gebiete durch Moskau erleben zu müssen.

Der amtierende Präsident Joe Biden wiederum plante den außen- und sicherheitspolitischen Fokus auf Asien, auf welchem das Hauptaugenmerk schon seit der Ära Obama gerichtet ist,  weiter zu intensivieren. Doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine veranlasste die USA zu einem erneuten primären Engagement in Europa. Doch nicht nur das: Die energiepolitischen Folgen der russischen Aggression ließen die von Präsident Biden geplante Nahostpolitik zunichte machen. 

Biden wollte Saudi-Arabien zum Pariastaat machen

Als Reaktion auf die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul, Türkei, im Jahr 2018 wollte Präsident Biden das Königreich Saudi-Arabien ursprünglich zu einem „Pariastaat“, sprich zu einem von der Weltgemeinschaft geächteten, ausgeschlossenen Land, machen. „Kein Blankoscheck mehr für Saudi-Arabien“, so Bidens Leitmotiv. Der Geheimdienstbericht zum Mord an Khashoggi wurde infolgedessen ebenso veröffentlicht wie neue Sanktionen, unter anderem Einreiseverbote für 76 Personen, die Dissidenten im Ausland terrorisierten, verabschiedet.

Die mittlerweile seit 80 Jahren bestehenden strategischen Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien haben einen Tiefpunkt erreicht. Dennoch reist Präsident Biden eineinhalb Jahre nach Amtsantritt, im Vergleich zu seinen beiden direkten Vorgängern ein sehr später Zeitpunkt, nach Saudi-Arabien. Kurz vor Reiseantritt relativierte der US-Präsident in einem Gastbeitrag für „The Washington Post“ sodann seine Positionen zum Königreich, in dem er von einer „Neuorientierung“ der Beziehungen und nicht von einem „Zerwürfnis“ schrieb.

Präsident Biden sucht, wie er auch in „The Washington Post“ ganz offen verlautbaren ließ, nach Antworten auf „Russlands Aggression“, aber auch um die bestmögliche Position im Wettstreit der Systeme mit der Volksrepublik China. Darin liegt Bidens diplomatische Offensive mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, dem mächtigsten Mann des Königreichs, zum jetzigen Zeitpunkt begründet.

Biden und der Westen benötigen billiges arabisches Erdöl

In Dschidda wird Präsident Biden insbesondere hinter den Kulissen für eine Ausweitung der Fördermenge von Erdöl werben, um zu versuchen, die gegenwärtig hohen Preise zu senken. Da Biden auch am Treffen des Golf-Kooperationsrats teilnimmt, kann der US-Präsident zudem auf weitere für die Energiepolitik bedeutende Länder, die Vereinigten Arabischen Emirat seien exemplarisch genannt, Einfluss nehmen. Die Aufrechterhaltung der Wasserstraßen für den globalen Handel, Stichwort gestörte Lieferketten, wird zudem auf der Tagesordnung stehen.

Zur Zielerreichung wird Präsident Biden versuchen müssen, mit dem globalen Einfluss der USA um die ölreichen Länder des Nahen Ostens zu werben. Angetrieben durch den enormen energiepolitischen Druck, ausgelöst durch den von Russland begonnenen größten Angriffskrieg auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs, sieht sich Präsident Biden auf einmal in der Rolle des Vermittlers im Nahen Osten wieder. 

Präsident Biden will in Dschidda auch die Thematik der Überflugrechte für israelische Passagierflugzeuge über Saudi-Arabien ansprechen.

Paradoxerweise sieht sich Präsident Biden nun gezwungen die Nahostpolitik seines ungeliebten Vorgängers in großen Teilen fortzusetzen. Was mit den Abraham Verträgen, der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan, begann, soll nun mit der Bildung neuer Koalitionen fortgesetzt werden.

Bidens Reise nach Saudi-Arabien wird infolgedessen mit einem wirkmächtigen Symbol beginnen: Biden wird nämlich als erster Präsident überhaupt direkt von Israel nach Dschidda fliegen. In der Entdeckung eines alten, aber anrüchigen Verbündeten versucht sich nun auch Präsident Biden in der Gestaltung der Zeitenwende im Nahen Osten. 

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.