Richard Nixons Blick in die Glaskugel

Richard Nixon war zweifelsfrei eine polarisierende Persönlichkeit. Infolgedessen ist es wenig verwunderlich, dass die Präsidentschaft des Republikaners negative wie positive Erinnerungen hervorruft. Einerseits trat Nixon im Rahmen der Watergate-Affäre als bisher einziger Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von seinem Amt zurück. Andererseits stand der 37. US-Präsident für eine nahezu revolutionäre Außen- und Sicherheitspolitik.

Nixon war nämlich auch der erste US-Präsident, der zu Staatsbesuchen in die Sowjetunion und in die Volksrepublik China reiste. Im Jahr 1972 brachte er die Ping-Pong-Diplomatie zu einem Höhepunkt, als er sich zu Gesprächen mit Mao Zedong traf und die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China vereinbarte. Mit dem sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew unterzeichnete Nixon das Rüstungsbegrenzungsabkommen SALT I.

Mit seiner Entspannungs- und Abrüstungspolitik erwarb sich Nixon einen exzellenten außen- und sicherheitspolitischen Ruf. Eine Begebenheit, die ihm noch bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1994 zu einem gefragten Fachmann machte. In einem Fernsehinterview äußerte sich der damals 81-Jährige über das neue Russland, welches nach dem Zerfall der Sowjetunion erstmals ein demokratisches System mit expliziten Freiheitsrechten genoss.

Vor diesem Hintergrund sah Nixon Russland auf einem Scheideweg: „die Ideen der Freiheit (…) [würden nun] auf die Probe gestellt“. Könnten sich die Werte der Freiheit in Russland nicht durchsetzen, würde es laut Nixon zwar „keine Umkehr zum Kommunismus, der versagt hat,“ geben. Aber, so Nixon weiter, wäre es sehr wahrscheinlich, dass es zu einem neuen Despotismus kommt, „der eine tödliche Gefahr für den Rest der Welt darstellen würde“.

Nixon beschrieb diese Herausforderung explizit mit den Worten

eines Virus des russischen Imperialismus, der die Charakteristik russischer Außenpolitik seit Jahrhunderten darstellt.

Aus diesen Gründen hätte der Westen, so Nixon, großes Interesse am Erfolg von Demokratie und Freiheit in Russland. Ansonsten bestünde eine reelle Gefahr für den Weltfrieden. Weitere (ehemalige) kommunistische Staaten wie China könnten sich bei einem Scheitern des russischen Freiheitsprojekts zudem ermutigt fühlen Vertretern eines harten politischen Kurses wieder das Kommando zu geben.

Knapp 30 Jahre nach Nixons Analyse ist festzustellen, dass sich in Russland die Werte der Freiheit nicht durchsetzten, es entstand ein erneutes autoritäres System. Der Kreml bedient sodann den in der Bevölkerung historisch bedingten tief verwurzelten russischen Imperialismus unter anderem mit einem Angriffskrieg auf die Ukraine. Im kommunistischen China wiederum erklärte sich Xi Jinping quasi zum Staatspräsidenten auf Lebenszeit und damit zum mächtigsten Mann seit Mao Zedong.

Gleichwohl es im Rückblick so anmuten mag, war es doch kein zufälliger Blick in die Glaskugel, den Richard Nixon im Jahr 1994 von sich gab. Aus Nixon sprach vielmehr dessen großer außen- und sicherheitspolitischer Erfahrungsschatz, gepaart mit einem breit angelegten Wissen über die Geschichte und Kultur anderer Länder. Qualifikationen, die insbesondere einem Großteil der deutschsprachigen Politik und Öffentlichkeit in Bezug auf Russland und dessen Angriffskrieg auf die Ukraine abgingen und abgehen. Die heutigen Geschehnisse in Russland und China kommen mitnichten überraschend.

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