Ein „Christ, Konservativer und Republikaner“ solidarisiert sich mit der Ukraine

Wenn Du im Hotel auf den Aufzug wartest, Tür sich öffnet, silbergrauer Herr aussteigt, freundlich grüßt, ich minutenlang im Kopf: Ich kenn den, woher kenn ich den. Dann schlagartig: Ex-US-Vizepräsident Mike Pence. Da schau her. Welcome to Kyiv.

Welt-Journalistin Tatjana Ohm, die gegenwärtig aus der Ukraine berichtet, auf Twitter.

Nicht nur die Journalistin Tatjana Ohm war am 29.06.2023 überrascht, als sie in der ukrainischen Hauptstadt Mike Pence antraf. Der ehemalige US-Vizepräsident bekundete mit seinem Überraschungsbesuch inmitten des größten Angriffskriegs auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs seine vollste Solidarität mit der Ukraine.

Pence besuchte Orte der russischen Kriegsverbrechen

Dabei beließ es Pence nicht bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymir Zelensky in Kyiv. Pence, der als erster Teilnehmer der Präsidentschaftsvorwahlen 2024 in die Ukraine reiste, wollte vielmehr ein noch besseres Verständnis davon bekommen, welche leidvollen Erfahrungen die ukrainische Bevölkerung durchmachen musste und weiterhin machen muss.

Ich bin hierher gekommen, weil es wichtig ist, dass US-Amerikaner verstehen (…), dass unsere Unterstützung für das ukrainische Militär in unserem eigenen nationalen Interesse ist.

Mike Pence im Interview mit Meet the Press, NBC News.

Vor diesem Hintergrund reiste Pence auch nach Moshchun, Bucha und Irpin. Städte, die zu Beginn der russischen Invasion im Jahr 2022 besetzt und verwüstet wurden. Städte, in denen Russen zahlreiche Kriegsverbrechen begingen. Orte, die mittlerweile als Synonym für die Gräueltaten der Russischen Föderation stehen. Pence kam in diesen Städten direkt mit ukrainischen Zivilisten ins Gespräch.

Pence fordert stärkere Unterstützung für die Ukraine

Durch diese Erfahrungen fühlte sich Pence in seiner Meinung bestätigt, dass die USA ihre Führungsrolle bei der Unterstützung für die Ukraine ausbauen sollten. Militärische Ausrüstung müsste der Ukraine laut Pence schneller von der Biden-Administration bereitgestellt werden. Schwerere Waffen, Stichwort Kampfjets, sollten zudem geliefert werden.

Pence versteht sehr gut, was Russland ist. Er versteht den Grund für diesen Krieg (…) Er weiß, dass es hier um die Werte geht, für die einst die USA gegründet wurden: Freiheit, Wettbewerb und Demokratie.

Mykhailo Podolyak, Berater des ukrainischen Präsidenten Zelensky, findet lobende Worte für das sicherheitspolitische Verständnis von Pence.

Gleichwohl unterstrich Pence in Interviews mit NBC News und CNN, dass es „nur“ der Verteidigungskrieg der Ukrainer sei. Folgerichtig würde auch er als US-Präsident keine US-amerikanischen Truppen entsenden. Doch sei es laut Pence der Kampf für die von Podolyak angesprochene Freiheit, der auch die USA angehe.

Antwort auf russische Aggression: Reagan-Doktrin 2.0

Pence sieht sich in seiner sicherheitspolitischen Einstellung in der Tradition von Ronald Reagan. Dieser begründete einst die nach ihm benannte Doktrin während des Kalten Krieges. Diese besagte, dass zur Schwächung von Regierungen pro-sowjetischer Staaten antikommunistische Guerilla-Gruppen unterstützt werden sollten. Wird diese Strategie auf das 21. Jahrhundert übersetzt, muss der Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen die russischen Aggressoren von der freien Welt unter Führung der USA geholfen werden.

Seit den Tagen von Ronald Reagan stehen US-Amerikaner an der Seite von denen, die ihre eigenen Freiheiten verteidigen.

Mike Pence im Interview mit Meet the Press, NBC News.

Pence will seinen Beitrag leisten, US-Amerikaner von der Sinnhaftigkeit der Hilfen für die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen die russischen Invasoren zu überzeugen. Dahingehend hat Pence in Bezug auf die eigene Republikanische Partei bei den anstehenden Präsidentschaftsvorwahlen noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Laut einer repräsentativen Umfrage von NBC News würden nämlich 52% der republikanischen Wähler einen Kandidaten weniger stark unterstützen, wenn dieser, wie Pence, mehr Hilfen für die Ukraine fordern würde. Nur ein Viertel der republikanischen Wähler würde einen Kandidaten, der sich deutlich hinter die Ukraine stellt, stärker unterstützen.

Pence ist ein Mann mit Prinzipien

Diese repräsentativen Daten zeigen, dass die Ukraine-Reise des ehemaligen US-Vizepräsidenten nicht aus wahltaktischen Gründen, sondern aus innerer Überzeugung geschuldet war. Unterstrichen wird diese These auch mit dem Fakt, dass sich Pence schon im März 2022 mit der Ukraine solidarisch zeigte: Knapp einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskriegs besuchte Pence nämlich ukrainisches Grenzgebiet, um mit Flüchtlingen in Kontakt zu kommen.

Pence ist ein Mann mit Prinzipien, auch wenn diese seine eigenen Wahlchancen schmälern sollten. Einst beschrieb er sich selbst als ein „Christ, Konservativer und ein Republikaner – in dieser Reihenfolge“. In Bezug auf die Ukraine hat er seine christliche Nächstenliebe ebenso schon unter Beweis gestellt wie seine konservative Einstellung als selbsternannter „Reagan-Republikaner“, der die USA nicht nur in der Sicherheitspolitik „zur Rückkehr konservativer Prinzipien“ aufruft.

Es kann keinen Raum in der konservativen Bewegung für Putin-Verteidiger geben. Es kann in dieser Bewegung nur einen Raum für die Vorkämpfer der Freiheit geben.

Appeasement hat noch nie funktioniert, niemals in der Geschichte.

Mike Pence im Jahr 2022.

Doch ob die Basis der Republikanischen Partei der 2020er Jahre diese klassisch republikanischen Werte noch schätzt? Es deutet vieles daraufhin, dass der in der Regel so leise und freundlich, aber strikt konservativ auftretende Pence demnächst noch des Öfteren nahezu unbemerkt aus einem Aufzug an Journalisten vorbeigehen wird. Ein Wandel, an dem Pence nicht unschuldig ist, machte er doch im Jahr 2016 den politischen Außenseiter Donald Trump und dessen Populismus hoffähig.

Steckbrief Mike Pence
Geburtsdatum07.06.1959
GeburtsortColumbus, IN
AusbildungIndiana University School of Law (Jura)
Politischer WerdegangUS-Vizepräsident (2017 – 2021),
Gouverneur (2013 – 2017),
Abgeordneter U.S. Repräsentantenhaus (2001 – 2013)

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Das Stimmungsbarometer 06/2023: Trump und DeSantis liegen in Umfragen vor Präsident Biden

„1600 Pennsylvania“ informiert über die aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute.

Repräsentative Umfragen aus D.C.

Weitere repräsentative Umfragen

Repräsentative Umfragen rund um die #uswahl2024

Nicht-repräsentative Umfrage auf Twitter

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; The White House;
U.S. Congress; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Christies Mission: Trump politisch anklagen

„Sie sind das Gesetz!

Worte, die von Anwälten in US-amerikanischen Strafprozessen oftmals gewählt werden, um an das Verantwortungsbewusstsein der Geschworenen zu appellieren. Schließlich hängt es vom Urteil dieser zufällig ausgewählten Bürger ab, ob ein Angeklagter verurteilt oder freigesprochen wird.

In der Demokratie ist die Jury die Wählerschaft, geht doch alle Macht vom Volke aus. Müsste diese in den USA nicht nur über einen Präsidenten und über Präsidentschaftskandidaten entscheiden, sondern auch darüber, ob ein Politiker sich überhaupt den innerparteilichen Vorwahlen stellt, Chris Christie hätte wohl schlechte Chancen.

Christie ist (noch) unbeliebt

Der zwischen 2010 und 2018 amtierende Gouverneur von New Jersey wird nämlich in repräsentativen Umfragen von den republikanischen Wählern so negativ bewertet wie kein anderer Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur im kommenden Jahr. Laut einer repräsentativen Umfrage der Monmouth University stehen nur 21% der registrierten republikanischen Wähler Christie positiv gegenüber, 47% lehnen den 60-Jährigen ab.

Eine Erhebung von CNN kommt wiederum zu der Erkenntnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt 60% der Republikaner Christie „unter keinen Umständen unterstützen“ würden. 70% der Republikaner denken in Bezug auf die Präsidentschaftswahl 2024 nicht einmal an Christie als möglichen Kandidaten.

Der demokratische Bürgermeister der Stadt Fort Lee weigerte sich Christie bei dessen Wiederwahl zum Gouverneur zu unterstützen. Daraufhin wurden, auf Anweisung von Christies Mitarbeiter, zwei von drei Zugangsstraßen zur George-Washington-Brücke, die von Fort Lee über den Hudson River nach Manhattan führt, gesperrt. Es ereignete sich ein Verkehrschaos, der Bridgegate-Skandal war geboren.

Die Gründe für diese negativen Werte sind vielfältiger Natur. Neben Skandalen während seiner Regierungszeit in Trenton, Stichwort Bridgegate, und seiner für viele US-Amerikaner zu direkten Art, hat sich auch die Republikanische Partei verändert. Für die in den Populismus abgedriftete Mehrheit der Parteibasis erinnert Christie zu stark an das alte Establishment vor Donald Trump.

Christies ambivalentes Verhalten zu Trump

Dabei war es Christie, der als erster prominenter Vertreter des republikanischen Mainstreams während der Präsidentschaftsvorwahlen 2016, an denen er zunächst selbst teilnahm, eine Wahlempfehlung für Trump aussprach. Sicherlich hatte Christie dabei seinen eigenen nächsten Karriereschritt im Blick, hoffte er doch darauf als Attorney General in der Trump-Administration den USA dienen zu dürfen.

Trump nährte diese Hoffnung, indem er Christie nach seinem Wahlsieg den wichtigen Posten des Chefs zur Vorbereitung des Regierungswechsels anbot. Doch Trump revidierte seine Entscheidung schnell und ernannte den gewählten Vizepräsidenten Mike Pence zu Christies Nachfolger. Letztendlich sollte Christie nie Mitglied des Kabinetts von Präsident Trump werden. Trump hatte Christie wohl nie dessen deutliche Kritik an seiner Person während des frühen Vorwahlkampfes verziehen.

Steckbrief Chris Christie
Geburtsdatum06.09.1962
GeburtsortNewark, NJ
AusbildungSeton Hall University (Jura)
Politischer WerdegangTeilnehmer republikanische Vorwahlen 2016,
Gouverneur (2010 – 2018)

Spätestens während der Coronavirus-Pandemie wandelte sich Christie erneut zum Trump-Kritiker. Nach einer Veranstaltung im Weißen Haus, bei der kaum Masken getragen wurden, infizierte sich Christie mit COVID-19. Christie, als Asthmatiker und mit Übergewicht Teil der Risikogruppe, musste sogar auf der Intensivstation behandelt werden. Dem 45. US-Präsidenten, der sich nicht nach Christies Gesundheitszustand erkundigte, gab er die Schuld für seine Erkrankung.

Gegenwärtig kritisiert Christie Trump unter anderem für dessen Einstellung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine („Trump ist eine Marionette Putins“) sowie für dessen Rolle bei der Erstürmung des U.S. Kapitols. Dass Trump damit liebäugelt, nicht an den ersten beiden TV-Debatten teilzunehmen, ist für Christie ein Zeichen von Angst.

Kann Christie seine Stärken – gegen Trump – ausspielen?

In eben jenen Fernsehdebatten, die im August beginnen werden, sieht Christie seine Chance. Auch auf Grund seines ehemaligen Berufs als Bundesstaatsanwalt für den Bezirk New Jersey dürfte es bei den republikanischen Vorwahlen 2024 kaum einen so geübten und talentierten Debattierer geben wie Christie.

Donald Trump hat uns kleiner gemacht, indem er uns noch weiter gespalten und jeden Tag eine Gruppe gegen eine andere ausgespielt hat.

Chris Christie bei seinem Wahlkampfauftakt.

Einst bereitete Christie sogar Trump auf dessen TV-Debatten mit Joe Biden vor, nun will er die Schwächen des in landesweit führenden Republikaners schonungslos offenlegen. Doch dafür müsste sich Christie erst einmal für die Fernsehdebatten qualifizieren. Zur Teilnahme berechtigt ist nur, wer in mehreren landesweiten Umfragen die Unterstützung von mehr als 1% der Wählerschaft erfährt sowie mehr als 40.000 Spender aufweisen kann.

Kandidat der Moderaten?

In dieser frühen Phase des Vorwahlkampfs konkurriert Christie weniger mit den Kandidaten des Make America Great Again Flügels der Partei (Trump, Ron DeSantis) oder mit den Konservativen (zum Beispiel Pence, Asa Hutchinson) als mit den Moderaten. Mit seinem Werben für ein strengeres Waffenrecht sowie für einen toleranteren Umgang mit Personen aus der LGBTQ-Gemeinschaft und illegalen Einwanderern schaffte es Christie schon auf zwei Amtszeiten als Gouverneur eines liberalen Bundesstaates. Doch ernsthafte Chancen auf die Präsidentschaftsnominierung bei einer immer weiter nach rechts rückenden Republikanischen Partei dürfte Christie damit kaum haben.

Chris Christie ist auf einer Kamikaze Mission, um Donald Trump zu Fall zu bringen.

The Washington Post

Mit seinem zweiten Anlauf auf das Weiße Haus will Christie primär eine offene Rechnung mit Trump begleichen. Die nötige Schlagfertigkeit und Erfahrung könnte Christie sogar mitbringen, um zum politischen Sturz des ehemaligen Präsidenten beizutragen. Für einen eigenen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2024 dürfte es für Christie jedoch kaum reichen. Doch schon 2016 wurde ein Kandidat von der republikanischen Wählerschaft zunächst mehrheitlich negativ bewertet (56%). Dessen Name: Donald Trump.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Das Stimmungsbarometer 05/2023: Mehrheit der US-Amerikaner sieht in Russland einen Feind

„1600 Pennsylvania“ informiert über die aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um
US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute.

Repräsentative Umfragen aus D.C.

Weitere repräsentative Umfragen

Repräsentative Umfragen rund um die #uswahl2024

Nicht-repräsentative Umfrage auf Twitter

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; The White House;
U.S. Congress; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Vorsicht vor Vorwahlumfragen

Die Anklage im Fall „Stormy Daniels“ wirkte sich für Donald Trump politisch bislang positiv aus. Einerseits konnte Trumps Wahlkampagne eine Steigerung an Spendeneinnahmen verbuchen. Nach einem schwachen Start verbuchte Trump Spenden in Höhe von $18,8 Millionen im ersten Quartal des Jahres, die insbesondere nach der Anklageverlesung generiert wurden.

Andererseits baute der ehemalige Präsident seinen Umfragevorsprung bei den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen aus. Laut dem Stimmungsbarometer 04/2023 würden gegenwärtig 52,3% aller republikanischen Wähler ihre Stimme Trump geben. Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, erreicht nur noch 23,6%. Es folgen Mike Pence, ehemaliger Vizepräsident, und Liz Cheney, einstige Abgeordnete des U.S. Repräsentantenhauses, mit 4,6% respektive 4,0%.

Neun Monate vor Beginn der Vorwahlen scheint die republikanische Präsidentschaftskandidatur nur über Trump zu gehen. Doch bei der Beurteilung von repräsentativen Umfragen zu diesem frühen Zeitpunkt, bei dem noch nicht einmal alle Politiker mit Ambitionen auf das Weiße Haus ihre Kandidaturen erklärten, ist Vorsicht geboten. Zu oft endeten frühe Höhenflüge für Präsidentschaftskandidaten mit einem Absturz.

Bei Familie Bush sind aller guten Dinge nicht drei

Im Jahr 2016 ging Jeb Bush als Mitfavorit in die republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen. Als erfolgreicher Gouverneur brachte Bush politische Erfahrung mit. Als Bruder von Präsident George W. Bush und Sohn von Präsident George H.W. Bush konnte Jeb zudem auf ein starkes Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bauen.

Infolgedessen führte Bush im Mai 2015 die Vorwahlumfragen, gleichwohl knapp, an: 15,5% der Republikaner unterstützten laut der auf Real Clear Politics veröffentlichten Durchschnittswerte der wichtigsten Umfrageinstitute seine Kandidatur. Eine Teilnahme von Trump an den republikanischen Vorwahlen wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernst genommen und folglich auch nicht nach dessen Beliebtheit gefragt.

Doch nur einen Monat nach Trumps Einstieg in den Wahlkampf, welcher am 16.06.2015 erfolgte, übernahm der Immobilienmogul die Führung in den Umfragen: 16,8% der republikanischen Wähler sprachen sich zu diesem Zeitpunkt für Trump aus, 14,8% für Bush. Im November wurde Trump von der Spitze kurzzeitig durch Dr. Ben Carson abgelöst. Bush war schon zu diesem Zeitpunkt entzaubert. Bei den ersten vier Vorwahlen kam Bush jeweils nicht über Platz 4 hinaus, so dass er seine Kandidatur bereits am 20.02.2016 beendete.

2012 zerstörte eine Gedächtnislücke eine politische Karriere

2012 duellierten sich mit Rick Perry aus Texas und Mitt Romney aus Massachusetts zunächst zwei erfolgreiche Gouverneure um die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Romney führte zu Beginn die Umfragen an, Perry löste ihn im September 2019 ab: 31,8% der Republikaner favorisierten Perry, 19,8% Romney.

Doch Perry unterlief ein fataler Fehler bei der Fernsehdebatte im November 2011. An drei Fingern wollte der texanische Gouverneur aufzählen, welche Bundesministerien er als Präsident abschaffen würde. Doch Perry fielen nur zwei Ministerien ein:

Handel, Bildung, und… ähm… ähm… Oops.

Das Publikum lachte. Seine innerparteilichen Konkurrenten, insbesondere Ron Paul, verhöhnten Perry daraufhin. Perry reagierte auf seinen Aussetzer zudem wenig souverän. Seine guten Umfragewerte gehörten von diesem Tag an der Geschichte an. Romney sollte sich bei den republikanischen Vorwahlen durchsetzen.

Der Beginn des Absturzes von Amerikas Bürgermeister

Im Jahr 2007 stellten sich Republikaner die Frage, wer die Partei nach der Ära von George W. Bush in die Zukunft führen sollte. Früh kristallisierte sich Rudy Giuliani als Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur heraus. Nur sechs Jahre nach den islamistischen Terroranschlägen des 11. September 2001 war den US-Amerikanern das beeindruckende Krisenmanagement des New Yorker Bürgermeisters noch in guter Erinnerung.

Folglich führte Giuliani die Umfragen zu den republikanischen Vorwahlen bis zum Wahljahr deutlich an. Im März 2007 standen 38% der Republikaner hinter Giuliani, auf Rang Zwei folgte John McCain mit 21%. Doch Giulianis Wahlkampfteam entschied sich für eine fatale Wahlkampfstrategie, indem sich auf die delegiertenreichen Bundesstaaten am Super Tuesday und nicht auf die frühen Vorwahlstaaten konzentriert wurde.

Die Folge: Giulianis Absturz bei den ersten Vorwahlen und McCains kometenhafter Aufstieg. Am 30.01.2008 zog Giuliani seine Kandidatur zurück und sprach sich für die Wahl von McCain, der letztendlich auch nominiert werden sollte, aus. Giuliani sollte sich von dieser Niederlage nicht mehr erholen. Nach der Präsidentschaftswahl 2020 verteidigte er Trumps krude Wahlverschwörungstheorien so stark (und so lächerlich) wie kaum ein anderer Republikaner. Offenbar, um wieder im Rampenlicht stehen zu können.

Ein Wandel, an den Hillary Clinton nicht glauben konnte

Auch bei den demokratischen Vorwahlen gab es im Jahr 2008 einen denkwürdigen Favoritensturz. Die Zeit war reif für die erste Präsidentschaftskandidatin bei einer der beiden großen US-Parteien. So dachten zumindest zahlreiche Experten – und natürlich Hillary Rodham Clinton selbst. Ihr Qualifikationsprofil war schon zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich.

Als einstige First Lady nahm Clinton eine aktive Rolle bei politischen Entscheidungen während der Präsidentschaft ihres Mannes Bill ein. Des Weiteren vertrat Clinton schon seit 2001 ihren Bundesstaat New York im U.S. Senat. Clinton kristallisierte sich vor diesen Hintergründen von Beginn an als Favoritin auf die demokratische Nominierung heraus.

Dementsprechend führte Clinton im gesamten Jahr 2007 die innerparteilichen Umfragen deutlich an. 13 Monate vor der Hauptwahl präferierten 48,2% der Demokraten Clinton als ihre Präsidentschaftskandidatin. 22,6% der demokratischen Wähler sprachen sich für Barack Obama aus.

Doch ein erfrischender Wahlkampf des jungen U.S. Senators Obama machte dessen Kampagne überraschend konkurrenzfähig. Im Februar 2008 holte Obama Clinton in den Umfragen ein. Nach einer spannenden Vorwahl setzte sich Obama letztendlich durch. Die Zeit war reif für den ersten afroamerikanischen US-Präsidenten.

Fazit: Vorsicht vor Vorwahlumfragen

Gleichwohl repräsentative Umfragen zu den innerparteilichen Vorwahlen knapp ein Jahr vor Beginn der ersten Abstimmungen einen guten Stimmungsindikator darstellen, sind diese dennoch mit Vorsicht zu genießen. Zu viele Variablen können sich bis zu den Vorwahlen noch ändern wie oben genannte Beispiele aufzeigten.

Ausschlaggebend für die Popularität von Kandidaten ist in der gegenwärtigen Phase der Präsidentschaftswahl primär die landesweite Bekanntheit. Trump genießt dabei als ehemaliger Präsident und Reality-TV-Star einen enormen Vorteil, insbesondere gegenüber den oftmals nur in ihren eigenen Bundesstaaten bekannten Gouverneuren oder Abgeordneten.

Trump ist der Favorit auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024. Doch seine innerparteilichen Konkurrenten sollten sich von Umfragen nicht einschüchtern lassen. Politische Umstände, Wahlkampfstrategie, Skandale und Aussetzer: Bei den langwierigen und intensiven Wahlkämpfen ist in den USA vieles möglich. Bush, Clinton, Giuliani oder Perry können dies sicherlich bestätigen.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.