Die Rubrik „Wahlkampfthemen 2024“ behandelt bis zur Präsidentschaftswahl im November für den Wahlausgang mitentscheidende Politikbereiche. Dabei wird die Ausgangslage der jeweiligen Thematik erläutert sowie die Positionen der Kandidaten beider großer Parteien in Kurzform dargestellt. Im Monat September wird folgendes Wahlkampfthema vorgestellt:
Lebensschutz vs Wahlfreiheit
Bis zum Amtsantritt der Koalition aus SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der FDP war das ethische Thema Lebensschutz vs Wahlfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise befriedet. In den USA sieht dies ganz anders aus, was auch an den oftmals geforderten Maximalpositionen des konservativen und liberalen Amerikas liegt. Seit einem Urteil des Supreme Court im Jahr 2022 bestimmen die einzelnen Bundesstaaten wieder selbst über ihre jeweiligen Abtreibungsregelungen.
Die Folge: Ein Flickenteppich an Regelungen und ein polarisierendes Wahlkampfthema. Vor diesem Hintergrund hat sich der Inhaber von „1600 Pennsylvania“ in einem ausführlichen Beitrag für das Online-Magazin Corrigenda mit dem Thema Lebensschutz vs Wahlfreiheit im US-Präsidentschaftswahlkampf 2024 auseinandergesetzt. Der Beitrag ist hier einzusehen (Klick hier).
Behandelte Wahlkampfthemen auf „1600 Pennsylvania“
Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken. Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.
Mit Weihnachten, dem zweitwichtigsten Fest der Christenheit, legt der Wahlkampf in den USA noch einmal eine kurze Pause ein. Nach der staden Zeit werden die Präsidentschaftskandidaten insbesondere in den frühen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire noch intensiver um Wählerstimmen werben. Die prädestinieren Hauptcharaktere des kommenden Wahljahres, Präsident Joe Biden und Donald Trump, stehen indes unter Druck. Die wichtigsten Hintergründe zum Stand des Präsidentschaftswahlkampfs gibt es übersichtlich zusammengefasst im neuesten #uswahl2024 Update.
Die Vorwahlen
Gericht: Trump darf in Colorado nicht zur Wahl antreten
Laut einem Urteil des Obersten Gerichts von Colorado darf Trump in diesem Bundesstaat nicht auf den Wahlzetteln stehen. Das Gericht berief sich dabei auf den 14. Verfassungszusatz, der besagt, dass keine Person ein höheres Amt inne haben darf, der zuvor als Amtsträger an einem Aufstand gegen den Staat beteiligt war. Trump will gegen das Urteil vor dem Supreme Court Berufung einlegen. Die Fortsetzung der politischen Karriere des ehemaligen Präsidenten hängt damit von einem Gerichtsurteil ab – der Oberste Gerichtshof könnte Trump nämlich theoretisch auch die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl in allen Bundesstaaten verwehren.
Trump intensiviert Wahlkampf in Iowa
Am 15.01.2024 findet in Iowa die erste republikanische Präsidentschaftsvorwahl statt. Trump genießt im Hawkeye State repräsentativen Umfragen zur Folge einen Vorsprung von 30 Prozentpunkten. Den Wahlkampf in Iowa will der Ex-Präsident dennoch ausweiten. Demnach plant Trump zusätzliche Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten sowie seinen ehemaligen Wohnungsbauminister Dr. Ben Carson sowie den Abgeordneten Matt Gaetz für Veranstaltungen nach Iowa zu entsenden. Mit dieser Strategie will Trump seinen Herausforderern jeglichen Wind aus den Segeln nehmen.
Ron DeSantis duelliert sich mit Gavin Newsom
Es gab einmal US-Präsidentschaftswahlen, bei der die beiden großen Parteien 45- bis 65-Jährige Kandidaten nominierten. Mit der Ära Trump/Biden scheint dies vorerst der Geschichte anzugehören. Folglich mutete das Fernsehduell zwischen dem rechtspopulistischen Ron DeSantis und dem linksliberalen Gavin Newsom wie aus einer anderen Zeit an. Die Gouverneure von Florida und Kalifornien könnten dennoch mit ihrer Debatte auf Fox News eine Art Vorschau auf die Wahl 2028 gegeben haben.
Haley gewinnt einflussreiche Großspender
Die einflussreiche Organisation Americans for Prosperity Action von Charles Koch unterstützt offiziell die Präsidentschaftswahlkampagne von Nikki Haley. Des Weiteren versammeln sich die republikanischen Großspender Spencer Zwick, Eric Levine und Chad Walldorf hinter Haley. Sie sehen in der ehemaligen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen die größten Chancen Trump in den Vorwahlen zu besiegen. Der eigentlich den Demokraten nahestehende Großspender Reid Hoffmann hat Haleys Super PAC $ 250.000 zukommen lassen.
Prominente Unterstützung in Iowa für DeSantis
DeSantis wird hingegen im ersten Vorwahlstaat Iowa von der dortigen Gouverneurin Kim Reynolds sowie von dem gut vernetzten Bob van der Plaats unterstützt. DeSantis und Haley konkurrieren gegenwärtig um den zweiten Platz in Iowa.
Wie sich republikanische Gouverneure zu den Vorwahlen positionieren
Haley bekam jüngst eine Wahlempfehlung des Gouverneurs von New Hampshire. Bislang ist dies jedoch auch die einzige offizielle Unterstützung, welche Haley von einem republikanischen Gouverneur genießt. Die meisten Gouverneure (7) haben sich hinter Trump versammelt. Für DeSantis als republikanischen Präsidentschaftskandidaten haben sich bislang zwei Gouverneure ausgesprochen.
As of Dec. 13, 2023, Florida Gov. Ron DeSantis (R), former U.N. Ambassador Nikki Haley (R), and former President Donald Trump (R) each have endorsements from governors in early-voting states.
The map below shows an overview of each candidate’s gubernatorial endorsements. pic.twitter.com/fEqeJ7iu2X
Haley hat in den frühen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire Werbespots im Wert von $10 Millionen schalten lassen. In ihrem ersten Werbespots wirbt Haley mit ihren außenpolitischen Erfahrungen und für einen konservativen Generationenwechsel. Die Werbespots wurden schon vor der Unterstützung des Koch-Netzwerks geschalten.
Zurückgezogene Kandidaturen: Scott, Burgum
In den vergangenen Wochen haben U.S. Senator Tim Scott sowie Gouverneur Doug Burgum ihre Teilnahmen an den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen zurückgezogen. Die Teilnehmer der republikanischen Vorwahlen in der Übersicht (Klick hier).
Weitere innerparteiliche TV-Debatten
CNN plant eine Fernsehdebatte zwischen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten am 10.01.2024 in Iowa sowie am 21.01.2024 in New Hampshire auszurichten. ABC hat eine TV-Debatte für den 18.01.2024, ebenso in New Hampshire, angesetzt. Eine endgültige Bestätigung der Termine steht noch aus. Die bisherigen TV-Debatten in der Übersicht (Klick hier).
Die Hauptwahl
Wichtige Wählergruppe wendet sich von Biden ab
Laut dem Arab American Institute unterstützten bei der Präsidentschaftswahl 2020 59% der arabisch-stämmigen US-Amerikaner die Kampagne von Biden. Für den Wahlsieg des Demokraten war dies mitentscheidend, ist genannte Kohorte insbesondere in den Swing States ansässig. In Arizona errang Biden beispielsweise 10.500 Stimmen mehr als Trump. Mindestens 55.000 arabisch-stämmige US-Amerikaner leben im Grand Canyon State. Für die Staaten Georgia und Michigan zeichnet sich ein ähnliches Bild.
Doch nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel wenden sich arabisch-stämmige US-Amerikaner von Präsident Biden ab. Der Grund: Das Weiße Haus solidarisierte sich mit Israel und unterstützt das angegriffene Land bei der Ausübung ihres Selbstverteidigungsrechts. Auch aus diesem wahltaktischen Grund hat die Biden-Administration zuletzt die humanitären Aspekte im Gazastreifen vermehrt öffentlich angesprochen sowie Druck auf die israelische Regierung ob einer temporären Feuerpause ausgeübt.
Termine für TV-Debatten stehen fest
Die Kommission für Präsidentschaftsdebatten hat die Termine für die drei Fernsehdebatten zur Hauptwahl bekanntgegeben. Erstmals stehen sich die Präsidentschaftskandidaten am 16.09.2024 an der Texas State University in San Marcos, TX, zu einem Schlagabtausch gegenüber. Am 01.10.2024 folgt die zweite TV-Debatte an der Virginia State University in Petersburg, VA. Den Abschluss der Fernsehdebatten macht am 09.10.2024 eine Auseinandersetzung an der University of Utah in Salt Lake City. Die Vizepräsidentschaftskandidaten treffen am 25.09.2024 am Lafayette College in Easton, PA, aufeinander.
Trump denkt schon über Vizepräsidentenkandidaten nach
Laut der Nachrichtenseite Axios denkt Trump schon über mögliche Vizepräsidentschaftskandidaten nach, sofern er die republikanischen Vorwahlen für sich entscheidet. Demnach sollen für diese Position schon U.S. Senator J.D. Vance, Gouverneurin Sarah Huckabee Sanders, Gouverneurin Kristi Noem sowie Kari Lake diskutiert worden sein. Melania Trump wirbt indes für den umstrittenen Moderator Tucker Carlson als VP-Kandidaten.
Trump liegt in Swing States in Führung
In neuesten repräsentativen Umfragen zur US-Präsidentschaftswahl 2024 von Bloomberg Politics und Morning Consult liegt Trump in allen sieben Swing States teils deutlich gegenüber Präsident Biden in Führung. Nimmt man alle Swing States zusammen, kommt Trump auf 47%, Biden auf lediglich 42%. Den größten Vorsprung genießt Trump in North Carolina (+9 Prozentpunkte) und Georgia (+6 Prozentpunkte).
Team Biden vergleicht Trump mit Hitler
Die Wiederwahlkampagne von Präsident Biden hat seine Attacken auf Trump intensiviert. Beispielsweise verglich Team Biden die von Trump gewählte Sprache mit der von Adolf Hitler. Trump sorgte zuletzt für einen Skandal, als er davon sprach, dass Einwanderer das „Blut des Landes“ zerstören würden.
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Ein wesentliches Merkmal eines jeden Rechtsstaates ist die explizite Teilung der Gewalten. Dementsprechend darf eine Institution weder unterschiedliche Gewaltenfunktionen ausüben, noch darf eine Person mehreren Gewalten gleichzeitig angehören. Während die gesetzgebende Gewalt (Legislative; Parlament) und die ausführende Gewalt (Exekutive; Regierung und Verwaltung) im Fokus der Öffentlichkeit stehen, genießt die rechtsprechende Gewalt (Judikative) oftmals ein Schattendasein.
Lediglich bei Grundsatzentscheidungen auf höchster Ebene, zum Beispiel durch das Bundesverfassungsgericht in Deutschland oder des Supreme Court in den USA, gehören die Schlagzeilen der Judikative, die durch unabhängige Richter ausgeübt wird. Die Bedeutung der richterlichen Gewalt im Staat, deren Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist, rückt dabei oftmals in den Hintergrund.
Die Judikative in den USA
Das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten ist der Supreme Court mit Sitz in Washington D.C. Dieser ist sogleich auch der einzige Gerichtshof, der in der US-Verfassung explizit Erwähnung findet. Dem Obersten Gerichtshof gehören (gegenwärtig) neun Richter an, die zuvor vom Präsidenten nominiert wurden und nach einer Befragung im Justizausschuss des U.S. Senats die Zustimmung dieser Parlamentskammer erhielten. Verfassungsrichter genießen de facto eine unbegrenzte Amtszeit. In der Regel verhandelt der Supreme Court Berufungsfälle unterer Gerichte, zumeist Streitigkeiten über die Auslegung und Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen auf Bundes- oder Staatsebene.
Eine Ebene unter dem Obersten Gerichtshof befinden sich 13 Appellationsgerichte auf Bundesebene (Federal Courts of Appeals) sowie eine weitere Stufe darunter 95 Distriktgerichte auf Bundesebene (Federal District Courts). Laut der Website der US-Botschaft in Deutschland befassen sich diese Bundesgerichte „mit Fällen, die die Verfassung, das Bundesrecht oder Bundesverträge betreffen. Außerdem sind sie für das Seerecht zuständig sowie für solche Fälle, bei denen ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind.“
Präsidenten prägen Judikative
Da US-Präsidenten die Richter auf Bundesebene nominieren, eine Zustimmung des U.S. Senats ist für eine erfolgreiche Bestätigung notwendig, können diese die Ausrichtung der Judikative, Stichwort wortwörtliche versus moderne Auslegung der Verfassung, beeinflussen. Die Präsidentschaft von Donald Trump gilt in diesem Bereich als für die Republikanische Partei als sehr erfolgreich, nominierte dieser doch drei Verfassungsrichter, 54 Appellationsrichter und 174 Distriktrichter erfolgreich. Mitch McConnell, Fraktionsführer der Republikaner im U.S. Senat, bereitete diese legitime „heimliche Revolution“, wie es ZEIT Online schon im Jahr 2017 nannte, jahrelang vor.
Doch auch der demokratische Präsident Joe Biden ist auf einem guten Weg, die Judikative für die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, zu prägen. Bis zur parlamentarischen Sommerpause im August diesen Jahres nominierte Präsident Biden gar so viele Richter wie kein anderer Amtsinhaber des Weißen Hauses seit Präsident John F. Kennedy. Laut den Daten des Pew Research Center schlug Präsident Biden insgesamt 75 Bundesrichter erfolgreich vor. Zum gleichen Zeitpunkt ihrer jeweiligen Präsidentschaft kamen Trump auf 51, Barack Obama auf 42, George W. Bush auf 72 und Bill Clinton auf 74 Richter.
Biden diversifiziert die Judikative
Explizit hat Präsident Biden bislang eine Verfassungsrichterin, 18 Appellationsrichter und 57 Distriktrichter durch den U.S. Senat, in dessen Kammer die Demokratische Partei eine hauchdünne Mehrheit besitzt, bringen können. Präsident Biden legt bei den Nominierten großen Wert auf die Stärkung von Gruppen, die bislang in der Judikative unterrepräsentiert sind. Vor diesem Hintergrund sind 76 Prozent aller bisher von Präsident Biden vorgeschlagenen Richter weiblich. Bei Obama lag diese Quote noch bei 50 Prozent, bei Clinton bei 36 Prozent sowie bei den republikanischen Präsidenten Trump bei 29 Prozent und bei Bush bei 22 Prozent.
Knapp zwei Drittel der von Biden nominierten Richter entstammen einer ethnischen Minderheit – weitaus mehr als bei jedem anderen bisherigen Präsidenten. Von den 75 erfolgreich nominierten Richtern gehören 18 der afroamerikanischen, 13 der hispanischen, zehn der asiatischen und acht sonstigen Minderheiten an. Präsident Biden hält somit sein Wahlversprechen, die Vielfältigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika auch in der Exekutive sowie in wichtigen Positionen der Judikative abzubilden. Die heutige Generation der weißen US-Amerikaner, immerhin gehören dieser Gruppe laut dem Zensus aus dem Jahr 2020 weiterhin mehr als 60 Prozent der Bevölkerung an, gilt derweil in der Ära Biden als Opfer vergangener Missstände.
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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.
„1600 Pennsylvania“ versorgt euch mit den aktuellsten repräsentativen Umfragen rund um US-amerikanische Politik (Pfeil nach oben/unten: Wert ist zum Vormonat gestiegen/hat abgenommen). Quellen, falls nicht anders angegeben, sind die RCP-Durchschnittswerte.
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Das seit dem Jahr 1973 bestandene landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gehört seit der Entscheidung des Supreme Courtim Fall der Abtreibungsgesetzgebung in Mississippi der Geschichte an. Bundesstaaten haben ab sofort das Recht, eigenverantwortlich in dieser Thematik zu entscheiden. Ein Urteil, welches weit über die USA hinaus für Diskussionen sorgte.
Insbesondere aus Deutschland kam es von Seiten vieler Medien und aus der Politik zu Kritik am Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten. Gleichwohl gibt es auch deutsche Stimmen, die sich erfreut über die Stärkung des Lebensschutzes zeigten. Vor diesem Hintergrund führte „1600 Pennsylvania“ nachfolgendes Interview mit dem christdemokratischen Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe.
Als einer von nur wenigen Bundestagsabgeordneten haben Sie sich offen über das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, die Abtreibungsgesetzgebung den Bundesstaaten zukommen zu lassen und damit das Grundsatzurteil Roe vs. Wade außer Kraft zu setzen, gefreut. Was sind Ihre Beweggründe?
Ich freue mich, dass der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten klargestellt hat, dass die Verfassung der USA kein Recht auf Tötung eines ungeborenen Kindes enthält. Das ist ein großer Sieg für das Recht auf Leben und natürlich auch für die weltweite Pro-Life-Bewegung.
Trotz massiven Drucks der sogenannten Pro-Choice-Anhänger, Anschlägen auf Pro-Life Einrichtungen und sogar einem geplanten Attentat auf Richter Brett Kavanaugh, hatte die deutliche Mehrheit der Richterinnen und Richter des Supreme Court den Mut, das 1973 ausschließlich von Männern gefällte Urteil Roe vs. Wade endlich aufzuheben. Wie im berüchtigten Dred-Scott-Urteil zur Sklaverei hat Roe vs. Wade es bestimmten Menschen erlaubt, anderen ihre Menschenrechte abzusprechen.
Die meisten US-Bundesstaaten weisen weiterhin eine liberalere Abtreibungsgesetzgebung als Deutschland auf. Entgegen dieser Realität wird hierzulande häufig eine “Rückkehr der USA in das Mittelalter” behauptet. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied beziehungsweise was hat es damit auf sich?
Viele Staaten der USA haben bereits Gesetze mit denen ungeborene Kinder geschützt werden. Sicher werden jetzt nach dem Urteil weitere folgen. Das ist kein Rückfall in das Mittelalter, sondern die Wiederherstellung der Menschenrechte. Es ist barbarisch, die eigenen Kinder teilweise, wie in einigen Staaten der USA erlaubt, bis zur Geburt zu töten.
Im Übrigen entspricht das jetzige Urteil grundsätzlich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland. Es hat in der Vergangenheit mehrfach festgestellt, dass auch das ungeborene Kind ein Lebensrecht hat, welches durch den Staat zu schützen ist.
Weder in Deutschland noch in den USA gibt es ein „Recht auf Abtreibung.“ Das ist kein Rückfall ins Mittelalter, sondern Realität moderner Rechtsstaaten, die die Menschenrechte schützen. Das Prinzip der Menschenwürde besagt, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, allein weil er Mensch ist.
Der ZDF-Journalist Elmar Theveßen beschrieb das Abtreibungsurteil mit den Worten der “Talibanisierung Amerikas”. Ihre Entgegnung zu Herrn Theveßen?
Das ist eine unentschuldbare zynische Entgleisung, die ich nur als Hate Speech [Hassrede; Anmerkung des Interviewers] bezeichnen kann. Die Wiederherstellung des Rechts auf Leben mit den Verbrechen der Taliban zu vergleichen, zeigt wie unseriös und tendenziös die Berichterstattung in Deutschland ist. Es ist ein Skandal, dass man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so eine Hetze verbreiten darf. Leider ist er da nicht allein. In den deutschen Medien wurden auch die Anschläge von Pro-Choice-Sympathisanten kaum erwähnt.
Die deutsche Abtreibungsgesetzgebung ist sicherlich nicht perfekt, kann sie bei solch einem schwierigen und ethischen Thema auch nicht sein. Wäre Ihrer Meinung nach die deutsche Gesetzgebung dennoch ein guter Kompromiss für die USA?
Ich halte die deutsche Gesetzgebung für keinen guten Kompromiss. Es ist diskriminierend, dass in Deutschland ungeborene Kinder mit Behinderungen faktisch bis zur Geburt getötet werden können. Es ist schlicht nicht möglich, zwischen Leben und Tod einen Kompromiss zu finden.
Bei Präsident Joe Biden und den Demokraten sehe ich überhaupt kein Einlenken. Selbst bei Abtreibungen in späten Stadien, wo das Kind außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre, soll es keine Einschränkungen geben. Von dem Versprechen des Präsidenten, das Volk der USA zusammenzuführen, ist nichts geblieben. Er lässt sich da von den Pro-Choice-Hardlinern führen.
Die Bundesregierung hat den Paragraf 219a StGB, das Werbeverbot für Abtreibungen, aufgehoben. Befürchten Sie damit das Öffnen der Büchse der Pandora, sprich den Beginn einer in Deutschland ähnlich stark polarisierten und emotional geführten Debatte wie in den USA?
Die Büchse der Pandora ist schon längst geöffnet. Erschreckend ist nicht nur die jetzt freigegebene Werbung für die Tötung ungeborener Kinder, sondern auch die brutale Argumentation. Die Aufhebung des § 219a StGB war nur Mittel zum Zweck. Wer in der Debatte Familienministerin Lisa Paus gehört hat, weiß, dass sie eigentlich die völlige Freigabe der Abtreibung ohne jegliche Einschränkungen bis zur Geburt will. Und sie war in der Debatte nicht allein.
— Bundesverband Lebensrecht (@BVLebensrecht) June 23, 2022
Von dem Druck, den Männer und Familienangehörige auf Frauen ausüben, ihr Kind abtreiben zu lassen, war nichts zu hören. Ebenso nicht von Hilfen für Frauen in Konfliktsituationen, von der Liebe zum Kind, verantwortungsbewusster Sexualität und Unterstützung von Frauen, die ihr Kind bekommen wollen. Damit beginnt nicht der Kulturkampf, sondern wir sind schon mittendrin: der Kampf der Kultur des Lebens gegen die Kultur des Todes.
Hubert Hüppe ist seit 1974 Mitglied der CDU und seit 2021 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. In der aktuellen Legislaturperiode hat er den Vorsitz des Ausschusses für Gesundheit kommissarisch inne. Bereits von 1991 bis 2009 und von 2012 bis 2017 gehörte Hüppe dem Deutschen Bundestag an. Von 2009 bis 2013 amtierte er als Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. Hüppe engagiert sich in der Lebensrechtsbewegung und ist seit 1986 stellvertretender Bundesvorsitzender der Christdemokraten für das Leben. 2008 wurde Hüppe das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Weitere Informationen zu Hubert Hüppe gibt es auf seiner Website (Klick hier) und auf Facebook (Klick hier).
Bildquellen: Website Hubert Hüppe MdB (Fotograf: René Golz); Creative-Commons-Lizenzen; Canva.com