Seit zehn Jahren führt die Russische Föderation Krieg gegen die Ukraine. Kam es im Jahr 2014 zunächst zur völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainische Halbinsel Krim durch Russland sowie zu ersten militärischen Auseinandersetzungen im Donbas zwischen der ukrainischen Armee und von Moskau unterstützten „Separatisten“, folgte am 24.02.2024 die vollumfängliche russische Invasion der Ukraine.
Seit mittlerweile zwei Jahren begehen russische Soldaten Kriegsverbrechen an Ukrainern. Zivilisten, auch Frauen und Kinder, werden von Russen gefoltert, vergewaltigt, massakriert. Doch, und gerade auch deswegen, kämpfen Ukrainer weiter um ihr territoriales und kulturelles Überleben. Denn Russland führt, eigentlich unvorstellbar im 21. Jahrhundert, ganz offen einen Vernichtungskrieg gegen das ukrainische Volk.
Vor diesem Hintergrund zieht der nachfolgende Beitrag eine Bilanz zu zwei Jahren russischem Angriffskrieg auf die Ukraine. Dabei wird unter anderem die bisherige Unterstützung des Westens unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika bilanziert, die gesellschaftliche Stimmung in den USA betrachtet und die Position der Präsidentschaftskandidaten zur Thematik unter die Lupe genommen.
Wie stark haben die USA bislang die Ukraine in ihrem Freiheitskampf unterstützt?
Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft haben die USA die Ukraine in den ersten beiden Kriegsjahren mit 67,7 Milliarden € unterstützt. Davon entfielen 42,2 Milliarden € auf militärische, 1,5 Milliarden € auf humanitäre und 24,0 Milliarden € auf finanzielle Hilfen. Diese Unterstützungsleistungen entsprechen 0,3% des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Kein anderes Land hat bislang die Ukraine in absoluten Zahlen so stark unterstützt wie die USA.
Zum Vergleich: Deutschland hat der Ukraine bislang militärische Ausrüstung im Wert von 17,2 Milliarden € (Rang 2), 2,9 Milliarden € humanitäre Hilfen sowie 1,4 Milliarden € finanzielle Unterstützung zugesagt. Für Geflüchtete wurden monetäre Mittel in der Höhe von 21,4 Milliarden €, einen ähnlichen Betrag brachte auch das ökonomisch schwächere Polen auf, aufgewendet. Alle deutschen Leistungen zusammen entsprechen 0,6% des BIP. Die meisten Anstrengungen in Bezug auf das eigene Bruttoinlandsprodukt wandten Estland (3,6% des BIP) und Dänemark (2,4% des BIP) auf.
Wie denken US-Amerikaner über den russischen Angriffskrieg und die US-Hilfen für die Ukraine?
Laut repräsentativen Umfragen des Pew Research Center sind 74% der US-Amerikaner der Meinung, dass der Krieg in Osteuropa im nationalen Interesse der USA sei. 59% der US-Amerikaner weisen an dem Krieg ein persönliches Interesse auf. Im Vergleich mit dem gegenwärtig ausgetragenem Konflikt zwischen der islamistischen Terrororganisation der Hamas und Israel ist das Interesse für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geringer.
Laut einer repräsentativen Umfrage von Gallup sprechen sich nur 18% der US-Amerikaner für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine aus. 29% der US-Amerikaner finden die qualitative wie quantitative Militärhilfe in dem Ausmaß, wie diese in den ersten beiden Jahren vonstatten ging, so in Ordnung. 31% der US-Amerikaner, darunter überproportional viele Anhänger der Republikanischen Partei (48%), sind der Auffassung, dass die USA bisher zu viele Waffen an die Ukraine lieferten.
Wie sieht es mit zukünftigen US-Hilfen für die Ukraine aus?
Die bisherigen genehmigten US-Hilfen für die USA wurden zu Beginn des Jahres 2024 aufgebraucht. Präsident Joe Biden hat infolgedessen für das Haushaltsjahr 2024 ein Gesamtpaket von $ 105 Milliarden für die Ukraine, Israel, Taiwan sowie für die Grenzsicherung beim U.S. Kongress angefragt. Aus diesem Paket sollen $ 61,4 Milliarden für die Ukraine verwendet werden.
Das Paket kann jedoch seit Wochen nicht verabschiedet werden, da sich beide Parteien nicht auf einen Kompromiss zur Behebung der Migrationskrise verständigen können und Speaker Mike Johnson wegen innerparteilichen Drucks vom MAGA-Flügel kein unabhängiges Votum über US-Hilfen für die Ukraine ansetzen will.
Welche Erfolge kann die Ukraine bislang vorweisen?
Nach zwei Jahren Krieg hat die Ukraine einige Erfolge zu verbuchen. Das Land ist weiterhin souverän. Die russischen Truppen wurden kurz vor Kyiv zurückgeschlagen, der Oblast Charkiw im Nordosten des Landes wurde ebenso weitestgehend befreit wie die Großstadt Kherson im Süden. Dennoch besetzen die russischen Truppen weiterhin ein Fünftel des ukrainischen Territoriums und konnten zuletzt die Kleinstadt Awdijiwka erobern. Zu einem weiteren Erfolg der Ukraine gehört die Auflösung der russischen Blockade ukrainischer Häfen am Schwarzen Meer.
Welche Position nehmen die Präsidentschaftskandidaten zum Krieg ein?
Die Ukrainer sind bereit ihr eigenes Land selbst zu verteidigen, die USA schnüren gemeinsam mit ihren Verbündeten die hierfür überlebensnotwendigen Waffenpakete. Ohne das diesbezügliche Engagement von Präsident Biden würde es wohl keine freie Ukraine mehr geben. Präsident Biden wird nicht müde zu betonen, dass er die Ukraine „so lange unterstützen will, wie es nötig ist“.
Diese Wortwahl unterstreicht zwar, dass die USA die Ukraine, zumindest offiziell und falls nötig, langfristig unterstützen würden. Doch suggeriert es auch, dass Präsident Biden nicht dazu bereit ist, der Ukraine die gesamte nötige militärische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, um alle besetzten Gebiete befreien zu können.
Die oberste Priorität von Präsident Biden ist vielmehr, dass Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht auf weitere NATO-Länder ausweitet. Um dies zu erreichen hat Präsident Biden sogar ukrainische Gebietsabtretungen für in Ordnung befunden, solange ein restlicher souveräner ukrainischer Staat weiterbestehen würde.
Das Ziel der territorialen Begrenzung des Krieges ist verständlich. Mit dem Zeigen von Stärke wäre die Zielerreichung allerdings erfolgsversprechender. So urteilt beispielsweises Dr. Stefanie Babst, ehemalige leitende Mitarbeiterin des Internationalen Stabs der NATO, dass „zu wenig, zu langsam“ an militärischer Ausstattung geliefert werde. Präsident Biden hält jedoch weiterhin an seiner bisherigen Ukraine-Politik fest.
Donald Trump wiederum würde es laut eigener Aussage schaffen den „Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden“. Um dies zu erreichen brachte Trump Gebietsabtretungen von Seiten der Ukraine ins Spiel, da nach seiner Aussage ja ohnehin schon „russischsprachige Gebiete“ existieren würden. Die US-Hilfen für die Ukraine sieht Trump infolgedessen skeptisch. Diese würden den Krieg vielmehr verlängern und noch weitere Opfer fordern.
Zuletzt schlug Trump allerdings US-Hilfen als Darlehen für die Ukraine vor, was wiederum seine Inkonsistenz in diesem Themenbereich unterstreicht. Gegenüber europäischen Hilfen für die Ukraine hat Trump nichts einzuwenden, in den vergangenen Wochen forderte er sogar verstärkte europäische Waffenlieferungen an die Ukraine.
Wie lernfähig war bislang der Westen im Umgang mit Russland?
Wenig. West-Europa lässt sich weiterhin von einem naiven Russland-Bild leiten. Dementsprechend wird wenig Eigenverantwortung in Bezug auf die langfristige und nachhaltige Stärkung des eigenen Militärs und bezüglich eigener Waffenlieferungen an die Ukraine an den Tag gelegt. Bis März 2024 versprachen die Länder der Europäischen Union der Ukraine beispielsweise die Lieferung von 1 Million Schuss Munition – geliefert wurden bislang nur 300.000 Schuss Munition. Anstatt sich selbstkritisch mit diesem Versagen auseinanderzusetzen, wird mit dem Finger zu oft auf die USA gezeigt.
Doch auch die Biden-Administration ist nicht ohne Fehler. Zu häufig wird, wie auch in West-Europa, von „Putins Krieg“ gesprochen, so dass einerseits die russische Bevölkerung aus der Verantwortung genommen wird. Die überwältigende Mehrheit der Russen unterstützt nämlich die Aggression gegen die Ukraine. Andererseits wird hierdurch die historische Komponente außer Acht gelassen, gehen russische imperialistische Bestrebungen ja nicht auf Vladimir Putin, sondern auf das Zarenreich zurück. Der russische Imperialismus ist infolgedessen tief in der Gesellschaft verwurzelt.
Diese Fehleinschätzungen hat Präsident Biden bislang ebenso wenig korrigiert wie die zurückhaltende Position bei der Lieferung von Waffen und die mangelnde Definition des Kriegsziels. Den russischen Aggressor wird die Ukraine nämlich nicht vollständig aus dem eigenen Land drängen können, wenn das Weiße Haus weiterhin die hierfür notwendigen Waffen, obwohl ausreichend im Bestand, nicht liefert.
Weiterführende Leseempfehlungen
Auf „1600 Pennsylvania“ wurden schon zahlreiche Beiträge zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine publiziert. Auf eine Auswahl soll an dieser Stelle erneut hingewiesen werden:
„Richard Nixons Blick in die Glaskugel“ (Klick hier): Schon im Jahr 1994 warnte der einstige US-Präsident Richard Nixon vor dem russischen Imperialismus und vor einem erneuten großen Krieg in Europa.
„Ignorierte Warnungen“ (Klick hier): Nicht nur Richard Nixon sah schon in den 1990er Jahren den historisch gewachsenen russischen Imperialismus als Bedrohung für den Weltfrieden. Auch in den 2000er Jahren warnten unter anderem George W. Bush, Mitt Romney oder John McCain vor einem weiterhin aggressiv auftretendem Russland. Doch die Warnungen wurden, insbesondere von den politisch Verantwortlichen in Berlin, ignoriert.
„Boltons ungehörte Warnung“ (Klick hier): Eine Schlüsselrolle bei der vollumfänglichen russischen Invasion der Ukraine spielte Alexander Lukashenko, da nur über dessen Republik Belarus die russischen Truppen auf dem kürzesten Weg gen Kyiv marschieren konnten. Dies war auch möglich, da der Westen in den Beziehungen zu Belarus, insbesondere nach den Massendemonstrationen des Jahres 2020, zu kurzfristig dachte und keine langfristige Strategie erarbeitete. John Bolton, einst Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Trump, sah die strategische Bedeutung von Minsk frühzeitig.
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