Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden könnten von ihren Charaktereigenschaften, Führungsstilen und politischen Einstellungen kaum unterschiedlicher sein. Den von Präsident Obama ausgerufenen „Schwenk nach Asien“ teil(t)en dessen Nachfolger jedoch und füll(t)en die Worte des 44. US-Präsidenten mit expliziten Taten.
Ging die größte sicherheitspolitische Herausforderung der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts noch von der Sowjetunion aus, nimmt diese Rolle im 21. Jahrhundert nämlich die Volksrepublik China ein. In den USA herrscht darüber parteiübergreifender Konsens wie auch Matthias Naß in seinem Buch „Kollision. China, die USA und der Kampf um die weltpolitische Vorherrschaft im Indopazifik“ treffend feststellt:
Von Washington aus gesehen, hat der zweite Kalte Krieg längst begonnen (…) Die fünfzig Jahre lang gemeinsam betriebene Politik einer Einbindung Chinas in das westlich geprägte internationale System ist gescheitert.
„Kollision. China, die USA und der Kampf um die weltpolitische Vorherrschaft im Indopazifik“ (Matthias Naß), S. 13.
Der renommierte Journalist Naß, der seit dem Jahr 2011 für die Wochenzeitung Die Zeit als internationaler Korrespondent arbeitet, hat ein 282 Seiten starkes sehr gut lesbares Werk über das zunehmende aggressive Verhalten Chinas im Pazifik und die daraus folgende Reaktion der freien Welt unter Führung der USA verfasst.
In seinem im Verlag C.H. Beck erschienen Buch informiert Naß sodann unaufgeregt über die sicherheitspolitischen Entwicklungen im Pazifik. Die Leserschaft wird darüber aufgeklärt, weshalb es sich beim Indopazifik um eine für die Weltgemeinschaft bedeutende Region, Stichwort Handelsrouten, handelt.
Das Hauptaugenmerk legt Naß in seinem Buch auf den Konflikt zwischen der kommunistischen Diktatur China und dem demokratisch regierten Taiwan. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass auch die USA zuletzt ihre Beziehungen mit Tapei nochmals vertieften:
Im Taiwan Relations Act von 1979 verpflichteten sie [die USA; Anm. d. Verf.] sich gesetzlich dazu, Taiwan mit den zu seiner Verteidigung notwendigen Waffen auszustatten. Seither haben alle Präsidenten Rüstungsgüter im Milliardenwert an die Insel liefern lassen. Niemand war bei der Waffenhilfe großzügiger als Donald Trump, unter dem die Beziehungen zwischen Washington und Taipei besonders eng wurden.
„Kollision“ (Matthias Naß), S. 87.
Fiel Trump als Präsident in den Ländern Europas noch mit einem isolationistischem Kurs auf, der die USA am liebsten von internationalen Gemeinschaft losgeeist hätte, sah dies in Bezug auf den asiatischen Kontinent größtenteils anders aus (gleichwohl sei angemerkt, dass Präsident Trump auch in dieser Region bilaterale Abkommen bevorzugte). Dass Naß diese wichtige, gleichwohl in der Öffentlichkeit oftmals unpopuläre, Differenzierung wagt, gilt ebenso als Errungenschaft seines Werkes wie die Feststellung, dass Präsident Obama bei sicherheitspolitischen Problemstellungen, entgegen seinen smarten Worten, oftmals eine naive Herangehensweise an den Tag legte.
Trump nahm die chinesische Herausforderung an. Wo er amerikanische Macht demonstrieren konnte, tat er es, selbst an den entlegensten Orten. Sein Nachfolger Joe Biden tat es ihm nach.
„Kollision“ (Matthias Naß), S. 114.
Präsident Biden lud beispielsweise im September 2023 Anführer zahlreicher Pazifikinseln in das Weiße Haus ein. Der Grund: Die Einhegung des steigenden Einflusses Chinas im Pazifik. Der alte Kontinent Europa verliert indes für die USA an Bedeutung. Die zögerliche Haltung bei der Lieferung von schwereren Waffen, Kampfjets oder Kampfpanzer seien an dieser Stelle erwähnt, an die Ukraine unterstreicht dies exemplarisch. Naß gelingt sodann den Kreis von der Bildung neuer Allianzen unter Führung der USA im Pazifik hin zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu schließen:
Es wird immer deutlicher, dass die Ukraine aus Sicht Washingtons eher ein Nebenkriegsschauplatz ist.
„Kollision“ (Matthias Naß), S. 95.
Naß‘ Feststellung ist für die freien Länder Europas ein weiterer Grund sich sicherheitspolitisch zu emanzipieren. In den bestehenden Partnerschaften mit den USA sollte Europa schon alleine aus Eigeninteresse zukünftig mehr Eigenverantwortung tragen.
Schlussendlich sei das Buch „Kollision“ von Matthias Naß für alle am Weltgeschehen im Allgemeinen und an der Sicherheitspolitik der USA und Chinas im Speziellen interessierten Leser empfohlen. Das Buch gibt einen sehr guten ersten Einblick auf den bedeutendsten Konfliktherd unseres Jahrhunderts.
Vielen Dank an den Verlag C.H. Beck für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.
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Die offizielle Buchbeschreibung
Während die Welt gebannt auf die Ukraine schaut, formiert sich viele tausend Kilometer entfernt ein noch viel größerer Konflikt – China und die USA sind im Indopazifik auf Kollisionskurs. Im neuen Epizentrum der globalisierten Weltwirtschaft entscheidet sich, wer im 21. Jahrhundert tonangebend sein wird, der kapitalistisch-demokratische Westen oder das staatskapitalistisch-autokratische Regime Chinas. Die Insel Taiwan, auf die China Anspruch erhebt, ist der Dominostein, dessen Fall die ganze Sicherheitsarchitektur Asiens zum Einsturz bringen würde. Matthias Naß, der seit vielen Jahrzehnten für die ZEIT über Asien und den Pazifik berichtet, schildert Ursachen und Verlauf des Konflikts und porträtiert eindringlich die beteiligten Akteure und ihre sehr unterschiedlichen Interessen.
Das Säbelrasseln im Indopazifik wird immer lauter. US-Kreuzer passieren in regelmäßigen Abständen die Straße von Formosa, chinesische Militäreinheiten bauen künstliche Inseln im Ozean, deren Zweck unmissverständlich ist, und beide Seiten versuchen den Gegner mit gewaltigen Seemanövern einzuschüchtern. Die Anrainerstaaten wie Australien, Japan oder Südkorea werden zunehmend nervös und rücken aus Angst vor dem Machthunger der Volksrepublik China zusammen, während Peking ein dichtes Netz von regionalen Abhängigkeiten webt und in Hongkong schonungslos jene Dominanz ausübt, die es auch für Taiwan anstrebt. Eines ist sicher: Wer aus diesem Ringen als Sieger hervorgeht, der wird der neue globale Hegemon.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; Verlag C.H. Beck; eigene Grafiken.
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