Vor einem Monat wurde Zohran Mamdani zum Bürgermeister von New York City gewählt. Die Hauptstadt des Kapitalismus wird ab Januar 2026 von einem Sozialisten regiert. Ein erfrischend, modern und nahe an den Bürgern gestalteter Wahlkampf bereitete Mamdani ebenso den Weg zu seinem Wahlerfolg wie das passende Agenda-Setting. Kein anderer Kandidat für das Bürgermeisteramt adressierte die Herausforderungen, sprich Anstieg der Lebenshaltungskosten, der New Yorker so gekonnt wie der 34-Jährige. Die New Yorker belohnten den Wahlkampf des Mitglieds der Democratic Socialists of America mit einem Wahlsieg in Form eines Vorsprungs von neun Prozentpunkten vor dem als unabhängigen Kandidaten auftretenden Demokraten Andrew Cuomo.
Konservative und rechte Medien sahen und sehen in Mamdani hingegen einen Antipoden zu Präsident Donald Trump. Insbesondere die lokale New York Post fuhr eine, freilich erfolglose, Kampagne gegen den selbst ernannten Sozialisten (siehe untenstehendes Titelbild nach Mamdanis Wahlsieg). Doch auch die liberale The New York Times stand im Wahlkampf Mamdani skeptisch gegenüber. Das Editorial Board kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass Mamdani auf Grund seiner mangelnden politischen Erfahrung unwählbar sei. Des Weiteren spreche das politische Programm Mamdanis, das eine „turbogeladene Version“ der Politik des früheren und gescheiterten Bürgermeisters Bill de Blasio darstelle, gegen den Kandidaten der Demokratischen Partei, so The New York Times.
Die meisten etablierten deutschsprachigen Medien ergötzten sich indes (im besten Fall) an einer undifferenzierten und oberflächlichen Berichterstattung über den in den USA lagerübergreifend umstrittenen gewählten New Yorker Bürgermeister. Die Süddeutsche Zeitung sah beispielsweise in Mamdani einen Hoffnungsträger, der „stellvertretend für die Welt (…) gegen die Ungerechtigkeit einer Zeit (…), für die Donald Trump das Symbol geworden ist“, ankämpfen soll. Kann eine Person, deren politische Identität die Opposition zu jeglichem Zionismus darstellt und in Israel ein „siedlerisches-koloniales Projekt“ sieht, ein Hoffnungsträger sein? Freilich eine rhetorische Frage.

Die Hälfte der New Yorker Wähler sahen in Mamdani indes keinen Hoffnungsträger. Auf den Sozialisten entfielen prozentual gesehen so wenige Stimmen wie auf keinen Wahlsieger in diesem Jahrtausend. Konnte Mamdani 50,4% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, kamen der ausgehende Bürgermeister Eric Adams im Jahr 2021 noch auf einen Stimmenanteil von 67,0% und de Blasio im Jahr 2013 auf 73,3%. Eine „Hoffnung für die Demokraten“ (tagesschau) stellt Mamdani auf Grund der Historie von Wahlergebnissen in New York City ebenso wenig dar wie sein politisches Profil, ist ein linker Populismus den US-Amerikanern landesweit gesehen doch nicht vermittelbar. Dass ein Politiker, der sozialistische Ideen wie die Verstaatlichung von Wohnbaugesellschaften und Lebensmittelläden vertritt, wenig mit dem Ziel eines Wohlstands für Alle gemein hat, sollte insbesondere die deutsche Historie gelehrt haben.

In einem Land, in dem Staatsgläubigkeit eine positive Konnotierung, zumal in dessen Schreibstuben, erfährt, verwundert dies freilich nicht. Selbst die wirtschaftsliberale Frankfurter Allgemein Zeitung ließ sich von TikTok und Instagram Videos des gewählten New Yorker Bürgermeisters beeindrucken: Aus einem Sozialisten, Mamdani ist seit dem Jahr 2017 Mitglied der Sozialistischen Partei der Vereinigten Staaten von Amerika (DSA) und nur pro Forma Teil der Demokratischen Partei, machte die FAZ einen Politiker der linken Mitte (siehe untenstehendes Video). Pro Sieben wiederum sah in Mamdanis Wahlerfolg eine „Klatsche für Trump“ obwohl der amtierende US-Präsident gar keinen eigenen MAGA-Kandidaten in das Rennen um das Bürgermeisteramt von New York City schickte.
Der Hype deutschsprachiger Journalisten um Mamdani kannte und kennt kaum Grenzen und umfasst mittlerweile auch dessen Ehefrau Rama Duwaji. Das ZDF titelte „Warum sich so viele in Rama Duwaji wiederfinden“, die Süddeutsche Zeitung schrieb von einem erst beginnenden Hype um die zukünftige First Lady von New York City: „Sie ist Künstlerin, politisch, jung, schön und cool“. Dass Duwaji wie ihr Ehemann aus einem privilegierten Elternhaus stammt und in den Sozialen Medien offen mit der Hamas, die das größte Massaker an der jüdischen Bevölkerung seit dem Holocaust ausübte, sympathisierte, bleibt in der deutschsprachigen Berichterstattung freilich zumeist außen vor. Für Zeit Online wurde Duwaji gar „als erste muslimische First Lady, eine die der Generation Z angehört“ gefeiert.

Die Berichterstattung über den gewählten New Yorker Bürgermeister Mamdani steht stellvertretend für den emotionalen und teils parteiischen Blick deutschsprachiger Journalisten auf die komplexen Geschehnisse der US-amerikanischen Politik. Die Folge davon ist eine unzureichend informierte deutsche Bevölkerung, die deshalb im Herbst 2024 noch mit einer Mehrheit von 72% annahm, Kamala Harris werde siegreich aus der Präsidentschaftswahl hervorgehen. Es folgte jedoch ein Wahlabend, bei dem die damalige Vizepräsidentin keinen einzigen Swing State für sich entschied. Die Anzeichen für dieses Ergebnis waren während des Wahlkampfs deutlich sichtbar. Doch dafür hätten die Medienschaffenden – Ausnahmen bestätigen die Regel – einen für sie ungewollten Wahlausgang in Betracht ziehen müssen.

Ein Beitrag von Kai-Uwe Hülss M.A.
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