Kurzanalyse: Bidens mögliche Vizepräsidentschaftskandidatinnen

Der US-Präsidentschaftswahlkampf wird im August an Fahrt aufnehmen. Als vorläufiger Höhepunkt des Wahlkampfes werden weniger als drei Monate vor der Wahl die beiden Nominierungsparteitage, das diesbezügliche Format ist insbesondere bei Republikanern noch fraglich, abgehalten werden. Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden werden folglich auch ihre Vision für die USA vorstellen.

Biden plant zudem im August seine Vizepräsidentschaftskandidatin vorzustellen. Das hierfür eingesetzte Komitee zur Überprüfung potentieller Kandidatinnen hatte in den vergangenen Wochen mehr als ein Dutzend Frauen im Blick. Nachdem euch „1600 Pennsylvania“ schon im April erste mögliche Kandidatinnen vorgestellt hat (Klick hier), gibt es nun eine Kurzanalyse über die Stärken und Schwächen der einzelnen Politikerinnen (alphabetisch geordnet).

Stacey Abrams

Seit ihrer knappen Niederlage bei der Gouverneurswahl von Georgia taucht der Name der Afroamerikanerin Stacey Abrams immer wieder für eine mögliche Kandidatur an der Seite von Biden auf. Abrams gilt als dynamisch, was sicherlich auch ihrem jungen Alter von 46 Jahren zu verdanken ist. Sie könnte damit auch Minderheiten, insbesondere in Georgia und North Carolina, motivieren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Gegenwärtig engagiert sie sich für die Ausübung des Wahlrechts – ein in den USA nicht immer leichtes Unterfangen.

Für zehn Jahre amtierte Abrams als Abgeordnete im Landesparlament von Georgia. Ansonsten weist Abrams keine legislativen und exekutiven Erfahrungen auf. Zu wenig, um im Notfall die Präsidentschaft von Joe Biden zu übernehmen? Zudem gilt Abrams als polarisierende Persönlichkeit. Zuletzt warb Abrams stark dafür, dass sie von Biden ausgewählt wird – ungewöhnlich!

Senatorin Tammy Baldwin

Tammy Baldwin ist die erste offen homosexuell lebende U.S. Senatorin. Bevor Baldwin 2013 in den U.S. Senat gewählt wurde, amtierte sie für 14 Jahre als Abgeordnete im U.S. Repräsentantenhaus. Baldwin ist in allen Flügeln der Demokratischen Partei akzeptiert. Für Baldwin spricht zudem, dass sie aus Wisconsin kommt – ein Staat, den 2016 noch Trump für sich entschied.

Als Nachteil könnte sich für Baldwin erweisen, dass sie ein sehr linkes Abstimmungsverhalten als Senatorin aufweist – im Wahlkampf wäre sie somit ein leichtes Ziel für Republikaner. Ihr Nachfolger im U.S. Senat würde zudem bei einer Nachwahl im Jahr 2021 bestimmt werden – bei ihrer Nominierung würden Demokraten das Risiko eingehen einen Sitz im U.S. Senat zu verlieren, da Wisconsin als umkämpft gilt.

Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms

Die Personalie Keisha Lance Bottoms, seit 2017 Bürgermeisterin von Atlanta, ist seit der Ermordung von George Floyd in den Vordergrund gerückt. Durch ihr gegenwärtiges Aufgabengebiet ist Bottoms mit dem Themengebiet des strukturellen Rassismus bestens vertraut. Die Afroamerikanerin gilt als starke Rednerin, ebenso unterstützte sie Biden frühzeitig in den Vorwahlen. Da Bottoms aus Georgia kommt, könnte sie einen traditionell republikanischen Staat, der auf Grund des demographischen Wandels immer wettbewerbsfähiger für die Demokratische Partei wird, für Biden mobilisieren.

Manko für Bottoms sind ihre fehlenden Erfahrungen auf Landes- und Bundesebene – Biden will bekanntlich eine Frau nominieren, die ihm im Ernstfall sofort als Präsident nachfolgen könnte. Des Weiteren gelten ihre Verbindungen zu ihrem Vorgänger im Amt des Bürgermeisters von Atlanta, Kasim Reed, als brisant. Die Behörden ermitteln gegenwärtig gegen dessen ehemalige Administration.

Abgeordnete Val Demings

Der Stern der Abgeordneten Val Demings ging während der Demonstrationen gegen Polizeigewalt im Juni diesen Jahres auf. Als studierte Kriminologin und Absolventin der Polizeiakademie scheint Demings als die perfekte Kandidatin zu diesem Zeitpunkt. Sie stammt zudem aus dem wichtigen Swing State Florida.

Allerdings ist Val Demings eine bundesweit unerfahrene und unbekannte Politikerin. Da sie erst seit 2017 als Abgeordnete amtiert, ist sie zudem kaum über ihren Wahlkreis hinaus in Florida bekannt. Ihre Zeit als Leiterin der Polizeibehörde in Orlando müsste auf Grund einer sehr sensiblen politischen Lage in diesem Bereich genauestens durchleuchtet werden. Für ihren Ehemann Jerry, Polizeichef von Orange County, gilt gleiches.

Senatorin Tammy Duckworth

Tammy Duckworth saß vier Jahre im U.S. Repräsentantenhaus bevor sie 2017 zur U.S. Senatorin gewählt wurde. Die Kriegsveteranin und zweifache amputierte Duckworth hat eine inspirierende Lebensgeschichte vorzuweisen. Mit ihrem militärischen Hintergrund könnte sie auch moderate Republikaner ansprechen.

Gegen eine Nominierung von Duckworth spricht, dass sie im U.S. Kongress bislang zu den Hinterbänklern zählt. Zudem gilt ihr Heimatbundesstaat Illinois, welches zuletzt 1988 republikanisch wählte, als sicher für Biden. Ihr Geburtsort Bangkok könnte zudem eine Angriffsfläche im Wahlkampf bieten.

Gouverneurin Michelle Lujan Grisham

Michelle Lujan Grisham ist seit 2019 Gouverneurin des Bundesstaates New Mexico. Bevor sie in die Exekutive wechselte amtierte sie für sechs Jahre im U.S. Repräsentantenhaus. Grisham könnte hispanische Wähler für Bidens Kampagne motivieren – bislang fehlt ihm in dieser Wählergruppe die Unterstützung. Ebenso würde sie geographische Diversität in die Kampagne bringen.

Das progressive politische Spektrum kritisiert Grisham für ihre angebliche Nähe zu Pharmakonzernen. Des Weiteren weist Grisham kein nationales Profil auf. Der Bundesstaat New Mexico dürfte des Weiteren als sicher für Biden gelten.

Senatorin Kamala Harris

Senatorin Kamala Harris wird von politischen Beobachtern als Favoritin unter allen Vizepräsidentschaftskandidatinnen gehandelt. Dass dies jedoch keine Garantie für deren Wahl ist, zeigte nicht zuletzt die überraschende Nominierung von Tim Kaine durch Hillary Clinton 2016. Dass Harris‘ Kampagne bei den demokratischen Vorwahlen, größtenteils selbstverschuldet, enttäuschte, dürfte in Bidens Kampagne zudem als negativer Aspekt bedacht werden.

Gleichwohl genießt Harris nach wie vor hohes Ansehen, gilt oftmals sogar als Obama der 2020er Jahre. Seit 2017 hat Harris einen Sitz im U.S. Senat inne, zuvor amtierte sie als Attorney General des Bundesstaates Kalifornien. Ihre Qualitäten als Juristin würden ihr helfen als Vizepräsidentin zu bestehen. Ihre Entscheidungen in diesem Amt werden jedoch von progressiven Demokraten kritisch gesehen.

Gouverneurin Gina Raimondo

Die im Jahr 1971 geborene Gina Raimondo amtiert seit fünf Jahren als Gouverneurin von Rhode Island. Ihr wird ein kompetentes Arbeitszeugnis ausgestellt. Raimondo gilt als moderate Stimme innerhalb der Demokratischen Partei. Vorstadtsfrauen, eine der wichtigsten und umkämpfsten Wählergruppen, könnten sich von Raimondo angesprochen fühlen.

Innerhalb des linken Parteiflügels wird Raimondo auf Grund ihrer Reformpolitik sowie ihrer ehemaligen Tätigkeit in der Privatwirtschaft skeptisch betrachtet. Bundesweite Bekanntheit weist sie ebenso wenig auf wie bundespolitische Erfahrungen. Minderheiten könnte Raimondo wohl ebenso kaum mobilisieren.

Susan Rice

Von 2009 bis 2013 war Susan Rice US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. In der zweiten Amtszeit von Präsident Obama amtierte sie als dessen Nationale Sicherheitsberaterin. Diese außerordentlichen Regierungserfahrungen sind die größten Pluspunkte von Rice. Auf Grund ihrer Zeit in der Obama-Administration kennen sich Rice und Biden zudem sehr gut. Mit medialem Druck kommt Rice gut zurecht.

US-Präsidentschaftswahlen sind meist von innenpolitischen Themen bestimmt – der außenpolitische Fokus von Rice könnte somit ein Hemmschuh für ihre Nominierung sein. Ebenso weist Rice keine Wahlkampferfahrungen auf. Rice bietet zudem eine Angriffsfläche, da sie für eine Rückkehr zur Außenpolitik von Präsident Obama steht. Das Versagen der Administration beim Terroranschlag auf das US-Konsulat in Benghazi soll an dieser Stelle stellvertretend genannt sein.

Senatorin Elizabeth Warren

Die ehemalige Professorin Elizabeth Warren amtiert seit 2013 als U.S. Senatorin. In diesem Jahr bewarb sie sich für die demokratische Kandidatur, konnte sich jedoch im Rennen um die linke Wählerschaft nicht gegen Senator Sanders durchsetzen. Ihr Fokus auf ökonomische Ungleichheit könnte insbesondere auf Grund der Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie zeitgemäß sein. Des Weiteren würde Warren als positives Zeichen für progressive Wähler gelten und Biden den nötigen Enthusiasmus bei jungen, linken Demokraten bescheren. Warren ist zudem landesweit bekannt.

Als größter Minuspunkt zählt für Warren, dass sie und Biden ideologisch weit auseinanderliegen. Machtkämpfe im Weißen Haus wären vorprogrammiert. Des Weiteren weist Warren, Jahrgang 1949, ein zu hohes Alter auf, um Biden perfekt zu komplementieren. Ebenso könnte Warren Minderheiten kaum für die Kampagne mobilisieren.

Gouverneurin Gretchen Whitmer

Gretchen Whitmer, seit 2019 Gouverneurin von Michigan, erlangte landesweite Bekanntheit durch ihr weitestgehend positiv bewertetes Coronavirus-Krisenmanagement. Mit ihrem vergleichsweisen jungen Alter, Whitmer ist Jahrgang 1971, würde sie Biden altersmäßig gut ergänzen. Whitmer kommt aus einem Bundesstaat, den Donald Trump im Jahr 2016 knapp für sich entscheiden konnte.

Gegen Whitmer spricht, dass sie keine bundespolitische Erfahrung aufweist sowie erst seit zwei Jahren in der Exekutive tätig ist. Steigende Coronavirus-Fallzahlen könnten sie zudem angreifbar machen.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); U.S. Congress; frei verfügbare Bilder der jeweiligen Politikerinnen; eigene Grafiken

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