In den letzten Tagen vor der Präsidentschaftswahl reisen die Bewerber um das Weiße Haus vermehrt durch die USA. Die eigene Anhängerschaft soll zum Wählen motiviert, die wenigen unentschlossenen Wähler sollen von den eigenen Anliegen überzeugt werden.
Die meisten US-Amerikaner werden allerdings nicht die Möglichkeit haben, sich live ein Bild von den Kandidaten zu machen. Dies hat weniger mit der Coronavirus-Pandemie zu tun als mit der Tatsache, dass ein Präsidentschaftswahlkampf traditionell in nur wenigen Bundesstaaten geführt und entschieden wird.
Nach New York City oder Los Angeles reisen Präsidentschaftskandidaten beispielsweise nur, um Spenden bei der High Society einzusammeln. Die Staaten New York und Kalifornien wählen seit Jahrzehnten demokratisch, Wahlkampfveranstaltungen wären verschwendete Energie. Das ländlich geprägte Montana, zwischen den Rocky Mountains und den Great Plains gelegen, wird beispielsweise ebenso in Wahlkämpfen außen vor gelassen. Der dünn besiedelte Staat wählt republikanisch.
Dass in Staaten, die traditionell eine Partei bevorzugen, kaum Wahlkampf geführt wird, hat auch damit zu tun, dass die Höhe eines Wahlsieges in einem Bundesstaat nicht von Relevanz ist. Es gilt in der Regel das winner-takes-it-all Prinzip. Heißt: Entscheidet ein Kandidat einen Staat für sich, egal ob mit relativer oder absoluter Mehrheit, bekommt dieser alle diesem Staat zustehende Wahlmännerstimmen. Der Supreme Court hat dieses System erst in diesem Jahr bestätigt.
Je nach Einwohnerzahl sendet ein Bundesstaat mehr oder weniger Wahlmänner, die letztendlich den Präsidenten wählen. 270 Wahlmänner von insgesamt 538 werden für eine siegreiche Wahl benötigt. Der Präsident wird somit indirekt vom US-amerikanischen Volk gewählt. Hintergrund und Sinn des Wahlmännergremiums sei an anderer Stelle zu thematisieren.
Infolgedessen sind nationale Umfragen lediglich ein Stimmungsindikator. Entscheidend für den Wahlausgang ist das landesweite Ergebnis nicht direkt. 2016 profitierte Donald Trump von diesem System, als er 2.865.075 weniger Stimmen als Hillary Clinton erhielt. Clinton zog dennoch nicht in das Weiße Haus ein, da auf ihre Bewerbung in den entscheidenden umkämpften Staaten zu wenige Stimmen entfielen, so dass sie weniger Wahlmänner auf sich vereinen konnte als Trump.
Ein Kandidat könnte in einem Bundesstaat 100% der Stimmen erhalten.
Mehr Wahlmänner, die bei einer Präsidentschaftswahl entscheidend sind,
bekommt der Kandidat für solch einen Erdrutschsieg dennoch nicht.
Diese Staaten werden im Amerikanischen als Swing States bezeichnet. In der Regel handelt es sich hierbei um nur wenige Staaten. In der Ära Trump hat sich die Anzahl der umkämpften Staaten etwas vergrößert. 2016 im positiven Sinne Trumps, vier Jahre später könnte sich dieses Blatt gegen den Präsidenten wenden.
Wer die USA die nächsten vier Jahre regieren wird, hängt in diesem Jahr von 12 Bundesstaaten ab: Arizona, Florida, Georgia, Iowa, Michigan, Minnesota, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, und Wisconsin. In diesen Staaten werden Präsident Donald Trump und Joe Biden ihr Hauptaugenmerk in den letzten Tagen des Wahlkampfs werfen. Sie werden persönliche Veranstaltungen abhalten sowie on- und offline Werbung schalten. Für die restlichen 38 Staaten wird es eine Wahl nahezu ohne Wahlkampf vor Ort sein.