Joseph Robinette Biden Junior diente seinem Land als U.S. Senator, Vizepräsident und als Präsident. Am 20.01.2025 endet mit dem Auszug aus dem Weißen Haus die bemerkenswerte politische Karriere des Demokraten Joe Biden. Vor diesem Hintergrund zieht der nachfolgende Beitrag eine erste innenpolitische Bilanz über die Amtszeit des ältesten jemals amtierenden Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit der Außen- und Sicherheitspolitik des 46. US-Präsidenten wird sich ein weiterer, späterer Beitrag befassen.
Arbeitsmarkt: Weitestgehend positive Entwicklung
Der US-Arbeitsmarkt hat sich in der Ära Biden von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholen können. Zur Hälfte der Amtszeit von Präsident Biden lag laut Angaben des Arbeitsministeriums die Arbeitslosenquote bei 3,5 Prozent und damit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zuletzt stieg die Arbeitslosenquote allerdings wieder leicht auf 4,2 Prozent (Deutschland: 6,0 Prozent) an.

Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics
Wirtschaft: Stabiles Wachstum nach der Pandemie
Neben einer weitestgehend positiven Entwicklung am US-Arbeitsmarkt im Vergleich zum Beginn des Jahrzehnts konnten die USA auch mit einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum unter Präsident Biden aufwarten. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt wegen den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 noch um 2,16 Prozent sank, verzeichneten die USA in den darauffolgenden Jahren Wachstumsraten von 6,06 Prozent (2021), 2,51 Prozent (2022) und 2,15 Prozent (2023). Für das Jahr 2024 wird mit einem Wachstum von 2,7 Prozent gerechnet.

Inflation: Preissteigerungen als Bidens Achillesferse
In Bidens Präsidentschaft erreichte die Inflationsrate in den USA im Juni 2022 mit 9,1 Prozent ihren Höchstwert. Seitdem gingen die monatlich verlautbarten Preissteigerungen zwar konstant zurück, lagen jedoch weiterhin über dem empfohlenen Wert von 2 Prozent. Zwischen Juni 2023 und November 2024 lagen die Inflationsraten zwischen 2,4 und 3,7 Prozent (Deutschland im November 2024 bei 2,2 Prozent). Die größtenteils positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt sowie in der Wirtschaft kamen folglich wenig spürbar bei der US-amerikanischen Bevölkerung an. Bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024 war dies die Achillesferse für die Kandidaten der Demokratischen Partei.

Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics
Biden setzte sich für einen starken Staat ein
Die über einen langen Zeitraum hohen Inflationsraten in den USA sind nicht nur mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie und, wenngleich weniger stark, mit den ökonomischen Konsequenzen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine begründet. Vielmehr trug die Biden-Administration selbst zu einer anhaltenden hohen Steigerung der Verbraucherpreise bei, indem horrende staatliche Programme aufgelegt wurden.
Exemplarisch dient an dieser Stelle der CHIPS and Science Act, der $280 Milliarden zur Halbleiterforschung und -herstellung in den USA bereitstellte. Die Vereinigten Staaten wollen sich damit insbesondere von asiatischen Lieferanten unabhängiger machen. Der überparteiliche Infrastructure Investment and Jobs Act stellte zudem zusätzliche $550 Milliarden zur Modernisierung der Infrastruktur bereit.
Klimaschutz: Hohe Investitionen in grüne Technologien
Weitere $ 737 Milliarden legte die Regierung Biden für den Inflation Reduction Act auf. Die Hälfte dieser staatlichen Gelder dienten zur, wenngleich wenig erfolgreichen, Bekämpfung der Inflation. Weitere $369 Milliarden wurden indes explizit für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz ausgewiesen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.
Allen Bemühungen für einen stärkeren Klimaschutz zum trotz genehmigte Präsident Biden mit dem umstrittenen „Willow-Projekt“ doch auch zusätzliche Ölbohrungen in Alaska. In den nächsten 30 Jahren sollen in bislang unberührter Natur 600 Millionen Barrel Erdöl gefördert werden. Im Wahlkampf 2020 versprach Biden noch, keine weiteren Ölbohrungen auf Bundesgebiet genehmigen zu wollen.
Migration: Lange Zeit hohe Anzahl illegaler Grenzübertritte
Zu Beginn seiner Präsidentschaft ernannte Präsident Biden seine Vizepräsidentin Kamala Harris zur Beauftragten für die Lösung der schon seit Jahren bestehenden Migrationskrise an der Südgrenze zur USA. Eine herausfordernde Aufgabe, an der sie scheiterte. Auch aufgrund dessen stiegen nach den vergleichsweisen geringen Zahlen während der Coronaviruspandemie in der Ära Biden illegale Grenzübertritte (wieder) an. Laut der Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten erreichten im Dezember 2023 rechtswidrige Überquerungen der Grenze von Mexiko in die USA sogar den höchsten in einem Monat jemals gemessenen Stand (249.741 Versuche).

Erst mit einer Verordnung von Präsident Biden im Wahlkampfjahr zur Migrationspolitik, welche unter anderem die Erfolgschancen eines Asylantrags vermindert, sowie durch die Zusammenarbeit mit den mexikanischen Behörden, die nun versuchen, Migranten vom Grenzübertritt abzuhalten, ging die Anzahl illegaler Grenzübertritte zurück. Im August 2024 wurden noch 58.038 rechtswidrige Versuche gezählt.
Justiz: Biden prägte die Judikative
Präsident Biden konnte die Ausrichtung der Judikative stark prägen. In seinen vier Jahren im Weißen Haus nominierte er 235 Bundesrichter, darunter mit Ketanji Brown Jackson eine Verfassungsrichterin, erfolgreich. Damit hat der 46. Präsident mehr Richter installieren können als sein Vorgänger Donald Trump, der 226 Bundesrichter erfolgreich nominieren konnte. Mit seinen Nominierungen diversifizierte Präsident Biden die Judikative, indem er einerseits mehr Frauen als Männer für die jeweiligen Vakanzen vorschlug. Andererseits fokussierte sich Präsident Biden bei seinen Nominierungen auf Richter, die mehrheitlich einer ethnischen Minderheit in den USA angehören.
Gesellschaft: Auch Biden konnte und wollte die USA nicht einen
Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 versprach Biden noch, dass er das Land wieder näher zusammenbringen und dem Präsidentenamt nach den turbulenten Jahren der Ära Trump wieder mehr Würde verleihen wolle. Letzteres ist Präsident Biden zwar zumeist gelungen. Doch machte sich sein hohes Alter ebenso negativ bemerkbar wie manch unkontrolliertes Auftreten. Eine Eigenschaft, mit der Biden schon als Vizepräsident und U.S. Senator aufwartete.
Die seit Jahrzehnten größer werdende Spaltung zwischen liberalem und konservativem Amerika konnte und wollte Präsident Biden entgegen seinen Aussagen im Wahlkampf nicht bekämpfen. Durch seine expliziten politischen Entscheidungen stellte sich Präsident Biden oftmals sogar auf die Seite progressiver Demokraten, um diesen Flügel zu befrieden und seine innerparteiliche Macht (zunächst) zu erhalten. Bidens Wandel vom jahrzehntelangen Lebensschützer zum Befürworter der Wahlfreiheit sei an dieser Stelle exemplarisch genannt. Wie schon einst Barack Obama prognostizierte, war Biden der gesellschaftspolitisch wohl progressivste Präsident aller Zeiten.
Demokratie: Hoher Anspruch traf auf Wirklichkeit
Biden bewarb sich im Jahr 2020 für das Weiße Haus, um laut eigenen Aussagen die Demokratie in den USA zu bewahren. Diesem hohen Anspruch wurde der Demokrat zunächst auch gerecht, gewann er doch einerseits die Präsidentschaftswahl gegen Trump. Andererseits wartete Präsident Biden in der Regel mit Respekt gegenüber den anderen Gewalten auf.
In seinem letzten Jahr als Präsident riss Biden jedoch diese Errungenschaften wieder ein: Zunächst verkündete er trotz nachlassender Gesundheit und einem hohem Alter seine Ambition auf eine Wiederwahl. Vier Jahre zuvor kündigte er noch an, nur für eine Amtsperiode antreten zu wollen. Nach gewonnenen Vorwahlen folgte der unfreiwillige späte Rückzug von der Präsidentschaftskandidatur seiner Partei – die Rückkehr Trumps in das Weiße Haus nach vierjähriger Unterbrechung war, trotz dessen Nicht-Anerkennung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl 2020, auch aus diesem Grund die Folge.
Mit der Begnadigung seines Sohnes Hunter Biden sorgte der 46. Präsident zudem für überparteiliche Kritik und für eine Blaupause für seinen Nachfolger Begnadigungen primär aus politischen Gründen auszusprechen.
Meinungsforschung: US-Amerikaner beurteilten Bidens Arbeit mehrheitlich negativ
Präsident Biden begann seine Amtszeit mit durchschnittlichen repräsentativen Zustimmungswerten von 54,8 Prozent. Nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan im Sommer 2021 brachen Präsident Bidens Zustimmungswerte ein und erholten sich hiervon nicht mehr: Im Oktober 2021 stimmten nur noch 42,7 Prozent der US-Amerikaner mit der Arbeit des 46. US-Präsidenten überein.

Im Sommer 2022 stürzte Präsident Biden sogar auf einen durchschnittlichen Zustimmungswert von 38,2 Prozent ab. Das Jahr 2024 beendete Präsident Biden mit einer Zustimmung von 39,6 Prozent. Die Präsidenten Trump und Obama warteten über die meiste Zeit mit höheren Zustimmungswerten auf als ihr Nachfolger Präsident Biden.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; U.S. Bureau of Labor Statistics; Bureau of Economic Analysis; Pew Research Center; Real Clear Politics; eigene Grafiken.
Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.