Wenn zwei sich streiten, freut sich (nicht) der Dritte

Seine Kritiker sahen in ihm eine aufbrausende, autoritäre Persönlichkeit. Dem Erfolg der Präsidentschaftswahlkampagne des Unternehmers und politischen Außenseiters trug dies jedoch keinen Abbruch. Mit seiner größtenteils selbst finanzierten Kampagne und den primären Wahlkampfthemen für eine starke US-amerikanische Wirtschaft zu sorgen sowie den Drogenhandel zu unterbinden wurde er von seinen zahlreichen Unterstützern als „Held des Volkes“ gefeiert.

Der texanische Unternehmer Ross Perot spielte im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1992 scheinbar nach seinen eigenen Regeln. In jedem Bundesstaat stand Perot auf den Stimmzetteln – ein außergewöhnliches Unterfangen für einen Präsidentschaftskandidaten ohne Parteibuch.

Das Duell um das Weiße Haus, bei dem sich traditionell die Kandidaten der Demokratischen und Republikanischen Partei gegenüberstehen, wurde auf einmal zu einem Dreikampf. Perot mischte den Wahlkampf auf. Sogar für die TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten qualifizierte sich Perot. Auf einmal mussten sich Präsident George H.W. Bush und der Demokrat Bill Clinton ernsthaft mit einem Drittkandidaten messen.

Letztendlich erhielt Perot 18,97 Prozent aller abgegebenen Stimmen. So viel wie kein anderer unabhängiger Kandidat seit Theodore Roosevelt im Jahr 1912. Insgesamt bedeutete dies den dritten Rang bei der Präsidentschaftswahl, aus der Clinton als Sieger hervorging. In zwei Bundesstaaten kam Perot sogar als Zweiter ins Ziel: In Maine erreichte er 30 Prozent, in Utah 27 Prozent der Stimmen. Trotz diesen starken Abschneidens waren Perot jedoch keine Wahlmänner vergönnt.

Bis heute hat Ross Perot den darauffolgenden Präsidentschaftswahlkampagnen von Unabhängigen und Kandidaten kleinerer Parteien eine – zumindest auf dem ersten Blick – erhöhte Aufmerksamkeit gegeben. Es gibt eine Erwartungshaltung bei politischen Beobachtern und Medien, dass ein Drittkandidat der nächste Ross Perot werden könnte.

Im Jahr 2016 war die Ausgangslage für einen erfolgreichen Drittkandidaten optimal. Erstmals seit Beginn der Umfrageaufzeichnungen standen sich mit Hillary Clinton und Donald Trump zwei Präsidentschaftskandidaten gegenüber, die von der Bevölkerung mehrheitlich negativ gesehen wurden. In repräsentativen Umfragen profitierte von dieser Begebenheit monatelang der Kandidat der Libertarian Party, Gary Johnson. Landesweit erreichte Johnson eine Zustimmung von zehn Prozent – der Perot-Moment war zum Greifen nahe.

Zu den TV-Debatten wurde Johnson jedoch nicht eingeladen. Das Momentum konnte sich für den libertären Kandidaten somit nicht weiter entwickeln. Johnsons Kampagne wurde zudem zwischen dem stark polarisierenden Wahlkampf von Clinton und Trump zerrieben. Am Ende standen zwar für die Libertarian Party gute 3,28 Prozent zu Buche. An Perot sollte Johnsons Kandidatur jedoch bei weitem nicht heranreichen.

Im gegenwärtigen Präsidentschaftswahlkampf herrschte bislang weitestgehende Stille um Drittkandidaten. Howie Hawkins von den Grünen und Jo Jorgensen von der Libertarian Party laufen unter ferner liefen. Am 04. Juli 2020 bestimmte dann auf einmal doch noch ein Drittkandidat die Schlagzeilen – sogar weit über die USA hinaus: Kanye West ließ über Twitter verlautbaren, dass er Präsident der Vereinigten Staaten werden will.

Die Aufmerksamkeit war dem ursprünglich als Unterstützer von Präsident Trump bekannten Hip Hop Star gewiss. Diese steht jedoch dem tatsächlichen Einfluss von Wests Kandidatur auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl konträr gegenüber. Einerseits weist West im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Kandidaturen politischer Außenseiter und Drittkandidaten kein Programm, keine tiefergehenden Ziele auf. Eine relevante politische Anhängerschaft kann er sich so nicht aufbauen.

Andererseits erklärte West seine Kandidatur zu einem sehr späten Zeitpunkt. In zahlreichen Bundesstaaten kann West nicht mehr auf den Stimmzetteln stehen, da für eine Wahlteilnahme die Registrierungsfrist schon abgelaufen ist. Explizit handelt es sich um 17 Bundesstaaten, bei denen sich ein Kandidat bis spätestens 30. Juli 2020 hätte registrieren müssen. Darunter sind unter anderem die wichtigen Swing States Florida und Michigan sowie der mit vielen Wahlmännern ausgestattete Staat New York.

Bislang steht Kanye West lediglich in Oklahoma auf dem Wahlzettel. Ein Staat, in dem die Republikanische Partei deutlich dominiert. Vor vier Jahren erhielt Trump in Oklahoma zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen. Die Kandidatur von West wird auf das Resultat im November keinen Einfluss haben. Ob West noch in weiteren Staaten antreten kann, ist fraglich.

Denn die Hürden für eine Registrierung sind in der Regel hoch. Neben einem hohen finanziellen Beitrag müssen zahlreiche Unterschriften gesammelt werden. In Florida ist beispielsweise die Vorlage von 132.781 gültigen Unterschriften zur Wahlteilnahme notwendig.

Ein erfolgreiches Abschneiden benötigt zudem günstige politische Voraussetzungen, eine starke Persönlichkeit, finanzielle Ressourcen und eine Thematik, die bei der Wählerschaft verfängt. Auch im Jahr 2020 wird kein Drittkandidat an die einst vergleichsweise erfolgreiche Kampagne von Ross Perot anknüpfen können. Wenn sich Präsident Donald Trump und Joe Biden um das Weiße Haus streiten, freut sich kein Dritter.

 

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