Auf den ersten Blick stehen sich die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland sehr nahe. Immerhin herrscht seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein reger wirtschaftlicher, kultureller und politischer Austausch zwischen den beiden Ländern vor. Auf den zweiten Blick sind die neue und die alte Welt jedoch weit voneinander entfernt – nicht nur im geographischen Sinne.
Egal ob es um den Nationalstolz, die Definition des Freiheitsbegriffs, exemplarisch seien an dieser Stelle das Recht zum Tragen von Waffen sowie die unterschiedliche Staatsgläubigkeit genannt, das politische System im Allgemeinen oder für viele Deutsche unverständliche US-amerikanische Sportarten wie Baseball oder American Football geht: Die USA und Deutschland sind sich gar nicht so ähnlich wie es zunächst den Anschein haben mag.
Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind sich also nah – und doch so fern. Eine Begebenheit, die es insbesondere für deutschsprachige Korrespondenten zu einer Herausforderung macht aus den USA möglichst objektiv zu berichten, nicht aus einer eng gefassten deutschen Perspektive moralisch zu urteilen. Arthur Landwehr zumindest, der für die ARD von 1999 bis 2006 sowie von 2018 bis 2022 als Hörfunk-Auslandskorrespondent in Washington D.C. tätig war, hat diese Aufgabe vorbildlich gemeistert.
In seinem im Droemer Verlag erschienen Werk „Die zerrissenen Staaten von Amerika. Alte Mythen und neue Werte – ein Land kämpft um seine Identität“ hat Landwehr seine Erfahrungen auf 288 Seiten unaufgeregt zusammengefasst. Dabei informiert der Autor ganz ohne den oftmals vorkommenden deutschen Moralismus über die Lebensweisen und Herausforderungen der US-Amerikaner aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und biographischen Hintergründen.
Wenn man früher Menschen nach ihrer Identität fragte, seien vor allem Religion und Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder race genannt worden. Heute sei die Nähe zu einer politischen Richtung oder Partei als selbst genanntes Identitätsmerkmal hinzugekommen.
Arthur Landwehr: Die zerrissenen Staaten von Amerika. Alte Mythen und neue Werte – ein Land kämpft um seine Identität, S. 126
Dabei hat sich Landwehr unter anderem mit der Betrachtung des Kulturkampfs zwischen linksliberalem und konservativem Amerika, der Sorgen der weißen Arbeiterschaft und der Herausforderungen von Bürgerrechtsbewegungen auf die Suche nach der Identität der US-amerikanischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert begeben.
Gilt für den Aufstieg der AfD das Gleiche, was Barack Obama über den Aufstieg Donald Trumps gesagt hatte: „Donald Trump ist nicht das Problem, Donald Trump ist das Symptom.“
Landwehr: Die zerrissenen Staaten von Amerika, S. 264
Herausgekommen ist eine meisterhafte Reise durch die USA, bei der dem Leser ein besseres Verständnis sowie die Hintergründe für gegenwärtige politische Entwicklungen vermittelt wird. Entwicklungen einer politischen und gesellschaftlichen Polarisierung, die sich mit zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland zeigen.
Landwehrs „Die zerrissenen Staaten von Amerika“ tragen dazu bei, dass der kulturelle und politische Graben zwischen den USA und Deutschland ein klein wenig verringert werden kann. Freilich sollte sich der auch Leser, wie Landwehr, vorurteilsfrei mit der Thematik auseinandersetzen.
Vielen Dank an den Droemer Verlag für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.
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Die offizielle Buchbeschreibung
Mit Spannung blickt die Welt auf den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst 2024. Schaffen es die Demokraten in der Tradition von Bill Clinton, Barack Obama und Joe Biden ein weiteres Mal, ihre Ideen von Freiheit und Verantwortung gegen den Populismus der Republikaner à la Donald Trump zu verteidigen?
Der USA-Experte und langjährige ARD-Hörfunk-Korrespondent in Washington Arthur Landwehr spürt den Stimmungen und Erwartungen der US-Wähler zu Beginn der Vorwahlen nach. Er beschreibt den Wahlkampf als Kulturkampf, der die USA zu zerreißen droht. Im Mittelpunkt: die Abstiegsangst der Weißen und das zunehmende Selbstbewusstsein von Schwarzen und Hispanics, der Mythos vom Cowboy und der Einfluss der woken Intellektuellen (Stichwort Cancel Culture), das ausgrenzende Stammesverhalten und das „America first“ im Landesinnern und die Verheißungen kultureller Offenheit in den liberalen Küstenstaaten. Und über allem die Frage: Was hat das mit uns Deutschen und mit den transatlantischen Beziehungen zu tun?

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; Droemer Verlag; eigene Grafiken.
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