Die Rubrik „Wahlkampfthemen 2024“ behandelt bis zur Präsidentschaftswahl im November monatlich (Ausnahme Juli auf Grund der Beendigung der Wiederwahlkampagne von Präsident Joe Biden) einen für den Wahlausgang mitentscheidenden Politikbereich. Dabei wird die Ausgangslage der jeweiligen Thematik erläutert sowie die Positionen der Kandidaten beider großer Parteien in Kurzform dargestellt. Im Monat August wird folgendes Wahlkampfthema vorgestellt:
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine
Die Ausgangslage
Am 24.02.2022 begann die Russische Föderation ihre vollumfängliche Invasion der Ukraine. Im größten Angriffskrieg seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begehen russische Soldaten fortlaufend Kriegsverbrechen an der ukrainischen Bevölkerung. Zivilisten, auch Frauen und Kinder, werden von Russen gefoltert, vergewaltigt, massakriert. Grauenvolle Bilder aus Butscha und Mariupol, um nur zwei Städte zu nennen, gingen um die Welt. Zivile Gebäude werden von Russland fortlaufend angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht, die Energieinfrastruktur zerstört.
Nach 2,5 Jahren Krieg besetzt Russland ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes. Das mittel- bis langfristige Ziel der Herrscher im Kreml: Die Wiederherstellung des Groß-Russischen Reiches, zu dem nicht nur die heutige Ukraine gehören soll. Zuletzt konnte die Ukraine die Frontlinien im Süden und Osten des Landes jedoch nicht nur halten, sondern den Krieg sogar in die Russische Föderation bringen. Laut Kyiv kontrolliert die Ukraine Mitte August 2024 knapp 1.000 km2 des russischen Oblast Kursk. Eine Offensive, die vom Völkerrecht ebenso gestützt ist wie von den westlichen Verbündeten unter Führung der USA unterstützt wird.
Die Position von Vizepräsidentin Kamala Harris zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine
Kamala Harris hatte bis zur Wahl als Vizepräsidentin keinerlei außen- und sicherheitspolitische Erfahrungen aufzuweisen. Präsident Biden schickte auf Grund dessen seine Stellvertreterin jährlich zur Münchner Sicherheitskonferenz, damit diese erste Kontakte mit ausländischen Politikern knüpfen konnte. In den vergangenen drei Jahren stellte Vizepräsidentin Harris sodann im Hotel Bayerischer Hof die Position der Biden-Administration zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor.
Diese sah und sieht eine deutliche Verurteilung des Krieges vor. Die USA unter Biden/Harris unterstützen die Ukraine infolgedessen einerseits so stark, dass Kyiv kurz- und mittelfristig die militärische Auseinandersetzung gegen Russland schwerlich verlieren kann. Andererseits reicht die Unterstützung bei weitem nicht aus, um die russischen Invasoren aus ukrainischem Gebiet vollständig zurückdrängen zu können.
Die Vereinigten Staaten unter Biden/Harris handeln vielmehr nach der Prämisse, einen noch größeren Krieg auf dem Territorium der NATO-Verbündeten verhindern zu wollen. Als Exempel dient die Aufforderung von VP Harris im Februar, dass die Ukraine Angriffe gegenüber russischen Erdölraffinerien einstellen solle, da hierdurch die Gefahr einer weltweiten Steigerung des Erdölpreises drohen würde. Um den Krieg zu beenden wäre Präsident Biden nach eigener Aussage sogar für territoriale Zugeständnisse an Russland bereit, wohlwissend, dass er über ukrainisches Staatsgebiet nicht – direkt – entscheiden kann.
Zu Beginn der vollumfänglichen russischen Invasion bot die Biden/Harris-Administration dem ukrainischen Präsidenten Volodymir Zelensky und dessen Familie eine Evakuation an, welche dieser öffentlichkeitswirksam ablehnte. Es war der Beginn der US-amerikanischen und westlichen Unterstützung für die Ukraine, aber auch das Eingeständnis von Biden/ Harris, dass die sicherheitspolitischen Prioritäten für die USA nicht mehr in Europa liegen (sollen).
Unter einer möglichen Präsidentin Harris dürfte sich an der bestehenden Ukraine-Politik der USA wenig verändern. Führende Demokraten befürworten eine weitere Unterstützung der Ukraine, die allerdings nicht zu offensiv gestaltet werden soll. Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten, sowie Phil Gordon, Nationaler Sicherheitsberater der Vizepräsidentin, werden für höhere Rollen in einer möglichen Harris-Administration gehandelt. Kontinuität in der bestehenden US-Sicherheitspolitik wäre damit garantiert. Allerdings hat VP Harris weitaus weniger Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem U.S. Kongress vorzuweisen als dies bei Präsident Biden der Fall ist. Eine Herausforderung, um mit Republikanern am Capitol Hill weitere Kompromisse für weitere US-Hilfen für die Ukraine zu schmieden.
Für einen positiven Aspekt hinsichtlich weiterer US-Hilfen für Kyiv sorgt Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz, der sich schon mehrmals mit der Ukraine solidarisierte. Als Gouverneur hat er in Minnesota eine Willkommenskultur für ukrainische Flüchtlinge geschaffen. Zwischen seinem Bundesstaat und der ukrainischen Region Tschernihiw initiierte Walz eine landwirtschaftliche Partnerschaft. Russische Vermögenswerte und Investitionen wurden in Minnesota unter Führung von Gouverneur Walz sanktioniert.
Die Position von Donald Trump zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine
Als US-Präsident war Donald Trump für Freunde wie für Feinde der Vereinigten Staaten von Amerika unberechenbar. Lobenden Worten für Diktatoren folgte eine Sicherheitspolitik aus einer Position der Stärke, welche eben jene Autokratien schwächen sollte. Laut The Brookings Institution verabschiedete die Trump-Administration beispielsweise die bis dahin stärksten Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation. An der Unberechenbarkeit Trumps hat sich auch bei seiner dritten Präsidentschaftskandidatur ebenso wenig geändert wie dessen divergierende Worte und Taten.
Hierfür ist ein kurzer Rückblick vonnöten: Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim durch Russland verweigerte der damalige US-Präsident Barack Obama im Jahr 2014 die Lieferung von Waffen an die Ukraine. Laut der Obama-Administration hätte die Sendung von beispielsweise Panzerabwehrraketen des Typs Javelin an die Ukraine „Eskalationspotential“ – eine Logik, die auch heute noch von Demokraten bei der Sendung von bisher noch nicht gelieferten Waffen angeführt wird. Im Jahr 2018 kehrte Trump als Präsident die Politik seines Vorgängers um, der Verkauf von Javelins an die Ukraine wurde genehmigt. Als Präsident warnte Trump zudem, wie sich ab dem Jahr 2022 als richtig herausstellte, vor deutscher Abhängigkeit von russischem Gas.
Andererseits soll Trump Hilfsgelder für die Ukraine temporär blockiert haben, um sich Vorteile im Präsidentschaftswahlkampf 2020 zu verschaffen. Das erste – gescheiterte – Amtsenthebungsverfahren folgte. Vier Jahre später blockierten MAGA-Republikaner auf Anweisung Trumps aus wahlkampftaktischen Gründen monatelang weitere US-Hilfen für die Ukraine. Trumps Vorschlag, ein Teil der US-Hilfen als Darlehen für die Ukraine auszustellen, trug letztendlich zum Auflösen der Blockade teil. Unter einem Präsidenten Trump dürften weitere US-Hilfen, wenn überhaupt, in der Form von Darlehen ausgestellt werden. Zurückgezahlt werden müsste dieses laut Trump nur, wenn die Ukraine auch die Möglichkeiten dazu hätte.
Ganz dem Unternehmer stehen für Trump die ökonomischen Eigeninteressen an höchster Stelle. Von den Europäern erwartet Trump vor diesem Hintergrund höhere Militärausgaben sowie einen höheren Anteil an der Unterstützung für die angegriffene Ukraine. Trumps rein wirtschaftliches Denken ist in Bezug auf die Sicherheitspolitik sicherlich oftmals zu kurz gedacht. Weitere Waffenlieferungen, auch von Seiten der USA, an die Ukraine sind nämlich neben dem sicherheitspolitischen Interesse der USA in Europa auch gleichbedeutend mit Großaufträgen für US-Unternehmen. Mit den für die Ukraine verwendeten US-Steuergeldern werden letztendlich Arbeitsplätze für US-Amerikaner gesichert und geschaffen.
Den Krieg würde Trump laut eigener Aussage „innerhalb von 24 Stunden beenden“. Um dies zu erreichen brachte Trump zunächst Gebietsabtretungen von Seiten der Ukraine ins Spiel, da nach seiner Aussage ja ohnehin schon „russischsprachige Gebiete“ existieren würden. Um die Ukraine und Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen, dachte der Beraterstab von Trump schon darüber nach, die Unterstützung für die Ukraine zunächst einzustellen. Sollte sich Moskau daraufhin nicht auf diplomatischem Wege bewegen, würden die USA nach dieser (fragwürdigen) Idee die Ukraine so stark aufrüsten wie nie zuvor.
Trump bleibt auch in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein metaphorisch gesprochenes Buch mit sieben Siegeln, von einer Beendigung der US-Unterstützung bis hin zu einer viel stärkeren militärischen Ausrüstung der Ukraine wäre unter einer erneuten Trump-Präsidentschaft alles möglich. Gegen letzt genannte Möglichkeit spricht die Einstellung des republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance, der weitere US-Hilfen für die Ukraine strikt ablehnt. Vielmehr sieht Senator Vance die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in der aufstrebenden und immer aggressiver auftretenden Volksrepublik China. Immerhin eine Ansicht, bei der sich Republikaner und Demokraten einig sind. Eine Einigkeit, die für die Ukraine noch kostspielig werden könnte.
Behandelte Wahlkampfthemen auf „1600 Pennsylvania“
| Monat | Thema |
|---|---|
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Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
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5 Gedanken zu “Wahlkampfthemen 2024: Ukraine”
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