Zwei Jahre Präsident Biden – Die Halbzeitbilanz

Am 20. Januar 2021 legte Joseph „Joe“ Robinette Biden Junior seinen Amtseid als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ab. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, die – erste – Amtszeit von Joe Biden tritt in die zweite Hälfte ein. Vor diesem Hintergrund zieht der nachfolgende Beitrag eine Halbzeitbilanz des 46. US-Präsidenten zu den wichtigsten Themenbereiche.

Innenpolitik: Biden auf Roosevelts Spuren

36 Jahre gehörte Biden als Vertreter für den Bundesstaat Delaware dem U.S. Senat an. Gleichwohl sich die Arbeit in dieser Kongresskammer seit seinem Ausscheiden 2009 verändert und stärker polarisiert hat, konnte Biden seinen Erfahrungsschatz in seinen ersten beiden Präsidentschaftsjahren erfolgreich ausspielen. Folglich zählen Verabschiedungen von Gesetzen zu den bedeutendsten Erfolgen der bisherigen Amtszeit von Präsident Biden.

Exemplarisch sei an dieser Stelle der Inflation Reduction Act genannt. $737 Milliarden wurden zur Bekämpfung der Inflation, welche als Folge der Coronavirus-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine weltweit grassiert, bereitgestellt. Davon wurden $369 Milliarden explizit für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz ausgewiesen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.

Des Weiteren wurden mit dem CHIPS and Science Act $280 Milliarden zur Halbleiterforschung und -herstellung in den USA bereitgestellt. Die Vereinigten Staaten wollen sich damit insbesondere von asiatischen Lieferanten unabhängiger machen. Der überparteiliche Infrastructure Investment and Jobs Act stellt zudem zusätzliche $550 Milliarden zur Modernisierung der Infrastruktur bereit. Der Beitrag „Biden auf Roosevelts Spuren“ hat sich mit der Thematik auseinandergesetzt (Klick hier).

Wirtschaft und Arbeitsmarkt: Positive Entwicklung trotz weltweiter Krisen

Der US-Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen beiden Jahren deutlich von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholen können. Laut Angaben des Arbeitsministeriums lag die Arbeitslosenquote zuletzt bei 3,5 Prozent und damit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr.

Im Juni 2022 erreichte die Inflationsrate in den USA mit 9,1 Prozent einen Höchstwert. Ein halbes Jahr später, im Dezember 2022, stiegen die Verbraucherpreise „nur“ noch um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und lag damit auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahr. Trotz positiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt und bei der Inflationsbekämpfung sollte die Biden-Administration die nächste Herausforderung im Blick haben: Eine mögliche Rezession.

Justiz: Biden prägt die Judikative

Biden hat so viele Bundesrichter erfolgreich nominiert wie kein anderer Präsident seit John F. Kennedy. Laut den Daten des Pew Research Center schlug Präsident Biden bislang insgesamt 75 Bundesrichter, darunter mit Ketanji Brown Jackson eine Verfassungsrichterin, erfolgreich vor. Wie Präsident Biden die Judikative prägt, wird in einem eigenen Beitrag analysiert (Klick hier).

Dass Attorney General Merrick Garland mit Robert Hur einen Sonderermittler bestellen musste, um den Vorgang von eigentlich archivierten klassifizierten Dokumenten, die sich aber im Privatbesitz von Biden befanden, zu untersuchen, trübt die ansonsten erfolgreiche Bilanz im Justizwesen. Zuvor wurden in einem ehemaligen Büro von Präsident Biden sowie in der Garage von Bidens Privatanwesen in Wilmington, Delaware, klassifizierte Dokumente aus dessen Zeit als Vizepräsident gefunden.

Gesellschaft: Auch Biden kann und will die USA nicht einen

Biden wollte das Land wieder näher zusammenbringen und dem Präsidentenamt nach den turbulenten Jahren der Ära von Donald Trump wieder mehr Würde verleihen. Letzteres ist Präsident Biden zwar zumeist gelungen. Doch machte sich sein hohes Alter ebenso negativ bemerkbar wie manch unkontrolliertes Auftreten. Eine Eigenschaft, mit der Biden schon als Vizepräsident und U.S. Senator aufwartete.

Die seit Jahrzehnten größer werdende Spaltung zwischen liberalem und konservativem Amerika konnte und wollte Präsident Biden entgegen seinen Aussagen im Wahlkampf nicht bekämpfen. Durch seine expliziten politischen Entscheidungen stellte sich Präsident Biden oftmals sogar auf die Seite progressiver Demokraten, um diesen Flügel zu befrieden und seine innerparteiliche Macht zu erhalten.

Bidens Wandel vom jahrzehntelangen Lebensschützer (Pro Life) zum Abtreibungsbefürworter (Pro Choice) sei an dieser Stelle exemplarisch genannt. Wie schon einst Barack Obama prognostizierte, ist Biden der gesellschaftspolitisch wohl progressivste Präsident aller Zeiten. Hintergründe zur Thematik gibt es in einem eigenen Beitrag (Klick hier).

Außenpolitik: Allianz der Demokratien gegen Autokratien

Die USA haben sich unter Präsident Biden nach anfänglichen Startschwierigkeiten (Hintergründe klick hier) wieder zu einem verlässlichen Partner unter befreundeten Staaten entwickelt. In internationalen Organisationen haben die USA erneut eine Führungsrolle eingenommen. Präsident Biden arbeitet zudem seit Amtsbeginn aktiv an einer Allianz der Demokratien gegen Autokratien. Mit Antony Blinken hat Präsident Biden des Weiteren einen gewieften Karrierediplomaten als Außenminister installiert, der sein Handwerk bestens versteht.

Sicherheitspolitik: Bidens größte Schwäche

Die Sicherheitspolitik war in den ersten beiden Amtsjahren die Achillesferse von Präsident Biden. Zunächst erfolgte ein planloser und chaotischer Abzug aus Afghanistan. Eine schnelle Machtübernahme der Taliban, verbunden mit zahlreichen Toten, zurückgelassenen Hilfskräften sowie einer ausbaufähigen Kommunikation mit den Verbündeten sorgten für eine der dunkelsten Stunden in der außenpolitischen Geschichte der USA.

Schließlich zeigte Präsident Biden vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine folgenreiche Schwächen. Zunächst traf sich der US-Präsident ohne Vorbedingungen mit seinem russischen Amtskollegen Vladimir Putin. Ein Treffen, welches ergebnislos endete und den russischen Herrscher weltpolitisch unnötig aufwertete. Dann folgte die Aufgabe des Widerstandes gegenüber dem Bau der Gaspipeline NordStream 2.

Darüber hinaus wartete Präsident Biden mit einer fragwürdigen Kommunikation auf. In einer Pressekonferenz ließ Präsident Biden beispielsweise verlautbaren, dass es doch kein Problem sei, wenn Russland „kleine Gebiete“ der Ukraine besetzen würde:

Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt. Aber wenn sie tatsächlich das tun, wozu sie mit den an der Grenze zusammengezogenen Streitkräften in der Lage sind, dann wird das für Russland eine Katastrophe werden.

Präsident Biden am 19.01.2022

Die ukrainische Regierung zeigte sich ob solcher Aussagen schockiert:

Als die russische Invasion der Ukraine unmittelbar bevorstand, versuchte Präsident Biden mit Sanktionsdrohungen den Kreml einzuschüchtern – eine naive Strategie und eine komplette Fehleinschätzung des historisch gewachsenen russischen Imperialismus. Die vermehrte Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine schon vor Kriegsbeginn oder ähnliches hätte sicherlich abschreckender gewirkt.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind die USA jedoch der größte militärische Unterstützer der Ukraine. Bei der Lieferung von schwereren Waffen hielt sich Washington D.C. im ersten Kriegsjahr allerdings zurück. Präsident Bidens primäres Ziel ist es nämlich, dass sich der Krieg nicht auf NATO-Territorium ausweitet. Da der 46. US-Präsident dies wiederholt öffentlich verlautbaren ließ, kommunizierte Biden Putin gegenüber erneut Schwäche. Dass Präsident Biden erfolgreich eine Allianz der Demokratien gegen die russische Aggression gebildet hat, sicherte bislang das Überleben der ukrainischen Nation.

Umfragewerte: Auf Trump-Niveau

Präsident Biden begann seine Amtszeit mit durchschnittlichen Zustimmungswerten von 54,8 Prozent (Grafik). An Zustimmung einbüßen musste Präsident Biden nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan: Im Oktober 2021 stimmten nur noch 42,7 Prozent der US-Amerikaner mit der Arbeit ihres Präsidenten überein.

Im Sommer des vergangenen Jahres stürzte Präsident Biden sogar auf einen durchschnittlichen Zustimmungswert von 38,2 Prozent ab. Das Jahr 2022 beendete der 46. US-Präsident mit einer Zustimmung von 43,4 Prozent. Auch anhand der Beliebtheitswerte ist zu erkennen, dass die ersten beiden Amtsjahre von Präsident Biden ihre Höhen und Tiefen hatte.

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Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

Eine vollkommen unamerikanische Sportart

US-Amerikaner lieben es ein „Ei“ in die Endzone zu transportieren, Pucks ins Tor zu schießen sowie große, harte Bälle in einen Korb zu werfen oder kleine, harte Bälle in das Feld zu schlagen. Einen Ball in ein eckiges Tor zu befördern gehört nicht zu den Nationalsportarten der Vereinigten Staaten von Amerika. Und dennoch erfreut sich die Weltsportart Nummer Eins, der Fußball, auch in den USA einer immer größeren Beliebtheit wie auch die Statements von Präsident Joe Biden rund um die Weltmeisterschaft 2022 in Katar gezeigt haben.

Im Gegensatz zu westeuropäischen Ländern, insbesondere Deutschland, kommt in den USA wenig Kritik in Bezug auf das Gastgeberland auf. Dies hat nicht nur mit dem geringeren Stellenwert des Fußballs in den Vereinigten Staaten zu tun. Ausschlaggebend sind vielmehr strategische Gründe. Seit den 1970er Jahren pflegen beide Länder nämlich enge ökonomische und sicherheitspolitische Beziehungen zueinander. Katar gilt als einer der wichtigsten US-Verbündeten in Arabien. Westlich von Doha unterhalten die USA sogar mit der The Al Udeid Air Base eine Militärbasis.

US-Außenminister Antony Blinken wohnte auch aus diesen Gründen dem Eröffnungsspiel der Vereinigten Staaten gegen Wales (1:1) bei. Die Teilnahme am „Strategischen Dialog zwischen den USA und Katar“ schloss sich an. Dabei gäbe es genügend objektive Kritikpunkte an der umstrittensten und wohl politischsten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten. 15.021 Gastarbeiter starben laut Amnesty International während der Baumaßnahmen rund um die Errichtung der benötigten Infrastruktur. Die Menschenrechtsprobleme in Katar: Zahlreich.

In ein Land, in dem es an Frauenrechten, Religionsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit mangelt sowie Homosexualität unter Strafe steht und unfaire Gerichtsverfahren vorherrschen, hätte keine WM vergeben werden dürfen. Kritik am Fußball-Weltverband sowie am Austragungsort sind somit folgerichtig, die auch während der Vorrunde nicht nachließ. Dass die Deutsche Fußballnationalmannschaft mit ihren Statements Naivität walten ließ, Doppelmoral an den Tag legte und über die Stränge schlug, ist wiederum ein anderes Thema.

Ein politisches Statement, welches sich weder mit Katar noch mit der FIFA befasste, sendete derweil der Fußballverband der Vereinigten Staaten aus. Mit dem Achtelfinaleinzug erspielten sich die Männer von Trainer Gregg Berhalter, als Spieler einst unter anderem beim TSV 1860 München aktiv, eine Prämie in Höhe von $13 Millionen. Davon geht allerdings nur die Hälfte des Betrags an das Männerteam. Die restlichen $6,5 Millionen erhält die Frauen-Nationalmannschaft.

Im Mai diesen Jahres wurde nämlich ein Tarifvertrag unterzeichnet, welcher vorsieht, dass die bei Weltmeisterschaften erspielten Preisgelder der Männer- und Frauenmannschaften zusammengelegt und gleichmäßig aufgeteilt werden. Dieses außer Kraft setzen der Prinzipien der Marktwirtschaft und des Leistungsprinzips wird unter dem Schlagwort „Equal Pay“ zusammengefasst.

Mit anderen Worten ausgedrückt: Eine Mannschaft, die gar nicht an einem Turnier teilnimmt, bekommt dennoch unter gegebenen Umständen eine Leistungsprämie. Umgekehrt ist dies freilich ebenso der Fall: Auch die von den Frauen eingespielten Prämien bei der Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland müssen mit den Männern geteilt werden. Diese werden jedoch unabhängig vom Erfolg auf Grund des weltweit geringeren Interesses weitaus weniger hoch ausfallen.

Die WM der Männer im Jahr 2018 verfolgten beispielsweise 3,5 Milliarden Menschen. Die Frauen-WM ein Jahr darauf schauten lediglich 764 Millionen Zuschauer im TV. Daraus ergeben sich weniger Einnahmen aus Werbe- und Merchandising. Folgerichtig wurden bei den Männern Preisgelder in Höhe von $400 Millionen und bei den Frauen $30 Millionen ausgeschüttet.

Noch im Jahr 2020 wies das Bezirksgericht für Zentralkalifornien den Vorwurf der Lohndiskriminierung im US-Fußball zurück.

Gleichwohl Frauenfußball in den USA ähnlich populär wie Männerfußball ist, sieht dies weltweit gesehen gänzlich anders aus. Die Argumentation „Gleiches Spiel. Gleicher Lohn.“ wird damit für die internationale Bühne widerlegt. Diesen marktwirtschaftlich begründeten Unterschied will der US-Verband mit seiner Regelung nun marginalisieren. Der Wettbewerbsgedanke, eigentlich eine Ur-amerikanische Eigenschaft, wird dabei ausgeschaltet. Doch wenn die männlichen Fußballer die Frauen subventionieren sollen, warum dann nicht auch andere Sportarten wie Handball, Radsport oder Leichtathletik?

Ganz davon abgesehen erscheint das Frauen-Team der USA nunmehr als ein Anhängsel der Männer. Dabei sind die US-Frauen mit ihren bisherigen vier WM-Titeln und vier Goldmedaillen bei Olympischen Spielen deutlich erfolgreicher als das eher durchschnittliche Männer-Team. Der gut begründete Unterschied in der Prämienausschüttung kann durch Werbeverträge im Inland deutlich wettgemacht werden. Abby Wambach, Alex Morgan oder Megan Rapinoe sind nicht nur Ikonen des US-Frauenfußballs, sondern auch beliebte Werbeträgerinnen. Mit den weniger gefragten männlichen Kollegen werden diese Einnahmen freilich nicht geteilt.

Noch in den 1990er Jahren waren Fußballerinnen in den USA generell beliebter und finanziell erfolgreicher als deren männliche Kollegen. Der Pelé des Frauenfußballs trat infolgedessen auch in dieser Zeit in Erscheinung: Mia Hamm. Heute wird ihr Vermögen auf $40 Millionen geschätzt. Hamm hat es in den 1990er Jahren durch eigene Leistung, ohne Quoten oder Equal Pay zu weltweiter Bekanntheit und finanziellem Reichtum geschafft. Einer der besten männlichen Spieler der USA aus dieser Zeit, Tom Dooley, in Deutschland gut bekannt, hat lediglich geschätzte $1 bis $5 Millionen auf seinem Konto.

Der Frauenfußball verdient, wie auch andere Randsportarten, eine bessere Förderung. Diese sollte jedoch nicht auf Kosten marktwirtschaftlicher Prinzipien gehen. Mit der gegenwärtigen Regelung des US-Verbandes geht es linken Aktivistinnen wie Kapitänin Rapinoe offensichtlich nur um den eigenen, kurzfristig gedachten, Profit. Der Fußball wird mit solchen Regelungen unnötig politisiert und rückt damit einmal mehr zu einer vollkommen unamerikanischen Sportart.

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Auszeit von Europa

In den außenpolitischen Zielen setzte Joe Biden zu Beginn seiner Präsidentschaft auf Kontinuität zu seinen unmittelbaren beiden Vorgängern. Die USA sollten auch unter dem 46. US-Präsidenten ihren Blick verstärkt auf Asien richten. An der langfristigen „Hinwendung zu Asien“ (Präsident Barack Obama) hat sich auch nichts geändert. Doch das Hauptaugenmerk des politischen Tagesgeschäfts richtet sich einmal mehr auf Europa. 

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ließ die außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten der Biden-Administration zunichte machen. Fortan schrieben sich insbesondere Präsident Biden, Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Llyod Austin die Schaffung einer Koalition befreundeter Staaten zur Unterstützung der Ukraine auf ihre Fahnen.

Die Koordinierung militärischer Hilfen für Kyiv und umfassender Sanktionen gegenüber den russischen Aggressor bei gleichzeitiger Verhinderung der Ausbreitung des Krieges über die ukrainischen Landesgrenzen hinaus bestimmen seitdem die Agenda der letzten verbliebenen Supermacht. Im vierten Kriegsmonat nahm sich die Regierung Biden jedoch eine kurze Auszeit von den Geschehnissen auf dem alten Kontinent, um sich verstärkt den Herausforderungen auf anderen Kontinenten zu widmen.

Präsident Biden als Gastgeber des Amerika-Gipfels

Begab sich Präsident Biden Ende Mai noch auf seine erste Asienreise, agierte er zwischen dem 06. und 10. Juni 2022 als Gastgeber des neunten Gipfels der Organisation Amerikanischer Staaten in Los Angeles, Kalifornien. Da die USA die autoritären Staaten Kuba, Venezuela und Nicaragua nicht einluden, sagte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador seine Teilnahme ebenso ab wie der bolivarische Regierungschef Luis Arce und die honduranische Präsidentin Xiomara Castro sowie Vertreter weiterer Nationen. 

Der Amerika-Gipfel war lediglich ein Gipfel von einigen Ländern Amerikas. (Politico)

Eine Begebenheit, welche für die Bestrebung der Biden-Administration, die illegale Migration aus Mittelamerika in die USA einzuhegen, einen weiteren Rückschlag bedeutete. Doch der Einsatz für die Werte der Demokratie und Freiheit haben für Präsident Biden einen höheren Stellenwert wie er auch bei seiner Eröffnungsrede deutlich machte.

Eine sichere und geordnete Migration ist gut für alle unsere Volkswirtschaften, auch für die Vereinigten Staaten. (Präsident Biden)

Letztendlich konnten sich dennoch zwanzig Länder auf eine, wenngleich wenig bahnbrechende, Erklärung zur Migration einigen. Die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern sollen verbessert, Aufnahmeländer verstärkt unterstützt, Arbeitsmigration erleichtert sowie illegale Einwanderung stärker bekämpft werden. Bei letzterem Punkt knüpfte Präsident Biden im weitestgehenden Sinne an seinen Vorgänger an:

Wir müssen die gefährlichen und illegalen Migrationswege stoppen. Dies ist nicht akzeptabel und wir werden unsere Grenzen sichern – auch durch innovative, koordinierte Maßnahmen mit unseren regionalen Partnern. (Präsident Biden)

Verteidigungsminister Austin beim Shangri-La Dialog

Nahezu zum gleichen Zeitpunkt machte sich Verteidigungsminister Austin auf die Reise nach Singapur zur wichtigsten Sicherheitskonferenz in der Region Asien-Pazifik, dem Shangri-La Dialog. Der vom International Institute for Strategic Studies ausgerichtete Gipfel, an dem 42 Nationen teilnahmen, fand erstmals seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie statt.

Im Mittelpunkt standen die sich immer weiter intensivierenden Spannungen zwischen den USA und China. Der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe und sein US-amerikanischer Amtskollege Austin telefonierten bislang erst einmal miteinander, in Singapur trafen sie sich erstmals persönlich. Ein Aufeinandertreffen, welches für Schlagzeilen sorgte, drohte Fenghe doch offen mit Krieg, sollte sich der Inselstaat Taiwan offiziell als unabhängig vom Festland erklären: 

Falls es irgendjemand wagt, Taiwan von China zu trennen, wird die chinesische Armee definitiv nicht zögern – koste es, was es wolle – einen Krieg zu beginnen.

Die Republik China (Taiwan) ist seit dem chinesischen Bürgerkrieg und der Machtergreifung der Kommunisten über Festland China de facto unabhängig, wird jedoch von wenigen Ländern offiziell anerkannt und von der kommunistischen Volksrepublik als abtrünnige Provinz betrachtet. Die USA gaben Taipeh jedoch Sicherheitsgarantien gegenüber den imperialistischen Bestrebungen Pekings, welche Präsident Biden zuletzt mit Worten und weiteren Militärhilfen erneuerte. China erhöhte daraufhin verbal, wie nun Fenghe in Singapur, und Militärübungen das Säbelrasseln in der Region.

Vor diesem Hintergrund äußerte sich Austin beim Shangri-La Dialog kritisch über das aggressive Verhalten Chinas gegenüber Taiwan. Die Ziele des nachhaltigen Friedens und der Stabilität in der Pazifikregion gehörten für den pensionierten General zur Kernbotschaft gegenüber China, welches zuletzt auch immer aktiver um bilaterale „Sicherheitsabkommen“ mit pazifischen Ländern wie den Salomonen und Kambodscha geworben hatte.

Unsere Politik hat sich nicht geändert [die Ein-China-Politik; Anm. d. Verf.], aber das scheint leider nicht für die Volksrepublik China zu gelten. (Verteidigungsminister Austin)

Der ukrainische Präsident Wolodymir Zelensky adressierte virtuell ebenso den Shangri-La Dialog. Eine Ansprache, welche Verteidigungsminister Austin trotz seines Aufenthaltes in Asien daran erinnerte, dass die dringendste gegenwärtige Herausforderung in Europa auf die USA wartet. Präsident Biden wird infolgedessen schon am 25. Juni 2022 nach Bayern reisen, um auf Schloss Elmau dem G7-Gipfel beizuwohnen. Die US-Regierung konnte in den vergangenen Tagen somit nur eine kurze Auszeit vom europäischen Brandherd nehmen. 

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Gastbeitrag: Annalena Baerbock – Demokratische Realistin

Die USA üben infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ihre Führungsrolle der freien, demokratischen Welt wieder aktiver aus. Neben Präsident Joe Biden treten insbesondere Verteidigungsminister Lloyd Austin und Außenminister Antony Blinken international positiv in Erscheinung. Aus deutscher Sicht konnte sich Außenministerin Annalena Baerbock im In- und Ausland Respekt verschaffen. Tobias P. Fella vom Institut für internationale Politik und Wirtschaft HAUS RISSEN hat sich in einem Gastbeitrag für „1600 Pennsylvania“ mit Baerbocks außenpolitischer Rolle befasst:

Tobias P. Fella

Außenministerin Baerbock prägt die deutsche Außenpolitik. Vom Baltikum und Butscha bis zum G7-Treffen in Schleswig-Holstein propagiert sie einen demokratischen Realismus, der Macht als ein Fundament von Politik und den Regimetyp als Triebfeder von Außenpolitik herausstellt. Damit er gelingt, sollte sie mit drei Schritten um die Unterstützung der Bevölkerung werben.

Erstens, sollte sie ihr reinen Wein einschenken: Putin ist ein Mann auf einer historischen Mission. Er strebt eine imperiale Weltordnung an, in der Großmächte das Schicksal ihrer Anrainer bestimmen. Er agiert dabei in seiner Logik rational. In ihn die Irrationalität oder Ideologie zu verbannen, führt daher nicht weiter. Es ebnet den Weg in die nächste Verständniskrise, etwa der chinesischen Politik.

Zweitens, sollte sie das Bewusstsein für nationale Interessen schärfen. Hierzu könnte sie die Herausforderungen von Deutschland als Handelsnation und Macht in der geografischen Mittellage skizzieren. Besonders wichtig wäre das Eingeständnis, dass die internationale Ordnung die Interessen und Überzeugungen der stärksten Mächte spiegelt, sie in ihrem liberalen Kern also kontingent ist und u.a. gegen das Chaos verteidigt werden muss.

Drittens, sollte Baerbock zu diesem Unterfangen auf ein „Konzert der Demokratien“ setzen. Sie sollte jenen eine Absage erteilen, die die unter den Deckmänteln von Geopolitik und Multilateralismus für eine Welt der Einflusssphären plädieren, in der es keinen Unterschied macht, ob Außenpolitik von einer Demokratie oder Autokratie praktiziert wird.

Solche Positionen stellen infrage, ob Ideen politisch relevant sind oder sein sollten. Sie künden von der Bereitschaft eigene Werte aus materialen Imperativen zu verkaufen. Sie sind keine Manifestationen von Realpolitik, auch keine achtsamer Geopolitik, sondern Ausdrücke von Großmannssucht, die Welt am Kartentisch des Hinterzimmers zu ordnen.

Die Außenministerin kann das Land mit starker Hand durch die raue See steuern, indem sie forciert, was sie begonnen hat: eine Außenpolitik des demokratischen Realismus.

Tobias P. Fella (@tobiaspfella) ist Referent für Sicherheitspolitik am Institut für internationale Politik und Wirtschaft HAUS RISSEN in Hamburg und wartete schon mit Beiträgen in der taz, Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung auf.

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Reisen nach Kyiv

Eigentlich wollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kyiv reisen. Doch seine Nähe zu Russland machte das deutsche Staatsoberhaupt für die Ukraine in Kriegszeiten quasi zur Persona non grata. Gewünscht ist indes ein Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz, doch dieser weigert sich weiterhin in die ukrainische Hauptstadt zu reisen. Ein Besuch ohne die Ankündigung expliziter weiterer Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine im Krieg gegen die russischen Aggressoren wäre für den deutschen Regierungschef freilich auch eine Bloßstellung.

In das Vakuum dieses traurigen deutschen Schauspiels tritt nun der Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz. Schon Tage vor seiner Reise nach Kyiv wurde sein Vorhaben an die Medien durchgestochen. Der Parteivorsitzende der CDU, der im Bundestag lediglich stellvertretendes Mitglied des Verteidigungsausschusses ist, will damit seine Solidarität mit der Ukraine bekunden. Eine Reise mit hohem Symbolcharakter. 

Doch in Tagen des russischen Angriffskrieges benötigt die Ukraine mehr als Symbolpolitik. Im Gegensatz zu deutschen haben US-amerikanische Politiker schon mehrmals ihre Reisen in die ukrainische Hauptstadt für die Ankündigung expliziter Unterstützungsmaßnahmen genutzt. Nie offenbarten sich die Unterschiede zwischen den oftmals von Angst und/ oder Selbstinszenierung geprägten deutschen Politikern und ihren tatkräftigen US-Kollegen so sehr wie im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. 

Erst am vergangenen Wochenende empfing der ukrainische Präsident Wolodymir Zelensky die Demokratin Nancy Pelosi in Kyiv. Der gemeinsame Besuch der Sprecherin des U.S. Repräsentantenhauses mit einer Delegation des U.S. Kongresses, der unter anderem Gregory Meeks, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, und Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses, angehörten, wurde nicht im Voraus angekündigt. Der Zeitpunkt der Reise überraschte zudem, da nahezu gleichzeitig in Washington D.C. das White House Correspondents Dinner, eines der wichtigsten Events des Jahres, mit Präsident Joe Biden stattfand.

Speaker Pelosi dankte Präsident Zelensky für den ukrainischen „Kampf für die Freiheit“ und sicherte ihm weitere US-Unterstützung zu. Explizit kündigte die nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin drittwichtigste US-Politikerin die erfolgreiche legislative Durchsetzung der neuesten von Präsident Biden vorgeschlagenen Ukrainehilfen in Höhe von $33 Milliarden (!) an. 

Schon in der Woche zuvor machten Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin am Rande ihrer Kyiv-Reise zusätzliche Militärhilfen in Höhe von $300 Millionen für die Ukraine öffentlich. Der Besuch der US-Amerikaner hatte jedoch nicht „nur“ Hilfen militärischer, humanitärer und finanzieller Art parat. Insbesondere Austin fand auch motivierende Worte für die tapfer kämpfenden Ukrainer. Vor diesem Hintergrund formulierte der Verteidigungsminister offensiv die Ziele der US-Unterstützung für die Ukraine:

Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass sie zu so etwas wie dem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage sind.

Dafür versprach Austin die Ukraine mit der „richtigen Ausrüstung“ auszustatten. Die Ukrainer hätten zudem, so Austin, die richtige Einstellung, um einen Krieg mit Russland erfolgreich gestalten zu können:

Ich glaube daran, dass man [die Ukraine; Anm. d. Verf.] gewinnen kann.

Der US-amerikanische Verteidigungsminister Austin sprach, wie auch andere Mitglieder der Biden-Administration sowie des U.S. Kongresses, den Ukrainern Mut zu. Gepaart mit expliziten Unterstützungsleistungen für die Ukraine setzt sich kein anderes Land so stark für Demokratie und Freiheit ein. Ohne die USA wäre die freie, westliche Welt nur bedingt verteidigungsbereit.

Diese Erkenntnis sollte insbesondere deutsche Politiker, welche sich parteiübergreifend für das jahrzehntelange Herunterwirtschaften der Bundeswehr und für die Abhängigkeit von russischen Energieimporten verantwortlich zeichneten, erden. Für das Fortbestehen eines souveränen, unabhängigen ukrainischen Staates sind Diskussionen um politische Reisen nach Kyiv irrelevant. Für die Ukraine ist nur entscheidend, welche explizite Unterstützung das Land von Außen bekommt. Politiker der Vereinigten Staaten haben diesbezüglich definitiv geliefert. 

Prominente Unterstützung für die Ukraine

Der britische Sänger Ed Sheeran hat gemeinsam mit der ukrainischen Band Antytila, die sich bis vor kurzem noch als Soldaten an der Front befanden, ein wirkmächtiges Musikvideo über die Erfahrungen im Krieg aufgenommen.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); The White House; Biden-Transition; eigene Grafiken.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.