Zwei Jahre Präsident Biden – Die Halbzeitbilanz

Am 20. Januar 2021 legte Joseph „Joe“ Robinette Biden Junior seinen Amtseid als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ab. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, die – erste – Amtszeit von Joe Biden tritt in die zweite Hälfte ein. Vor diesem Hintergrund zieht der nachfolgende Beitrag eine Halbzeitbilanz des 46. US-Präsidenten zu den wichtigsten Themenbereiche.

Innenpolitik: Biden auf Roosevelts Spuren

36 Jahre gehörte Biden als Vertreter für den Bundesstaat Delaware dem U.S. Senat an. Gleichwohl sich die Arbeit in dieser Kongresskammer seit seinem Ausscheiden 2009 verändert und stärker polarisiert hat, konnte Biden seinen Erfahrungsschatz in seinen ersten beiden Präsidentschaftsjahren erfolgreich ausspielen. Folglich zählen Verabschiedungen von Gesetzen zu den bedeutendsten Erfolgen der bisherigen Amtszeit von Präsident Biden.

Exemplarisch sei an dieser Stelle der Inflation Reduction Act genannt. $737 Milliarden wurden zur Bekämpfung der Inflation, welche als Folge der Coronavirus-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine weltweit grassiert, bereitgestellt. Davon wurden $369 Milliarden explizit für Investitionen in den Energiesektor und den Klimaschutz ausgewiesen. So viele monetäre Mittel wendeten die USA bislang nicht zur Bekämpfung des Klimawandels auf.

Des Weiteren wurden mit dem CHIPS and Science Act $280 Milliarden zur Halbleiterforschung und -herstellung in den USA bereitgestellt. Die Vereinigten Staaten wollen sich damit insbesondere von asiatischen Lieferanten unabhängiger machen. Der überparteiliche Infrastructure Investment and Jobs Act stellt zudem zusätzliche $550 Milliarden zur Modernisierung der Infrastruktur bereit. Der Beitrag „Biden auf Roosevelts Spuren“ hat sich mit der Thematik auseinandergesetzt (Klick hier).

Wirtschaft und Arbeitsmarkt: Positive Entwicklung trotz weltweiter Krisen

Der US-Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen beiden Jahren deutlich von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholen können. Laut Angaben des Arbeitsministeriums lag die Arbeitslosenquote zuletzt bei 3,5 Prozent und damit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr.

Im Juni 2022 erreichte die Inflationsrate in den USA mit 9,1 Prozent einen Höchstwert. Ein halbes Jahr später, im Dezember 2022, stiegen die Verbraucherpreise „nur“ noch um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und lag damit auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahr. Trotz positiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt und bei der Inflationsbekämpfung sollte die Biden-Administration die nächste Herausforderung im Blick haben: Eine mögliche Rezession.

Justiz: Biden prägt die Judikative

Biden hat so viele Bundesrichter erfolgreich nominiert wie kein anderer Präsident seit John F. Kennedy. Laut den Daten des Pew Research Center schlug Präsident Biden bislang insgesamt 75 Bundesrichter, darunter mit Ketanji Brown Jackson eine Verfassungsrichterin, erfolgreich vor. Wie Präsident Biden die Judikative prägt, wird in einem eigenen Beitrag analysiert (Klick hier).

Dass Attorney General Merrick Garland mit Robert Hur einen Sonderermittler bestellen musste, um den Vorgang von eigentlich archivierten klassifizierten Dokumenten, die sich aber im Privatbesitz von Biden befanden, zu untersuchen, trübt die ansonsten erfolgreiche Bilanz im Justizwesen. Zuvor wurden in einem ehemaligen Büro von Präsident Biden sowie in der Garage von Bidens Privatanwesen in Wilmington, Delaware, klassifizierte Dokumente aus dessen Zeit als Vizepräsident gefunden.

Gesellschaft: Auch Biden kann und will die USA nicht einen

Biden wollte das Land wieder näher zusammenbringen und dem Präsidentenamt nach den turbulenten Jahren der Ära von Donald Trump wieder mehr Würde verleihen. Letzteres ist Präsident Biden zwar zumeist gelungen. Doch machte sich sein hohes Alter ebenso negativ bemerkbar wie manch unkontrolliertes Auftreten. Eine Eigenschaft, mit der Biden schon als Vizepräsident und U.S. Senator aufwartete.

Die seit Jahrzehnten größer werdende Spaltung zwischen liberalem und konservativem Amerika konnte und wollte Präsident Biden entgegen seinen Aussagen im Wahlkampf nicht bekämpfen. Durch seine expliziten politischen Entscheidungen stellte sich Präsident Biden oftmals sogar auf die Seite progressiver Demokraten, um diesen Flügel zu befrieden und seine innerparteiliche Macht zu erhalten.

Bidens Wandel vom jahrzehntelangen Lebensschützer (Pro Life) zum Abtreibungsbefürworter (Pro Choice) sei an dieser Stelle exemplarisch genannt. Wie schon einst Barack Obama prognostizierte, ist Biden der gesellschaftspolitisch wohl progressivste Präsident aller Zeiten. Hintergründe zur Thematik gibt es in einem eigenen Beitrag (Klick hier).

Außenpolitik: Allianz der Demokratien gegen Autokratien

Die USA haben sich unter Präsident Biden nach anfänglichen Startschwierigkeiten (Hintergründe klick hier) wieder zu einem verlässlichen Partner unter befreundeten Staaten entwickelt. In internationalen Organisationen haben die USA erneut eine Führungsrolle eingenommen. Präsident Biden arbeitet zudem seit Amtsbeginn aktiv an einer Allianz der Demokratien gegen Autokratien. Mit Antony Blinken hat Präsident Biden des Weiteren einen gewieften Karrierediplomaten als Außenminister installiert, der sein Handwerk bestens versteht.

Sicherheitspolitik: Bidens größte Schwäche

Die Sicherheitspolitik war in den ersten beiden Amtsjahren die Achillesferse von Präsident Biden. Zunächst erfolgte ein planloser und chaotischer Abzug aus Afghanistan. Eine schnelle Machtübernahme der Taliban, verbunden mit zahlreichen Toten, zurückgelassenen Hilfskräften sowie einer ausbaufähigen Kommunikation mit den Verbündeten sorgten für eine der dunkelsten Stunden in der außenpolitischen Geschichte der USA.

Schließlich zeigte Präsident Biden vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine folgenreiche Schwächen. Zunächst traf sich der US-Präsident ohne Vorbedingungen mit seinem russischen Amtskollegen Vladimir Putin. Ein Treffen, welches ergebnislos endete und den russischen Herrscher weltpolitisch unnötig aufwertete. Dann folgte die Aufgabe des Widerstandes gegenüber dem Bau der Gaspipeline NordStream 2.

Darüber hinaus wartete Präsident Biden mit einer fragwürdigen Kommunikation auf. In einer Pressekonferenz ließ Präsident Biden beispielsweise verlautbaren, dass es doch kein Problem sei, wenn Russland „kleine Gebiete“ der Ukraine besetzen würde:

Es ist eine Sache, wenn es sich um ein geringfügiges Eindringen handelt. Aber wenn sie tatsächlich das tun, wozu sie mit den an der Grenze zusammengezogenen Streitkräften in der Lage sind, dann wird das für Russland eine Katastrophe werden.

Präsident Biden am 19.01.2022

Die ukrainische Regierung zeigte sich ob solcher Aussagen schockiert:

Als die russische Invasion der Ukraine unmittelbar bevorstand, versuchte Präsident Biden mit Sanktionsdrohungen den Kreml einzuschüchtern – eine naive Strategie und eine komplette Fehleinschätzung des historisch gewachsenen russischen Imperialismus. Die vermehrte Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine schon vor Kriegsbeginn oder ähnliches hätte sicherlich abschreckender gewirkt.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind die USA jedoch der größte militärische Unterstützer der Ukraine. Bei der Lieferung von schwereren Waffen hielt sich Washington D.C. im ersten Kriegsjahr allerdings zurück. Präsident Bidens primäres Ziel ist es nämlich, dass sich der Krieg nicht auf NATO-Territorium ausweitet. Da der 46. US-Präsident dies wiederholt öffentlich verlautbaren ließ, kommunizierte Biden Putin gegenüber erneut Schwäche. Dass Präsident Biden erfolgreich eine Allianz der Demokratien gegen die russische Aggression gebildet hat, sicherte bislang das Überleben der ukrainischen Nation.

Umfragewerte: Auf Trump-Niveau

Präsident Biden begann seine Amtszeit mit durchschnittlichen Zustimmungswerten von 54,8 Prozent (Grafik). An Zustimmung einbüßen musste Präsident Biden nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan: Im Oktober 2021 stimmten nur noch 42,7 Prozent der US-Amerikaner mit der Arbeit ihres Präsidenten überein.

Im Sommer des vergangenen Jahres stürzte Präsident Biden sogar auf einen durchschnittlichen Zustimmungswert von 38,2 Prozent ab. Das Jahr 2022 beendete der 46. US-Präsident mit einer Zustimmung von 43,4 Prozent. Auch anhand der Beliebtheitswerte ist zu erkennen, dass die ersten beiden Amtsjahre von Präsident Biden ihre Höhen und Tiefen hatte.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
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