In den außenpolitischen Zielen setzte Joe Biden zu Beginn seiner Präsidentschaft auf Kontinuität zu seinen unmittelbaren beiden Vorgängern. Die USA sollten auch unter dem 46. US-Präsidenten ihren Blick verstärkt auf Asien richten. An der langfristigen „Hinwendung zu Asien“ (Präsident Barack Obama) hat sich auch nichts geändert. Doch das Hauptaugenmerk des politischen Tagesgeschäfts richtet sich einmal mehr auf Europa.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ließ die außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten der Biden-Administration zunichte machen. Fortan schrieben sich insbesondere Präsident Biden, Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Llyod Austin die Schaffung einer Koalition befreundeter Staaten zur Unterstützung der Ukraine auf ihre Fahnen.
Die Koordinierung militärischer Hilfen für Kyiv und umfassender Sanktionen gegenüber den russischen Aggressor bei gleichzeitiger Verhinderung der Ausbreitung des Krieges über die ukrainischen Landesgrenzen hinaus bestimmen seitdem die Agenda der letzten verbliebenen Supermacht. Im vierten Kriegsmonat nahm sich die Regierung Biden jedoch eine kurze Auszeit von den Geschehnissen auf dem alten Kontinent, um sich verstärkt den Herausforderungen auf anderen Kontinenten zu widmen.
Präsident Biden als Gastgeber des Amerika-Gipfels
Begab sich Präsident Biden Ende Mai noch auf seine erste Asienreise, agierte er zwischen dem 06. und 10. Juni 2022 als Gastgeber des neunten Gipfels der Organisation Amerikanischer Staaten in Los Angeles, Kalifornien. Da die USA die autoritären Staaten Kuba, Venezuela und Nicaragua nicht einluden, sagte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador seine Teilnahme ebenso ab wie der bolivarische Regierungschef Luis Arce und die honduranische Präsidentin Xiomara Castro sowie Vertreter weiterer Nationen.
Der Amerika-Gipfel war lediglich ein Gipfel von einigen Ländern Amerikas. (Politico)
Eine Begebenheit, welche für die Bestrebung der Biden-Administration, die illegale Migration aus Mittelamerika in die USA einzuhegen, einen weiteren Rückschlag bedeutete. Doch der Einsatz für die Werte der Demokratie und Freiheit haben für Präsident Biden einen höheren Stellenwert wie er auch bei seiner Eröffnungsrede deutlich machte.
Eine sichere und geordnete Migration ist gut für alle unsere Volkswirtschaften, auch für die Vereinigten Staaten. (Präsident Biden)
Letztendlich konnten sich dennoch zwanzig Länder auf eine, wenngleich wenig bahnbrechende, Erklärung zur Migration einigen. Die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern sollen verbessert, Aufnahmeländer verstärkt unterstützt, Arbeitsmigration erleichtert sowie illegale Einwanderung stärker bekämpft werden. Bei letzterem Punkt knüpfte Präsident Biden im weitestgehenden Sinne an seinen Vorgänger an:
Wir müssen die gefährlichen und illegalen Migrationswege stoppen. Dies ist nicht akzeptabel und wir werden unsere Grenzen sichern – auch durch innovative, koordinierte Maßnahmen mit unseren regionalen Partnern. (Präsident Biden)
Verteidigungsminister Austin beim Shangri-La Dialog
Nahezu zum gleichen Zeitpunkt machte sich Verteidigungsminister Austin auf die Reise nach Singapur zur wichtigsten Sicherheitskonferenz in der Region Asien-Pazifik, dem Shangri-La Dialog. Der vom International Institute for Strategic Studies ausgerichtete Gipfel, an dem 42 Nationen teilnahmen, fand erstmals seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie statt.
Im Mittelpunkt standen die sich immer weiter intensivierenden Spannungen zwischen den USA und China. Der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe und sein US-amerikanischer Amtskollege Austin telefonierten bislang erst einmal miteinander, in Singapur trafen sie sich erstmals persönlich. Ein Aufeinandertreffen, welches für Schlagzeilen sorgte, drohte Fenghe doch offen mit Krieg, sollte sich der Inselstaat Taiwan offiziell als unabhängig vom Festland erklären:
Falls es irgendjemand wagt, Taiwan von China zu trennen, wird die chinesische Armee definitiv nicht zögern – koste es, was es wolle – einen Krieg zu beginnen.
Die Republik China (Taiwan) ist seit dem chinesischen Bürgerkrieg und der Machtergreifung der Kommunisten über Festland China de facto unabhängig, wird jedoch von wenigen Ländern offiziell anerkannt und von der kommunistischen Volksrepublik als abtrünnige Provinz betrachtet. Die USA gaben Taipeh jedoch Sicherheitsgarantien gegenüber den imperialistischen Bestrebungen Pekings, welche Präsident Biden zuletzt mit Worten und weiteren Militärhilfen erneuerte. China erhöhte daraufhin verbal, wie nun Fenghe in Singapur, und Militärübungen das Säbelrasseln in der Region.
Vor diesem Hintergrund äußerte sich Austin beim Shangri-La Dialog kritisch über das aggressive Verhalten Chinas gegenüber Taiwan. Die Ziele des nachhaltigen Friedens und der Stabilität in der Pazifikregion gehörten für den pensionierten General zur Kernbotschaft gegenüber China, welches zuletzt auch immer aktiver um bilaterale „Sicherheitsabkommen“ mit pazifischen Ländern wie den Salomonen und Kambodscha geworben hatte.
Unsere Politik hat sich nicht geändert [die Ein-China-Politik; Anm. d. Verf.], aber das scheint leider nicht für die Volksrepublik China zu gelten. (Verteidigungsminister Austin)
Der ukrainische Präsident Wolodymir Zelensky adressierte virtuell ebenso den Shangri-La Dialog. Eine Ansprache, welche Verteidigungsminister Austin trotz seines Aufenthaltes in Asien daran erinnerte, dass die dringendste gegenwärtige Herausforderung in Europa auf die USA wartet. Präsident Biden wird infolgedessen schon am 25. Juni 2022 nach Bayern reisen, um auf Schloss Elmau dem G7-Gipfel beizuwohnen. Die US-Regierung konnte in den vergangenen Tagen somit nur eine kurze Auszeit vom europäischen Brandherd nehmen.
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