Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Donald Trump. Verlor Trump im Jahr 2020 noch als Amtsinhaber die US-Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden, deutet zu Beginn des Jahres 2024 vieles auf eine Wiederauflage des Duells der beiden mittlerweile im stark fortgeschrittenen Alter befindenden Politiker hin. Laut jüngsten repräsentativen Umfragen in den entscheidenden Swing States hat Trump trotz seiner politischen und moralischen Schuld rund um die Stürmung des Kapitols 2021 und der Verbreitung von Verschwörungstheorien zur Präsidentschaftswahl 2020 realistische Chancen auf eine Rückkehr in das Weiße Haus.
In (West-)Europa wurde diese Ausgangslage zu Beginn des langen Präsidentschaftswahljahres mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. In den Hauptstädten Europas, insbesondere in Berlin, fürchtet man sich regelrecht vor einem 47. US-Präsidenten Trump. Mit der Angst vor Wahlen im befreundeten Ausland stellt sich die politische Elite selbst ein Armutszeugnis aus. Es ist eine, von Medien zur Gewinnung von Reichweite befeuerte, Diskussion um einen möglichen Wahlsieg Trumps im November, um von eigenen Fehlern und Missständen abzulenken.
Netzwerk bilden
Anstatt wie ein „Kaninchen vor der Schlange zu verharren“, wie es Wolfang Ischinger (siehe untenstehendes Interview der WELT) ausdrückt, sollte sich Europa vielmehr auf eine mögliche zweite Amtszeit von Trump vorbereiten. Dabei gilt es sich besser mit republikanischen Kongressabgeordneten sowie mit Trumps Beratern zu vernetzen als dies noch 2016 der Fall war.
Dies gilt insbesondere dann, wenn deren politische Positionen diametral den eigenen Meinungen und Einstellungen gegenüberstehen. Die Kunst der Diplomatie besteht schließlich darin, die Argumentation des Gegenübers zu akzeptieren, zu verstehen und an Kompromissen zu arbeiten. Eine Qualifikation, die in den immer stärker polarisierenden Gesellschaften des freien Westens abhandenkommt.
Fehler eingestehen
Des Weiteren gehört zu einer Verbesserung der Beziehungen zu den USA, unabhängig von einer möglichen Rückkehr Trumps in das Weiße Haus, das Eingeständnis vergangener eigener Fehler. Beispielsweise hat die Historie gezeigt, dass die US-Präsidenten Barack Obama und Trump zu Recht vor einer zu großen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas warnten.
Ebenso lagen Republikaner richtig in ihrer Auffassung, dass durch das Atomabkommen mit dem Iran dem Mullah-Regime mehr monetäre Mittel zur Förderung von Terrororganisationen zur Verfügung stehen würden. Es folgte das größte Massaker an der jüdischen Bevölkerung seit dem Holocaust durch die vom Iran mitfinanzierte islamistische Hamas im Oktober 2023.
Nur wer die Vergangenheit aufarbeitet, kann daraus für die Zukunft lernen. Dafür müssten Deutschland und die Europäische Union jedoch ihre moralische Überlegenheit ebenso ablegen wie ihre eigene Bequemlichkeit.
Unterstützung für die Ukraine intensivieren
Negative Eigenschaften, die sich auch in Bezug auf die Unterstützung für die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen die Russische Föderation zeigen. Anstatt sich frei nach John F. Kennedy nicht ständig zu fragen, was die USA für die Ukraine tun sollten, sollten sich die Europäer die Frage stellen, wie man selbst das angegriffene Land besser unterstützen könnte.
Stattdessen werden nahezu endlose Debatten um die Lieferung von Kampfpanzer oder aktuell um Taurus-Marschflugkörper geführt. Dies, gepaart mit den Forderungen nach Verhandlungen mit dem Aggressor, unterstreichen die nach wie vor vorhandene Naivität und Illusion gegenüber einem historisch gewachsenen russischen Imperialismus. Nach dem Willen führender Sozialdemokraten solle die – gescheiterte – Entspannungspolitik sogar fortgesetzt werden.
Mehr militärische Eigenverantwortung übernehmen
Des Weiteren sollten schon alleine aus Eigenschutz die NATO-Mitgliedsländer, vorneweg Deutschland, das einst im Jahr 2002 (!) in Tschechien vereinbarte und in Wales 2014 nochmals konkretisiert festgeschriebene Ziel, innerhalb von zehn Jahren zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, erfüllen. Anstatt das eigene Militär, hierzu gehört auch die Cybersicherheit, zu stärken, trieb Berlin jahrzehntelang einen immensen Aufwand, um eben dies nicht zu tun.
Der einstige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel tat das vereinbarte NATO-Ziel mit den Worten ab, dass es ja ohnehin keine Bedrohung in Europa geben würde. Zwischen 2017 und 2021 wollte die Bundesregierung wiederum dem Drängen Trumps nach Erfüllung des Ziels nicht nachgeben. In der Ären Obama und Biden machte sich diesbezüglich zudem der in weiten Teilen Deutschlands grassierende Anti-Amerikanismus bemerkbar (siehe auch Reinhard Bingener, Markus Wehner: „Die Moskau Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“).
Demokratie stärken
Zu guter letzt gilt es, wie in den USA von Präsident Biden versucht, die Demokratie im In- und Ausland zu stärken. Neben der Stärkung der internationalen „Allianzen der Demokratien“ (Präsident Biden) bedeutet dies für Deutschland explizit weniger Scheindebatten zu führen. Vielmehr gilt es den Extremisten und Populisten durch nachhaltige, smart ausgearbeitete und gut kommunizierte politische Entscheidungen das Wasser von den Mühlen zu nehmen.
Das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) der deutschen Bundesregierung gehörte beispielsweise ebenso wenig dazu wie Hillary Clintons Ignoranz gegenüber den Problemen der Arbeiterschaft im Rust Belt während des Wahlkampfes 2016. Des Weiteren sollte ein gesunder Diskurs der verschiedenen demokratischen Meinungen gefördert werden und nicht von vornherein unliebsame Äußerungen und Forderungen als extremistisch, siehe jüngste Proteste der Landwirte, verunglimpft werden.
Fazit
Anstatt ständig vor einer möglichen weiteren Präsidentschaft von Trump zu warnen, vor Angst zu erstarren, sollten die politischen Eliten ihre nötigen Hausaufgaben vor der Amtseinführung eines neuen/alten US-Präsidenten machen. Hierfür ist qualifiziertes politisches Personal samt Mitarbeiterstab notwendig, welches sich auf die eigentlichen Herausforderungen fokussieren sollte anstatt sich auf die infantile Produktion schöner Bilder und emotionaler Videos mit moralischen Texten zu konzentrieren (siehe untenstehendes Video eines FDP-Bundestagsabgeordneten; Emilia Fester, Abgeordnete von Bündnis ’90/ Die Grünen, erlangte ebenso schon für ihre Tanzeinlagen zweifelhaften Ruhm).
Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl kann von Deutschland aus nicht beeinflusst werden – auch wenn dies in so einigen Medien oftmals den Anschein hat. In Bezug auf eine US-Präsidentschaftswahl bedeutet dies für die politisch Verantwortlichen, sich auf mögliche zukünftige unterschiedliche Administrationen vorzubereiten. Dass es hierbei ob der politischen Ausrichtung eines Kandidaten unterschiedliche Präferenzen gibt, ist selbstverständlich. Doch mit einer guten Vorbereitung wird das Gespenst in Form einer möglichen zweiten Präsidentschaft von Donald Trump ebenso in Europa wieder verschwinden wie einst der des Kommunismus.

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