Im Jahr 2004 stürmte Frank Schirrmacher (†2014) mit seinem Buch „Das Methusalem-Komplott“ die Bestsellerliste. Der einstige Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung thematisierte hierin die demographische Entwicklung Deutschlands. Die Gesellschaft der Bundesrepublik werde, so Schirrmacher, zunehmend vergreisen, da die Geburtenrate konstant deutlich unter der Reproduktionsrate von 2,1 Geburten pro Frau liege.
Schirrmacher löste mit seinem Werk eine so breite Debatte aus, dass er vom Medium Magazin zum Journalisten des Jahres gewählt wurde. Der Verdienst von Schirrmacher lag darin ein breiteres Publikum für eine langfristige politische und gesellschaftliche Herausforderung zu sensibilisieren. Insbesondere die Sozialsysteme und die Wirtschaft werden zukünftig vor enormen Problemen gestellt werden.
Knapp zwanzig Jahre später haben Lösungsmöglichkeiten zur Abfederung des demographischen Wandels zwar Einzug in Wahlprogramme und in die Berichterstattung erhalten. Doch nachhaltige Veränderungen sind bis dato nicht zu vermelden. Der Sozialstaat wurde weder demographiefest umgebaut noch ist eine Trendwende bei den Geburtenzahlen festzustellen. Im Jahr 2022 sank die Geburtenrate in Deutschland sogar auf 1,46 Kinder pro Frau. Gleichbedeutend mit 7% weniger Neugeborenen im Vergleich zum Vorjahr.
In den USA haben die Alten das politische Sagen
Das Durchschnittsalter der in Deutschland lebenden Bevölkerung stieg folglich auf 44,7 Jahre im Jahr 2021 an. Auch das Medianalter der US-Amerikaner ist zuletzt angestiegen, liegt allerdings mit 38,8 Jahren im Jahr 2021 deutlich unter dem deutschen Schnitt. Die politische Führung der USA macht hingegen dem Methusalem, der mit 969 Jahren als der Ur-Vater schlechthin im Alten Testament beschrieben wird, alle Ehre.
Freilich sind an dieser Stelle Präsident Joe Biden und dessen Vorgänger Donald Trump zu nennen, die mit 82 Jahren respektive 78 Jahren im Januar 2025 jeweils eine zweite Amtszeit im Weißen Haus anstreben. Dabei sollte für nur 3% der US-Amerikaner laut einer repräsentativen Umfrage des Pew Research Center der amtierende US-Präsident älter als 70 Jahre alt sein. Für eine relative Mehrheit der US-Amerikaner (49%) sollte der Hausherr von 1600 Pennsylvania Avenue indes zwischen 50 und 59 Jahren sein.
73% der US-Amerikaner sind der Meinung, dass Präsident Biden zu alt für eine zweite Amtszeit sei. 47% der US-Amerikaner denken dies über Trump.
Quelle: Repräsentative Umfrage von The Wall Street Journal.
Umfragen, die – theoretisch – Rückenwind für die Präsidentschaftskandidatur von Nikki Haley geben. Die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen und Gouverneurin von South Carolina würde nämlich einerseits am Tag ihrer möglichen Amtseinführung am 20.01.2025 53 Jahre alt werden. Andererseits thematisiert Haley das Problem einer alternden politischen Klasse unaufhörlich:
Der U.S. Senat ist das privilegierteste Pflegeheim im Land.
Nikki Haley bei Fox News.
Mitch McConnell und Dianne Feinstein als Negativbeispiele
Was bei einer oberflächlichen Betrachtung wie eine Altersdiskriminierung klingen mag, ist doch gut begründet wie im weiteren Verlauf an den U.S. Senatoren Mitch McConnell und Dianne Feinstein aufgezeigt werden soll. Der Gesundheitszustand von McConnell sorgte zuletzt sogar für Schlagzeilen über die Landesgrenzen der USA hinaus, als der seit 2007 amtierende republikanische Fraktionsvorsitzende bei Pressekonferenzen im Juli für 20 Sekunden und im August für 30 Sekunden erstarrte.
Ob es sich hierbei um die Folgen einer Gehirnerschütterung handelte, die McConnell nach einem Sturz im März 2023 erlitt, ist unklar. Das Büro von McConnell versucht so wenig wie möglich über den Gesundheitszustand des 81-Jährigen mitzuteilen. Hinter verschlossenen Türen soll es diesbezüglich auch schon Kritik von Parteikollegen gegeben haben, schließlich ist der seit 1985 amtierende McConnell als Minderheitsführer der mächtigste Republikaner im U.S. Senat. Zudem stellt sich für die Republikanische Partei die Frage, wie das Alter von Präsident Biden im Wahlkampf thematisiert werden kann, wenn die eigenen Führungsfiguren wie Methusalem wirken.
Ebenso wenig von der Macht lassen kann trotz voranschreitendem Alters und schwindender Kräfte die demokratische U.S. Senatorin Feinstein. Die 90-Jährige vertritt ihren Bundesstaat Kalifornien seit 1992 im U.S. Senat, zuvor war sie zwischen 1978 und 1988 als Bürgermeisterin von San Francisco tätig. Spätestens seit dem Jahr 2020 lässt ihre kognitive Leistungsfähigkeit spürbar nach.
Bei öffentlichen Anhörungen wiederholte Feinstein Fragen mehrmals, ohne zu wissen, dass sie diese Fragen schon stellte. Bei Abstimmungen ist Feinstein auf Hilfe ihrer Kollegen und Mitarbeiter angewiesen. Erst als die innerparteiliche Kritik an ihr größer wurde, zog sich Feinstein als Ausschuss-Vorsitzende zurück. Im Februar 2023 folgte sodann der unfreiwillige Verzicht auf eine erneute Senatskandidatur im Jahr 2024.
Haley polarisiert mit ihren Vorschlägen
Wie also umgehen mit mächtigen U.S. Senatoren, die schon seit Jahrzehnten immer wieder als Volksvertreter nach Washington D.C. entsendet werden, jedoch weder mit ihrem fortschreitendem Alter noch mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen verantwortungsbewusst umgehen? Zur Problemlösung hat Haley einerseits eine Ausweitung der Amtszeitbeschränkung, die bislang auf Bundesebene nur für den Präsidenten gilt, auf Mitglieder des U.S. Kongresses gefordert. Politische Karrieren der Bidens, Feinsteins oder McConnells wären damit ein Riegel vorgeschoben.
Andererseits sollte es laut Haley zukünftig mentale Tests für gewählte Politiker ab einem Alter von 75 Jahren in Washington D.C. geben. Ein Vorschlag, der für Kontroversen in den USA sorgte. Doch ist es letztendlich eine mögliche Problemlösung, die auch die Verzweiflung gegenüber das oftmals wenig durchdachte Wahlverhalten der Bevölkerung widerspiegelt wie Haley bei Face The Nation unterstrich:
Wir müssen damit aufhören, Personen zu wählen, die gut in Bildern aussehen oder die ein Baby gut halten können. Wir müssen damit aufhören Personen zu wählen, weil wir sie mögen und weil sie schon ewig da sind. Wir brauchen Amtszeitbeschränkungen, weil wir neue Ideen benötigen, neue Lösungen.
Nikki Haley bei Face The Nation auf CBS.
Ob der Appell von Nikki Haley an die Wählerschaft und an den U.S. Kongress fruchten wird? Die Zeit für Reformen drängt. Denn schon Frank Schirrmacher stellte in seinem Werk „Das Methusalem-Komplott“ fest, dass mit einer alternden Gesellschaft auch ein Clash of Generations einhergehen könnte.

Bildquellen: Creative-Commons-Lizenzen (via Google); Canva.com; eigene Grafiken.
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