Können Demokraten ihre knappen Mehrheiten in beiden Kammern des U.S. Kongresses verteidigen? Oder wird das Regieren für Präsident Joe Biden noch herausfordernder als ohnehin schon? Am Dienstag, 08.11.2022, entscheiden US-Amerikaner über genau diese Fragen. Auf deren Antworten könnte auf Grund der zu erwartenden hohen Briefwahlbeteiligung jedoch auf sich warten lassen. Im nachfolgenden Beitrag gibt es die Vorschau zur Wahl des Jahres mit vielen unaufgeregten, tiefgründigen Informationen.
Was sind Zwischenwahlen?
Bei den Zwischenwahlen, im Englischen als “midterms” bekannt, wird zu einem Drittel der U.S. Senat sowie das komplette U.S. Repräsentantenhaus neu gewählt. Des Weiteren finden zahlreiche Gouverneurswahlen sowie Voten auf Bundesstaatsebene statt. Die Zwischenwahlen finden alle zwei Jahre nach beziehungsweise vor einer Präsidentschaftswahl statt. Ein eigener Beitrag erklärt die Zwischenwahlen ausführlich (Klick hier).
Zwischenwahlen herausfordernd für Partei des Präsidenten
Bei Zwischenwahlen verliert in der Regel die Partei des Präsidenten. Seit dem Ende des US-amerikanischen Bürgerkrieges konnte diese lediglich in den Jahren 1934, 1998 und 2002 Sitze hinzugewinnen. Im U.S. Repräsentantenhaus hat die Partei des Präsidenten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges durchschnittlich 26 Sitze sowie im U.S. Senat im Durchschnitt vier Sitze verloren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Wähler der Partei, die gerade nicht den Präsidenten stellt, motivierter sind, an den Wahlen teilzunehmen.
Bei ihren ersten Zwischenwahlen haben die Präsidenten Ronald Reagan 26, Bill Clinton 52, Barack Obama 63 und Donald Trump 40 Sitze im U.S. Repräsentantenhaus verloren. Lediglich George W. Bush gewann acht Sitze hinzu – bei den Wahlen im Jahr 2002 solidarisierten sich US-Amerikaner nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 noch mit ihrem Commander-in-chief.
Wahlmathematik begünstigt Demokraten bei Senatswahlen
Bei den Wahlen zum U.S. Kongress treten insgesamt 55 Amtsinhaber nicht zur Wiederwahl an. Das U.S. Repräsentantenhaus verlassen definitiv 49 bislang amtierende Abgeordnete nach Ende der Legislaturperiode. Darunter gehen zehn Republikaner und 22 Demokraten in den Ruhestand. 17 Abgeordnete bewerben sich für ein anderes Amt.
Für den U.S. Senat werden 35 Sitze neu gewählt. Während Republikaner 21 Sitze verteidigen müssen, ist dies bei Demokraten nur bei 14 Sitzen der Fall. Sechs U.S. Senatoren treten nicht zur Wiederwahl an, davon gehören Fünf der Republikanischen Partei an. Die Wahlmathematik favorisiert also die Demokratische Partei. Über die wichtigsten Senatsduelle informiert ein eigener Beitrag (Klick hier).
Senatswahl verspricht Hochspannung
Gegenwärtig herrscht ein Patt im U.S. Senat vor, welches zugunsten der Demokraten durch Vizepräsidentin Kamala Harris aufgelöst werden kann. Gleichwohl die Wahlmathematik wie oben beschrieben die Demokratische Partei favorisiert, verspricht die Senatswahl Hochspannung. Republikanische Kandidaten konnten in den vergangenen Wochen in den Umfragen aufholen, die Wählermobilisierung wird letztendlich über die Kontrolle des U.S. Senats entscheiden. Viele repräsentative Umfragen rund um die Zwischenwahlen gibt es in einem eigenen Beitrag (Klick hier).
Inflation und Wirtschaft wichtigste Themen
Im September stiegen die Verbraucherpreise um 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Kernrate des Verbraucherpreisindex, sprich die Teuerung ohne volatile Preise für Energie und Nahrungsmittel, liegt mit 6,6 Prozent auf dem höchsten Niveau seit 40 Jahren. Die wichtigsten überregionalen Themen bei den diesjährigen Zwischenwahlen sind folgerichtig die Inflationsbekämpfung sowie die Wirtschaftspolitik.
Laut einer repräsentativen Erhebung von Morning Consult nennen explizit 81 Prozent der US-Amerikaner die Wirtschaftspolitik als wichtiges Wahlthema. 46 Prozent der US-Amerikaner vertrauen vor diesem Hintergrund in die wirtschaftspolitischen Lösungsansätze der Republikanischen Partei, 39 Prozent der Bevölkerung präferieren die Wirtschaftspolitik der Demokraten.
Die Inflationsbekämpfung wird von 80 Prozent der US-Amerikaner als bedeutend eingestuft. 61 Prozent der Bevölkerung denken, dass die Inflation weiter ansteigt. Als weitere wahlentscheidende Themen werden die Kriminalitätsbekämpfung (64 Prozent), das Abtreibungsrecht (59 Prozent), Recht auf das Tragen von Waffen/ Waffenkontrolle (57 Prozent) und Migration (55 Prozent) genannt. Die Abschlussargumente ausgewählter Politiker sind in einem eigenen Beitrag zusammengestellt (Klick hier).
Weitere Radikalisierung der GOP im Kongress erwartet
Von den insgesamt 552 republikanischen Kandidaten für den U.S. Kongress, Gouverneursposten sowie Secretary of State und Justizminister auf Bundesstaatsebene zweifeln 201 Republikaner die Legitimität der Präsidentschaftswahl 2020 an. Davon hinterfragten laut dem Cook Political Report 70 Prozent der republikanischen Kandidaten für den U.S. Kongress die Wahl Bidens zum Präsidenten. Zwei Drittel dieser Gruppe sind favorisiert ihre Wahlen zu gewinnen und als Abgeordnete nach Washington D.C. entsandt zu werden.
Des Weiteren wurden acht der zehn republikanischen Abgeordneten im U.S. Repräsentantenhaus, die nach der Stürmung des Kapitols für Trumps Amtsenthebung gestimmt haben, bei ihren innerparteilichen Vorwahlen geschlagen oder traten nicht zur Wiederwahl an. In der nächsten Legislaturperiode werden somit vor allem im U.S. Repräsentantenhaus vermehrt Republikaner zu finden sein, die loyal zu Ex-Präsident Trump stehen. Dies könnte wiederum eine Herausforderung für die Verabschiedung zukünftiger US-Hilfen für die Ukraine darstellen, wie ein eigener Beitrag herausgearbeitet hat (Klick hier).
Trumps Einfluss auf die Republikanische Partei
Ehemalige US-Präsidenten haben, insbesondere nach unmittelbarem Ausscheiden aus ihrem Amt, einen weiterhin großen Einfluss auf ihre Partei. Bei Trump ist dieser umso größer, da er im Jahr 2024 einen erneuten Anlauf auf das Weiße Haus wagen könnte. Seine Unterstützung war für zahlreiche Personen bei den innerparteilichen Senatsvorwahlen mitentscheidend, so dass sich teils prominente, teils umstrittene Kandidaten durchsetzen konnten (Weitere Informationen klick hier).
Bei den Vorwahlen zum U.S. Repräsentantenhaus unterstützte Trump 270 Kandidaten. Hiervon konnten sich 216 Republikaner durchsetzen, ein Drittel hiervon hatten keinen innerparteilichen Gegenkandidaten. 17 von Trump unterstützte Republikaner verloren ihre Vorwahlen.
EIn FünfteL der Kandidaten haben Militärerfahrung
21 Prozent der cirka 1.000 Kandidaten für den U.S. Kongress und für die Gouverneursposten weisen laut dem Pew Research Institute Militärerfahrung auf. Explizit dienten 191 der 858 Kandidaten für das U.S. Repräsentantenhaus im Militär. Die Republikanische Partei (29 Prozent) stellt mehr Kandidaten mit Militärgeschichte als die Demokratische Partei (15 Prozent). Um einen Senatorensitz bewerben sich insgesamt elf Kandidaten mit Militärerfahrung, sechs Kandidaten gehören dabei den Demokraten und Fünf den Republikanern an.
Hoffnung der Parteien liegt auf Ex-Präsidenten
Auf Grund der ausbaufähigen Umfragewerte für Biden nahm der amtierende Präsident nur an wenigen Wahlkampfveranstaltungen teil. Die demokratische Wählerschaft sollte primär durch den ehemaligen Präsidenten Obama motiviert werden, der in den vergangenen Wochen die Bundesstaaten Pennsylvania, Georgia, Wisconsin, Nevada, Michigan und Arizona bereiste.
Demokraten standen bei den Zwischenwahlen so stark unter Druck, dass Präsident Biden kurz vor dem Wahltag sogar eine Wahlkampfveranstaltung im liberalen New York für Gouverneurin Kathy Hochul abhalten musste. Auf republikanischer Seite nahm Trump ebenso einige Wahlkampftermine war.
Teurer Wahlkampf
Laut AdImpact haben die Parteien alleine für den Wahlkampf um das U.S. Repräsentantenhaus $1,3 Milliarden für Werbespots ausgegeben. Dies ist dreimal so viel wie im Jahr 2016. Demokraten investierten $702 Millionen und Republikaner $615 Millionen. Das teuerste Duell fand im 7. Distrikt von Michigan statt: Die demokratische Abgeordnete Elissa Slotkin ließ sich ihren Wahlkampf $20,8 Millionen kosten. Ihr Herausforderer Tom Barrett gab $12,9 Millionen aus.
Der mit Abstand größte Spender für die Demokratische Partei war George Soros, der mindestens $126 Millionen für deren Wahlkampf beisteuerte. Die größten Gönner für die Republikanische Partei waren Richard Uihlein und Kenneth C. Griffin, die jeweils $67 Millionen spendeten. Der gesamte Zwischenwahlkampf (alle Wahlen auf Bundes- und Staatsebene) dürfte Schätzungen von OpenSecrets zufolge $16,7 Milliarden gekostet haben.
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