Die gefährliche Fantasie einer Trump’schen Diktatur

Das antike Griechenland gilt als die Mutter aller Demokratien. Folgerichtig geht auch die Bezeichnung des politischen Systems der Volksherrschaft auf das Griechische zurück. „Demos“ bezeichnet das Staatsvolk, „kratos“ steht für Herrschaft. Der legendäre britische Premierminister Winston Churchill beschrieb die Demokratie einst als „die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Die Demokratie ist sicherlich nicht perfekt. Es ist jedoch das einzige politische System, welches funktioniert. Regelmäßig entscheidet das Volk, welche politischen Ideen aus einer Wahl erfolgreich hervorgehen. Neben den politischen Programmen spielen Rhetorik und das Auftreten der Kandidaten eine ebenso bedeutende Rolle.

Donald Trump verkörpert einen autoritären Stil. Er ist ein Populist, der jegliche politische Korrektheit über Bord geworfen hat. Im Jahr 2016 hat dies bei den Wählern, wenngleich lediglich auf Grund des besonderen US-amerikanischen Wahlsystems, verfangen. Bis zum 03. November diesen Jahres können sich US-Amerikaner eine weiterführende Meinung über Präsident Trump, dessen Errungenschaften und Auftreten bilden. Das Volk wird sodann entscheiden, ob es seine Wahl von vier Jahren bestätigt oder doch einen Wandel, hin zu einem ruhigeren, herkömmlicheren Politikstil, herbeisehnt.

Bis dahin gilt es für die Opposition, politische Beobachter und Medien die Arbeit der amtierenden Administration, wie es üblich ist in einer Demokratie, kritisch zu begleiten. Zum Wohle der Demokratie gilt es vor diesem Hintergrund Anstand zu wahren sowie, was die Arbeit der Medien betrifft, unaufgeregt und tiefgründig zu berichten.

Letzteres ist ist nicht immer so. Beispielsweise war es diskutabel wie Präsident Trump die Nationalgarde bei den Black Lives Matter Demonstrationen und den damit verbundenen Ausschreitungen einsetzte. Gleich von einer Militärdiktatur zu schreiben wie es Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in den USA, tat, wird den realen Ereignissen jedoch nicht gerecht.

Der Einsatz der Nationalgarde ist bei gegebenen Umständen nämlich das Recht eines jeden US-Präsidenten. Über den US-Präsidenten wacht zudem nachweisbar eine der weltweit besten demokratischen Verfassungen überhaupt. Theveßen verspielt mit solchen Aussagen das Vertrauen in seine Medienarbeit. Zukünftige – notwendige – Kritik gegenüber dem Amtsherrn von 1600 Pennsylvania Avenue wird hierdurch konterkariert.

The Lincoln Project, ein Zusammenschluss von Never Trump Republikanern (weitere Infos zu der Gruppe klick hier) knüpfte an Theveßens Aussage an. Auf Twitter ließ The Lincoln Project, welches offen für Joe Biden wirbt, verlautbaren, dass es im November eine Wahl „zwischen einem Präsidenten oder einem Diktator“gebe.

Gleichwohl Präsident Trump einen autoritären Stil pflegt und in Bezug auf einen ausgeweiteten Einsatz der Möglichkeit der Briefwahl eine undemokratische Einstellung an den Tag legt, ist er mitnichten ein Diktator. Ebenso wenig ist die US-Demokratie, nicht zuletzt auf Grund ihrer ausgeprägten Gewaltenteilung und -verschränkung, auf dem Weg in eine Autokratie.

Für einen weiteren streitbaren Vergleich sorgte in diesen Tagen ebenso die Süddeutsche Zeitung. Stefan Kornelius schaffte es in seinem Kommentar einen Zusammenhang zwischen den Protesten in der Republik Belarus, immerhin die letzte Diktatur Europas, der Nominierung von Kamala Harris als demokratische Vizepräsidentschaftskandidatin „für den Kampf gegen Donald Trump“ und der Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz zu ziehen:

Ob in Minsk, Berlin oder Washington: Schon lange nicht mehr war der Zauber des demokratischen Neubeginns so geballt zu spüren.

Demokratisch gewählte Populisten setzt Kornelius mit real existierenden Diktatoren gleich. So sehr Populisten, seit 2016 zumeist von Rechts erfolgreich, die demokratischen Institutionen belasten und von jedem Demokraten an einem weiteren Machtausbau mit legitimen Mitteln bekämpft werden müssen: Einen größeren Realitätsverlust, ein größeres Unverständnis für Menschen, die in einer Diktatur wie der des sowjet-nostalgischen Lukashenko-Regimes in Belarus leben, kann es nicht geben.

Wer einen demokratisch gewählten Präsidenten, egal wie polarisierend und autoritär dieser Auftreten mag, mit einem Diktator gleichsetzt, begibt sich letztendlich auf das gleiche Niveau wie die Person, an dem die eigentliche Kritik gerichtet ist.

Schon alleine vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Bilder aus Belarus, einem Land, in dem massenweise willkürliche Festnahmen und Folterungen an der Tagesordnung stehen, sollten Worte mit Bedacht gewählt werden. Ansonsten werden auch die größten Menschenrechtsverletzungen auf europäischem Boden seit Ende des Kosovo-Krieges relativiert. Die USA unter Präsident Trump sind ebenso weit von einem autoritären System entfernt wie Belarus unter Lukashenko von einer Herrschaft des Volkes.

 

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